Die Arbeit stellt sich die Frage, wann ein Betriebsübergang vorliegt und die Regelung des § 613a BGB Anwendung findet und welche Folgen damit für die Unternehmen und die Mitarbeiter verbunden sind. Hierfür sind die Tatbestandsmerkmale des Betriebsübergangs zu konkretisieren und die letztinstanzlichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu verfolgen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt ein Betriebsübergang bei einem Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Betriebsteils durch ein Rechtsgeschäft vor. Der Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zielt in erster Linie auf die arbeitsrechtliche Wahrung des Besitzstandes der Arbeitnehmer ab. Des Weiteren soll der § 613a BGB den Fortbestand des amtierenden Betriebsrats sicherstellen und gleichzeitig Aufschluss bezüglich der Haftungsverteilung zwischen dem alten Arbeitgeber und dem neuen Betriebserwerber geben.
Durch diese Regelung tritt der Betriebserwerber in die beim Übergang bestehende Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers ein und soll in erster Linie die bestehenden Arbeitsverhältnisse wahren. Auf den ersten Blick scheint die Norm eindeutig, doch in den letzten Jahren kam bei verschiedensten Rechtsprozessen die Frage auf, ob überhaupt ein Betriebsübergang vorlag oder ob dieser durch verschiedene Mittel umgegangen wurde. Der EuGH und das BAG haben durch zahlreiche Rechtsprechungen zum Teil für Aufklärung gesorgt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Die Regelung des § 613a BGB bei Betriebsübergängen
1.1 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB
1.1.1 Das Vorliegen eines Betrieb(steils), die wirtschaftliche Einheit
1.1.2 Wahrung der Identität
1.1.3 Übergang auf einen anderen Inhaber
1.1.4 Übergang durch ein Rechtsgeschäft
1.2 Die Rechtsfolgen des § 613 a BGB für das Arbeitsverhältnis
1.2.1 Die Weitergeltung der Kollektivvereinbarungen
1.3 Die Unterrichtung über den Betriebsübergang
1.4 Das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
1.5 Die Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz
2 Der dreiseitige Vertrag als Umgehungsgeschäft durch Zwischenschaltung einer Transfergesellschaft
2.1 Die wichtigsten BAG-Entscheidungen zur Vermeidung eines Betriebsübergangs durch die Transfergesellschaft
2.2 Wirksamkeitskriterien der Rechtsprechung
2.2.1 Das endgültige Ausscheiden
2.2.2 Die Verweilzeit in der Transfergesellschaft
2.2.3 Erfordernis der Sozialauswahl durch den Erwerber?
2.2.4 Die Unterrichtung der Arbeitnehmer
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Darstellung eines Betriebsübergangs mit Zwischenschaltung einer Transfergesellschaft
1 Die Regelung des § 613a BGB bei Betriebsübergängen
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt ein Betriebsübergang bei einem Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Betriebsteils durch ein Rechtsgeschäft vor. Der Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zielt in erster Linie auf die arbeitsrechtliche Wahrung des Besitzstandes der Arbeitnehmer ab. Des Weiteren soll der § 613a BGB den Fortbestand des amtierenden Betriebsrats sicherstellen und gleichzeitig Aufschluss bezüglich der Haftungsverteilung zwischen dem alten Arbeitgeber und dem neuen Betriebserwerber geben.1 Durch diese Regelung tritt der Betriebserwerber in die beim Übergang bestehende Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers ein und soll in erster Linie die bestehenden Arbeitsverhältnisse wahren. Auf den ersten Blick scheint die Norm eindeutig, doch in den letzten Jahren kam bei verschiedensten Rechtsprozessen die Frage auf, ob überhaupt ein Betriebsübergang vorlag oder ob dieser durch verschiedene Mittel umgegangen wurde. Der EuGH und das BAG haben durch zahlreiche Rechtsprechungen zum Teil für Aufklärung gesorgt. Nichtsdestotrotz stellt sich immer wieder die Frage, wann ein Betriebsübergang vorliegt und die Regelung des § 613a BGB Anwendung findet und welche Folgen damit für die Unternehmen und die Mitarbeiter verbunden sind. Hierfür sind die Tatbestandsmerkmale des Betriebsübergangs zu konkretisieren und die letztinstanzlichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu verfolgen.2
1.1 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB
Die Tatbestandsvoraussetzungen des Betriebsübergangs sind in der Rechtsprechung aber auch in der Literatur nach wie vor ein zentrales Diskussionsthema. Nachfolgend sollen aus diesem Grund zunächst die allgemeinen und feststehenden Voraussetzungen der Norm erläutert werden.
