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Hausarbeit, 2020
16 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Trauma- Erbe
Transgenerationale Trauma-Weitergabe
Sabrina Janesch - Katzenberge
Inhalt
Motiv
Lösung des Traumas
Kinder unter Deck
Inhalt
Motiv
Lösung des Traumas
Vergleich Katzenberge und Kinder unter Deck
Fazit
Literaturverzeichnis
„Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.“ (Christa Wolf, Kindheitsmuster)
So könnte das Motto vieler Überlebender des Zweiten Weltkriegs lauten, mag man meinen. Denn es wird ungern über diese Zeit gesprochen, denn keiner möchte das Leid, die Angst und die Scham, die diese Zeit mit sich brachte, erneut erleben müssen. Doch genau dies führt zu einem Problem. Viele Menschen erleben Traumata durch die fürchterlichen Ereignisse, die der Krieg hervortrug. Doch als der Krieg vorbei war, blieb keine Zeit diese Traumata aufzuarbeiten. Während des Wiederaufbaus war kein Platz für seelische Schäden, es wurden vorrangig die offensichtlichen, materiellen Schäden behoben. Welche Folgen dies hat, ist nun erkennbar, denn die Traumata werden an die folgenden Generationen weitergegeben. Dies passiert unbewusst und wirkt sich teilweise drastisch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Erben aus. Die Zahl der Holocaustüberlebenden sinkt Jahr für Jahr und somit die Möglichkeit der direkten Aufarbeitung der Traumata. Letztendlich hinterlassen sie viele Fragen und ihre Kinder sehen sich gezwungen so weiterzuleben. Doch die dritte Generation scheint die ungelösten Fragen offen zu stellen und will die Geschichte aufarbeiten. In der folgenden Arbeit soll anhand eines Romans und eines Film genau dieser Aspekt analysiert und diskutiert werden. Es werden zweit Familien vorgestellt, deren Geschichten auf eine gewisse Weise sehr ähnlich, jedoch auch völlig unterschiedlich sind. Es zeigt den Mut der dritten Generation, die sich nicht vor der Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Vergangenen scheuen und einem Ansatz, der zur Lösung solcher Traumata beitragen kann.
Im folgenden Kapitel soll die transgenerationale Trauma-Weitergabe zunächst erklärt und in Bezug zu den Holocaust überlebenden gesetzt werden. Darauffolgend werden der Roman und der Film analysiert und in Bezug zum Trauma- Erben gesetzt werden. In beiden Erzählungen steht das Reisen zu den Ursprungsorten der Großeltern im Fokus und soll, unter dem Aspekt der Weitergabe von Traumata, als Ansatz zur Lösung dieser diskutiert werden.
„ Trauma – Wunde, Verletzung, jede plötzliche äußere Einwirkung mit schädlichen Folgen für den Körper oder die Psyche.“ (Psychologie-Lexikon, S. )
Diese nüchterne und einfache Definition des Begriffs Trauma ist nur eine von vielen, die Versuchen dieses Phänomen in Worte zu fassen. Der Moment, in dem es zu einer akuten Traumatisierung kommt, stellt das Erleben äußerster Ohnmacht und Hilfslosigkeit dar. Angst und Panik erreichen ein Ausmaß, das schließlich zu einem Zusammenbruch der psychischen Organisation führt. Dadurch wird das Erleben psychischer Kontinuität außer Kraft gesetzt, dabei ist dies grundlegend für die Identitätserfahrung. Es entsteht ein Riss in der Kontinuität des Identitätserlebens und führt folglich dazu, dass das innere Erleben gestört ist. Eine psychische Verarbeitung des Geschehenen, die die Integration des aktuellen Erlebens mit dem den vorhandenen Erfahrungen bedeuten würde, ist nicht möglich. Damit stellt die akute Traumatisierung einen tiefen körperlichen Prozess dar und wird zudem oft durch partielle Amnesien begleitet. Damit bleiben traumatische Erfahrungen durch die veränderten Verarbeitungswege dem bewussten Zugriff dauerhaft versperrt. (vgl. Rauwald, 2013, S. 21 f.) Nach einer Traumatisierung versuchen die Betroffenen das unerklärliche traumatische Ereignis zu verstehen und die verlorene Identität wiederherzustellen (vgl. ebd. S.22). Inwiefern die Folgen sich beeinträchtigend auswirken ist von der bisherigen Lebenserfahrung des Individuums und von den Reaktionen der Umgebung, in der frühen posttraumatischen Phase (vgl. edb. S.23).
