Die Arbeit beschäftigt sich mit der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren (u.a. BGH IX ZR 167/16). Das Eigenverwaltungsverfahren wurde durch die Legislative nicht vollständig als selbständige Verfahrensart geregelt. Im Siebten Teil der Insolvenzordnung finden sich Modifikationen zum Regelinsolvenzverfahren, vgl. § 270 ff. InsO und insbesondere den Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO.
In der Arbeit werden die Definitionen und Intentionen der Eigenverwaltung und Masseverbindlichkeiten dargestellt. Zudem werden die Merkmale der Eigenverwaltung beschrieben. Anschließend werden die Begründung von Masseverbindlichkeiten und damit zusammenhängende Aspekte beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
II. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. DEFINITIONEN UND INTENTIONEN
2.1. DEFINITION DER EIGENVERWALTUNG
2.2. DEFINITION DER VORLÄUFIGEN EIGENVERWALTUN
2.3. ZWECK DER EIGENVERWALTUNG
2.4. DEFINITION VON MASSEVERBINDLICHKEIT
2.5. URTEIL BGHIXZR167/16
3. MERKMALE DER EIGENVERWALTUNG
3.1. RECHTSSTELLUNG DES SCHULDNERS
3.2. KERNAUFGABEN DES EIGENVERWALTENDEN SCHULDNERS
3.3. DIE STELLUNG DES SCHULDNERS IM ERÖFFNETEN VERFAHREN UND DESSEN GRENZEN
4. BEGRÜNDUNG VON MASSEVERBINDLICHKEITEN
4.1. IM ERÖFFNETEN VERFAHREN DER EIGENVERWALTUNG
4.2. IM ERÖFFNUNGSVERFAHREN
4.2.7. Analogie zu § 270b InsO
4.2.2. Ausgrenzung des Schuldners bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten
4.2.3. Begründung durch den Schuldner.
4.3. Haftungdes Schuldners
4.3.1. Keine Haftung des Schuldners
4.3.2. Haftung des eigenverwaltenden Schuldners
5. FAZIT
III. LITERATURVERZEICHNIS
IV. INTERNETQUELLENVERZEICHNIS
II. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das Thema dieser Seminararbeit lautet: „Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung - Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren (u.a. BGH IX ZR 167/16)“. Das Eigenverwaltungsverfahren wurde durch die Legislative nicht vollständig als selbständige Verfahrensart geregelt. Im Siebten Teil der Insolvenzordnung finden sich Modifikationen zum Regelinsolvenzverfahren, vgl. § 270 ff. InsO und insbesondere den Verweis in § 270 Abs. 1S.2 InsO1.
2. Definitionen und Intentionen
2.1. Definition der Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung zeichnet sich als eine Sonderform eines Insolvenzverfahrens dadurch aus, dass der Schuldner seine Verfügungsmacht im Unternehmen behalten kann. In der Grundkonstellation bleibt der Schuldner sein eigener Herr2 das heißt, er trifft die verfahrensleitenden Entscheidungen selbst3.
Somit handelt es sich im Normalfall um ein (Regel-)lnsolvenzverfahren mit der abweichenden Zuweisung der Befugnisse zugunsten des Schuldners4.
„Der Schuldner ist berechtig, unter Aufsicht eines sogenannten Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen“ (Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1, Insolvenzverfahren, heutiger Gesetzestext in § 270 Abs. 1S.1 InsO)5.
Es war zuvor in der Eigenverwaltung üblich, dass dem Schuldner zunächst ein vorläufiger Insolvenzverwalter an die Seite gestellt wurde, welcher bei der entsprechenden Notwendigkeit die Befugnis zur Belastung der Masse vom Gericht übertragen bekam6.
2.2. Definition dervorläufigen Eigenverwaltung
Die vorläufige Eigenverwaltung stellt das Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung dar, deckt also den Zeitraum zwischen Antragsstellung und dem gerichtlichen Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Damit wird die Begrifflichkeit im selben Sinne verwendet wie im normalen Insolvenzverfahren: Auch dort ist der skizzierte Zeitraum das Vorverfahren bzw. Eröffnungsverfahren. Logisch und zeitlich nachfolgend beginnt das eröffnete Verfahren bzw. Hauptverfahren mit dem Eröffnungsbeschluss, vgl. § 27 InsO7.
