Die neutestamentlichen Wundergeschichten, die von den zahlreichen heilvollen Taten von Jesus berichten, werden in der Gegenwart häufig angezweifelt. In der vorliegenden Ausarbeitung soll es folglich darum gehen, diese stark diskutierte Thematik darstellen, um die Frage zur Historizität der Wundergeschichten Jesu zu beantworten.
In einem ersten Schritt soll daher der Wunderbegriff, zum einen im Hinblick auf die Gegenwart und zum anderen auf das Neue Testament bezogen, dargestellt werden. Daran anschließend wird eine Einteilung der verschiedenen Wundergeschichten, die sich an den Ausführungen von Gerd Theißen orientiert, vorgenommen. Auf Grundlage dessen wird in einem weiteren Schritt die Frage zur Historizität der Wundergeschichten Jesu thematisiert. Die Darstellung von verschiedenen Wunderinterpretationen soll aufzeigen, wie unterschiedlich die Wundertaten von Jesus erklärt werden können. Die Vorstellungen reichen hierbei vom übernatürlichen Eingreifen Gottes bis hin zu Interpretationen, die das Wunderbare in den Geschichten rational und nüchtern erklären. Den Abschluss bildet die Vorstellung von unterschiedlichen Wundertätern, die im Umfeld von Jesus ebenfalls gewirkt haben. Jesus war nicht der einzige Mensch, der damaligen Zeit, der Wunder vollbracht hat. Jedoch sind keine anderen Taten und Geschichten in dieser Häufigkeit überliefert worden. Nicht umsonst wird der Wunderbegriff von vielen Menschen gegenwärtig mit den Taten des Mannes aus Nazareth in Verbindung gebracht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsklärung und Definition
3 Gattungen von Wundergeschichten (nach Theißen)
3.1 Exorzismen, Therapien und Normenwunder
3.2 Geschenkwunder, Rettungswunder und Epiphanien
4 Frage zur Historizität der Wundergeschichten
5 Verschiedene Wunderinterpretationen
5.1 Supranaturalistische Wunderauslegung
5.2 Rationalistische Wunderauslegung
5.3 Mythische Wunderauslegung
5.4 Form- und religionsgeschichtliche Deutung der Wunder
6 Wundertäter im Umfeld von Jesus
7 Literaturverzeichnis
Einleitung
Die folgenden Ausführungen befassen sich mit den Inhalten des Vortrages zum Thema „Wunder Jesu – Hat Jesus Wunder gewirkt?“, der im Rahmen des Hauptseminars Jesus Mythen gehalten wurde.
In der Gegenwart wird bei jeder Gelegenheit, die nicht den normalen Umständen oder den Gewohnheiten entspricht, gleich von einem Wunder gesprochen. Hierbei wird die Dehnbarkeit des gegenwärtigen Wunderbegriffs sehr gut deutlich. Dabei haben die heutigen Auffassungen von Wundern nicht mehr viel mit den Wundertaten von Jesus gemeinsam. Die neutestamentlichen Wundergeschichten, die von den zahlreichen heilvollen Taten von Jesus berichten, werden in der Gegenwart häufig angezweifelt. In der vorliegenden Ausarbeitung soll es folglich darum gehen, diese stark diskutierte Thematik darstellen, um die Frage zur Historizität der Wundergeschichten Jesu zu beantworten.
In einem ersten Schritt soll daher der Wunderbegriff, zum einen im Hinblick auf die Gegenwart und zum anderen auf das Neue Testament bezogen, dargestellt werden. Daran anschließend wird eine Einteilung der verschiedenen Wundergeschichten, die sich an den Ausführungen von Gerd Theißen orientiert, vorgenommen. Auf Grundlage dessen wird in einem weiteren Schritt die Frage zur Historizität der Wundergeschichten Jesu thematisiert. Die Darstellung von verschiedenen Wunderinterpretationen soll aufzeigen, wie unterschiedlich die Wundertaten von Jesus erklärt werden können. Die Vorstellungen reichen hierbei vom übernatürlichen Eingreifen Gottes bis hin zu Interpretationen, die das Wunderbare in den Geschichten rational und nüchtern erklären. Den Abschluss bildet die Vorstellung von unterschiedlichen Wundertätern, die im Umfeld von Jesus ebenfalls gewirkt haben. Jesus war nicht der einzige Mensch, der damaligen Zeit, der Wunder vollbracht hat. Jedoch sind keine anderen Taten und Geschichten in dieser Häufigkeit überliefert worden. Nicht umsonst wird der Wunderbegriff von vielen Menschen gegenwärtig mit den Taten des Mannes aus Nazareth in Verbindung gebracht.
