In dieser Arbeit wurden alle technischen Möglichkeiten, welche einen nennenswerten Reinigungseffekt erzielen, zusammengefasst und nach Verfahren sowie Entwicklungsstand strukturiert.
Seife ist die älteste und bekannteste Tensidverbindung, deren einfache Hauptaufgabe darin bestand, Schmutzpartikel von Oberflächen zu lösen und eine Dispersion zu bilden. Die Bestandteile waren zu Beginn hauptsächlich Gemische aus Fetten und Laugen. Heute existieren tausende synthetisch hergestellte Tensidverbindungen mit unterschiedlichen Eigenschaften für industrielle Anwendungen und Alltagsgegenstände. Gerade perfluorierte Tenside (PFT) mit ihren Fluor-Kohlenstoffbindungen standen mit ihren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit in den letzten Jahren immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit.
Durch ihre persistenten und akkumulierenden Eigenschaften nehmen die Konzentrationen mit der Kontaminierungszeit in der Umwelt zu. Insbesondere die Nutzung von filmbildenden Feuerlöschschäumen und das illegale Entsorgen belasteter Abfälle führen zu sehr hohen Werten in den umliegenden Grund- und Oberflächengewässern.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Perfluorierte Tenside (PFT)
2.1 Bezeichnungen und Eingruppierung
2.2 Eigenschaften
2.3 Einsatzbereiche
3 Quellen und Eintragswege in das (Grund-)Wasser
4 Ausgangslage, ökologische und rechtliche Notwendigkeiten
5 Verfügbare Technologien
5.1 Marktreife und etablierte Ex-situ-Verfahren
5.1.1 Sorption an Aktivkohle und Ionentauscher
5.1.2 Fällung / Flockung
5.1.3 Advanced Oxidation Process (AOP) mittels Ozonung
5.1.4 Membranfiltration
5.2 Marktreife und etablierte In-situ-Verfahren
5.2.1 Passive Trennwände
5.2.2 Aktivkohleinjektion als Barriere
6 Pilotstudien
6.1 AOP mittels Persulfat
6.2 AOP mittels Aquasonolyse
6.3 AOP mittels elektrochemischer Oxidation
6.4 AOP mittels Plasmastrahl
7 Konzepte und Laborphasen
7.1 Weitere AOP-Verfahren
7.2 In-situ-Schaumfraktionierung als Trennkonzept
7.3 Neue Sorptionsmaterialien
8 Zusammenfassung mit Ausblick
Literaturverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Darstellung 1 Klassifizierung der Tenside
Darstellung 2 Perfluorierte Strukturformel(pfos)
Darstellung 3 Mögliche Verteilungswege in die Umwelt
Darstellung 4 PFAS-Geringfügigkeitsschwelle für Grundwasser
Darstellung 5 Prinzip der Umkehrosmose
Darstellung 6 Entwicklungsstand der PFT Eliminierung aus (Grund-) Wässer
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Seife ist die älteste und bekannteste Tensidverbindung, deren einfache Hauptaufgabe darin bestand, Schmutzpartikel von Oberflächen zu lösen und eine Dispersion zu bilden. Die Bestandteile waren zu Beginn hauptsächlich Gemische aus Fetten und Laugen.1
Heute existieren tausende synthetisch hergestellte Tensidverbindungen mit unterschiedlichen Eigenschaften für industrielle Anwendungen und Alltagsgegenstände. Gerade perfluorierte Tenside (PFT) mit ihren Fluor-Kohlenstoffbindungen standen mit ihren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit in den letzten Jahren immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit.
Durch ihre persistenten und akkumulierenden Eigenschaften nehmen die Konzentrationen mit der Kontaminierungszeit in der Umwelt zu. Insbesondere die Nutzung von filmbildenden Feuerlöschschäumen und das illegale Entsorgen belasteter Abfälle führen zu sehr hohen Werten inden umliegenden Grund- und Oberflächengewässern.
