Es ist offensichtlich, dass sich bei Bundestagsdebatten konfligierende Parteien gegenüberstehen. Doch worin liegt bei der Debatte vom 20.12.2019 um die Bewaffnung unbemannter Flugkörper der Konflikt? Geht es um Werte oder Interessen? Wie wirkt sich der Wunsch nach Machtgewinn oder -erhalt auf die Argumentationsketten und Abstimmung aus? Welches Motiv verfolgen die Abgeordneten? All diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen, um schließlich die zentrale Frage beantworten zu können: Inwiefern liegt in der Bundestagsdebatte vom 20.12.2019 über die Bewaffnung oder Ächtung bewaffneter Drohnen im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein Wertekonflikt zwischen den Abgeordneten der Parteien vor?
Inhalt
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Genderneutralitäshinweis
Inhalt
1.Einleitung
1.1 Verlauf der Arbeit
1.2 Klärung und Abgrenzung zentraler Begrifflichkeiten
2. Forschungsstand
3. Methodik
3.2 Theoretische Grundannahmen
4. Auswertung und Interpretation der Qualitativen Inhaltsanalyse / des Analysegegenstands
5. Konfliktanalyse
5.1 Konfliktgegenstand
5.2 Konfliktparteien
5.3 Konflikttyp und Konflikthistorie
5.4 Konfliktaustragungsform
5.5 Potentielle Institutionen der Konfliktbewältigung
6. Fazit
C. Literaturverzeichnis
D. Anhänge
Annex I – Tabellarische Darstellung des Kodierleitfadens
Annex II – Übersicht über das Auftreten von Kodierungen
Annex III – Abstimmungsergebnisse
Annex IV – Analysegegenstand
A. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
B. Genderneutralitäshinweis
Bei geschlechtsspezifischen Ausdrücken werden in dieser Arbeit unter der männlichen Form alle Geschlechter subsummiert und gleichberechtigt gemeint
1. Einleitung
Bewaffnung unbemannter Flugkörper – ein Thema, das immer wieder für hitzige Diskussionen nicht nur in der Politik sorgt. Scheinbar zeit-, end- und möglicherweise auch kompromisslos, wenn man sich mit den Bundestagssitzungen des letzten Jahrzehnts befasst. Ende vergangenen Jahres fand erneut eine Debatte darüber im Bundestag statt. Es gab eine namentliche Abstimmung, sowohl über den Antrag der FDP „Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr durch die Beschaffung von bewaffneten Drohnen stärken“, als auch über den Antrag von Die Linke „Keine Anschaffung sondern Ächtung bewaffneter Drohnen“. Es ist offensichtlich, dass sich bei Bundestagsdebatten konfligierende Parteien gegenüberstehen. Doch worin liegt bei der Debatte vom 20.12.2019 genau der Konflikt? Geht es um Werte oder Interessen? Wie wirkt sich der Wunsch nach Machtgewinn oder -erhalt auf die Argumentationsketten bzw. Abstimmung aus? Welches Motiv verfolgen die Abgeordneten? All diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen, um schließlich die zentrale Frage beantworten zu können:
Inwiefern liegt in der Bundestagsdebatte vom 20.12.2019 über die Bewaffnung oder Ächtung bewaffneter Drohnen im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein Wertekonflikt zwischen den Abgeordneten der Parteien vor?
Um herauszufinden von welchen Motiven die Abgeordneten in der Debatte geleitet werden, welche Werte sie vertreten und welchen Stellenwert Werte und Interessen in der Debatte einnehmen erweist sich diese Frage als geeignet. Denn unter Einbeziehung zweier relevanter Theorien, kann ein wesentlicher Unterschied zwischen Debatte und Abstimmung herausgearbeitet werden, der wiederum den Nutzen von Debatten in politischen Entscheidungen infrage stellt. Nachfolgend wird die aktuelle kritische Politikdebatte in Bezug auf diese Leitfragen analysiert, indem es primär um die Werte, bzw. den Grund des Konflikts geht. Denn hierbei stellt sich nicht die grundsätzliche Frage nach Bundeswehrauslandseinsätzen, sondern ob eine Bewaffnung oder Nichtbewaffnung von Drohnen die Werte der jeweiligen Parteien erfüllt.
