Im Rahmen der Hausarbeit wird untersucht, inwieweit die Hip-Hop-Kultur als Wissenskultur aufgefasst werden kann und wie sie sich vor allem durch kollektives Wissen und eine szenenspezifische Sprache von der Gesamtgesellschaft abzuheben vermag. Neben der Wissensproduktion und -weitergabe werden Denk- und Deutungsmuster untersucht, die in dem sozialen Gefüge und aus Interaktionen innerhalb der Szene heraus entstehen, weitergegeben werden und in enger Verbindung zu den szeneeigenen Werten stehen.
Auch soll gezeigt werden, dass die Hip-Hop-Kultur seit ihrer Entstehung soziokulturelle Eigenheiten und Strukturen herausgebildet hat, die sie in vielerlei Hinsicht für Außenstehende unverständlich machen und eine gewisse Abgrenzung von und Inkompatibilität mit der Gesamtgesellschaft bzw. anderen gesellschaftlichen Teilbereichen bewirken. Es muss zu Beginn bereits darauf hingewiesen werden, dass es nicht die eine Hip-Hop-Kultur gibt, sondern viele verschiedene Hip-Hop-Künstlerinnen und Künstler, die einen gemeinsamen Nenner haben und sich in lokalen Hip-Hop-Szenen zusammenfinden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Verständnis von Wissenskulturen
3. Grundzüge der Hip-Hop-Szene
3.1 Ursprung und Entwicklung
3.2 Distinktionsmerkmale und szeneübergreifende Auswirkungen
4. Hip-Hop-Szene als Wissenskultur
4.1 Bedeutung des kollektiven Wissens
4.2 Habitus, Normen und Konventionen
4.3 Ideale und Wertekanon
4.4 Denk- und Deutungsmuster
4.5 Sprache und Symbole
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Hip-Hop ist eine der größten und langlebigsten kulturellen Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte und entwickelte sich zu einer Subkultur der urbanen Jugend, die vor keinen Ländergrenzen Halt machte. Zu Beginn der 1970er Jahre auf den Straßen der New Yorker Bronx, einem der ärmsten Ghettos der USA, entstanden, verbreitete sich Hip-Hop von der Ost- und Westküste der USA nach Europa, Asien und Lateinamerika und prägt seit über 20 Jahren jugendkulturelle Stile überall auf der Welt. Trotz der weltweiten Vermarktung und Kommerzialisierung der Rap-Musik und Mode blieben die Wurzeln der Szene bis heute erhalten und äußern sich noch immer im unverkennbaren Lebensstil, in der Sprache und Symbolik, aber auch in den Normen, Idealen und Konventionen, die alle, die Teil der Szene werden wollen, gut verinnerlicht haben sollten. Keine andere Jugendkultur drückt in den letzten Jahrzehnten das Lebensgefühl der verlassenen und vergessenen Jugendlichen besser aus als Hip-Hop, „jene Kunstform, wo mit Worten, Tanzfiguren oder Wandmalereien gekämpft wird statt mit Fäusten und Waffen (…)“ (Klein 2003: 9). Hip-Hop war und ist bis heute Sprachrohr für Jugendliche und verschiedene ethnische Minderheiten weltweit und hat sich im Laufe der Jahre in vielerlei Hinsicht angepasst und ausdifferenziert.
Im Rahmen der Hausarbeit soll untersucht werden, inwieweit die Hip-Hop-Kultur als Wissenskultur aufgefasst werden kann und wie sie sich vor allem durch kollektives Wissen und eine szenenspezifische Sprache von der Gesamtgesellschaft abzuheben vermag. Neben der Wissensproduktion und -weitergabe werden Denk- und Deutungsmuster untersucht, die in dem sozialen Gefüge und aus Interaktionen innerhalb der Szene heraus entstehen, weitergegeben werden und in enger Verbindung zu den szeneeigenen Werten stehen. Auch soll gezeigt werden, dass die Hip-Hop-Kultur seit ihrer Entstehung soziokulturelle Eigenheiten und Strukturen herausgebildet hat, die sie in vielerlei Hinsicht für Außenstehende unverständlich machen und eine gewisse Abgrenzung von und Inkompatibilität mit der Gesamtgesellschaft bzw. anderen gesellschaftlichen Teilbereichen bewirken. Es muss zu Beginn bereits darauf hingewiesen werden, dass es nicht die eine Hip-Hop-Kultur gibt, sondern viele verschiedene Hip-Hop-Künstlerinnen und Künstler, die einen gemeinsamen Nenner haben und sich in lokalen Hip-Hop-Szenen zusammenfinden.