1.1.1 Das Vorliegen eines Betrieb(steils), die wirtschaftliche Einheit
Die erste Voraussetzung stellt das Vorliegen eines Betriebs oder Betriebsteils dar. Frühere Entscheidungen des BAG stützten sich auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff. Demnach war ein Betrieb eine aus persönlichen, sächlichen und immateriellen Mitteln organisatorische Einheit, welche mit Hilfe dieser Mittel den Betriebszweck weiterverfolgte. Nach dieser Definition waren die Arbeitnehmer nicht entscheidend und es wurden nur die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel als entscheidend erachtet, weshalb das EuGH ebenfalls im Interesse des Bestandsschutzes dieses Tatbestandsmerkmal anders ausgelegt hat.3 Aus diesem Grund interpretiert das EuGH und ihm folgend seit Mitte der 90er Jahre das BAG einen Betriebs(teil) nach der zugrundeliegenden europäischen Richtlinie 2001/23/EG, wonach ein Betrieb als „wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisatorischen Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“ gilt.4 Hieraus folgt, dass ein Betriebsübergang nur dann vorliegt, wenn die Identität dieser wirtschaftlichen Einheit gewahrt wird. Nach dem Art. 1 Abs. 1 Buchst. B der RL 2001/23/EG ergibt sich die Identität der wirtschaftlichen Einheit, wenn die Organisation beibehalten, aber auch die Fortführung bzw. Weiterverfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit angestrebt wird. Eine Einheit darf jedoch nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden, denn bei der Identität einer Einheit spielen verschieden Dinge eine wichtige Rolle, wie beispielsweise die Belegschaft, die Arbeitsorganisation oder die Betriebsmittel. Entscheidend ist, dass durch eine (Teil-)Übertragung einer Einheit eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung der bisher in dieser abgrenzbaren Einheit geleisteten Tätigkeit möglich ist.5 Auch der Organisationsbegriff wurde hierbei vom BAG und EuGH offen gehalten und zielt deshalb nicht direkt auf die Organisationsstrukturen eines Unternehmens ab. Bei weiteren Rechtsprechungen durch das EuGH sollte jedoch auch die organisatorische Selbstständigkeit beim Übergang eines Betrieb(steils) weiter in den Hintergrund rücken. Durch die Klarenberg-Entscheidung des EuGH, an welche sich das BAG anschließt, soll nun also für den Übergang einer organisatorischen Einheit „[…] die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten […]“6 werden, welche der Erwerber zur Weiterverfolgung derselben oder ähnlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nutzt. Durch diese Rechtsprechung sollte der Schutzzweck der Richtlinie ausgedehnt werden, welcher die Wahrung des Besitzstandes der Arbeitnehmer darstellt.7 Aufgrund der heutigen Auffassung wird dem Merkmal einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit eine höhere Wichtigkeit beigemessen als noch wie früher den Begriffen Betrieb und Betriebsteil.
