Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit den paulinischen Briefen sowie den Evangelien nach Markus und Matthäus in Bezug auf die Frage nach Maria in der Bibel.
Sie gilt als die Schönste aller Frauen, ist überall auf der Welt bekannt und gehört zu den am meisten porträtierten Personen der Menschheitsgeschichte. Diese Reihe an Superlativen kann nur Maria, die Mutter Gottes, auf sich vereinigen. Neben ihrem menschlichen Namen trägt Maria eine Reihe weiterer Beinamen und Titel.
Sie ist "Mutter und erste Jüngerin Jesu", "die neue Eva", "die Himmelskönigin", "die reine Magd des Herrn", "die Schmerzensmutter", "die Trösterin" und "die Schutzpatronin der Gläubigen" - um nur einige von vielen zu nennen. Die quantitativ und qualitativ große Vielfalt ihrer Beinamen und Titel zeugt nicht nur von Marias zentraler Bedeutung für die Kirche, sondern spiegelt primär das facettenreiche Zeugnis der Heiligen Schrift über diese besondere Frau wider.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Maria in den paulinischen Briefen: die Frau im Heilsplan Gottes
3. Maria im Evangelium nach Markus
3.1 Mk 6,3: ältester Beleg für den Namen der Mutter Jesu
3.2 Mk 3,20-21: Die Ablehnung Jesu in seiner Familie - Antimarianisch?
3.3 Mk 3,31-35: Die „wahre Verwandtschaft“ Jesu - Maria als „Paradebeispiel“
4. Maria im Evangelium nach Matthäus
4.1 Mt 1,1-17: Der Stammbaum Jesu - Maria als Schlüsselfigur der neuen Schöpfung
4.2 Mt 1,18-25: Die Geburt Jesu - Maria als Teil des Heilsplans Gottes
4.3 Mt 2,1-12.2,13-23: Die Huldigung durch die Sterndeuter und die Flucht/ Rückkehr - Maria als Mutter des Kindes
4.4 Mt 12,46-50: Die matthäische Version von der „wahren Verwandtschaft“ Jesu
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
6.1 Bibelausgaben
6.2 Sekundärliteratur
6.3 Internetquellen
1. Einleitung
Sie gilt als die Schönste aller Frauen, ist überall auf der Welt bekannt und gehört zu den am meisten porträtierten Personen der Menschheitsgeschichte.1 Diese Reihe an Superlativen kann nur Maria, die Mutter Gottes, auf sich vereinigen. Neben ihrem menschlichen Namen trägt Maria eine Reihe weiterer Beinamen und Titel. Sie ist „Mutter und erste Jüngerin Jesu“, „die neue Eva“, „die Himmelskönigin“, „die reine Magd des Herrn“, „die Schmerzensmutter“, „die Trösterin“ und „die Schutzpatronin der Gläubigen“ - um nur einige von vielen zu nennen. Die quantitativ und qualitativ große Vielfalt ihrer Beinamen und Titel zeugt nicht nur von Marias zentraler Bedeutung für die Kirche, sondern spiegelt primär das facettenreiche Zeugnis der Heiligen Schrift über diese besondere Frau wider.
In der mariologischen Forschung und damit auch im Rahmen des im Sommersemester 2021 angebotenen Seminars „Maria - der neue Mensch in Christus“ (M18: Vertiefung im Bereich Dogmatik) bildet(e) eben diese Frage nach dem biblischen Zeugnis Mariens das Fundament aller weiteren Studien und Forschungen zur Mariologie. Entgegen der irrigen Auffassung Martin Luthers, die in seinen Augen überbordende Marienverehrung könne von der Schrift her in keiner Weise begründet werden2, entfalten bereits die ältesten Zeugnisse des Neuen Testaments - wenngleich z.T. erst auf den zweiten Blick - zentrale mariologische Aspekte. Aus diesem Grund sollen im Folgenden nun besonders die paulinischen Briefe sowie die Evangelien nach Markus und Matthäus in Bezug auf die Frage nach Maria in der Bibel in den Blick kommen. Die Ausführungen werden dabei einerseits die am 05.05.2021 in einem von mir gehaltenen Referat vorgetragenen Informationen sowie die vom Dozenten zusätzlich eingebrachten, mündlichen Ergänzungen zusammenfassen.
Nach einem kurzen, aber mariologisch äußerst relevanten Blick auf die einzige Erwähnung der Mutter Jesu bei Paulus (Gal 4,4) wird sich anschließend dem Markusevangelium zugewandt, in dem Maria gleich an mehreren Stellen z.T. auch namentlich genannt wird (Mk 6,3. 3,20-21. 3, 3135). In einem nächsten Schritt wird der Blick auf das Evangelium nach Matthäus gerichtet. Hier spielt die Gottesmutter nicht nur in der das Evangelium einleitenden Genealogie (Mt 1,1-17) eine Rolle, sondern auch und besonders in den Kindheitserzählungen (Mt 1,18-25. 2,1-12. 2,13-23). Als matthäische Adaption der markinischen Tradition (Mk 3,31-35) findet Maria letztmalig im zwölften Kapitel des Matthäusevangeliums Erwähnung (Mt 12,46-50).