Bezug genommen wird für die Untersuchung überwiegend auf Gabriele Kleins kulturtheoretische Abhandlung zur Hip-Hop-Szene „Is this real?“ aus dem Jahr 2003, in der die Ergebnisse eines Forschungsprojektes gebündelt werden, das Teil des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Theatralität. Theater als kulturelles Modell in den Kulturwissenschaften“ war. Außerdem wird eine ethnologische Feldstudie von Lorenz Khazaleh herangezogen, die ein recht akkurates und anschauliches Bild der Hip-Hop-Szene in Basel im Jahr 2000 zeichnet, zu einer Zeit, in der diese sich international noch nicht sehr stark durchgesetzt hatte. In der Feldstudie trat Kazelah in direkten Kontakt mit Akteuren aus der Szene, weshalb diese sich gut als Ergänzung zu der eher wissenschaftlich-theoretischen Abhandlung Kleins eignet. Für einen Bezug auf die zeitgenössischen Hip-Hop-Szenen werden aktuelle Rap-Texte und Interviews herangezogen. Die Arbeit gliedert sich in drei Teilbereiche, wobei zunächst auf das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis einer Wissenskultur eingegangen wird, dann eine kurze Herleitung und Hinführung zur Hip-Hop-Szene und deren Ursprüngen erfolgt, um daran anschließend gezielt auf die Merkmale einzugehen, die die Hip-Hop-Kultur zu einer Wissenskultur machen könnten. Im Fazit folgen dann eine abschließende Beurteilung und kritische Bewertung sowie ein Ausblick mit Fokus auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen der Szene.
2. Verständnis von Wissenskulturen
Der Arbeit liegt ein breites Verständnis von Wissenskulturen zugrunde, das angelehnt ist an die Definitionen von Hauptmann 2002, Keller/Poferl 2018 und Knorr Cetina 2002/2018. Wissenskulturen werden demnach zunächst als Ordnungen und Dynamiken kollektiver Handlungsketten verstanden (Hauptmann 2002: 63, zit. nach Knorr Cetina 1999/2002), die sich von der Gesamtgesellschaft durch eigene Sprache, Praktiken, Denk- und Deutungsmuster, Wertvorstellungen sowie eine gemeinsame Wissensbasis, auch in Form eines kollektiven Gedächtnisses, abgrenzen lassen. Um untersuchen zu können, ob die Hip-Hop-Szene als Wissenskultur verstanden werden kann, werden Wissenskulturen in Anlehnung an Knorr Cetina (2002/2018) darüber hinaus als je spezifische Arten und Weisen der Herstellung von Wissen verstanden, wobei wissenschaftliches Wissen hierbei in den Hintergrund rückt. Knorr Cetina begrenzt ihren Begriff der Wissenskultur nicht allein auf die Wissenschaft, sondern lässt es zu, diesen auch auf andere Teilbereiche der Gesellschaft anzuwenden. „In der potentiellen Übertragbarkeit auf andere gesellschaftliche Wissensproduktionsbereiche dürfte begründet sein, wieso Knorr Cetina den Begriff Wissenskulturen und nicht Wissenschaftskulturen verwendet.“ (Hauptmann 2002: 64). Wissenskulturen werden grundsätzlich als Kulturen der Erzeugung, Bewertung und Rechtfertigung von Wissen begriffen (vgl. Knorr Cetina 2018), die in „soziohistorisch konkreten Formen, Ordnungs- und Handlungsmustern zum Ausdruck kommen und in Erscheinung treten“ (Keller/Poferl 2018: 25). Für die Untersuchung wird dabei angenommen, dass die Mitglieder der Hip-Hop-Szene auch durch soziale Interaktion innerhalb der Szene anderen Konstruktionsleistungen von (sozialer) Wirklichkeit (vgl. Berger/Luckmann 1972) unterliegen als Personen außerhalb der Szene und daher auch anders Wissen produzieren und austauschen. Wie auch bei der (sozial)wissenschaftlichen Wissensproduktion (vgl. Keller/Poferl 2018: 10) wird also angenommen, dass sich auch die Wissensproduktion in der Hip-Hop-Szene in einem konkreten Set von Denkstilen, Handlungsanweisungen und in der Sprache der Szenenanhänger äußert. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den unterschiedlichen Wissensformen, die innerhalb der Szene auszumachen sind.