Die Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebten, waren einer Vielzahl von akut traumatischen Ereignissen ausgesetzt. Durch die Dauer des Krieges wurde die Qualität des Erlebten intensivert und besonders für die damaligen Kinder zum Alltag. Stätige Bombenangriffe, Zerstörung, soziale Spaltung sowie die gegenwärtige Auseinandersetzung mit dem Tod führten zu ständiger Angst. Aber auch als der Krieg vorbei war, gestaltete sich die Nachkriegszeit als mühsam und zehrend. So war auch diese Zeit gepräft durch Verlust von Heimat, Menschen und dem täglichen Kampf ums Überleben. Besonders betroffen war vor allem die Kriegkindergeneration, da diese die traumatischen Erlebnisse in der wichtigsten Phase der Identitätsfindung erlebten.
Grundsätzlich war die Auseinandersetzung mit der Hilfslosigkeit in einer immens überfordernden Situation kontinuierlich und der Wiederaufbau vorrangig. Dementsprechend war die aktive Aufarbeitung und Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse kaum möglich.
Diese unverarbeiteten Traumata werden unbewusst an die folgenden Generationen weitergegeben und stellen diese vor Probleme, für die sie keine direkte Anwtort finden.
Unter der transgenerationalen Weitergabe von Traumata wird im Allgemein die Übertragung eines, von einer bestimmten Person erlebten, Traumas auf die nachfolgenden Generationen verstanden. Diese Übertragung kann auf unterschiedlichen Wegen, direkt oder indirekt, erfolgen, sowie mit unterschiedlichen Auswirkungen und Reaktionen verbunden sein. (vgl. Kellermann, 2011)
Während die persönlich erlebte Traumatisierung als primär benannt ist, zum Beispiel die Genration der Holocaustüberlebenden, wird die Weitergabe eines Traumas von einem Elternteil an die eigenen Kinder als sekundäre Traumatisierung bezeichnet. Die Übertragung an die darauffolgenden Generationen wird als transgenerationale Trauma-Weitergabe bezeichnet. (vgl. Kellermann, 2011, S.139 f.)
Um den komplexen psychologischen Prozess der transgenerationalen Weitergabe zu erklären, wurden mehrere unterschiedliche Konzepte entwickelt. Kellermann hat dabei versucht eine integrative „Transmissionstheorie“ zu skizzieren.
So lässt sich aus psychoanalytischer Perspektive darauf schließen, dass das ungelöste Trauma und die damit zusammenhängende mangelnde emotionale Verarbeitung, sich schädlich auf die nachfolgenden Generationen auswirken können. Dies geschieht unbewusst und äußert sich dadurch, dass die betroffenen Personen ihr traumatisiertes Ich auf die sich entwickelnde Persönlichkeit ihrer Kinder übertragen. Diese Weitergabe findet zunächst jedoch nur sekundär statt, da die von den Eltern verdrängten Emotionen wie Wut, Trauer und Angst, von den Kindern nur indirekt und verzerrt wahrgenommen und nachempfunden werden können. Laut Kellermann werden die Emotionen von den Kindern aufgenommen, absorbiert und inkorporiert. Als Beispiel für die indirekte Traumatisierung der Kinder zeigen sich Verhaltensmuster wie das Besorgt sein um die Gesundheit der Eltern oder das Auftreten von Schulgefühlen wegen des Leids der Eltern. (Vgl. Kellermann, 2011. S.147; Moré, 2013, S. 2-7)
Ein weiteres Erklärungsmodell befasst sich mit dem Sozialisationsaspekt. Hier werden nicht die indirekten Einflüsse der Eltern auf die Kinder betrachtet, sondern die bewussten bzw. direkten Einflüsse. Dieser Ansatz vertritt die Theorie, dass sich Nachkommen traumatisierter Personen in einem bestimmten sozialen Gefüge sozialisiert werden, wo sie die Erfahrungen der Eltern verinnerlichen. Dabei werden die Bindungs- sowie Ablösungsprozesse der Kinder erheblich belastet und führt zu Diskrepanzen oder starker gegenseitiger Abhängigkeit. Dies kann im Umkehrschluss zu einer gestörten Familienatmosphäre führen und die Kinder insofern negativ beeinflussen, dass sie eine geringere Selbstwahrnehmung aufweisen und sich nicht zur Selbstständigkeit ermuntert fühlen. (Vgl. Kellermann, 2011, S. 145 ff.)