2. Maria in den paulinischen Briefen: die Frau im Heilsplan Gottes
Auch wenn Paulus insgesamt wenig Interesse an der Person Mariens zeigt und sie nirgendwo namentlich nennt, erwähnt er sie doch an einer einzigen Stelle in ihrer Funktion als Mutter. In Gal 4,4-5 heißt es:
„ Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“
Paulus berichtet hier zwar nichts Konkretes über Maria, teilt ihr aber, wie insbesondere durch V.5 deutlich wird, eine entscheidende Rolle im Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Christus als Erlöser der Menschheit zu.3 Die Menschwerdung wird von Paulus hier explizit mit dem Terminus Yuvq ausgedrückt, eine Geschlechtsbezeichnung, die ausschließlich den weiblichen Modus kennzeichnet.4 Maria wird hier demnach als die Frau im Heilsplan Gottes vorgestellt, als diejenige, die für die Heilsgeschichte Gottes in Jesus Christus unentbehrlich war und ist. Nur von ihr aus lässt sich für Paulus die menschliche Dimension der Wirklichkeit der Menschwerdung sicher bezeugen und entgegen eines einseitigen Verständnisses Christi bewahren - paradox, wenn man bedenkt, dass Paulus nicht selten als frauenfeindlich tituliert wird. Maria ist als das menschliche Fundament der Sendung Jesu, demnach also auch Mitwirkende an Gottes Erlösungswerk in ihm, wie besonders in den genannten Versen des Galaterbriefs deutlich wird, in denen die Mutterschaft Mariens in direktem Zusammenhang mit der Befreiungstat Jesu steht, der die Menschheit aus dem Zustand der Unterworfenheit unter das Gesetz zu einem Zustand der Freiheit befreit hat (vgl. auch Gal 5,1: Zur Freiheit hat uns Christus befreit). Vor diesem Hintergrund schließt die Mutterschaft Mariens also nicht nur die göttliche Mutterschaft dem Sohn Gottes gegenüber ein, sondern zugleich auch die geistliche Mutterschaft gegenüber all derer, die Christus befreit hat, kurzum uns.5 Darüber hinaus ist zu bedenken, ob Paulus hier nicht auch schon die jungfräuliche Mutterschaft Mariens impliziert. Auch wenn nicht explizit von einer napöévo^ (Jungfrau) die Rede ist, fällt doch auf, dass der Apostel hier mit keinem Wort einen menschlichen Vater erwähnt. Stattdessen verwendet er den Ausdruck „ geboren von einer Frau“, der für die semitische Denkweise, die stets die Formulierung „ gebildet/ gezeugt aus einem Manne“ verlangt, äußerst unüblich ist6 und somit möglicherweise auf den geistgewirkt-jungfräulichen Ursprung der Empfängnis und Geburt Jesu verweist. Auch der Folgevers (V.6), in dem direkt von der Sendung des göttlichen Geistes in die Herzen der Menschen die Rede ist, schafft einen Rahmen, V.4 als möglichen Verweis auf die Einkehr des Geistes in das Herz Mariens bzw. ihre geistgewirkte, jungfräuliche Empfängnis und Geburt zu interpretieren. Auch wenn Paulus die jungfräuliche Empfängnis hier mit großer Sicherheit nicht behaupten will, weil es ihm primär um die Herausstellung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus geht, die er hinsichtlich ihrer menschlichen Dimension in Maria begründet sieht, ist der Gedanke der Parthenogenese auf implizite Weise dennoch enthalten.
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass, obwohl Paulus Maria nur einmalig und nicht einmal namentlich erwähnt, sich in dem einen Vers dennoch chiffrenartige Grundzüge einer „frühen Mariologie“ abzeichnen, die Maria in ihrer Stellung als aktive Mitwirkende am Heilsplan Gottes herausstellen. Selbst wenn Paulus hier den Aspekt der jungfräulichen Empfängnis und Geburt nicht in den Fokus stellt bzw. dem Heilsereignis der Menschwerdung Christi unterordnet, erscheint Maria als die „Frau“ letztlich trotzdem als „der einzige Weg oder besser als Lebenspunkt der Verbindung des Göttlichen im fleischlichen und geschichtlichen Menschlichen, das vom Wort in ihr und von ihr angenommen wurde, für die Erlösung aller Menschen.“7
3. Maria im Evangelium nach Markus
Nach dem Blick in den ältesten Schriftbestand des Neuen Testaments und sein marianisches Zeugnis soll sich nun der zweitältesten Schrift, dem Markusevangelium, zugewandt werden. Hier findet sich nicht nur der älteste Beleg für den Namen der Mutter Jesu (Mk 6,3), sondern zudem zwei Erzählungen, welche im Vergleich zum Galaterbrief mehr, wenngleich z.T. nur vage Rückschlüsse auf die Person Mariens und ihre theologische Bedeutung zulassen.