Mit der Vorschrift des § 270a InsO wurde ein spezifisches vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren eingeführt. Ziel ist es, die Verfügungsbefugnis beim Schuldner zu belassen und ihm die Macht über sein Unternehmen nicht wegzunehmen. Anwendbar ist das Verfahren der Eigenverwaltung für Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und für Selbstständige. Für den Verbraucher ist die Eigenverwaltung ausgeschlossen gern. § 270 Abs. 1 S. 3 InsO. Das Verfahren ist nicht ganz einfach, da dem Schuldner insolvenzrechtliche Kenntnisse abverlangt werden. Zudem muss er Zeitgleich die angestrebte Sanierung betriebswirtschaftlich umsetzen8.
2.3. Zweck der Eigenverwaltung
Der wesentliche Zweck drückt sich in den folgenden vier positiven Aspekten aus:9
1. Die Erfahrungen und Kenntnisse der bisherigen Geschäftsleitung können durch dieses Verfahren und den damit verbundenen Vertrauensbeweis in die handelnden Personen am besten und effektivsten genutzt werden.
2. Eine stets durch einen Fremdverwalter notwendige Einarbeitungszeit wird vermieden, was in der Folge zu schnelleren und richtungsweisenderen Entscheidungen im Sanierungsfall führt.
3. Die Kosten für das Verfahren liegen, unter denen eines Regelinsolvenzverfahrens und derAufwand wird, geringer eingestuft.
4. Die Intention der Legislative, einen Anreiz für eine möglichst frühzeitige Antragstellung zu verfolgen, kommt zum Ausdruck.
Vor allem der 4. Punkt, trägt der Idee der sanierungsfreundlichen Ausgestaltung Rechnung10. Die Vorbereitung eines Sanierungsprozesses bleibt der Schwerpunkt einer Eigenverwaltung, wobei die Wege in ein typisches Sanierungsverfahren als übertragende Sanierung sowie auch die Sanierung bestehenden Rechtsträgers im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens offenstehen11.
2.4. Definition von Masseverbindlichkeiten
Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die den Gläubigern eine berechtigte Besserstellung im Vergleich zu den übrigen Insolvenzgläubigern gewähren. Sie werden vorrangig bedient. Durch die Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, kann die Insolvenzmasse verpflichtend werden, wodurch bevorrechtigte Masseverbindlichkeiten entstehen12.
Über den Verweis auf die allgemein gültigen Regelungen in der Insolvenzordnung gern. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO, findet daher auch § 55 InsO Anwendung. Handlungen des Schuldners könnten daher in analoger Anwendung des § 55 Abs. 1 InsO, als Begründung von Masseverbindlichkeiten einzuordnen sein13.
Auf den vorläufigen Sachwalter ist die Regelung § 55 Abs. 2 InsO, wonach vom vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis übergegangen ist, begründete Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten, nicht anzuwenden. Das gilt vor allem deshalb, weil der Sachwalter im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren gerade nicht die Verfügungsbefugnis erhalten soll und damit als eine mit dem vorläufigen starken Insolvenzverwalter vergleichbare Person hier ausscheidet14.
2.5. UrteilBGHIXZR167/16
Der Schuldner begründet im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren auch außerhalb des Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO nur insoweit Masseverbindlichkeiten, als er vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt worden ist. Das hat der BGH mit dem Urteil vom 22.11.1018 (IX ZR 167/16: Vorinstanz OLG Jena ZIP 2016, 1741, dazu EWiR2016, 671 (Haneke/Debus)) entschieden. Ordnet das Insolvenzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung an, erlange der Schuldner das Recht, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie gleichsam als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten zu verfügen. Anders verhalte es sich im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren. In diesem Verfahrensabschnitt stehe dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen aus eigenem Recht zu, soweit das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Insolvenzspezifische Befugnisse seien dem Schuldner im Eröffnungsverfahren nicht zugewiesen. Soweit nach § 270 a Abs. 1 S. 2 InsO ein bestellter vorläufiger Sachverwalter dem späteren Sachverwalter gleichgestellt ist, lasse sich daraus nicht ableiten, dass auch die Rechtsstellung des Schuldners im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren derjenige im eröffneten verfahren entspricht. Dem praktischen Bedürfnis, dem Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Begründung von Masseverbindlichkeiten im erforderlichen Umfang zu ermöglichen könne dadurch Rechnung getragen werden, dass das Insolvenzgericht die notwendige Ermächtigung anordnet. Der BGH hat des Weiteren entscheiden, dass im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Bestimmung des § 55 Abs. 4 InsO nicht entsprechend anwendbar ist15.
