Diese Arbeit untersucht die Frage: Welche Faktoren müssen gegeben sein, um Resilienz gegen Mobbing zu entwickeln, dargestellt am Beispiel des Rückhalts im Elternhaus?
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Mobbing" steht noch ganz am Anfang. Es gibt bisher weder ein eindeutiges theoretisches noch ein empirisch fundiertes Mobbingkonzept. Dies spiegelt sich auch in der Uneinigkeit der verschiedenen Definitionen des Begriffs "Mobbing" wider. Kennzeichen von Mobbing erkennt Politi in einem aggressiven Verhalten. Dieses richtet sich systematisch, wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen ein Individuum. Zudem entsteht das aggressive Verhalten meist in Gruppen. Demnach ist Mobbing eine Form von Gewalt, die sich in einem sozialschädlichen und Norm abweichenden Verhalten von Individuen zeigen kann. Ebenso findet der Begriff "Bullying" hierfür Verwendung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Relevanz
2.1 Mobbing – ein Thema mit Brisanz
2.2 Prävention – wehret den Anfängen
3 Definitorischer Teil
3.1 Mobbing
3.2 Erscheinungsformen
3.3 Opfer- und Tätermerkmale
3.4 Psychosoziale Auswirkungen
3.5 Resilienz- und Schutzfaktoren
3.6 Prävention
4 Familiäre Schutzfaktoren
4.1 Eltern-Kind-Bindung
4.2 Erziehung
4.3 Geschwisterbeziehung
4.4 Familienklima
5 Präventionsmaßnahmen
5.1 Fast
5.2 Triple-P
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Eigenständigkeitserklärung
1 Einleitung
Paul hat Bauchschmerzen. In regelmäßigen Abständen kommen diese wieder, besonders morgens, wenn er zur Schule muss. Schule - allein das Wort reicht aus, damit es Paul nicht mehr so gut geht. Es sind weder die Lehrer noch das Lernen, was ihn belastet. Es sind seine Klassenkameraden Karl und Tim, die ihm an jedem einzelnen Schultag die Hölle bereiten.
Pauls Schulalltag beschreibt sehr gut, was zur Zeit 13,3 Prozent der Schüler:innen im Alter von 11-15 Jahren in Deutschland erleben (Fischer et al., 2020, S. 61).
In dieser Hausarbeit steht das Thema Mobbing in Hinblick auf die protektiven Faktoren durch die Familie im Vordergrund. Weitere mobbingbegünstigende Faktoren, wie die individuellen und situativen Faktoren, werden in dieser Arbeit nicht thematisiert. Daraus erschließt sich die Frage:
Welche Faktoren müssen gegeben sein, um Resilienz gegen Mobbing zu entwickeln, dargestellt am Beispiel des Rückhalts im Elternhaus?
2 Relevanz
Von Interesse ist die Frage vor dem Hintergrund der präventiven Frühförderung junger Familien im Sektor Erziehung und Eltern-Kind-Bindung. Ebenso inwieweit diese einen Einfluss auf das Ausbilden robuster Resilienzen und Schutzfaktoren vor Mobbingerfahrungen haben kann.
2.1 Mobbing – ein Thema mit Brisanz
Mobbing und Gewalt an Schulen sind keine Einzelfälle. Das Erkennen der Problematik ist ein wichtiger Faktor. Dieses gilt sowohl für die akute Intervention, als auch für die Entwicklung effektiver Präventionsmaßnahmen (Gugel, 2016, S.1). In den letzten Jahren ist die Thematik "Mobbing" auf Grund ansteigender Fallzahlen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Durch die Digitalisierung und daraus resultierende räumliche und zeitliche Entgrenzung ist eine deutliche Zunahme von Mobbing bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen (Schubarth & Seidel, 2013, S. 271).