1.1 Verlauf der Arbeit
Um die Bearbeitung der Fragestellung, die dieser Arbeit zugrunde liegt, intersubjektiv nachvollziehbar zu machen und ein allgemeines Verständnis dieser Fragestellung zu ermöglichen, wird zuerst auf zentrale Begriffe und deren Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit eingegangen. Nachfolgend wird der Forschungsstand erhoben, um die Forschungstradition zu eruieren und anschließend wird auf die in dieser Arbeit angewandten Methoden eingegangen. Dem letztgenannten Schritt sind sowohl die Forschungsmethode, als auch ihre theoretische Fundierung inbegriffen und es wird begründet, weshalb diese Methodik geeignet für die Bearbeitung der Fragestellung ist. Im Hauptteil werden die Ergebnisse, die anhand der angewandten Forschungsmethode sichtbar werden, ausgewertet und interpretiert, um sie im Hinblick auf die Fragestellung diskutieren zu können. Schließlich werden die erzielten Ergebnisse auf die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner angewendet, um eine theoretische Bewertung der empirischen Ergebnisse zu ermöglichen.
1.2 Klärung und Abgrenzung zentraler Begrifflichkeiten
Im Folgenden wird festgelegt, was sich hinter den zentralen Begriffen dieser Arbeit verbirgt. Die Definitionen sollen dem einheitlichen Verständnis und der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der Ausdrücke dienen.
Ist im Rahmen dieser Arbeit von Drohnen die Rede, geht es um MALE-UAVs (Medium Attitude, Long Endurance, Unmanned Aerial Vehicle) (vgl. Dickow; Linnenkamp, 2012, S. 1). Damit sind unbemannte und ferngesteuerte Flugobjekte gemeint. Umgangssprachlich werden diese Flugobjekte auch als Kampfdrohnen bezeichnet, sofern sie ein inkludiertes Waffensystem besitzen. Der Begriff Drohne bezeichnet also im Folgenden ein ferngesteuertes Flugobjekt, das sowohl für Aufklärungszwecke genutzt werden kann (z.B. Heron 1), als auch als Waffe eingesetzt werden kann (z.B. Heron TP). Wird von der Bewaffnung von Drohnen gesprochen, so bezieht sich das auf die militärische Ausstattung, konkret auf die Ausnutzung der technischen Möglichkeiten der Heron TP, die voraussichtlich 2025 einsatzbereit sein wird und welche die Möglichkeit der Bewaffnung installiert hat (vgl. Plenarprotokoll, 2019, S.17288).
Über diese Frage der Bewaffnung fand am 20.12.2019 eine Bundestagsdebatte statt. Dies bedeutet, dass die Abgeordneten der Parteien eine Auseinandersetzung zu diesem Thema im Bundestag hatten und es daraufhin eine namentliche Abstimmung gab. Ausschlaggebend für diese Debatte waren die bereits erwähnten Anträge von der AfD und von Die Linke, welche schließlich beide abgelehnt wurden. Bei der dieser Arbeit zugrundeliegenden Debatte handelt es sich um die Reden nachfolgender Abgeordneten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
* nach Reihenfolge der Reden
Die Frage der Bewaffnung von Drohnen bezog sich in dieser Debatte auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Unter dem Begriff „Auslandseinsatz“ sind alle Einsätze außerhalb Deutschlands gemeint, bei denen die Bundeswehr eingesetzt ist. Eine Eingrenzung auf akute Kriegsländer findet in der Debatte nicht statt, weshalb die Frage nach potentiellen Einsatzgebieten ungeklärt bleibt.
2. Forschungsstand
Da der Hauptbestandteil dieser Arbeit – anders als aufgrund des Titels vermutet – nicht die Bewaffnung von Drohnen, sondern der Konflikt zwischen Abgeordneten ist, spiegelt dieser Forschungsstand nicht die Drohnendiskussion wider, sondern widmet sich sozialen Theorien, die versuchen Konflikte in der Politik zu erklären. Nachfolgend werden soziale Konflikttheorien zusammengefasst, um nach Cars Modell den Ansatzpunkt der Forschungstradition zu behandeln. Ziel ist dabei eine für die Frage dieser Hausarbeit geeignete Theorie als empirische Grundlage zu eruieren. Dabei wird sich auf Theorien im soziologischen Bereich begrenzt und die für diese Arbeit irrelevanten Theorien internationaler Systeme oder einzelner Staaten außen vor gelassen, weshalb nicht Thomas Hobbes den ersten Meilenstein legte. Da es eine beispiellose Fülle an soziologischen Konflikttheorien gibt, wird nachfolgend zwar der Vollständigkeit halber ein Forschungsstand erstellt, dabei wird sich jedoch lediglich auf die bedeutendsten und relevantesten Vertreter dieser Kategorie konzentriert. Diese Meilensteine werden nachfolgend chronologisch zusammengefasst und in Beziehung gesetzt.
