In der vorliegenden Hausarbeit wird der Versuch unternommen, die frühen Reden Adolf Hitlers der Jahre 1922/1923 zu ergründen. Laut Hans-Ulrich Thamer entwickelte sich in diesen Jahren ein Personenkult um Hitler. Diesem Sachverhalt bzw. der Leitfrage, ob Hitler ein bedeutender und begabter Redner war, soll nachgegangen werden. Hierzu wurden als Grundlage verschiedene Sammelwerke der Reden Hitlers als Quellenmaterial herangezogen. Im ersten Abschnitt werden die Leitthemen und der Inhalt beleuchtet, danach Stilmittel und Argumentationen Hitlers analysiert und zuletzt seine Begabung/Bedeutung näher betrachtet. An dieser Stelle sei bemerkt, dass nur das abgedruckte Wort und nicht die Gestik, die Atmosphäre im Saal usw. berücksichtigt werden konnten, da sonst der Rahmen dieser Hausarbeit gesprengt worden wäre.
Die Forschung hat sich mit der Person "Hitler" (Führermythos) in unzähligen Publikationen und Arbeiten ausgiebig befasst. Im Hinblick auf die Reden wird Hitler durchaus eine "außerordentliche Redegabe" oder auch „rhetorische Urbegabung“ zugestanden, der damit die Zuhörer manipulieren bzw. verführen konnte. Eine kontroverse Diskussion besteht jedoch darin, inwieweit Hitler die Fähigkeit besaß, die Massen (später das dt. Volk) zu verführen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Leitthemen und deren Inhalt
3. Stilmittel und Argumentationsbeispiele
4. Hitlers Erfolg: ein begabter und bedeutender Redner?
5. Schlussbetrachtung
6. Quellen und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur
1. Einleitung
"Die Macht aber, die die großen historischen Lawinen religiöser oder politischer Art ins Rollen brachte, war seit urewig nur die Zauberkraft des gesprochenen Wortes1.“ Dieses Zitat aus der Feder Adolf Hitlers zeigt anschaulich, dass für ihn das gesprochene Wort bzw. die Rede ein elementarer Bestandteil seiner politischen Arbeit war. Die Rede stand unangefochten im Zentrum der Propagandaarbeit. Alle anderen Medien (Flugblätter, Plakate, Zeitungen etc.) waren diesem „Instrument“ untergeordnet2. Zudem waren technische Innovationen wie z.B. das Radio (Rundfunk), noch etwas gänzlich Unbekanntes in der breiten Bevölkerungsmehrheit3. Demzufolge war der politische Einsatz der Rede, besonders für kleine Rand- und Splitterparteien4 unentbehrlich und fundamental. Eigene Redner-Schulen, Redner-Kurse und Redner-Zeitungen wurden von der nationalsozialistischen Partei angeboten und organisiert5, um die Zuhörer in inszenierten Großversammlungen, vorzugsweise in Münchner Bierhallen oder im „Zirkus Krone“ von der „Wirklichkeit“ und der rechten Weltanschauung zu überzeugen. Der erfolgreichste dieser „Hetzer“ war Adolf Hitler. Im September 1919 trat er, damals war Hitler noch Angehöriger der Reichswehr, in die rechtsradikale „DAP“ (Deutsche Arbeiterpartei) ein und erlangte im Juli 1921 den Vorsitz, der seit Februar 1920 in NSDAP umbenannten Partei6. Spätestens ab Anfang 1921 stieg Hitler zum Hauptagitator auf und wurde unentbehrlich für die Bewegung7.
Die zeitgenössischen Reaktionen auf die Reden Hitlers waren breit gefächert. In diesem Spektrum reihten sich die Fanatiker und Gefolgsleute ein, die „verzaubert“ wurden von dem Auftreten des Demagogen8. Andererseits flammten auch etliche kritische Stimmen auf9.