1.1.2 Wahrung der Identität
Zur Feststellung, ob die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität übertragen wurde, wird der Begriff der wirtschaftlichen Einheit im Wege einer typologischen Gesamtbetrachtung konkretisiert. Hierbei werden sämtliche Kriterien berücksichtigt, welche den Vorgang kennzeichnen. Diesen Kriterien liegt keine vorgegebene Gewichtung zugrunde, denn diese erfolgt in Abhängigkeit der jeweiligen Branche oder Geschäftstätigkeit und der unterschiedlichen Produktions- und Betriebsmethoden der Unternehmen.8 Diese zur Entscheidung relevanten Kriterien hat der EuGH in einem 7-Punkte-Katalog festgehalten. Das BAG hat sich diesem Katalog angeschlossen und prüft ebenfalls folgende Merkmale:
- „Die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,
- der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie Gebäude und bewegliche Güter,
- der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs,
- die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber,
- der Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft,
- der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und
- die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.”9
Die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs beeinflusst bereits im ersten Schritt die Gewichtung der Kriterien. So spielen beispielsweise in einem Produktionsbetrieb die sächlichen Produktionsmittel (Maschinen, Anlagen etc.) eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung der Frage, ob eine wirtschaftliche Einheit übergegangen ist. Im Gegensatz zu einem Produktionsbetrieb, wird bei einem Handels- und Dienstleistungsbetrieb der Fokus auf die immateriellen Betriebsmittel gelegt, wie beispielsweise das Know-How, die Kundenstämme und -listen etc.10
Der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva war ursprünglich, nach Meinung des BAG, eine notwendige Voraussetzung bei der Beurteilung des identitätswahrenden Übergangs. Auch heute erachtet das BAG dieses Kriterium als Schlüsselrolle. Da die Aktiva eines Unternehmens ebenfalls die materiellen Betriebsmittel des Unternehmens aufzeigt, kommt einem Produktionsgewerbe die Übertragung der materiellen Aktiva eine hohe Bedeutung zu. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn der Erwerber die Betriebsmittel des Veräußerers auch eigenwirtschaftlich nutzt. Da jedoch für Handels- und Dienstleistungsbetriebe die immateriellen Betriebsmittel höchste Priorität aufweisen, ist der Übergang der immateriellen Aktiva ebenfalls ein Prüfungskriterium.11
Der Wert der immateriellen Aktiva, welcher sich beispielsweise aus dem Know-how und dem Goodwill ergibt, spielt vor allem bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen eine große Rolle, kann aber auch bei Produktionsunternehmen als wichtig erachtet werden. Viele dieser Unternehmen leben regelrecht von Genehmigungen, Patent- und Gebrauchsmustern, Schutzrechten und Lizenzen oder von bestimmten Warenzeichen, die bei einer Übernahme für einen Betriebsübergang sprechen.12
Die Übernahme oder Nichtübernahme der Arbeitnehmer stellt laut BAG, welches der neueren Rechtsprechung des EuGH gefolgt ist, ein wesentliches Merkmal bei der Prüfung der Identitätswahrung einer wirtschaftlichen Einheit dar. Zu begründen ist dies damit, dass das Personal in betriebsmittelarmen Betrieben einen wesentlichen Teil des Betriebes darstellt und somit eine wirtschaftliche Einheit bildet. Laut Rechtsprechung des BAG soll hierbei ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmer übergehen, was anhand der Anzahl, aber auch anhand der übergangenen Schlüsselpersonen (Know-how-Trägern), geprüft wird. Wie viel ein wesentlicher Teil bedeutet oder ab welcher Anzahl ein identitätsbewahrender Übergang stattgefunden hat, hängt von dem jeweiligen Tätigkeitsbereich und den fachlichen Anforderungen in diesem Bereich ab.13