Dass es sich bei der Hip-Hop-Szene um eine kulturelle Bewegung handelt, ist allgemein anerkannt und muss daher nicht weiter ausgeführt werden. „Spezifische Kulturen entstehen, wenn Bereiche der sozialen Welt sich voneinander separieren und sich über längere Zeiträume vorwiegend auf sich selbst beziehen; anders ausgedrückt, sie gedeihen in selbstreferentiellen Systemen, deren Teilnehmer sich mehr aneinander und an früheren Systemzuständen als an der Umwelt orientieren.“ (Knorr Cetina 2002: 12f.). Dass dies für die Hip-Hop-Szene zutrifft, geht recht eindeutig aus der Arbeit hervor. Warum die Hip-Hop-Szene auch als Wissenskultur gedeutet werden könnte, erscheint dagegen noch plausibler, wenn der Begriff des „Wissens“ nicht lediglich als Bestand von Fakten, Theorie und Regeln verstanden wird, von deren Gültigkeit ausgegangen wird, sondern unterschiedliche Wissensformen berücksichtigt werden, die unter anderem in Bezug auf Brendel 2013 im Verlauf der Arbeit weiter ausgeführt und konkret auf die Hip-Hop-Szene angewendet werden. Wissen wird zunächst grundsätzlich als kognitives Orientierungsschema eines Kollektivs (in dem Fall die Hip-Hop-Gemeinschaft) verstanden, das sich den spezifischen Gegebenheiten verdankt, in die dieses Kollektiv eingebunden ist und einen integralen und zugleich konstitutiven Bestandteil ihrer „Lebenswelt“ (Berger/Luckmann 2003: 17, 22) darstellt (vgl. Spitzmüller 2009). Das jeweils gültige „Wissen“ hängt somit stark von den Gegebenheiten der spezifischen Lebenswelt (d. h. der jeweiligen Hip-Hop-Szene) ab und schafft Orientierungsrichtlinien, die auf die Bedingungen der jeweiligen Lebenswelt ausgerichtet sind.
3. Grundzüge der Hip-Hop-Szene
3.1 Ursprung und Entwicklung
Die Hip-Hop-Kultur hat ihren Ursprung in einem armen Stadtteil von New York, wo sie zu Beginn der 1970er Jahre zunächst als Jugendkultur ethnischer Minderheiten in Form von Straßenmalereien, sogenannten „Graffitis“ und Tänzen, dem sogenannten „B-Boying“ oder Breakdance ausgelebt wurde, die bis heute beide zu den integralen Bestandteilen des Hip-Hop zählen. In der South Bronx wird das Breakdancing später unter den Vorgaben des DJ und des rappenden MCs bei sogenannten „block parties“ zu Wettbewerben zwischen einzelnen Personen oder Gangs ausgebaut, worin der bis heute in der Hip-Hop-Szene bestehende und äußerst relevante Wettbewerbscharakter erkennbar wird. Das „MCing“ und „DJing“ zählt ebenfalls zu den ursprünglichen und integralen Bestandteilen des Hip-Hops. Der Master of Ceremony (MC) motivierte die Tänzer ursprünglich über Sprecheinlagen zum Weitermachen und entwickelte sich später zum Moderator von sogenannten Rap-Battles, in denen er auch selbst als Rapper auftreten konnte. Das „Rapping“ selbstgereimter Verse geht auf westafrikanische Kulturen zurück und ist ein Sprachspiel voller ironischer Übertreibungen, Wortspiele und Slang-Fragmente, „bei dem nicht nur rhythmisch gesprochen, sondern auch mit Tempo, Tonhöhe und Klangfarbe gespielt wird“ (Klein 2003: 15). Durch die Einfachheit der Begleitung bzw. des Beats liegt der Fokus anders als in anderen Musikrichtungen klar auf dem Text. „Rap“ ist ein Slangausdruck für „predigen“, weshalb Rapper auch als moderne „Prediger“, Geschichtenerzähler oder Großstadt-Poeten bezeichnet werden (vgl. Khazaleh 2000). Wertgelegt wird dabei auf die lebendige Interaktion zwischen DJ, MC und dem Publikum. Der „old school rap“ aus den 80er Jahren geht später in subkulturellen Milieus außerhalb von New York in die „new school“ über. Dabei zeigen sich erste Veränderungen in der Art des Raps, der zunehmend politisch wird und beispielsweise von der ausweglosen Situation schwarzer Jugendlicher, Rassismus oder Gewalt erzählt. Diese zum Teil