In der vorliegenden Hausarbeit wird der Versuch unternommen, die frühen Reden Adolf Hitlers der Jahre 1922/1923 zu ergründen. Laut Hans-Ulrich Thamer entwickelte sich in diesen Jahren ein Personenkult um Hitler10. Diesem Sachverhalt bzw. der Leitfrage, ob Hitler ein bedeutender und begabter Redner war, soll nachgegangen werden. Hierzu wurden als Grundlage verschiedene Sammelwerke11 der Reden Hitlers als Quellenmaterial herangezogen. Im ersten Abschnitt werden die Leitthemen und der Inhalt beleuchtet, danach Stilmittel und Argumentationen Hitlers analysiert und zuletzt seine Begabung/Bedeutung näher betrachtet. An dieser Stelle sei bemerkt, dass nur das abgedruckte Wort und nicht die Gestik, die Atmosphäre im Saal usw. berücksichtigt werden konnten, da sonst der Rahmen dieser Hausarbeit gesprengt worden wäre.
Die Forschung hat sich mit der Person „Hitler“ (Führermythos) in unzähligen Publikationen und Arbeiten ausgiebig befasst. Im Hinblick auf die Reden wird Hitler durchaus eine „außerordentliche Redegabe“ oder auch „rhetorische Urbegabung“ zugestanden, der damit die Zuhörer manipulieren bzw. verführen konnte12. Eine kontroverse Diskussion besteht jedoch darin, inwieweit Hitler die Fähigkeit besaß, die Massen (später das dt. Volk) zu verführen.
2. Leitthemen und deren Inhalt
Das bedeutendste und immer wiederkehrende Leitthema, das sich in den Reden Hitlers aus den Jahren 1922/1923 manifestiert, ist der Antisemitismus13. Laut Ulrich Nill (und Ian Kershaw) habe es der junge Redner Hitler zu Beginn seiner Rednerlaufbahn verstanden: „[...] dass seine Zuhörer den Antisemitismus liebten und dass Angriffe gegen Juden ein geeignetes Mittel seien, um das Publikum zur Raserei zu bringen: [...]. 14 “ Aufgrund dieser Tatsache wurde im Untertitel der Hausarbeit ein markantes antisemitisches Zitat Hitlers aufgenommen, das den angeblichen „ewigen Kampf“ der arischen mit der jüdischen Rasse versinnbildlicht und den Gegensatz „Sieg oder Untergang“ in den Mittelpunkt stellt.
Bei der Betrachtung der frühen Reden Hitlers ist tatsächlich sehr auffällig, dass dem „Judenthema“ eine außerordentliche Rolle zugeschrieben wurde. Alle Übel der Republik, der Revolution von 1918, der Demokratie, wurden in der absurden Denkweise Hitlers auf den Juden zurückgeführt, welcher als oberstes Ziel habe, die Weltherrschaft an sich zu reißen und den „Arier“ zu versklaven15. Die Weltherrschaft erreiche der Jude dadurch, indem er langsam und schleichend einen Staat unterhöhle und diesen von innen heraus zersetze16. Als wichtigstes Instrument des Juden fungiere die wirtschaftliche Macht, sprich der internationale Kapitalismus. Dieser verbreite sich wie eine seuchenhafte Krankheit über die ganze Welt, denn nur dadurch könne der Jude seine Existenz sichern17.
Um den „jüdischen Weltherrschaftstraum“ zu verwirklichen, sei der Jude auch nicht davor zurückgeschreckt, den Ersten Weltkrieg heraufzubeschwören. Ganz bewusst komprimiert Hitler komplexe Fragestellungen, wie z.B. den Kriegsausbruch 1914 und erweitert seine grotesken Vorstellungen, indem er den Juden vorwirft, die Weltpresse zu beherrschen. Mithilfe der Presse hetze der Jude die Völker immer wieder gegeneinander auf18. Daher müsse der Jude in der menschenverachtenden Weltanschauung Hitlers „unschädlich“ gemacht werden, ansonsten könne das deutsche Volk nie gerettet werden19.
Somit überlagert der Antisemitismus in vielfältiger und unterschiedlicher Ausprägung jegliche Themenbereiche. Der Judenhass ist aus jeder der frühen Reden herauszulesen und manifestiert sich in allen Problemen, allen Schwierigkeiten, allem Ärger der „Arier“. Der Jude ist omnipräsent, da er als „zersetzende Rasse“, der „Drahtzieher und Nutznießer“ aller Krisen sei.