Eine besondere Bedeutung, besonders für Handels- und Dienstleistungsunternehmen, kann der Übergang des Kundenstamms und auch der Lieferantenbeziehungen haben. Oft wird nur durch diese die Weiterverfolgung der wirtschaftlichen Tätigkeit erst möglich.14
Um annehmen zu können, dass die Identität einer wirtschaftlichen Einheit gewahrt wurde, stellt der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang ausgeübten Tätigkeit ein weiteres wichtiges Kriterium dar, welches jedoch nur im Zusammenhang zu den anderen Kriterien betrachtet werden sollte. Eine wesentliche Abweichung kann dabei den Betriebsübergang ausschließen.15
Ein weiteres wichtiges Kriterium stellt die Zeitspanne dar, in welcher die Tätigkeit des Unternehmens aufgrund des Übergangs unterbrochen wurde. Es wird davon ausgegangen, dass eine wirtschaftlich hohe Zeitspanne der Unterbrechung einem identitätswahrenden Übergang entgegensteht, da dies zur Annahme einer Betriebsstilllegung führt. Laut Rechtsprechung des BAG steht eine Betriebsstillegung einem Betriebsübergang entgegen. Eine Betriebsstillegung erfolgt oft zum Schein, um so den Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zu umgehen. Diese liegt demnach vor, wenn der ehemalige Arbeitgeber einen ernsthaften Willensentschluss gefasst hat, für eine unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit den gesamten Betrieb zu schließen.16 Hält die Unterbrechung der Betriebstätigkeit länger als die gesetzlichen Kündigungsfristen von Arbeitnehmern gemäß § 622 Abs. 2 BGB an, so wird dies laut BAG als Indiz für eine Betriebsstilllegung genutzt. Nichts desto trotz muss dieser Punkt je nach Branche und Tätigkeitsbereich individuell untersucht werden. Fälle, die keine Betriebsstilllegung darstellen, werden als Betriebspausen oder -unterbrechungen bezeichnet.17 Zudem kann eine lange Unterbrechung der Tätigkeit eine wirtschaftliche Einheit zugrunde gehen lassen, da wichtige Geschäfts- und Kundenbeziehungen verloren gehen können. Laut EuGH zeichnet eine Fortsetzung derselben Tätigkeit des Veräußerers ohne Unterbrechung einen Übergang aus.18 Die Frage wieso und vor allem wie versucht wird, den § 613a BGB zu umgehen, wird im zweiten Teil näher erläutert.
1.1.3 Übergang auf einen anderen Inhaber
Der Übergang auf einen anderen Inhaber und die tatsächliche Fortführung durch diesen Erwerber gilt als zweite Voraussetzung für einen Betriebsübergang gemäß § 613a BGB. Dieser greift nur in Fällen, in denen die Rechtspersönlichkeit des Inhabers wechselt. Es muss also ein Übergang auf ein anderes Rechtssubjekt erfolgen. Hierbei versteht man unter Rechtssubjekten natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften. Bei einem bloßen Anteilsverkauf oder Gesellschafterwechsel kommt es zu keinem Wechsel des Rechtssubjekts. Viel mehr werden Rechte veräußert.19
Des Weiteren findet laut dem BAG ein Übergang auf einen anderen Inhaber nur statt, wenn der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers tatsächlich fortführt, indem er die Organisations- und Leitungsmacht ausübt. Hierfür muss der Veräußerer seine Beschäftigung in dem Betrieb beenden, was in diesem Falle bedeutet, dass seine Position als Betriebsinhaber eingestellt werden muss. Laut der Meinung des BAG darf der Veräußerer jedoch als Mitarbeiter unter den Weisungen des Erwerbers beschäftigt werden.20
Zudem wird auch in diesem Punkt die Dauer der Unterbrechung untersucht, welche im vorherigen Kapitel im letzten Punkt erläutert wurde. Demnach darf auch hier der Betrieb nicht stillgelegt werden, denn die Betriebsstillegung und der Betriebsübergang schließen sich nach der Rechtsprechung des BAG aus.