starke politische Ausrichtung hat sich bis heute in vielen Rap-Subgenres gehalten. Der heute ebenfalls anzutreffende „Gangsta-Rap“ entstand zeitgleich an der Westküste, angeführt von Rappern wie „Ice Cube“ oder „Ice T“. Bald darauf folgte die Kommerzialisierung des Rap, als dieser von der Musik- und Filmindustrie entdeckt wird.1 Als historischer Ursprung können auch die „urban dance parties“ der 70er Jahre angesehen werden, bei denen DJs „über ihre herkömmliche Rolle als Plattenaufleger hinauswachsen und selbst Musik produzieren, indem sie Platten manuell bewegen und mit Hilfe mehrerer Plattenspieler verschiedene Sounds ineinander mixen“, was der Musik eine individuelle Note verleiht (Klein 2003: 15). Darin äußerte sich bereits die Kreativität, die zu einem der bedeutsamsten Qualitätsmerkmale in der Hip-Hop-Szene wurde. Unter Kreativität, die auch beim Breakdance oder Graffiti-Sprayen entfaltet wird, wird dabei die freie, ungehemmte Äußerung der eigenen Einstellungen, Erfahrungen und Gefühle verstanden, die auch in den Rap-Songs verarbeitet werden.
Hip-Hop hat sich unter sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen entwickelt, die in der Form heute nicht mehr anzutreffen sind. Vor allem Schwarze und Ausländer aus den untersten sozialen Schichten fanden in ihm neue Ausdrucksformen für das schwierige Leben im Kreislauf von Jugendarbeitslosigkeit, Kriminalität und Drogenabhängigkeit und er ermöglichte es ihnen, ihre sozialen Erfahrungen in einen ästhetischen Ausdruck zu formen. „Rap ästhetisiert die sozialen Erfahrungen der marginalisierten, entfremdeten und rebellierenden schwarzen Jugendlichen im urbanen Raum des postindustriellen Amerika“ (Rose 1994: 19). Vor allem der Rap als zentrales Ausdrucksmittel stellte damit ein ästhetisches Medium des Widerstandes gegen die prekären Verhältnisse dar, indem er den Jugendlichen als Sprachrohr eine Stimme verlieh. Dieser Widerstand richtete sich dabei gegen alles, was als ungerecht empfunden wurde, wozu nicht zuletzt die Bevorteilung der weißen Bevölkerung sowie Diskriminierung und Polizeigewalt gegenüber Schwarzen zählten. Auch die Arten der Körperverwendung wie zum Beispiel beim Breakdance können als Antwort auf die Erfahrungen urbanen Lebens in postindustriellen Gesellschaften gedeutet werden. Verschiedene subkulturelle Szenen bildeten sich in Lagerhallen und leerstehenden Häusern, in Parks und Turnhallen, auf Sportplätzen, Müllhalden und natürlich der Straße. „Entstanden als eine Straßenkultur von schwarzen Ghetto-Jugendlichen diffundiert Hip-Hop [dann] allmählich in die Kultur von Weißen und wird kommerzialisiert.“ (Klein 2003: 57). Damals konnte Hip-Hop folglich noch als kulturelle Praxis bezeichnet werden, die half, in der „harten und anonymen Welt“ im ärmsten Stadtteil von New York City zu überleben (vgl. Klein 2003: 22). Es ging dabei vor allem um Freundschaften, Gemeinschaft und Zusammenhalt. Hip-Hop konnte als Zufluchtsort für Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen und als Selbsthilfe-Bewegung verstanden werden. „Es war ein Verzweiflungsschrei“, erinnert sich der „Sprüher“ Kron. „Wir wollten sagen, uns gibt es auch noch.“ (Khazaleh 2000: Interview mit Black-Tiger). Bis heute wird Hip-Hop vorwiegend mit den negativen Merkmalen seines Entstehungsorts, dem Ghetto, und mit dem, was dazugehörte, in Verbindung gebracht: Mit Gewalt, Drogen und Kriminalität, weniger mit Protest gegen ungerechte Verhältnisse. Dazu tragen auch die Medien bei, die vor allem von den Schattenseiten, Skandalen und damit dem destruktiven Charakter der Hip-Hop-Kultur berichten, weniger von Hip-Hop als Entfaltungsmöglichkeit, seinen künstlerischen Ausdrucksformen und gemeinschaftlichen Aktivitäten.