Im Jahr 2002 wurden angebliche Bodenverbesserer, welche mit giftigem PFT versetzt waren, auf bis zu 1000 Felder ausgebracht und verseuchte Böden, den Rhein und die Möhne. Dies hatte Einfluss auf die Trinkwasserqualität, worauf ein Wasserwerk vorübergehend schließen musste.2
Was perfluorierte Tenside sind, wie sie in die Umwelt gelangen und welch derzeitige Situation es notwendig macht, diese mit technischen Mitteln aus dem (Grund-)Wasser zu entfernen wird in Kapitel 2-4 beschrieben und soll somit als Grundlage für ein besseres Verständnis dienen.
Übliche Reinigungsstufen konventioneller Abwasserreinigungsanlagen sind aufgrund der biologisch chemischen Beständigkeit von PFAS nicht in der Lage solche Verbindungen abzubauen. Die unterschiedlichen Kettenlängen und die hohe Stabilität von PFT machen daher eine gezielte technische Elimination aus belastetem (Grund-)Wasser sehr aufwendig und schwierig.
Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Sanierungsverfahren und Technologien, welche sich bereits auf dem Markt etabliert haben. Sie werden in Kapitel 5 vorgestellt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert.
Darüber hinaus werden in Kapitel 6-7 verschiedene Verfahren angerissen, welche sich noch im Konzept- und Experimentalstadium befinden.
Ziel ist es, derzeitig mögliche Verfahren nach Anwendung und Entwicklungsstand zusammenzufassen, um somit einen Überblick zum derzeitigen Stand der Technik, bezüglich der Eliminierung von PFT aus (Grund-)Wasser, zu erhalten.
Die genannten Abkürzungen PFT, PFC und PFAS beziehen sich hier auf ein und dieselbe Stoffgruppe und bezeichnen per- und polyfluorierte Tenside als Oberbegriff. Aufgrund der Anzahl von Substanzen, welche unter diese Gruppierung fallen, werden PFOS und PFOA als Referenz für alle darunter bekannten und analytisch erfassbaren Einzelverbindungen mit Auswirkungen auf die Umwelt verwendet.
2 Perfluorierte Tenside (PFT)
Der Begriff Tenside entstammt dem lateinischen Namen „tensio“, was übersetzt „etwas straffen“ bedeutet und Stoffe bezeichnet, welche die Grenzflächenspannung verändern.3 Wegen der großen Anzahl an existierenden Tensidvariationen ist es notwendig, eine gewisse Übersicht in Form einer Klassifizierung zu schaffen und diese in ihren Eigenschaften sowie Verwendungen zu beschreiben.
2.1 Bezeichnungen und Eingruppierung
Je nach Beschaffenheit und Betrachtungsweise des Moleküls werden Tenside bezüglich ihrer Neigung und der vorhandenen Ladung in verschiedene Gruppen eingeordnet.4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach Buch „Die Tenside“ 1993 S. 2 – 7
Darunter befinden sich perfluorierte Tenside (PFT), welche bisher auch unter dem Oberbegriff per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) bekannt waren und heute als per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) bezeichnet werden. Zu diesen zählen mittlerweile mehr als 4700 Einzelsubstanzen, darunter die in der Vergangenheit so viel diskutierten, nicht polymeren Industriechemikalien Perfluoroctansulfonat (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA).5
2.2 Eigenschaften
Die Gemeinsamkeit der niedermolekularen Verbindungen von Tensiden liegt in ihrem Strukturaufbau. Sie besitzen eine funktionelle Gruppe mit hydrophiler Eigenschaft als polaren Teil, an der eine unpolare Kohlenwasserstoffkette mit hydrophober Neigung hängt.6 Durch ihren amphiphilen Charakter gehören sie zu den oberflächenaktiven Substanzen.7
Gegenüber anderen Tensiden wurden bei den per- und polyfluorierten Alkylverbindungen die Wasserstoffatome an der Kohlenstoffkette gänzlich oder teilweise durch Fluoratome ersetzt.8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/fluor_studie.pdf Seite 9
Darstellung 2 Perfluorierte Strukturformel (PFOS)