2.2 Prävention – wehret den Anfängen
Das Leben ist von Natur aus bestückt mit diversen Risiken und Gefahren. Eine Fokussierung auf die Beseitigung von Risiken ist langfristig weniger erfolgsversprechend, als die Stärkung der Schutzfaktoren. Eine frühzeitige Prävention begünstigt eine Stärkung der Schutzfaktoren und eine erfolgreiche Meisterung von ungünstigen Erfahrungen und Risiken (Suess, 2003, S. 152).
3 Definitorischer Teil
3.1 Mobbing
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Mobbing“ steht noch ganz am Anfang. Es gibt bisher weder ein eindeutiges theoretisches noch ein empirisch fundiertes Mobbingkonzept. Dies spiegelt sich auch in der Uneinigkeit der verschiedenen Definitionen des Begriffs „Mobbing“ wider (Braungardt, Vogel, Schmiedeberg & Schneider, 2013, S. 257). Kennzeichen von Mobbing erkennt Politi in einem aggressiven Verhalten. Dieses richtet sich systematisch, wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen ein Individuum. Zudem entsteht das aggressive Verhalten meist in Gruppen. (Politi, 2020, S. 4). Demnach ist Mobbing eine Form von Gewalt, die sich in einem sozialschädlichen und Norm abweichenden Verhalten von Individuen zeigen kann. Ebenso findet der Begriff "Bullying" hierfür Verwendung (Melzer & Schubarth, 2016, o.S.).
Drei Bestimmungsmerkmale sind prägnant beim Mobbing. Dazu zählt der Wiederholungsaspekt, der durch ein wiederkehrendes Ereignis und über einen länger dauernden Zeitraum gekennzeichnet ist. Des Weiteren kommt die Verletzungsabsicht des Täters hinzu, wie auch das Machtungleichgewicht von Täter und Opfer zu Gunsten des Täters (Schubarth, Scheithauer, Hess, Grewe & Wachs, 2016, S. 18f.).
3.2 Erscheinungsformen
Mobbing zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Es gibt einzelne Täter und/oder Opfer, aber auch Gruppen von Tätern und Opfern. Direktes Mobbing präsentiert sich in physischer und verbaler Gewalt. Dieses kann sich vom harmlosen Schubsen bis hin zu gefährlicher Körperverletzung zeigen. Letzteres ist jedoch die Ausnahme. Indirektes Mobbing beinhaltet den Ausschluss des Opfers aus der Gemeinschaft, Verbreitung von Gerüchten und das Ignorieren des Betroffenen (Politi, 2020, S. 6).
Eine weitere Form ist das Cybermobbing. Das Mobbing wird hier in den digitalen Raum verlagert. Hahlweg & Schulze postulieren, dass laut neuen Studien Cybermobbing lediglich eine andere Methode ist, als das herkömmliche Mobbing und dadurch ein geringer Zuwachs neuer Opfer geschaffen wurde (Hahlweg & Schulz, 2020, S. 119).
3.3 Opfer- und Tätermerkmale
Die typischen Opfermerkmale zeigen sich in Ängstlichkeit, Unsicherheit, Übervorsichtigkeit, Sensibilität, Schüchternheit, negative Haltung zur Gewalt, Pessimismus, geringer Selbstwert und wenig bis keine Freunde in der Klassengemeinschaft. Äußere Merkmale, wie Übergewicht, hässliche Brille oder unmoderne Kleidung spielen entgegen der allgemeingültigen Auffassung keine signifikante Rolle (Riebel, 2011, S. 188 f.).
Der Mobbingtäter hingegen zeichnet sich dem Opfer gegenüber meist durch eine physische und psychische Überlegenheit aus. Die Familienstruktur vieler Täter ist mit Gewalt geprägt. Familiäre Unterstützung erfahren die Täter eher selten, was sich auch in schlechten Schulleistungen widerspiegeln kann. Das Verhalten ist von Impulsivität geprägt. Auffallend ist die geringe Empathiefähigkeit und wenig vorhandene Kompetenz, Konflikte sozial angemessen lösen zu können. Zudem ist eine niedrige Frustrationstoleranz häufig charakteristisch. Die Täter neigen ebenfalls zur Begehung delinquenter Taten (Klauen, Stehlen). Es besteht die Gefahr, dass der Mobbingtäter langfristig eine antisoziale Persönlichkeit ausbildet (Mirian, 2020, S. 21).