Dem Juden schrieb Hitler auch die Kriegsniederlage 1918 zu und verwies sogleich auf die sog. „Dolchstoßlegende“20: „Sie nutzten die uralte Hyänentaktik: wenn die Kämpfer ermatten - dann greife zu. Dann ernte21 ! “ Des Weiteren seien die Kriegsprofiteure die Juden, da es ihnen im Gegensatz zu den „ zerlumpten und mageren “ deutschen Arbeitern besser gehe als vor dem Krieg22.
Generell wird der Jude mit einer herabwürdigenden Sprache charakterisiert, ganz im Zeichen des „Sozialdarwinismus“23, von dem Hitler ideologisch durchdrungen war. Die „Schmarotzer“ seien heimtückisch, listig, hinterhältig, geizig und gierig: „[...] der unersättlichen Gier des Juden genüge nichts24.“
All diese angedichteten negativen Eigenschaften, welche die „Rasse des Juden“ in sich vereinige, müsse dazu führen, wie es schon im „25-Punkte Programm“ der NSDAP im Februar 1920 geschildert wurde25, dass Juden niemals der „deutschen Volksgemeinschaft“ angehören dürften. „Wollte er Deutscher werden, müsste er den Juden aufgeben. Und das ist nicht möglich. [...]; erstens dem Blute nach, zweitens dem Wesen nach, drittens dem Willen nach, und viertens dem Wirken nach26.“ Nach Hitler bleibt ein Jude immer ein „Fremdkörper“, der dem arischen vollständig schädlich ist und auf ewig ein „Todfeind“ bleibt27.
Ein weiteres Leitthema widmet sich den sog. „Novemberverbrechern“28 zu. Unter diesem „Sammelbegriff“ fasste Hitler sämtliche ethnische bzw. politische Gruppen zusammen, welche sich nicht in sein bizarres Weltbild integrieren ließen. Hierzu zählte er neben den erwähnten Juden auch Demokraten, Pazifisten und Marxisten, die er herabwürdigend als „Drückeberger“ oder „Deserteure“ betitelte29. In der Rede vom 13. April 1923 leitete er sogar eine Pflicht ab, indem man diese „Verderber, Lumpen und Hochverräter“ an den Galgen zu hängen habe, an den sie gehörten30.
Die Novemberrevolution vom 09. November 1918, wovon sich auch der Begriff der sog. „Novemberverbrecher“ ableitet, habe das Ziel verfolgt, den nationalen Widerstand an der Front zu brechen und die gesamte Nation wehrlos zu machen. So sei die Kampffront im Stich gelassen, Nachschubzüge behindert und benötigte Munition für die Armee bewusst aufgehalten worden31. Danach, als die Republik aus der Taufe gehoben war, habe man alle deutschen Eigenschaften abgestreift32.
Außerdem bescheinigt er der Republik einen „primitivsten Egoismus“, da jeder nur noch an sich selber denke und nicht an das Vaterland. Hitlers Antipathie der Weimarer Republik gegenüber steigerte sich in tiefste Verachtung und Hassgelüste.
[...]
1 Adolf Hitler in „Mein Kampf“, in: VOLLNHALS, Clemens (Hrsg.): Hitler. Reden Schriften Anordnungen, Bd. 1: Die Wiedergründung der NSDAP. Februar 1925 - Juni 1926, München u.a. 1992, S. 15.
2 Vgl. PLÖCKINGER, Othmar: Der Redner Hitler im Urteil seiner Zeitgenossen, in: Hitler der Redner, hrsg. v. Josef KOPPERSCHMIDT, München 2003, S. 125.
3 Als Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland gilt der 29.10.1923, aus LERG, Winfried: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. Herkunft und Entwicklung eines publizistischen Mittels, Frankfurt am Main 1970, S. 213.
4 Exemplarisch hierfür steht die NSDAP der Jahre 1922/1923.
5 Vgl. KOPPERSCHMIDT, Josef: War Hitler ein großer Redner?, in: Hitler der Redner, hrsg. v. Josef KOP- PERSCHMIDT, München 2003, S. 185. Die NSDAP war eine „Rede-Bewegung“.
6 Vgl. THAMER, Hans-Ulrich: Die nationalsozialistische Bewegung in der Weimarer Republik, in: Informationen zur politischen Bildung 251 (2003), S. 10.