3.2 Distinktionsmerkmale und szeneübergreifende Auswirkungen
Hip-Hop steht als „hybride Kultur“ im kulturellen Spannungsfeld zwischen seinen Ursprüngen als afroamerikanische „Ghetto-Kultur“ und lokaler Kulturtraditionen sowie zwischen medial vermittelter, US-amerikanischer Popkultur und der Herkunftskultur der Jugendlichen (vgl. Klein 2003: 8). Daraus entwickeln sich Adaptionen innerhalb der Szene je nach lokaler Kultur, in die die globale Hip-Hop-Kultur eingebunden wird. Diese Neukontextualisierung steht wiederum den medial vermittelten Images gegenüber, die ein global weitestgehend einheitliches Bild vom Hip-Hop zeichnen. „Globalität und Lokalität, Homogenität und ethnische Differenz, Mainstream und Subkultur sowie Overground und Underground bilden die spannungsreichen Pole“ der Hip-Hop-Szene (Klein 2003: 18), die nach immer neuen Aushandlungsprozessen verlangen. Auch kennzeichnend für die Hip-Hop-Kultur sind Ethnizität, Authentizität, Ritualität und Performativität, deren Bedeutung im Verlauf der Arbeit noch erläutert wird. Zu den Merkmalen, die an der Hip-Hop-Szene oftmals sehr kritisch betrachtet werden, gehört die wertkonservative und traditionelle Ausrichtung, die zwar einerseits dazu beiträgt, dass die Identität der Szene mit ihren Werten, Normen und Konventionen erhalten bleibt, andererseits aber auch heteronormative, sexistische und homophobe Tendenzen bestärkt und erhält. Es ist offenkundig, dass die Mitglieder der Hip-Hop-Gemeinschaft überwiegend männlich sind, wodurch der Gemeinschaft als solcher auch „typisch“ männliche (bzw. als solche empfundene) Ideale und Wertvorstellungen zugrunde liegen, die je nach kultureller Ausprägung bis zu hegemonialer Männlichkeit führen können. Als eine Folge davon kann die Verherrlichung von Gewalt und Drogenkonsum angesehen werden, die sich bis heute in einer Vielzahl der Texte äußert, ohne dass entsprechende Praktiken auch nur ansatzweise im gleichen Maße praktiziert werden wie in den Ghettos, in denen Hip-Hop entstanden ist. Obwohl vereinzelt auch Frauen in der Szene erfolgreich sind, ändert dies nichts an den grundsätzlich patriarchalisch geprägten Strukturen der Szene. Vor allem in Musikvideos werden Frauen oftmals sehr aufreizend dargestellt und objektifiziert. Was sich daraus konkret für Konsequenzen ergeben, wird im Rahmen der Denk- und Deutungsmuster thematisiert. Hip-Hop ist gekennzeichnet durch Grenzüberschreitungen und soziale Tabubrüche, auch durch die oftmals sehr vulgäre Sprache, mit der sich klar von „gehobeneren“ Klassen bzw. konservativen Gruppen distanziert und abgegrenzt wird. Erzählungen von illegalen Geschäften als notwendigem Mittel im „Überlebenskampf“ und von „drive by shootings“, mit denen verfeindete „Gangs“ aus dem Weg geräumt werden, sind die Regel, was sich bis heute nicht verändert hat. Vor allem im sogenannten „Gangsta-Rap“ wird von dem harten Leben im Ghetto, alltäglichen, rassistischen Übergriffen der Polizei und Drogenkriegen der Gangs erzählt.2
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1 1988 startet der Musiksender MTV in den USA seine erste Hip-Hop-Sendung „Yo! MTV Raps!“, die zu einem durchschlagenden Erfolg wird (vgl. Klein 2003: 17).
2 Eindrückliche Beispiele liefern die Rapper „Farid Bang“, „Haftbefehl“, „Kollegah“ oder „Gzuz“ sowie die „187 Strassenbande“.