Organische Fluortenside können mehr als nur die Grenzflächenspannung zwischen zwei Phasen verändern und Dispersionen sowie Emulsionen bilden. In Abhängigkeit der Kohlenstoffkettenlänge ist es ihnen ebenfalls möglich, fett-, schmutz- und wasserabweisende Aufgaben zu übernehmen.9
Weitere besondere Eigenschaften werden durch die hohe Elektronegativität der Fluoratome mit ihrer sehr kompakten Elektronenhülle erreicht. Die Bindungsenthalpie zwischen Fluor- und Kohlenstoffatomen ist mit 485 kJ/mol die Stärkste, was sie zu einer der stabilsten, organischen Einzelverbindungen mit sehr hoher Chemikalien- und Hitzebeständigkeit macht.10
Der Barriere-Effekt von Fluoratomen und die zuvor genannte Stabilität verhindern darüber hinaus auch weitestgehend Angriffe durch UV-Strahlung auf die Kohlenstoffkette.11
2.3 Einsatzbereiche
Aufgrund der vielseitigen Eigenschaften und Modifikationsmöglichkeiten sind perfluorierte Tenside in einem breiten Anwendungsspektrum einsetzbar. Gemische unterschiedlicher Fluorverbindungen finden sich in- und auf Produkten oder werden als Hilfsstoffe während der Produktion eingesetzt. Meist sind diese nicht für Verbraucher deklariert und kaum nachvollziehbar.12
Erzeugnisse wie das Lebensmittelkontaktpapier aus der Verpackungsbranche oder Anstriche aus der Farb-, und Lackindustrie müssen inzwischen öl- und schmutzabweisende Eigenschaften oder eine hohe Wetterbeständigkeit aufweisen. In der Textilindustrie werden PFC-haltige Emulsionen zur Veredlung der Outdoor- oder Schutzbekleidung in die Stoffe eingepresst und anschließend für die Vernetzung mit der Materialfaser und Ausrichtung der Perfluoralkylketten thermisch behandelt.13 14
Fluortenside sorgen unter anderem in der Brandbekämpfung dafür, dass sich zwischen dem Feuerlöschschaum (AFFF-Schaum) und der brennbaren Flüssigkeit rasch ein Film ausbreitet, welcher die Brandherde luftdicht abschließen soll.15
Ebenso finden diese in der elektrochemischen Oberflächenbehandlung der Galvanik Anwendung. Zum einen, um an Trägermaterialien eine gleichmäßige Benetzung und ein schnelles Abtropfen zu gewährleisten, zum anderen, um als Spritzschutz und Inhibitor gegen chromhaltige Aerosole zu dienen.16
Mit Hilfe der Fotolithographie werden in der Elektronikindustrie Halbleiter hergestellt. Dafür werden perfluorierte Fotolacke, Entwickler- und Ätzlösungen sowie Antireflexbeschichtungen verwendet, welche eine besondere optische oder säurebildende Eigenschaft besitzen müssen.17
Das Fluorpolymer Teflon (PTFE) verleiht nicht nur Kochgeschirr, Backöfen sowie Indus-triewerkzeugen eine antihaftende und zugleich hitzebeständige Oberfläche, es ermöglicht auch speziellen Ölen, Schmiermitteln und Wachsen die Minderung von Reibungswiderständen bei hohen Temperaturen.18 19
Für eine funktionierende Kraftübertragung bei Flugzeugen benötigt die Flugzeugindustrie thermisch stabile und chemisch inerte Hydraulikflüssigkeiten. Dafür werden diese von der Petrochemie mit geeigneten PFC-Zusätzen versehen.20
Ob zur Herstellung emulgierter Formulierungen oder Disperisonen, perfluorierte Carbon- und Sulfonsäuren, sowie viele andere Vertreter der perfluorierten Tenside, jene finden sich auch in Bioziden, Pflegemitteln, alkalischen Reinigungsmitteln oder in Isoliermaterial wieder.21 22
Dies sind nur Ausschnitte einer langen Produkt- und Anwendungsliste, bei denen solche synthetischen Verbindungen bis vor kurzem ohne Einschränkungen direkt oder indirekt zum Einsatz kamen.23 Geschätzt wurde, dass allein die weltweite Produktionsmenge des PFOSVorläufers von 1970 - 2002 ca. 96.000 t betrug, inklusive Nebenprodukte sogar 122.500 t.24
3 Quellen und Eintragswege in das (Grund-)Wasser
Per- und polyfluorierte Substanzen können sowohl aus punktuellen als auch aus diffusen Quellen in die Umwelt abgegeben werden und auf unterschiedlichen Wegen in das Oberflächen- und Grundwasser gelangen.