3.1 Mk 6,3: ältester Beleg für den Namen der Mutter Jesu
Obwohl uns die Mutter Jesu im Markusevangelium schon an früherer Stelle begegnet, soll sich das Augenmerk zunächst auf das sechste Kapitel des Evangeliums richten. Denn gleich zu Beginn dieses Kapitels wird - erstmals im Neuen Testament - der Name der Mutter Jesu eingeführt: Maria. Dieser Name ist als latinisierte Form von Mirjam ein solcher, der aus dem Alten Testament durch die Schwester von Mose und Aaron (vgl. Ex 2,4-7. 15,20f) nur allzu gut bekannt ist. In Mk 6,3 heißt es:
„ Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm.“
Ebenso wie hier bei Markus, der mit diesen Versen die Ablehnung Jesu in seiner Heimat erzählt, verweist das Neue Testament an mehreren Stellen auf die sogenannten „ Brüder“ und „ Schwestern“ Jesu (vgl. Mt 12,46-50. 13,55-56; Mk 3,31-35; Lk 8,19-21; Joh 2,12. 7,3-10; Apg 1,14; 1Kor 9,5). Das führt unvermeidlich zu der Frage nach einer weiteren Mutterschaft Mariens neben Jesus. Die Antwort darauf fällt bei den meisten Exegeten verneinend aus, da, obwohl Einzelkinder zur Zeit Mariens äußerst unüblich waren, zwei wichtige Gründe gegen weitere Kinder Mariens sprechen. Ein erster wichtiger Aspekt ist dabei die Tatsache, dass keiner der sogenannten „ Brüder “ und „ Schwestern “ je „Sohn“ oder „Tochter“ Marias genannt wurden bzw. Maria im gesamten Neuen Testament ausschließlich als „ Mutter Jesu “ vorgestellt wird.8 Von Seiten Marias gibt es also keinen Hinweis, der an eine andere Mutterschaft neben der des Jesus verweisen würde. Als zweiter Grund lässt sich außerdem anführen, dass innerhalb der semitischen Sprachen, die auch zurzeit Jesu gesprochen wurden, die Begriffe „Bruder“ und „Schwester“ durchaus auch für weitere Verwandtschaftsverhältnisse - etwa Cousins und Cousinen, für die es keine spezifischen Ausdrücke gibt - oder außerfamiliäre Bindungen verwendet werden.9 Die Begriffe verweisen in ihrem umgangssprachlichen Gebrauch, ähnlich wie in der Jungendsprache heute, also nicht zwingend auf dieselbe Mutter der als „ Bruder“ oder „ Schwester “ betitelten Personen. Dies gilt auch für den Kontext des Neuen Testaments und die „ Brüder“ und „ Schwestern“ Jesu, welche mit großer Wahrscheinlichkeit wohl keine leiblichen Geschwister, sondern Cousins und Cousinen Jesu waren.
3.2 Mk 3,20-21: Die Ablehnung Jesu in seiner Familie - Antimarianisch?
Vor Jesu Ablehnung in Nazareth (Mk 6,1-6), wo erstmals der Name der Mutter Jesu fällt, erzählt der Evangelist im dritten Kapitel von der Ablehnung in seiner Familie. Mk 3,20-21 schildert:
„Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.“
Wenngleich der griechische Originaltext mit seiner Formulierung oi nap' auTOÜ (die Seinen) hier eindeutig die Verwandten Jesu meint, macht die Frage danach, wer damit eigentlich konkret gemeint ist, Schwierigkeiten. Viele Exegeten, darunter Heikki Räisänen, sehen in den Versen 2021 redaktionsgeschichtlich betrachtet die Vorbereitung auf die wenig später folgende Perikope in Mk 3,31-35, welche explizit Mutter und Brüder Jesu nennt.10 Vor diesem Hintergrund bildet die kurze Erzählung in Mk 3,20-21 zusammen mit Mk 3,31-35 eine inhaltliche Einheit, welche allerdings durch den Einschub einer unabhängigen Episode (Mk 3, 22-30: Verteidigungsrede Jesu ) kurzfristig unterbrochen wird, um den Lauf der Ereignisse zu verzögern, was wiederum der Erzähltechnik des Evangelisten entspräche. Im Kontext dieser Einheit zwischen Mk 3,20-21 und Mk 3,31-35 muss der in V. 21 gebrauchte Ausdruck οἱ παρ’ αὐτοῦ also die Mutter und die Brüder Jesu meinen.
[...]
1 Vgl. Kaufmann, 2019 (siehe Internetquellen) hier und im Folgenden.
2 Mündlicher Hinweis des Dozenten Herr Prof. Dr. Gerwing.
3 Vgl. Manelli, 2018, S. 125.
4 Vgl. Laurentin in ebd.
5 Vgl. Manelli, 2018, S. 126-127.
6 Vgl. Laurentin in ebd., S. 126.
7 Manelli, 2018, S. 129.
8 Ebd., S. 320 hier und im Folgenden.
9 Vgl. Blinzler in ebd., S. 320-321.
10 Vgl. Räisänen, 1969, S. 28 hier und im Folgenden.