Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie auf Grundlage des Münchener Eingewöhnungsmodells eine gelingende Erziehungspartnerschaft aufgebaut werden kann.
Dafür wird die Erziehungspartnerschaft erläutert: Welche Voraussetzungen und fachliche Kompetenzen der pädagogischen Mitarbeiter werden für die Kooperation benötigt? Welchen Einfluss hat die Eltern-Kind-Bindung auf die Erziehungspartnerschaft? Dann wird konkret auf das Münchener Modell eingegangen; die Grundannahmen, die Transition der Eltern und die konkrete Umsetzung der Erziehungspartnerschaft im Handlungskonzept stehen hier im Mittelpunkt.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet das Fazit mit einer kurzen, kritischen Zusammenfassung und einem Ausblick, wie die Erziehungspartnerschaft im U3-Bereich weiterentwickelt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erziehungspartnerschaft
2.1 Voraussetzungen einer gelingenden Erziehungspartnerschaft
2.2 Kompetenzen der pädagogischen Fachkraft
2.3 Einfluss der Eltern-Kind-Bindung
3. Eingewöhnung
3.1 Grundannahmen des Münchener Eingewöhnungsmodells
3.2 Eltern als Teil der Transition
3.3 Handlungskonzept bezogen auf Eltern
4. Fazit
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
Genderklausel:
In der vorliegenden Hausarbeit wird die weilbliche Form verwendet, da die überwiegende Mehrheit der Fachkräfte im U3-Bereich weiblich ist. Die weibliche Form ist der männlichen und diversen Form in dieser Arbeit gleichgestellt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet.
Der Begriff „Eltern“ beinhaltet in der vorliegenden Hausarbeit die verschiedenen Ausprägungen von Elternschaft (Mütter, Väter, verheiratete als auch nicht verheiratete Paare, Alleinerziehende, gleichgeschlechtliche Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern und andere Sorgeberechtigte).
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Seit August 2013 besteht für alle Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege. Ausgangspunkt dafür ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem Müttern soll die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erleichtert werden. Daher läuft der Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote seitdem auf Hochtouren. Es versteht sich von selbst, dass neben dem quantitativen Ausbau auch die Qualität der pädagogischen Arbeit in den Fokus gerückt ist.
Die Eingewöhnung in eine Kinderkrippe stellt nicht nur das Kind vor eine große Herausforderung; auch die Eltern müssen sich dieser Transition stellen - oft begleitet von Trennungsängsten und Schuldgefühlen, ihr Kind emotional zu belasten oder mit der frühen Trennung zu überfordern. Eine Begleitung und Einbeziehung der Familie während des Übergansprozesses ist daher von großer Bedeutung, denn im Wesentlichen geht es um den Aufbau neuer Beziehungen als Voraussetzung guter pädagogischer Arbeit und um den Beginn einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern.
Den Rahmen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Einrichtung bilden Gesetze. So wird den Eltern bei der Pflege und Erziehung in der Rechtssprechung eine Vorrangstellung zugeteilt. Im Artikel 18 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention heißt es: „Für Erziehung und Entwicklung des Kindes sind in erster Linie die Eltern (...) verantwortlich. Dabei ist das Wohl des Kindes ihr Grundanliegen.“ Ähnlich wird es im Grundgesetz Artikel 6 Absatz 2 formuliert: „Pflege und Erziehung ist das natürliche Recht der Eltern und die ihn zuförderst obliegende Pflicht.“ Es sind also die Eltern, die in der Regel über die Ausgestaltung der Erziehung entscheiden, während Kindertageseinrichtungen die Erziehung und Bildung unterstützen. Gesetzlich verankert ist die Bildungsund Erziehungspartnerschaft im SGB VIII; in § 22a wird ausdrücklich die Mitbestimmung der Eltern betont: „Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesenlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.“
Wie bereits im Gesetzestext verdeutlicht, ist die Familie die erste Sozialisationsinstanz eines Kindes. Mit Eintritt in die Kindertagesstätte kommt eine weitere, bedeutungsvolle Instanz dazu. Jedoch handelt es sich hier um zwei unterschiedliche Systeme; zum einen das private System Familie, indem das Kind das Zentrum ist - zum anderen das öffentliche System Kita, in der die Gruppe im Mittelpunkt steht. Strukturen, Regeln, Abläufe, Lernsituationen und Beziehungsdefinitionen sind innerhalb dieser Instanzen unterschiedlich. „ElternKind-Beziehungen sind persönlicher, enger, spontaner und emotionaler als Erzieherin-Kind-Beziehungen; sie sind auf Dauer angelegt und nicht auf wenige Jahre beschränkt. Auch sind sie weniger intentional auf Bildung und Erziehung ausgerichtet, reagieren Eltern weniger überlegt und objektiv als professionelle Fachkräfte“ (Textor, Erziehungspartnerschaft mit Eltern unter Dreijähriger, 2010). Diese Tatsache verlangt nach einer engen Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern. „Erziehungspartnerschaft bedeutet nicht nur gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung des Kindes. Ihr Kern ist vielmehr eine Haltung auf beiden Seiten, also bei den Eltern wie bei den Erzieherinnen, wo das jeweilige Gegenüber als Experte in seinem Bereich geschätzt, anerkannt und genutzt wird“ (Ostermayer, 2007).
Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie auf Grundlage des Münchener Eingewöhnungsmodells eine gelingende Erziehungspartnerschaft aufgebaut werden kann.
Dafür wird unter 2. zuerst die Erziehungspartnerschaft erläutert: welche Voraussetzungen, welche fachlichen Kompetenzen der pädagogischen Mitarbeiter werden für die Kooperation benötigt. Aber auch, welchen Einfluss hat die Eltern-Kind-Bindung auf die Erziehungspartnerschaft. Bei 3. wird dann konkret auf das Münchener Modell eingegangen; die Grundannahmen, die Transition der Eltern und die konkrete Umsetzung der Erziehungspartnerschaft im Handlungskonzept stehen hier im Mittelpunkt. Den Abschluss dieser Arbeit bildet das Fazit mit einer kurzen, kritischen Zusammenfassung und Ausblick, wie Erziehungspartnerschaft im U3-Bereich weiterentwickelt werden kann.
2. Erziehungspartnerschaft
Jedes Kind bringt in die Kita auch einen Teil seine Familie mit. So unterschiedlich die Kinder sind, so verschieden sind auch ihre Eltern. Daher ist gegenseitiges Verständnis von großer Bedeutung. „Familie und Kindertagesstätte öffnen sich füreinander, machen Erziehungsvorstellungen transparent und kooperieren zum Wohle der ihnen anvertrauten Kinder. Sie kennen die Bedeutung der jeweils anderen Lebenwelt für das Kind an (...) Das Kind findet hier die besten Entwicklungsbedingungen vor: Es erlebt, dass Familie und Kindergarten an seinem Wohl und aneinander interessiert sind, sich ergänzen und wechselseitig bereichern“ (Textor, Elternmitarbeit: Auf dem Wege zur Erziehungspartnerschaft, 1996). Hier wird deutlich, dass im Mittelpunkt der Erziehungspartnerschaft immer das Kind und dessen Wohl steht.
Während für Eltern der Eintritt ihres Kindes in eine Kita ein einmaliges und aufregendes Erlebnis ist, erleben Fachkräfte diesen Beginn jedes Jahr erneut. Daher ist es die Aufgabe der pädagogischen Fachkraft, eine positive Erziehungspartnerschaft aufzubauen. Ein solides Fachwissen verhilft ihr, gute pädagogische Arbeit zu leisten, während ein standartisiertes Eingewöhnungskonzept in den Einrichtungen einen verlässlichen Rahmen für alle Beteiligten gibt. Das Ziel der Erziehungspartnerschaft muss immer die gemeinsame Förderung des Kindes, die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern als auch die Mitgestaltung und Mitbestimmung in der Einrichtung sein (vgl. A. Winner & E. Erndt-Doll, 2013, S. 13).
Welche Voraussetzungen eine gelingende Erziehungspartnerschaft braucht, welche Kompetenzen die pädagogische Fachkraft mitbringen muss und welchen Einfluss die Eltern-Kind-Beziehung auf die Erziehungspartnerschaft hat, wird im Folgenden dargestellt.
2.1 Voraussetzungen einer gelingenden Erziehungspartnerschaft
Von Geburt an steht das Kind in Interaktion mit seinen Eltern. Hier entsteht die erste bedeutsame Bindung. „Das Kind macht sich also nicht allein ein Bild von der Welt, sondern es entwickelt sein eigenes Bild von der Welt in den für es wichtigen menschlichen Bezügen (...) So ist Erziehung und Bildung als Prozess der sozialen Ko-Konstruktion zwischen dem Kind und dem für es bedeutsamen Person zu verstehen“ (Roth, 2010, S. 20). Dieses Wissen prägt die Haltung der pädagogischen Fachkraft. Sie weiß um die grundliegende Bedeutung der Eltern und der Herkunftsfamilie für die Kinder.