Punktuelle Quellen beziehen sich auf die genaue Ortung der Emissionen. Dies gilt für den gesamten Lebenszyklus, von der Herstellung, Verwendung bis zu der Entsorgung von Produkten, welche PFT oder deren Derivate enthalten.25 Dazu gehören in erster Linie Betriebsstandorte, an denen Anlagen zur PFC- oder Fluorpolymerherstellung und deren Verarbeitung betrieben werden. Weitere Punktquellen können Standorte zur Anwendung von Feuerlöschmitteln, Deponien oder Kläranlagen sein.26
Diffuse Quellen beschreiben hingegen einen nicht lokalisierbaren Emissionsursprung. Diese betreffen in der Regel Haushalte, den Verkehr und die Landwirtschaft.27.
Je nach Ursprung und Umgebungsbedingungen nehmen die Chemikalien unterschiedliche Wege in die Gewässer.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darstellung 3 Mögliche Verteilungswege in die Umwelt
Quelle: nach schroer 2015 - 01 (schroer 2015b, S. 41 Punkt A.5)
Haushaltschemikalien wie Imprägniermittel oder Anstriche können durch Regen ausgewaschen werden und über den Boden bis in das Grundwasser versickern. Einen Umweg nehmen die Substanzen aus Industrie und Haushalten durch die Abwasserkanäle in die Reinigungsanlagen. Herkömmlichen Klärwerken ist es bisher nicht möglich PFT abzubauen. So gelangte es nicht nur zusammen mit dem gereinigten Abwasser in die umliegenden Gewässer, sondern auch mit einem Teil des angefallenen Klärschlamms, welcher als Dünger auf die landwirtschaftlich genutzten Felder ausgebracht wurde, in das Grund- und Oberflächenwasser.28
Einen ähnlichen Weg nehmen die Schadstoffe, die mit Feuerlöschschäumen während einer Brandbekämpfung in die Umwelt gelangen. Vor allem in Gegenden von Löschübungsplätzen, wie Flughäfen wurden erhöhte Werte festgestellt.29
Im Lebenszyklus von Erzeugnissen können unter anderem Reste von Fluortelomeralkohol freigesetzt werden, welche durch ihre hohe Flüchtigkeit in die Luft ausgasen. Gerade in unmittelbarer Nähe von Deponien und Kläranlagen werden höhere atmosphärische Belastungen gemessen. Über Luftströme und Niederschläge werden diese teils über weite Strecken verstreut. Proben aus beiden Polargebieten verdeutlichen dabei ihre hohe Mobilität. Durch biotische und abiotische Umwandlungsprozesse von Vorläufersubstanzen können PFT-Verbindungen auch als Transformationsprodukte gebildet werden und diffus über lange Zeit das Grundwasser erreichen.30
4 Ausgangslage, ökologische und rechtliche Notwendigkeiten
Wie zuvor beschrieben, finden sich Spuren von perfluorierten Substanzen längst nicht mehr nur in Industrieprodukten, sondern auch in Böden, in der Luft sowie im Oberflächen- und Grundwasser wieder.31 32 So gelangen diese in unser Trinkwasser aber auch über Pflanzen, Nutztiere und aquatische Lebewesen in unsere Nahrungskette.33
Die Immission bei Mensch und Tier kann durch die orale, dermale sowie inhalative Aufnahme erfolgen. Es gibt Nachweise, dass eine Übertragung über die Muttermilch auf den Säugling, aber auch durch die Überwindung der Plazentabarriere auf das Ungeborene möglich ist.34