Bereits 1848 prägten Karl Marx und Friedrich Engels die Konfliktsoziologie durch ihr Manifest der Kommunistischen Partei. Durch den darin beschriebenen Klassenkampf fanden Überlegungen über den Zusammenhang zwischen Herrschaft und Konflikt statt (vgl. Marx-Engels-Werke, 1990, S.462). Aus der konfligierenden Gesellschaft zwischen den Klassen resultierte ein Gegensatz, der entweder eine „revolutionäre Umgestaltung der ganzen Gesellschaft“ oder einen „gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen“ mit sich brachte (ebd.).
Im Gegensatz zu Marx und Engels wurde vom offiziellen Vorläufer der Konflikttheorie, Georg Simmel, später der Zusammenhang zwischen Harmonie und Konflikt beleuchtet (vgl. Taranczewski, 1991, S.22). Er beschäftigt sich 1908 in seinem Band „Soziologie“ in Kapitel 4 mit dem Unterschied von Form und Inhalt des „Streits“ (vgl. Simmel, 2015, S. 247 ff). Dabei kommt er zu folgendem Ergebnis: „Im Prozess des Konflikts verliert sich das ursprüngliche Motiv und der Konflikt greift auf Elemente über, die bislang außerhalb des „Streits” lagen.“ (Schwarting, 2008, Sozialtheoristen). Dieses Phänomen wird im Laufe dieser Arbeit bestätigt, jedoch gibt es nachfolgend zweckdienlichere Theorie, die für die Bundestagsdebatte zur Anwendung kommen.
Einen weiteren Zusammenhang – und zwar den zwischen Stärke und Abhängigkeit – beleuchtete Norbert Elias 1939 anhand seiner Studie über den Prozess der Zivilisation (vgl. Münch, 2004, S.365ff). Damit prägte er den Begriff der Machtbalance (vgl. ebd.). Allerdings liegt der Fokus dieser Studie eher auf einem geschichtlichen Wandel des Begriffs der Zivilisation und nicht auf interpersonalen Konflikten (vgl. ebd.).
Einen nächsten Meilenstein setzt Jessie Bernard, indem er 1950 die Frage stellte: „Where is the Modern Sociology of Conflict?“ (vgl. Bonacker, 2005, S.10). Er knüpft an Simmel an und kritisiert, dass Konflikte bis dato immer mit offener Gewalt assoziiert wurden, was der modernen Konfliktsoziologie nicht entspricht (vgl. Bernard, 1950, S.11). Damit nimmt er die Gegenposition zum Kommunistischen Manifest und Simmel ein und modernisiert den Konfliktbegriff.
1956 folgt Lewis A. Coser1 und vertritt wiederum Simmels Position in „Streit“. Denn er bekräftigt die Wichtigkeit von Konflikten, indem er „die positive Funktion von sozialen Konflikten fiir die Lösung von gesellschaftlichen Spannungen [...]“ sehe (zit.n. Lichtblau, in: Coser, 2009, S. 5).
Einzuordnen ist als nächstes der Realistische Gruppenkonflikt von Muzafer Sherif, der 1969 an Experimenten erarbeitet wurde. Da sich dieser jedoch nach Recherche für den Forschungsstand als geeignet zur Anwendung zugrundeliegenden Konflikts herausstellte, wird später im Methodenteil separat auf diese Theorie eingegangen. Das ermöglicht eine detailliertere und zielgerichtetere Behandlung der Theorie auf den Konflikt, als es im Rahmen dieses Forschungsstands möglich wäre.