Auf dieser Grundlage versteht es sich von selbst, dass vom Fachpersonal den Eltern Wertschätzung und Respekt entgegen gebracht wird. Schließlich obliegt ihnen der primäre Erziehungsauftrag, den sie grundsätzlich in eigener Verantwortung und nach eigenen Vorstellungen gestalten. Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, genau diese Vorstellungen zu respektieren und versuchen zu verstehen; aber auch ihr eigenes Handeln fachlich zu erläutern und zu erklären. „Die aktive Leistung besteht darin, dem anderen zu begegnen und ihm nicht auszuweichen, seine Beweggründe zu erforschen, seine Ressourcen zu ergründen und diese wertschätzend in den Vordergrund zu stellen“ (Roth, 2010, S. 26). Genau in diesem Miteinander wird sich ein gegenseitiges Verständnis bilden - u. a. bei Elterngesprächen, Tür- und Angelgesprächen, bei Hospitationen oder sonstigen Zusammentreffen von Eltern und pädagogischem Personal.
Ein partnerschaftliches Miteinander setzt auch immer die Reflexion der eigenen Werte und Normen voraus. Jeder Mensch hat durch seine Sozialisation und Erfahrungen ein Bewertungsschema für verschiedene Lebensbereiche aufgebaut. Diese verhelfen im positiven Fall, sich schnell auf neue Situationen einlassen zu können. Im negativen Fall hingegen, hemmen sie einen Beziehungsaufbau und können zu Stigmatisierungen führen. Die pädagogische Fachkraft hat daher die Aufgabe, sich konstruktiv mit den eigenen Vorurteilen auseinander zu setzen und diese zu reflektieren. „Eine damit einhergehende vorurteilsbewusste Haltung erweitert die professionelle Handlungsmöglichkeiten und hilft, Ausschluss-Verhalten, Abgrenzung und Diskriminierung zu verhindern oder zumindest zu reduzieren“ (Roth, 2010, S. 27). Diese vorurteilsbewusste Haltung lässt erkennen, dass die Welt bunt ist; dass es eine Vielfalt an Nationen, Religionen, Lebensein- und umständen gibt - die auch in den Kitas in Deutschland Einzug gefunden hat.
Wenn man nun von der Vielfalt der Elternschaft ausgeht, wird klar, dass jeder Mensch seine Stärken und Schwächen mitbringt. Auf der Basis der Wertschätzung und des Respekts Eltern gegenüber sollte sich die pädagogische Fachkraft mit den Ressourcen der Familien auseinander setzen. Durch das Hervorheben von Stärken der Eltern und ihrer Kinder wird ihnen Wertschätzung und Respekt signalisiert und kann so ihr Selbstbewusstein stärken. Ebenfalls öffnen sie sich durch eine ressourcenorientierte Haltung eher gegenüber der Kindertageseinrichtung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit kann beginnen - offene und ehrliche Gespräche sind möglich, aber auch das Einbeziehen der Eltern in den Tagesablauf ist denkbar. Stärken, Interessen und Begabungen der Eltern, wie z.B. künstlerisches und handwerkliches Geschick, Freude an Gartenarbeit etc. können den Alltag einer Kita bereichern.
Um diese Stärken zu erkennen ist eine dialogische Haltung der pädagogischen Fachkraft von Bedeutung. Die Kommunikation sollte von Akzeptanz, Empathie und Authenzität getragen sein; nur so kann ein partnerschaftliches und ergebnisoffenes Gespräch ermöglicht werden. Die pädagogische Fachkraft nimmt in ihrer dialogischen Haltung vermehrt auch die Rolle des aktiven Zuhörers ein. Sie konzentriert sich hier vorallem auf ihr Gegenüber, auf dessen Informationen und Signale. Aktives Zuhören vermittelt den Eltern ein sich Ernstgenommen und Verstanden fühlen. Zurückzuführen ist dieses „Spiegeln“ auf die personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers. „Diese Gesprächsführung - mehr Haltung als Methode - führt dazu, dass das Gegenüber über sich und sein Erleben spricht, sich selbst besser verstehen lernt und leichter zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen gelangt“ (Roth, 2010, S. 32).
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