Bedingt durch lange Kohlenstoffketten und der daran gebundenen Fluoratome gehören einige perfluorierte Tenside zu den persistenten und bioakkumulierenden Stoffen. Dadurch steigt das Risiko der toxischen Belastung und somit der gesundheitlichen Gefährdung über die Zeit der Immission.35 Der Körper kann einige dieser Substanzen nicht oder nur schlecht abbauen bzw. ausscheiden. Es kommt vorwiegend zu Anreicherungen im Blutplasma, der Lunge, Leber und den Nieren.36
Verschiedene Tierstudien belegen, dass einige dieser Stoffe Auswirkung auf die körperliche Entwicklung, die Hormonbildung und den Fettstoffwechsel haben.37
Auf Basis der bisher erfolgten epidemiologischen Studien bestätigt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrer Risikobewertung von 2020 den Einfluss auf die Leberwerte, den Cholesterinspiegel, das Geburtsgewicht und das Immunsystem. Ob ein erhöhtes Diabetes- und Krebsrisiko besteht oder Schädigungen des menschlichen Nervensystems, der Nierenfunktion sowie der Fertilität hervorgerufen werden, konnte abschließend noch nicht eindeutig geklärt werden. Laut EFSA bedarf es in diesem Zusammenhang weiterer Studien.38
Der nordische Ministerrat schätzt die jährlichen Gesundheitsausgaben, im Zusammenhang mit der PFAS-Exposition im europäischen Wirtschaftsraum auf bis zu 84 Mrd. Euro und die Ausgaben für die Umweltsanierung auf bis zu 171 Mrd. Euro.39
Um ökologische und wirtschaftliche Schäden zukünftig zu verhindern bzw. zu minimieren, wurden bereits entsprechende regulatorische Maßnahmen ergriffen. Zu den Risikomanagementmaßnahmen zählt seit 2004 die Regulierung von persistenten, organischen Schadstoffen durch das Stockholmer Übereinkommen.40 2009 folgte die Aufnahme von PFOS in die Liste der zu beschränkenden Stoffe. Für PFOA und dessen Präkursor gelten laut EU-Chemika-lienverordnung REACH ab Juli 2020 neue Beschränkungen und Verbote in der Europäischen Union.41
Für einige der POP gibt es noch keinen vollständigen Ersatz. Dem entsprechend gelten Ausnahmeregelungen bis 2025. Innerhalb der EU erfolgt die Umsetzung durch die EU-Verordnung 2019/1021 als POP-Verordnung, welche die REACH-Verordnung bezüglich der genannten Schadstoffe abgelöst hat.42
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie mit ihrem Ziel, Gewässer möglichst in ihrem natürlichen Zustand zu bewahren und im Sinne von Wassernutzer sowie Wasserschützer zu bewirtschaften, hatte PFOS ab 2013 als prioritären Stoff dokumentiert.43
Aufgrund der Komplexität hat man sich in der Trinkwasserrichtlinie 2020/2184 auf zwei Qualitätsanforderungen geeinigt. Die Mitgliedstaaten können sich zwischen der Gesamtheit aller PFAS von 0,50 µg/L und, oder für die Summe von 20 Einzelsubstanzen mit einem Wert von 0,1 µg/L entscheiden. Diese sind im Anhang III, Teil B, Punkt 3 der Trinkwasserrichtlinie gelistet.44
In Deutschland wurde dementsprechend von der Bund- Länder-Arbeitsgemeinschaft für Wasser und Boden ein Geringfügigkeitsschwellenwert für das Grundwasser festgelegt, bei dem keine relevanten human- und ökotoxischen Wirkungen zu erwarten sind.45
Darstellung 4 PFAS-Geringfügigkeitsschwelle für Grundwasser
Anmerkung der Redaktion: Diese Abbildung wurde aus urgeberrechtlichen Gründen entfernt.