1.1.4 Übergang durch ein Rechtsgeschäft
§ 613a BGB gilt für jeden rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils. Wie bereits erwähnt, ist der Zweck des Betriebsübergangs der Schutz der Arbeitnehmer. Aus diesem Grund wollte der EuGH diese Voraussetzung weit auslegen, um so den europäischen Richtlinien RL 2001/23/EG gerecht zu werden. Laut Richtlinie fallen hierunter alle Szenarien, bei welchen der Übergang und die Übernahme der Arbeitgeberverpflichtungen auf Grundlage eines Vertrages oder sonstiger rechtgeschäftlicher Beziehung geschieht.21
Um den Schutz der Arbeitnehmer bestmöglich umzusetzen, hat das BAG die Entscheidung getroffen, dass ein Übergang selbst dann vorliegt, wenn ein Rechtsgeschäft nichtig oder durch einen Formmangel unwirksam ist. Vielmehr ist es von Bedeutung, dass der Erwerber einverständlich „[…] in die tatsächliche Organisationsgewalt […] eintritt.”22
Mit dieser Voraussetzung soll die Universalsukzession kraft Gesetztes oder kraft Hoheitsaktes von dem Anwendungsbereich des § 613a BGB unberührt bleiben.23
1.2 Die Rechtsfolgen des § 613 a BGB für das Arbeitsverhältnis
Bereits im ersten Satz des § 613a BGB heißt es, dass der neue Betriebsinhaber „[…] in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein[tritt] […]“. Beim Eintritt in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse werden diese parallel zum alten Arbeitgeber beendet. Dieser Vorgang bedarf keiner Willenserklärung des Arbeitnehmers oder des neuen Arbeitgebers. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse erstreckt sich nur auf diese, welche zum Zeitpunkt des Übergangs rechtlich dem veräußerten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden können. Hierbei ist ein neuer Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Erwerber ebenfalls nicht nötig, da nur ein gesetzlicher Austausch des Vertragspartners stattfindet. Der Inhalt der bestehenden Arbeitsverhältnisse bleibt dabei jedoch unverändert. Man muss allerdings beachten, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers den Übergang des Arbeitsverhältnisses verhindern kann. Ist der Erwerber in die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse eingetreten, so ist er für die bisherigen Leistungen verantwortlich. Hierzu zählen insbesondere die Vergütung und verfallbare sowie unverfallbare Versorgungsanwartschaften. Voraussetzung für den Übergang von Pflichten aus einer Versorgungszusage ist, dass zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht.24 Das wiederum bedeutet, dass arbeitnehmerähnliche Personen (entliehene Leiharbeiter), Heimarbeiter oder Personen mit einem freien Dienstverhältnis (Organmitglieder juristischer Personen) nicht von einem Betriebsübergang erfasst werden.
Ist für die Berechnung von Ansprüchen die zurückgelegte Betriebszugehörigkeit von Bedeutung, bedarf es der Berücksichtigung der Zeiten, welche vor dem Betriebsübergang erbracht worden sind. Weitere gesetzliche Fälle, in welchen bestimmte Kriterien von der Betriebszugehörigkeitszeit abhängen, bestehen beispielsweise bei dem Kündigungsschutz (§ 1 Abs.1 KSchG), dem Urlaubsanspruch (§ 4 BurlG), der Sozialauswahl (§ 1 Abs.3 KSchG) aber auch bei einer unverfallbaren Anwartschaft auf die betriebliche Altersvorsorge der Fall (§ 1 Abs.1 S.1 BetrAVG).25 Eine besonders wichtige Bedeutung hat die Betriebszugehörigkeit bei Ansprüchen, die durch den Übergang der Kollektivregelungen oder dem Arbeitsvertrag entstanden sind. Bestehen Ansprüche aus dem individualrechtlichen Arbeitsvertrag, wird durch Auslegung festgestellt, ob der Betriebserwerber die Verpflichtungen des alten Arbeitsgebers weiterführen muss.