3.4 Psychosoziale Auswirkungen
Mobbingerfahrungen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Betroffenen. Die erlebten Übergriffe bedrohen das Gefühl der Unversehrtheit. Das Erleben ist geprägt von Angst, Schmerz und Demütigung. Bei ausbleibender Hilfe und langfristigem Mobbingerleben kommt es zu einer Festigung der Opferrolle. Es kann zu einem Verlust des Selbstwertgefühls kommen und einen inneren Kampf von Integrität und Identität entfachen. Dieses kann die Entstehung psychischer Krankheiten begünstigen, u. a. Bulimie und Depressionen (Peter, 2020, S. 181 f.).
Die Opfer weisen ein hohes Risiko für das Ausbilden von internalisierenden Störungen auf. Stressbelastung, Depressionen, Angststörungen, Integrationsprobleme, Leistungs- und Schlafprobleme sind Kennzeichen dieser Störung. Täter hingegen haben ein hohes Risiko, externalisierende Störungen zu entwickeln. Diese können sich u. a. in Aggressivität, dissoziales Verhalten und Kriminalität zeigen. Opfer, die zu Tätern werden, können inter- und externalisierende Störungen ausbilden (Popow, Ohmann & Paulus, 2018, S. 499).
3.5 Resilienz- und Schutzfaktoren
Resilienz ist kein reines angeborenes Resultat, sie resultiert aus einem Interakti-onsprozess zwischen dem Individuum und seiner Umwelt innerhalb eines fortlau-fenden Entwicklungs- und Anpassungsprozesses. Resilienz ist daher innerhalb der Lebensspanne Veränderungen unterworfen (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2015, S. 10). Gesunderhaltung und Gesundheitsschutz sind die Schwerpunkte in der Resilienz - und Schutzfaktorenforschung. Im Fokus stehen die protektiven Faktoren, die eine positive Auswirkung auf die psychische und physische Gesundheit haben (Lyssenko & Bengel, 2016, o.S).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet vier Ebenen der Schutzfaktoren. Diese umfassen die persönliche Ebene (bspw. Alter, Geschlecht, Persönlichkeitsmerkmale), die Ebene der Beziehungen (bspw. Familie, Freunde, Peers), die gemeinschaftliche Ebene (Nachbarschaft, Arbeitsplatz, Schule,..) und die gesellschaftliche Ebene (soziale und kulturelle Normen) (Gugel, 2016, S. 10).
Bei Kindern und Jugendlichen wird die Resilienz, bzw. Widerstandsfähigkeit unter einer gesunden und altersgemäßen Entwicklung verstanden. Sie bleibt auch unter psychischen, physisch bedrohlichen und ernsthaften Lebensbedingungen weiterhin erhalten (Lyssenko & Bengel, 2016, o.S).
Schutzfaktoren, bzw. protektive Faktoren sind Bedingungen, die das Risiko einer Fehlentwicklung oder das Ausbilden einer psychischen Erkrankung verhindern oder mindestens abschwächen. Gleichzeitig gewährleisten diese die gesunde Entwicklung trotz ungünstiger Umstände (ebd., 2015, S. 28).
3.6 Prävention
"Prävention bedeutet im eigentlichen Wortsinn "etwas zuvor kommen". Dahinter steckt die Erkenntnis, dass rechtzeitiges sich Kümmern und Vorsorge treffen, nicht nur Kosten senken, sondern auch "Katastrophen" verhindern kann.“ (Gugel, 2016, S. 3). Es werden unter diesem Begriff alle Maßnahmen verstanden, welche die physische und psychosoziale Gesundheit des Individuums sichern. Ein möglichst frühzeitiges Erkennen und Intervenieren gilt als besonders erfolgsversprechend (Burger, 2020, S. 119).