Quelle: Prof. Dr. Messner 2020 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/uba_sp_pfas_web_0.pdf S.31
Diese Schwellenwerte dürfen nicht allein für ein Sanierungsziel herangezogen werden, sondern sind immer individuell unter der Verhältnismäßigkeit zu betrachten. Die Zuständigkeiten für die Überwachung und Einhaltung liegen in Deutschland bei den Bodenschutz- und Wasserrechtsbehörden sowie der Lebensmittelüberwachung.46
Untersuchungen in Deutschland ergaben, dass Grundwässer an mehr als 70 % der untersuchten Messstellen mit PFAS belastet sind und davon eine große Zahl die Geringfügigkeitsschwellenwerte überschreitet.47 In Deutschland werden etwa 61% des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen.48 Um den vorgegebenen Qualitätsanforderungen von bereits belasteten Gewässern gerecht zu werden, ist eine Reinigung durch bereits vorhandene Technologien erforderlich.
5 Verfügbare Technologien
Derzeitige Sanierungsverfahren unterscheiden sich häufig nach Ort der technischen Anwendung in Ex-situ- und In-situ-Verfahren. Der Begriff „in situ“ bedeutet so viel wie vor Ort, also in natürlicher, ursprünglicher Lage.49 Dazu zählen Reinigungsverfahren wie die In-situ-Schaumfraktionierung, die Aktivkohleinjektion und ebenfalls die Errichtung von Barrieren für den Rückhalt von Schadstoffen.50
Die Ex-situ-Maßnahme ist das Pump-and-Treat-Verfahren. Die technische Dekontaminierung findet außerhalb der Grundwasserumgebung statt. Dafür wird das kontaminierte Grundwasser aus Förderbrunnen durch spezielle Pumpsysteme gefördert und durchströmt eine Reinigungsanlage mit meist mehreren Reinigungsstufen.51
Für das Risiko- und Sanierungsmanagement ist die Nutzung eines konzeptionellen Standortmodells maßgeblich für die Entscheidung einer entsprechend geeigneten und verhältnismäßigen Sanierungsoption. In die Bewertung fließen mehrere Faktoren ein: die Chemie und das Löslichkeitsverhalten von PFAS und deren Begleitstoffe, das Gefährdungspotential, die geo-logischen und die hydrogeologischen Bedingungen sowie auch die Schadstoffkonzentration und ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit.52
5.1 Marktreife und etablierte Ex-situ-Verfahren
Je nach Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt die Trennung oder Zerstörung von PFC in den Anlagen durch ein zweckmäßiges Reinigungsverfahren oder eine Kombination aus mehreren.53 Für die Beseitigung von PFT aus dem Grundwasser haben sich diverse Reinigungsmethoden auf Basis des Pump-and-Treat-Verfahrens bewährt.54 Dazu gehören Prozesse wie die Sorption, Membranfiltration, Fällung und die erweiterte Oxidation.55
5.1.1 Sorption an Aktivkohle und Ionentauscher
Die Haftung von PFC an der Oberfläche bis in das Innere eines festen Körpers erfolgt durch hydrophobe oder elektrostatische Anziehungskräfte.56 Als Trägermaterial kommen spezielle Aktivkohleprodukte und Ionentauscher zur Anwendung.
Aktivkohle enthält mehr als 90 % Kohlenstoff und wird durch Dehydrierung mit Hilfe von Dehydrationsmitteln unter hohen Temperaturen hergestellt. Die Rohstoffe dafür sind in der Regel Stein- oder Braunkohle, Bitumen, Torf oder Holz.57
Um PFAS an Aktivkohle anzureichern, wird das belastete Wasser kontinuierlich durch mindestens zwei in Reihe geschaltete Festbettreaktoren gepumpt.58