Umstritten ist, ob der Betriebserwerber in das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Veräußerers eintritt. Hierbei spielt der Zeitpunkt eine entscheidende Rolle. Bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs, muss der Betriebserwerber in das vertragliche Wettbewerbsverbot eintreten. Doch besteht bereits zum Zeitpunkt des Übergangs kein Arbeitsverhältnis mehr, so ist die Meinung bezüglich des Eintritts in das Wettbewerbsverbot sehr gespalten. Es wird einerseits die Meinung vertreten, dass der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot gegenüber dem alten Arbeitgeber einhalten muss und von diesem finanziell entschädigt wird. Andererseits ist besteht die Meinung, dass dieses Verbot ebenfalls durch den § 613a BGB auf den Betriebserwerber übergehen soll. Von der Mehrheit befürwortet wird jedoch ebenfalls eine Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber bezüglich des Übergangs des Wettbewerbsverbots.26
Eine weitere Rechtsfolge stellt der § 613a Abs.4 S.1 BGB dar, welcher besagt, dass eine Kündigung durch den Betriebsveräußerer oder dem neuen Inhaber aufgrund des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs unwirksam ist. Diese zentrale Kündigungsschutznorm, welche außerhalb des Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, soll die Bestandsschutzfunktion unterstreichen und gilt auch für Arbeitsverhältnisse, welche nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Von einem zulässigen Beenden des Arbeitsverhältnisses kann bei der Verwendung von Aufhebungsverträgen gesprochen werden. Aufhebungsverträge stellen keine einseitige Kündigung seitens des Arbeitgebers dar, da die Arbeitnehmer in diesen Fällen von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen können. Die Zulässigkeit besteht zudem nur, wenn der Aufhebungsvertrag auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtet ist. Auf die Funktion von Aufhebungsverträgen zu Zwecken der Umgehung des § 613a BGB, wird im zweiten Teil genauer eingegangen.27
1.2.1 Die Weitergeltung der Kollektivvereinbarungen
Die Frage, ob die bisherigen Kollektivvereinbarungen der Arbeitnehmer weitergelten, ist davon abhängig, ob der Betriebserwerber ebenfalls Kollektivvereinbarung als Regelungsmittel anwendet. Werden Kollektivvereinbarungen ebenfalls durch den Betriebserwerber genutzt, so werden gemäß § 613a Abs.1 S.3 für die übergegangenen Arbeitsverhältnisse die beim Erwerber geltenden Kollektivvereinbarungen für den Arbeitnehmer verbindlich. In diesem Fall besteht kein Verschlechterungsverbot, was bedeutet, dass die Kollektivvereinbarungen des Erwerbers bei ungünstigeren Regelungen dennoch Anwendung finden.
Anders ist es, wenn beim Betriebserwerber keine Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bestehen oder diese nicht unmittelbar und zwingend auf das übergegangene Arbeitsverhältnis Anwendung finden. In diesem Fall werden die Regelungen der bisherigen Kollektivvereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertrags und gelten demnach i.S.d. § 613a Abs.1 S.2 BGB weiter. Diese Regelung beschreibt die Nachwirkung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen gemäß § 4 Abs.5 TVG und § 77 Abs.6 BetrVG. Da diese jedoch ihre unmittelbare und zwingende Wirkung verlieren, gleicht der Gesetzgeber dies durch eine zeitliche Veränderungssperre aus. Diese beträgt ein Jahr. Ausnahmen diesbezüglich finden nur Anwendung, wenn die Kollektivvereinbarungen bereits vor der gesetzten Jahresfrist keine zwingende Wirkung mehr aufzeigen oder wenn zwischen neuem Arbeitsgeber und Arbeitnehmer bereits andere Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen vereinbart werden. Sind die Regelungsgegenstände beim Betriebserwerber nicht durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, sondern durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegt, so gilt diese als Einzelbetriebsvereinbarung fort.28
1.3 Die Unterrichtung über den Betriebsübergang
Des Weiteren unterliegen der bisherige oder der neue Arbeitsgeber gemäß § 613a Abs.5 BGB einer Unterrichtungspflicht gegenüber den vom Übergang betroffenen Arbeitnehmern. Die Unterrichtung muss vor dem Übergang und nach § 126b BGB in Textform erfolgen. Der Gesetzgeber hat für den Inhalt der Unterrichtung folgende Aspekte im § 613a Abs.5 BGB festgelegt:
1. „Den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2. Den Grund für den Übergang,