3. Merkmale der Eigenverwaltung
Eine Eigenverwaltung setzt beiläufig voraus, dass es sich um ein Insolvenzverfahren eines lebenden Betriebs, bei der natürlichen Person um eine am Markt unternehmerischen tätigen Person geht, ansonsten gäbe es wenig eigenzuverwalten. Für das weitere Verständnis werden in diesem Abschnitt kurz die Hauptakteure der Eigenverwaltung mit dem jeweiligen Aufgabengebiet kurz dargestellt.
3.1. Rechtsstellung des Schuldners
Mit der gerichtlichen Anordnung im Regelfall der Eigenverwaltung erhält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, wobei zeitgleich ein Sachwalter bestellt wird. Diese doppelte Anordnung wird aus der Notwendigkeit des Schutzes des Vermögens für die Gläubiger erwachsen. Denn hier wird der ansonsten grenzenlosen Selbstverwaltung durch den Schuldner eine Kontrollinstanz vorgeschaltet. Die Abwägung zwischen Selbstverwaltung durch den Schuldner und der damit angestrebten bestmöglichen Gläubigerbefriedigung einerseits, gegen die Gefahr eines unfähigen oder eigennützigen Handelns des Schuldners andererseits, ergab die Figur des Sachwalters16. Die Gerichte müssen entscheiden, ob sie nach § 277 InsO einen Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters zu Geschaften des Schuldners anordnen.
[...]
1
2 So auch Foerste, ZZP 2012, 270, 279: Ein Sachwalter übt vor allem Überwachungsfunktionen aus
3 Klein/ Thiele, ZlnsO 2013, 2233, 2234
4 Vgl. Beck Kommentar InsO- Undritz, § 270 InsO, RdNR. 1.
5 Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1, Insolvenzverfahren, heutiger Gesetzestext in§270 Abs. 1S.1 InsO
6 Nöll, ZlnsO 2013, 745
7 https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/9-eigenverwaltung-l-die- vorlaeufige-eigenverwaltung-270a-inso idesk PI17574 Hlll601349.html (aufgerufen am 12.01.2020)
8 https://www.iuracademy.de/insolvenzrecht/vorlaeufige-eigenverwaltung.html (aufgerufen am 12.01.2020)
9 BT-Drucks. 12/2443, Vorbemerkung § 331 RegE., S. 223; Eine Skizze dieser Punkte findet sich auch bei Obermüller, ZlnsO 2011,1809,1814
10 So auch MüKo InsO-Wittig/Tetzlaff, Vorbemerkung vor §§ 279 bis 285 InsO, RdNr. 6; Beck- Kommentar InsO-Undritz, Vorbemerkungen §§ 270 ff. InsO, RdNr. 18
11 Herbst, in: Buth/Hermanns, RSI, § 28, RdNr. 110; Schwerpunkt, gerade nach Einführung ESUG und den damit verbundenen Zugangserleichterungen solle aber das Planverfahren mit Erhalt des Rechtsträgers sein, Lau, DB 2014,1417,1423
12 Vgl. §§ 52, 55 InsO und Paulus, Insolvenzrecht, § 2, RdNr. 25
13 Handlungen des Schuldners könnten ggf. auch unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative InsO („oder in andere Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden") subsumiert werden, da über die Paragraphenkette § 270 Abs. 1S.2 InsO gerade aufdie allgemeinen und obersten Ziele der Insolvenzordnung in§l InsO zurückgegriffen wird.
14 Oppermann/Smid, ZlnsO 2012, 862, 853, 864 und MüKo InsO-Kern, § 270a, RdNr. 42.
15 https://www.zip-online.de/heft-50-2018/zip-2018-a-97-2-bgh-zur-begruendung-von- masseverbindlichkeiten-in-vorlaeufiger-eigenverwaltung/ (aufgerufen am: 06.01.2020)
16 Näher FK-lnsO-Foltis, Voraussetzungen § 270 InsO, RdNr. 7