Ein besonders wichtiger Punkt innerhalb des Familienmilieus ist jedoch die Kommunikation über die traumatisierenden Ereignisse. So spielt es für die intergenerationelle Transmission von Traumata eine Rolle, ob über die Ereignisse offenkundig und ehrlich gesprochen wurde, oder ob diese verschwiegen wurden. (vgl. Glaesmer, 2015, S. 19) Dies erscheint insofern als logisch, da durch die offene Kommunikation eine Art Verarbeitung der Traumata stattfindet und es zu einer Stärkung der Persönlichkeit bei den Betroffenen führt.
Nicht zu verachten ist außerdem der Aspekt, dass durch die Verdrängung des Erlebten, die Kommunikationsformen innerhalb der Familie, bei den nachfolgenden Generationen Schuldgefühle oder Wut auslösen können, da ihnen das emotionale Verständnis für die damalige Situation fehlt.
Die fehlende Kommunikation und die damit verbundenen Folgen erscheinen hier besonders ausschlaggebend für die Weitergabe des Traumas an die folgenden Generationen. Durch die damit einhergehende fehlende Verarbeitung werden Rückschlüsse auf bestimmte Verhaltensweisen der schweigenden Generation individuell gezogen und bieten Raum für Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung aller weiteren Generationen.
Es lässt sich daraus schließen, dass die Wirkung der verdrängten Traumata und die damit verbundenen psychischen Störungen sich in der dritten Generation verstärken. Die Sozialpsychologin Angela Moré ist deshalb der Meinung, dass „wo die Aufarbeitung nicht nur oder nur unvollständig gelingt, wird die Gefühlserbschaft zur Last auch noch für Enkel und Enkelinnen bzw. Urenkel und Urenkelinnen. (vgl. Moré, 2013, S.19)
Grundsätzlich gilt natürlich, dass es sich hierbei um ein höchst individuelles Phänomen handelt und die Auswirkungen auf die verschiedenen Generationen demnach unterschiedlich ausfallen können. Die Übertragung eines Traumas gilt nicht Vorbestimmt und muss nicht zwingend auftreten. (Vgl. Kellermann, 2011, S. 158f.)
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, sollen im Folgenden der Roman Katzenberge von Sabrina Janesch und der Film Kinder unter Deck von Bettina Henkel analysiert werden. Beide Werke weisen Ähnlichkeiten sowie Differenzen in der Art und Weise wie mit dem Trauma-Erbe umgegangen wird auf . Eine große Gemeinsamkeit ist das Reisen der dritten Generation an die Ursprungsorte der traumatisierten primären Generation.
In den nächsten Kapiteln folgt eine kurze Zusammenfassung der beiden Werke und es wird versucht eine Antwort darauf zu finden, wieso die dritte Generation das Verlangen hat, an die Ursprungsorte zurückzukehren und inwiefern das Reisen bei der Bewältigung des transgenerationalen Trauma-Erbes helfen kann.
Eine junge Frau auf der reist in die Vergangenheit, um den Bann ihres geliebten Großvaters zu lösen. Sie begibt sich bis zu seinem Geburtsort Galizien und befreit mit dieser Reise letztendlich ihre Familie, sowie ihren verstorbenen Großvater von einem Dämon, der er zu Lebzeiten nicht vertreiben konnte.
Wo liegen unsere familiären Wurzeln? Während manche diese Frage schnell beantworten können, brauchen andere wiederum etwas länger, weil die Wege, die die Vorfahren nehmen mussten, komplizierter waren.