3. Die rechtlichen, wirtschaftlichen und soziale Folgen des Übergang für die Arbeitnehmer und
4. Die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommene Maßnahmen.”
Laut BAG soll die Unterrichtung dabei in einer einfachen, für Laien verständlichen, Darstellung erfolgen. Hierbei muss auf eine präzise und rechtlich fehlerfreie Unterrichtung geachtet werden. Bleibt eine Unterrichtung vor dem Übergang unterlassen, so kann diese nachgeholt werden. Ist die Unterrichtung in manchen Punkten unvollständig, kann sie durch Ergänzungen geheilt werden. Im Falle einer Fehlerhaftigkeit oder Unterlassung, beginnt die in § 613a Abs.6 BGB erwähnte Einmonatsfrist für den Widerspruch nicht.29 Dies hat zur Folge, dass dem Arbeitnehmer keine Frist gesetzt ist und er für die Ausübung seines Widerspruchrechts bis zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung abwarten kann. Da eine Verletzung der Unterrichtungspflicht eine vorvertragliche Pflichtverletzung darstellt, kann es nach § 280 Abs.1 BGB ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen gegen den bisherigen Arbeitgeber und gegen den Betriebswerber kommen. Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, auf Grundlage der gegebenen Informationen eine ausgewogene Entscheidung bezüglich des Widerspruchrechts zu fällen.30
[...]
1 Bachner, Gerhardt, 2021, Rn. 1.
2 Schmidt, Carlo, 2020, S. 58ff.
3 MüKoBGB/ Müller-Glöge, BGB § 613a Rn. 14-19.
4 Bachner/ Gerhardt, 2021, Rn 18.
5 MüKoBGB/ Müller-Glöge, BGB § 613a, Rn 16f.
6 EuGH, Urteil vom 12.2.2009 – C 466/07, NZA 2009, 251.
7 Bachner/ Gerhardt, 2021, Rn. 18.
8 Brensau/ Dreher/ Hauck, 2008, Rn. 51ff.; EuGH, Urteil vom 18.3.1986 – 24/85, NZA 2020, 443.
9 Bachner/ Gerhardt, 2021, Rn 19.
10 Brensau/ Dreher/ Hauck, 2008, Rn 53ff.
11 Moll/ Cohnen, MAH Arbeitsrecht § 53, Rn 24-27.
12 ErfK/ Preis, BGB § 613a, Rn 23.
13 Moll/ Cohnen, MAH Arbeitsrecht § 53, Rn. 28.
14 Moll/ Cohnen, MAH Arbeitsrecht § 53, Rn. 30.
15 Moll/ Cohnen, MAH Arbeitsrecht § 53, Rn. 31.; BAG, Urteil vom 16.5.2002 - 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93.
16 MüKoBGB/ Müller-Glöge, BGB § 613a, Rn. 53.; MüKoBGB/ Müller-Glöge, BGB § 613a, Rn. 61.
17 Moll/ Cohnen, MAH Arbeitsrecht § 53, Rn. 32.
18 MüKoBGB/ Müller-Glöge, BGB § 613a, Rn. 53.; BAG, Urteil vom 22.5.1997 - 8 AZR 101/96, NJW 1997, 3188.
19 ErfK/ Preis, BGB § 613a, Rn. 43.
20 APS/ Steffan, BGB § 613a, Rn. 57.
21 Bachner/Gerhardt, 2021, Rn. 44-57.
22 Bachner/Gerhardt, 2021, Rn. 47.
23 Ebd.
24 Bernsau/ Dreher/ Hauck, 2008, Rn. 112ff.
25 Schaub/ Koch, 2020, Kapitelnr. III.1.
26 ErfK/ Preis, § 613a BGB Rn 80.
27 Bachner/ Gerhardt, 2021, Rn. 182ff.
28 Schaub/ Koch, 2020, Kapitelnr. III.2.
29 Bachner/Gerhardt, 2021, Rn. 124ff.
30 Schaub/ Koch, 2020, Kapitelnr. IV.