Die Beladung erfolgt als erstes durch besser bindende PFC. Schlechter bindende Schadstoffe wie die kurzkettigen Perfluoralkansäuren finden sich in der Regel in Richtung Auslauf wieder. Allerdings können diese, wenn sie in höherer Konzentration auftreten, auch die besser haftenden Moleküle wieder ablösen.59 Die Sorptionsleistung ist unter anderem abhängig von der Temperatur, dem pH-Wert und den Wasserinhaltsstoffen.60 Enthaltene Störstoffe mit höherem Sorptionsdrang müssen zuvor in einer ersten Stufe entfernt werden.61
Aufgrund der Sorptionseigenschaften durch ihre Oberflächenverfügbarkeit, mit teils bis über 1500 m³/g und ihrer chemischen Eigenschaft, ist Aktivkohle das derzeit am meisten verwendete Sorptionsmittel.62 Dennoch wird die Sorptionskapazität schnell erreicht, sodass das beladene PFC-Trägermaterial sehr oft ausgetauscht und außerhalb des Mehrstufenreaktors in einem Hochtemperaturofen zerstört werden muss. Um bei diesen Hochtemperaturprozessen eine erneute Emission zu vermeiden, ist es notwendig, dass ein Nachbrenner die desorbierten Schadstoffe bei ca. 1400 °C im Abgasstrom zerstört. Eine Wiederverwendung des Sorbens ist nach einer Regeneration bei 600 °C ebenfalls möglich.63 64
Aktivkohlesorption gehört in der Grundwasserreinigung zu den etablierten Verfahren. Bei richtiger Wahl und Anwendung können heute Wirkungsgrade bis 99 % erreicht werden.65
Als weiteres Sorbens stehen der Wasseraufbereitung sogenannte Ionentauscher zur Verfügung. Diese sind in der Regel synthetisch hergestellte, poröse Harze aus Polymeren, deren Kügelchen einen Durchmesser von 0,3 – 1,3 mm besitzen. So wie natürlicher, organischer Humus sind diese fähig Ionen auszutauschen.66 Der Betrieb erfolgt in der Regel in mehrstufigen Druckbehältern als Festbettverfahren.67
Da die meisten PFAS-Verbindungen im Grundwasser als Anionen vorliegen, werden für die Trennung vorwiegend Anionentauscher verwendet, welche eine positivgeladene, funktionelle Gruppe mit frei beweglichen Gegenionen besitzen. Durch elektrostatische Wechselwirkung erfolgt ein Austausch der gelösten Anionen in äquivalenter Menge. Unpolare Restverbindungen werden weiterhin durch Van-der-Waals-Kräfte gebunden.68
Je höher die Ladung und je kleiner der Radius des Ions ist, umso größer ist die Anziehungskraft der Tauscher. Die Adsorptionsfähigkeit hängt von weiteren Faktoren, wie der Polarisationsstärke und dem Einsatz von einem stark oder schwach basischen Ionentauscher ab. Hinzu kommen die Durchflussrate, die Harzkugelgröße und die Konzentration der Schadstoffionen sowie deren Platzkonkurrenten. Höher konzentrierte, schwach bindende Ionen können ebenfalls stärker bindende von ihren Plätzen ablösen.69
Das richtige Harzmaterial macht es möglich, bis zur Durchbruchszeit pro Gramm des Sorbens, viermal mehr Moleküle als bei einem Aktivkohleträger zu entfernen. Dies ist auf die höhere Sorptionskapazität und die schnellere Reaktionskinetik zurückzuführen.70 Bestimmte Einwegharze erreichen bei kurzkettigen PFAS sogar eine höhere Bindungskapazität.71 Andere wiederum können diese nicht entfernen.72
[...]
1 vgl. Prof. Blumes Medienangebot: Chemie im und ums Haus 2019 Abs. 1
2 vgl. PFT-Prozess ist eingestellt worden 2013.
3 vgl. Tenside 2020.
4 vgl. Kosswig et al. 1993 S. 2 Punkt 1.1.2
5 vgl. Eurofins Scientific 2021 PFAS Definition
6 Bedeutung von hydrophil und hydrophob: wasseranziehend und wasserabstoßend.
7 vgl. GDCh 2019.
8 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S. 8; Punkt 3.2
9 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S. 8-9; Punkt 3.3
10 vgl. Leibniz-Sozietät 1995 S. 5 Abs. 2-3
11 vgl. Annegret Biegel-Engler et al. 2017 S. 341 Eigenschaften und Verwendung von PFC
12 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S.13 Punkt 4.