Eine weitere Begriffsmodernisierung bringt 1969 Dieter Senghaas mit seinem zivilisatorischem Hexagon. Diese Theorie eignet sich hervorragend zur Erklärung politischer Konflikte im weitesten Sinne, offeriert innovative Konfliktlösungsstrategien und verbindet zahlreiche Ansätze miteinander. Allerdings ist das Ziel immer eine friedliche Koexistenz, da er Frieden als einen Zivilisierungsprozess sieht. Aufgrund dieses – für den Konflikt dieser Hausarbeit irrelevanten Details – kann Dahrendorf nachfolgend nicht auf den Konflikt angewendet werden, sollte jedoch in Bezug politischer Auseinandersetzungen immer miteinbezogen werden (vgl. Jäger, 2015, bpb).
Kurz darauf folgt 1971 Jürgen Habermas, der Kant als Grundlage seiner Erklärungen nutzt und in seiner Theorie des kommunikativen Handelns die Meinung vertritt, dass durch richtige Kommunikation bei gleichberechtigten Subjekten immer ein Konsens gefunden werden kann (vgl. Münch, 2004, S. 292). Diese Theorie könnte gut auf politische Debatten angewendet werden, jedoch wäre die Analyse schnell abgetan und nicht ausreichend ausgearbeitet, da Kommunikation nicht so geschieht, wie sie Habermas sieht.
1980 folgt als weiterer Klassiker der Konflikttheorien Max Weber. Weber drang durch die Beleuchtung von Emotionen im Streit in tiefere Konfliktursachen ein (vgl. Röhl, 1987, S. 500). Seine Handlungslehre unterscheidet dabei zwischen Wert- und zweckrationalem Konfliktverhalten, traditionellem Konfliktverhalten und emotionalem Konfliktverhalten (ebd. ff). Dabei betont er den womöglichen Unterschied im Erleben eines Streits. Allerdings zielen seine Ergebnisse eher auf eine Änderung der Justiz ab (vgl. ebd.)
1986 folgten Henri Tajfel und John C. Turner mit der Theorie der sozialen Identität. Auch diese Theorie wird aufgrund der guten Anwendbarkeit auf die BT-Debatte im Methodenteil näher beschrieben.
Auch Randall Collins bezieht menschliches Handeln – ähnlich wie Weber – auf die zugrundeliegenden Emotionen. Als einer der Vertreter der Emotionssoziologie veröffentlicht er 2004 schließlich seine Theorie der Interaktionsrituale. Dabei sieht er Gesellschaften als Netzwerke, „welche nicht durch Solidarität oder funktionale Beziehungen zusammengehalten werden, sondern durch Ungleichheit und Herrschaft strukturiert sind.“ (Bonacker, 2005, S. 429).
Hervorzuheben ist noch, dass aufgrund dieser Forschungstradition bisher kein Versuch in vergleichbarer Form unternommen wurde, Konflikte in einer Bundestagsdebatte zu analysieren, weshalb durch das methodische Vorgehen dieser Arbeit neue Erkenntnisse erwartet werden können.
3. Methodik
Im Folgenden wird die dieser Arbeit zugrundelegende Forschungsmethode vorgestellt und erklärt, warum diese für die Anwendung auf die Fragestellung gewählt wurde. Anschließend geht es um die theoretische Fundierung. Es wird die Theorie der Sozialen Identität (SIT) und die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts vorgestellt, die im weiteren Verlauf der Arbeit Anwendung auf die Ergebnisse der Forschungsmethode finden werden, um den Konflikt vertiefend analysieren zu können. Diese Empirische Überprüfung findet anhand der Bundestagsdebatte als Primärquelle und anhand der von Zick erklärten Theorien als Sekundärliteratur statt.