4 Familiäre Schutzfaktoren
Zu den Familiären Schutzfaktoren zählen insbesondere strukturelle Familienmerkmale, die sich im sozioökonomischen Status, im täglichen Tagesablauf und der Zusammensetzung der Familie zeigen. Festgelegte Tagesstrukturen, Rituale und gemeinsame Unternehmungen vermitteln den Kindern ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Faktoren der Eltern- Kind- Beziehung, die eine sichere Bindung und positive Beziehung zu den Eltern beinhaltet, sowie ein autoritativer, positiver Erziehungsstil und ein positives Familienklima sind die tragenden Pfeiler der familiären Schutzfaktoren. Durch die Beinflussbarkeit sind diese für Präventions- und Interventionsmaßnahmen sehr gut nutzbar (Bengel, Meinders-Lücking & Rottmann, 2009, S. 86 ff.).
4.1 Eltern-Kind-Bindung
Bindung wird als eine „intensive, überdauernde, sozial-emotionale Beziehung" zwischen der Bezugsperson und dem Kind verstanden (Gerrig, 2018, S. 412). Ainthworth definiert Bindung "als zeitliches und räumlich überdauerndes emotionales Band zwischen zwei Personen". (Pinquart, Schwarzer & Zimmermann, 2011, S. 198).
Es können vier Bindungstypen unterschieden werden:
1. „Unsicher gebundene, vermeidende Kinder“ suchen kaum Kontakt zur Mutter und reagieren ängstlich, sobald eine Trennungssituation auftritt. Eine Beruhigung von anderen Personen ist möglich.
2. „Sicher gebundene Kinder“ hingegen suchen den Kontakt und die Nähe der Mutter. Nach Trennungssituationen lassen sich diese schwer von anderen Personen beruhigen.
3. „Unsicher gebundene Kinder mit ambivalenten Interaktionsverhalten“ reagieren passiv oder wütend auf die Bezugsperson nach Trennungserfahrungen. Ihr Verhalten zur Bezugsperson ist von einer Ambivalenz geprägt. Sie suchen die Nähe, aber gleichzeitig auch die Distanz.
4. Kinder, die der „D-Komponente“ (desorganisierte und desorientiertes Bindungsverhalten) zugehören, lassen sich in keine der voran genannten Kategorien zuordnen. Ihr Reaktionsstil ist zu schwach. Es wird vermutet, dass sich diese Kinder in einem inneren Konflikt zwischen Angst und Annäherung befinden (Burger, 2020, S. 7).
Unsichere Bindungsorganisationen zählen zu den Risikofaktoren in Hinblick auf Mobbing (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2015, S. 22). Zu erkennen ist, dass diese Kinder weniger gut in Peergroups integriert sind, kaum Freundschaften schließen und in mehr soziale Konflikte verwickelt sind als sicher gebundene Kinder. Aus Sicht der Lehrer werden diese Kinder als weniger sympathisch empfunden und teilweise aggressiv wahrgenommen (Zimmermann & Scheuer-Englisch, 2013, S.8).
Ein wichtiger und essenzieller Schutzfaktor vor Gewalterfahrungen bietet eine sichere Eltern-Kind-Bindung. Längsschnittstudien konnten belegen, dass bei Hoch-Risiko-Stichproben eine sichere Bindung protektive Wirkung gegenüber Risiken aufzeigte (Suess, 2003, S. 151).
Eine sichere Bindung ist u.a. durch eine enge emotionale Beziehung zu den Bezugspersonen (z.B. Eltern) gekennzeichnet. Durch die Bereitstellung von schützenden und unterstützenden Bedingungen für den Schutzbefohlenen entsteht Nähe und Sicherheit (Pinquart et al., 2011, S. 199).
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