13 vgl. schroer 2015a. S. 45-46 Punkt 5.2.2.2
14 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S.19-20 Punkt 4.1.6
15 vgl. schroer 2015b S. 55 Punkt A.8.1.1
16 vgl. schroer 2015a S. 41-42 Punkt 5.2.2.1
17 vgl. schroer 2015a. S. 49-50 Punkt 5.2.2.3
18 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015. S. 20 Punkt 4.1.8
19 vgl. schroer 2015a S. 69 Abs. 6
20 vgl. schroer 2015a. S. 57-58 Punkt 5.2.2.7
21 vgl. schroer 2015a S. 60-
22 vgl. schroer 2015b S. 73 Tabelle 13
23 vgl. schroer 2015a S. 67 (B)
24 vgl. Paul et al. 2009.
25 Derivate: Abspaltprodukte mit ähnlicher Struktur
26 vgl. Annegret Biegel-Engler et al. 2017 S.342 Eintragspfade in die Umwelt
27 vgl. Umweltbundesamt 2018.
28 vgl. Annegret Biegel-Engler et al. 2017 S. 342 Eintragspfade von PFC in die Umwelt
29 vgl. Annegret Biegel-Engler et al. 2017 S. 343 Abs. 2
30 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S. 37-38 Punkt 5.5.1
31 vgl. Prof. Dr. Messner 2020 S. 15
32 vgl. schroer 2015b. S. 41 Abs. 1
33 vgl. schroer 2015b. S. 44-45 Lebensmittel
34 vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. 2015 S. 40-41 Punkt 6.1.1 und 6.1.2
35 vgl. schroer 2015a S.13
36 vgl. Bundesinstitut Für Risikobewertung 2019S. 9 Punkt 3.2.1
37 vgl. Schrenk et al. 2020 Punkt 4.2.4 S. 154-155 in Englisch
38 vgl. Schrenk et al. 2020 Punkt 4.2.5 S. 155-156 in Englisch
39 vgl. Nordic cooperation 2019 in Englisch
40 vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 2021.
41 vgl. Pentadecafluoroktansäure (PFOA) - Datenblätter zu SVHC 2018.
42 vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Medizin.
43 vgl. DVGW Website: Trinkwasser-Richtlinie 2020a.
44 vgl. DVGW Website: Trinkwasser-Richtlinie 2020b Per- und polyfluoralkylhaltigen Substanzen PFAS
45 vgl. Prof. Dr. Messner 2020 S. 31
46 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020a S. 39 Abs. 2 und S.30-31 Tabelle 4
47 vgl. Prof. Dr. Messner 2020 S. 21
48 vgl. Umweltbundesamt 2020.
49 vgl. Bundesverband Geothermie 2020.
50 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 6-7
51 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 77 Punkt 4.2
52 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020a S.19 Punkt 2.3
53 vgl. GUNT Gerätebau GmbH. S. 23 mehrstufige Wasserbehandlung
54 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b Abs. 2
55 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020a S. 44 Abbildung 8
56 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 14 Punkt 2.2.1.2
57 vgl. Aktivkohle 2021 Punkt Eigenschaften und Gewinnung
58 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 14 Abs. 1
59 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S 13 Punkt 2.2.1.1
60 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 14 letzter Abs.
61 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 20 Abs. 2
62 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S 14 Abb. 5 und S. 18 Tabelle 1
63 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 19 Abs. 2
64 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 20 Abs. 3
65 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 15 Punkt 2.2.1.2
66 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 21 Punkt 2.2.1.3
67 vgl. Dr. Hans-Georg Edel, Dipl.-Ing. Daniel Klopp, B. Eng. Jan Drubel, B. Eng. Dominik Korte, Dipl.-Ing. Clarissa Kellner, Dipl.-Ing. Udo Rehnig 2018 S. 12 Rdnr. 49
68 vgl. Dr. Hans-Georg Edel, Dipl.-Ing. Daniel Klopp, B. Eng. Jan Drubel, B. Eng. Dominik Korte, Dipl.-Ing. Clarissa Kellner, Dipl.-Ing. Udo Rehnig 2018 S. 9-10 Rdnr. 37-39
69 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 21-22 Punkt 2.2.1.3
70 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020bS. 23 Abs.6
71 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 25 Abs. 6
72 vgl. Dr. Thomas Held und Dr. Michael Reinhard 2020b S. 24 Abs. 2