3.1 Forschungsmethode
Um den Untersuchungsgegenstand, die Bundestagsdebatte über eine Bewaffnung von Drohnen vom 20.12.2019, zu analysieren, erweist sich eine Qualitative Inhaltsanalyse (QIA) nach Mayring als hilfreich (siehe Annex I), denn „dieses Verfahren untersucht die manifesten Kommunikationsinhalte, also Aussagen von Befragten [in diesem Rahmen der Abgeordneten], die diese bewusst und explizit von sich geben.“ (Lamnek, 2010, S. 466). Da für die Analyse des Konflikts die Aussagen der Abgeordneten wesentlicher Bestandteil sind, ist eine Konzentration auf diese durch die QIA gegeben. Um die Art des vorliegenden Konflikts, bzw. die Ausprägung eines Wertekonflikts analysieren zu können, wird als Analyseverfahren die Zusammenfassung gewählt. Während die Explikation und die Strukturierung weiteres Material hinzuziehen und sich vorab festgelegten Ordnungskriterien bedient, ist die Zusammenfassung zielgerichteter und abstrahiert die Inhalte in einem reduzierendem Verfahren (vgl. Lamnek, 2010, S. 473f). Somit können die Kategorien induktiv entwickelt und sich inhaltsanalytisch lediglich auf die Reden der Abgeordneten bei der zugrundeliegenden Debatte konzentriert werden. Titel und Inhalte der vorangegangen Anträge von der FDP und Die Linke werden nicht einbezogen, da der Konflikt zwischen den Parteien daraus nicht sichtbar wird, wobei die geführte Debatte selbstverständlich größtenteils auf den Inhalten der genannten Anträge beruht. Die Abstimmung jedoch wird im Zusammenhang mit der Theorie Anwendung finden. Eine QIA ist deshalb geeignet, weil es unabdingbar ist, die jeweiligen Aussagen der Abgeordneten in ihrem Kommunikationszusammenhang zu betrachten und nicht vorschnell zu quantifizieren. Lediglich mit Hilfe festgelegter Regeln zur Kodierung und Analyseeinheit kann der schmale Konflikt greifbar gemacht werden. Denn im Rahmen eines eigens erstellten induktiven Kategoriensystems können tatsächliche inhaltliche Konflikte der Parteien herausgearbeitet werden und dadurch die Frage nach der Ausprägung eines potentiell existierenden Wertekonflikts zwischen den Parteien näher beleuchtet werden. Die Kategorienbildung ist hinsichtlich der Wortwahl innerhalb der Reden essentiell, da die Abgeordneten oftmals ein unterschiedliches Verständnis der genutzten Begriffe haben. Durch den Prozess der QIA kann die Debatte unter dem Gesichtspunkt des Wertekonflikts somit objektiv zur Bearbeitung der Fragestellung genutzt werden. Durch eine Reliabilitätsprüfung einer studierten Germanistin und Publizistin in meinem privaten Umfeld wird ein weiteres essentielles Qualitätsmerkmal gewahrt.
Die vorliegende Debatte erweist sich als geeignet, um die Frage nach einem Wertekonflikt zu beantworten, denn die Reden zeigen aufgrund ihrer Aktualität und des typischen Charakters einer Bundestagsdebatte – hitzige Wortgefechte, deren Inhalt oftmals von der zu diskutierenden Frage abweicht – deutlich, dass es einen sichtbaren Konflikt gibt. Allerdings bedarf es einer näheren Untersuchung, um festzustellen, worin der wahre Konflikt genau besteht.
QIAs geraten oft in die Kritik, die Ganzheitlichkeit zu verlieren, da sie sich zu sehr auf den Einzelfall konzentrieren (vgl. Aguado, 2020, S.126). Vor allem bei mündlichen Daten sei es bei der zusammenfassenden QIA schwierig, an die Sinnesstrukturen der Redner zu gelangen, da „nicht-propositionale Kontextualisierungshinweise […] oder andere einstellungsbezogene Ausdrücke […] für ein angemessenes Verstehen und Nachvollziehen von Inhalten höchst relevant“ seien (ebd.). Da es in dieser Arbeit jedoch um die Analyse des Konfliktes ausschließlich im Rahmen der zugrundeliegenden Bundestagsdebatte geht, wird sich ohnehin nicht auf die Ganzheitlichkeit des Themas gestützt. Außerdem ist für die Analyse des Konfliktes, wie im weiteren Verlauf festzustellen sein wird, hauptsächlich das unterschiedliche Verständnis einiger Begriffe ausschlaggebend, weshalb die Nichtbeachtung einiger Kontextualisierungshinweise, die für die Bearbeitung der Fragestellung keine Bedeutung haben, in diesem Rahmen keinen Kritikpunkt darstellt.
[...]
1 Coser wird oft in Verbindung mit Dahrendorf erwähnt, da sich beide gegenseitig ergänzen. Letzterer geht jedoch vor allem auf Herrschaftsverhältnisse in industriellen Gesellschaften ein, weshalb er nicht Bestanteil dieses Forschungsstands ist (vgl. Hosner, 2014, S. 58).