Sabrina Janesch erzählt in ihrem Roman Katzenberge von der jungen Journalistin Nele Leibert und ihrer Reise zum Geburtstort ihres Großvaters.
Der Roman beginnt damit, dass Nele vom Tod ihres Großvaters erfährt und sich daraufhin ein paar Tage frei nimmt, um zu der Beerdigung nach Polen, ehemals Schlesien, zu fahren. Dort beschließt sie, auf Zuspruch ihrer Mutter, nach Galizien (Ukraine) zu reisen, zum Geburtsort ihres „Dja-djos“. Dabei begibt sich Nele auf Spurensuche in ihrer eigenen Familiengeschichte und löst so den Fluch, mit dem der Großvater bis zum Tod gekämpft hat.
Die Erzählung springt zwischen der Gegenwart von Nele und der Vergangenheit, die in Form von Erzählungen ihres Großvaters Janeczko wiedergegeben werden. Dabei stehen die Erzählungen Janeczkos immer in Relation zu den Orten, in denen sich Nele in der Gegenwart befindet und spielen sich im Zeitraum 1944/1946 ab.
Die Lebensgeschichte des Großvaters stellt keinen Einzelfall dar. In Folge des Zweiten Weltkrieges waren Vertreibung, Deportation und Flucht allgegenwärtig.
„Man flieht immer westwärts![...] Im Osten, sagen sie, zerfällt die Welt zu Staub und Asche.“ (Katzenberge, S.158)
So wurde auch die Familie des Großvaters aus seiner Heimat Galizien, durch einen Angriff der Ukrainer, vertrieben. Die Familie floh und verlor sich dabei. Janeczko kämpfe sich allein fort, immer im Gedanken an seine schwangere Frau. Nachdem er schließlich nach Schlesien deportiert wurde, übernahm er dort ein Gehöft. Er fand seine Familie wieder, nahm seine Frau und den Sohn mit in das Gehöft und brach mit seinem Bruder. Das Verhältnis der beiden Brüder war schwierig, sodass Janeczko immer wieder Zweifel an Leszek hegte. Nachdem dieser gestand, dass er vom Angriff der Ukrainer auf das Dorf Zastavne wusste, erklärte der Großvater seinem Bruder, dass er ihn verabscheue und verstoße (S.212). Dieser erwiderte jedoch, dass er dies nicht könne, da sie auf ewig mit dem Blut verbunden seien (ebd.) und er ihn verfluche. Dämonen sollen ihm folgen, egal wohin er gehen mag und besiegelte dies, indem er Erde nach Janeczko warf (ebd.).Dämonen verfolgten den Großvater bis an sein Lebensende. Er kämpfte immer wieder gegen sie, doch sie legten sich über das Haus der Familie.
Nele reist mit dem Ziel Zastavne und erfährt auf der Reise dorthin immer mehr über die Lebensgeschichte ihres Großvaters, vor der Zeit in Schlesien. Bis auf ihre Mutter, verstehen ihre Verwandten die Sinnhaftigkeit der Reise nicht. Doch sie lässt sich nicht beirren und reist in eine ihr völlig neue Welt. Sie erfährt und erlebt die Geschichte der Vertriebenen und lernt dabei einen Teil ihrer Familiengeschichte wahrhaftig kennen, der ihr ohne die Reise für immer verborgen geblieben wäre. Als sie ihr Ziel erreicht, nimmt sie etwas Erde aus Zastavne mit, um es auf das Grab ihres Großvaters zu legen. Mit dieser Geste schließt sich der Kreis der Geschichte und Janeczko ist damit sinnbildlich wieder in seiner Heimat angekommen.
Das Motiv der Erde spielt in Janeschs Roman eine besondere Rolle und zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung. Die Erde steht dabei sinnbildlich für Heimat. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Protagonistin Nele beschließt ihrem Großvater etwas Erde aus seiner ursprünglichen Heimat zum Grab zu bringen.
Allgemein beschreibt der Großvater das Land bzw. die Erde seiner Heimat als sehr fruchtbar.
„Großvater sagte, sein Geburtsort sei von so hohem Weizen umgeben gewesen, dass er im Hochsommer kaum zu erkennen war.“ (Katzenberge, S.250)
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