2 Begriffsklärung und Definition
Der Wunderbegriff ist in der gegenwärtigen Zeit ein sehr dehnbarer und ungenauer Begriff geworden. Dies zeigt sich in den verschiedensten Annahmen, wenn von einem Wunder gesprochen wird. Als Beispiele können an dieser Stelle Sportereignisse oder das Überleben von Menschen bei großen Naturkatastrophen genannt werden. Beim Wunder von Bern gilt der Weltmeistertitel der deutschen Fußballnationalmannschaft im Jahr 1954 gegen die favorisierten Ungarn als ein sportliches Wunder. Dies lässt sich damit erklären, dass niemand mit dem Sieg der Deutschen gerechnet hat. Hinsichtlich der Naturkatastrophen wird von einem Wunder gesprochen, wenn Menschen nach tagelangem Suchen noch lebend unter Schutt und Asche geborgen werden. Ein weiteres Beispiel, das die Dehnbarkeit und Willkür der Wunderbezeichnung aufzeigt, ist im Bereich der Schule zu finden. Es kommt nicht selten vor, dass Schülerinnen und Schüler nach einer Klausur ein schlechtes Gefühl hinsichtlich der Note haben. Hier wird dann von einem Wunder gesprochen, wenn die Klausur trotz großer Zweifel erfolgreich bestanden wird. Die Auswahl der Beispiele kann noch beliebig fortgeführt werden und soll daher exemplarisch aufzeigen, dass es das Wunder aus heutiger Sicht nicht geben kann.
Im eigentlichen Sinne spricht man von einem Wunder, wenn ein Sachverhalt gegen die bekannte Naturordnung verstößt und aus wissenschaftlicher Sichtweise nicht erklärbar ist (vgl. Kollmann 2002, S. 9). Demzufolge wäre es ein Wunder, wenn man beispielsweise einen Ball in der Luft loslässt und dieser nicht durch die Erdanziehungskraft nach unten fällt, sondern in der Luft schweben würde oder gar nach oben steigen würde. Jedoch ist es, aufgrund der Fortschritte in der Wissenschaft, gegenwärtig immer schwerer geworden von einem Wunder zu sprechen, da die Wissenschaft zuerst eine natürliche Erklärung sucht, bevor von einem Wunder gesprochen werden kann. Und die Möglichkeiten der Wissenschaft, einem außerordentlichen Ereignis auf den Grund zu gehen und es rational zu erklären, sind sehr weit fortgeschritten. Aus diesem Grund schlägt Bernd Kollmann vor, „in einem uneigentlichen Sinne“ (Kollmann 2002, S. 9) von Wundern zu sprechen. Demnach steht bei den meisten Aussagen bezüglich eines Wunders das Außergewöhnliche im Vordergrund (vgl. Weiser 1975, S. 9). Viele Menschen sprechen heutzutage von einem Wunder, wenn ein Ereignis den gewohnten Lauf der Dinge durchbricht. Desweiteren werden unerwartete Ereignisse, mit denen man nicht gerechnet hat, als Wunder bezeichnet. Oftmals sind hierbei Ausdrücke wie beispielsweise „Welch ein Wunder!“ oder „Das gibt es doch nicht!“ von den betroffenen Menschen zu hören. Die unterschiedlichen genannten Umschreibungen des Wunderbegriffs zeigen demzufolge deutlich, dass eine genaue Definition kaum möglich ist. Bernd Kollmann versucht dennoch den Wunderbegriff zu konkretisieren, indem er von einem „der kritischen Vernunft zuwiderlaufendes, die wissenschaftlich erfassbare Naturkausalität durchbrechendes Ereignis“ (Kollmann 2002, S. 10) spricht.
Im Neuen Testament lassen sich ähnliche Parallelen hinsichtlich der genauen Definition eines Wunders finden. Die griechische Sprache kennt keinen einheitlichen Wunderbegriff, sondern hält viele Wörter bereit, die sich inhaltlich voneinander unterscheiden (vgl. Kollmann 2002, S. 10 f). Im Neuen Testament wird eine Auswahl der Wörter getroffen und aufgrund dessen kommen mehrere Bezeichnungen für Wunder vor. Die Begrifflichkeiten haben jeweils eine besondere Sinnfüllung und werden dementsprechend den verschiedenen Wundertaten Jesu zugeordnet. Im Rahmen des Vortrags sollen daher die vier Begriffe aufgezählt werden, die im Neuen Testament am häufigsten genannt werden. Dynamis kann als Machttat umschrieben werden und steht für „das Moment des personalen Machterweises Jesu“ (Kollmann 2002, S. 11). Der Begriff semeion soll aufzeigen, dass die von Jesus vollbrachten Wunder als ein Zeichen anzusehen sind. Demnach stehen diese Wunder als eine Art Vorboten für etwas noch Größeres. Der griechische Fachbegriff teras kann unter anderem mit „göttliches Vorzeichen“ übersetzt werden und tritt nur in Verbindung mit dem Begriff semeion, unter der Bezeichnung semeia kai terata, auf. Der letzte der vier Begriffe, ergon, soll die Wunder Jesu als von ihm vollbrachte Werke beschreiben.
Hinsichtlich der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die allesamt mit dem Wirken und den Wundern Jesu in Verbindung stehen, muss darauf hingewiesen werden, dass die Taten nicht isoliert dar stehen dürfen (vgl. Kollmann 2002, S. 11). Demzufolge stehen die Wundertaten Jesu nicht im Mittelpunkt und sollen ihn nicht als Wunderheiler verherrlichen, sondern sie müssen immer im Zusammenhang mit Gott gesehen werden.
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