7 Vgl. KOPPERSCHMIDT: War Hitler ein großer Redner?, S. 184. „Im Februar 1921 füllte Hitler den Zirkus Krone mit seinen ca. 6000 Sitzen. Fraglos - Hitler war zum Starredner der Partei avanciert.“
8 Ebd. S. 187. Sog. „Erweckungserlebnisse“- drückt eine plötzliche „Erweckung“ (Sinneswandel) aus.
9 Vgl. PLÖCKINGER: Der Redner Hitler im Urteil seiner Zeitgenossen, S. 220.
10 Vgl. THAMER, Hans-Ulrich: Erfolg und erstes Scheitern, S. 16.
11 Siehe Sammelbände 6.1. Quellen: Dr. Ernst BOEPPLE 1933 und Adolf-Viktor v. KOERBER 1923.
12 Vgl. PANKAU, Johannes: Hitlers Rede - Ergebnisse und Probleme der Forschung, in Hitler der Redner, hrsg. v. Josef KOPPERSCHMIDT, München 2003, S. 53. Und siehe KOPPERSCHMIDT, War Hitler ein großer Redner? S. 182.
13 Vgl. NILL, Ulrich: „Reden wie Lustmorde“. Hitler-Biografen über Hitler als Redner, in: Hitler der Redner, hrsg. v. Josef KOPPERSCHMIDT, München 2003, S. 45. „Bei den Inhalten von Hitlers Reden komme dem Antisemitismus besondere Bedeutung zu.“
14 Ebd. S. 45, und Vgl. PIPER, Ernst: Geschichte des Nationalsozialismus. Von den Anfängen bis Heute, Bonn 2018, S. 35. „Wann immer Adolf Hitler bei seinen ersten öffentlichen Auftritten gegen die Juden hetzte, brach Jubel aus.“
15 Vgl. VON KOERBER: Die Urschuldigen am Weltkriege (Rede v. 13.04.1923), S. 64: „Wenige Kriege und Revolutionen haben genügt, das Judenvolk [.] zum Herren der Welt zu machen.“ Und siehe ebd. S. 63.
16 Vgl. VON KOERBER: Freistaat oder Sklaventum? (Rede v. 28.07.1922), S. 45. Hitler behauptete, der Jude könne nichts erhalten, nur zerstören.
17 Ebd. S. 45. Und vgl. BOEPPLE: Judenparadies oder deutscher Volksstaat (Rede v. 27.04.1923), S. 60f. Durch die „Internationalisierung“ sei Deutschland „Kolonie“ des Auslands geworden.
18 Aus der Rede Hitlers - Politik und Rasse (Rede v. 20.04.1923), in: BOEPPLE, Dr. Ernst (Hrsg.): Adolf Hitlers Reden, München 1933, S. 59. „Die demokratisch-marxistisch-jüdische Weltpresse hat Deutschland ein Opfer seiner Bündnispolitik werden lassen. Sie hat die Gegensätze Österreich-Russland und Österreich-Italien zielbewusst ausgenutzt, den Kriegsausbruch mit mathematischer Sicherheit herbeizuführen.“
19 Vgl. BOEPPLE: Die Teuerung als Folge der Börsenrevolution 1918 (Rede v. 18.09.1922), S. 37. „Es gibt ferner keine Rettung, ehe der Träger der Spaltung, der Jude, unschädlich gemacht worden ist.“
20 Geschürte Lüge, die besagte, dass die deutsche Armee im Felde unbesiegt blieb, aber hinterrücks von Demokraten und Juden „erdolcht“ wurde und so der Weltkrieg verloren ging. Siehe: Vgl. STURM, Reinhard: Kampf um die Republik 1919-1923, in: Informationen zur politischen Bildung 261 (2003), S. 20f.
21 Vgl. VON KOERBER: Die Urschuldigen am Weltkriege, S. 64.
22 Vgl. VON KOERBER: Die ,Hetzer' der Wahrheit, S. 22.
23 Vgl. THAMER: Hitlers Weltanschauung - Ideologische Wurzeln, S. 14.
24 Vgl. VON KOERBER: Die Urschuldigen am Weltkriege, S. 61.
25 Vgl. FEDER, Gottfried: Das Programm der NSDAP. Und seine weltanschaulichen Grundgedanken, in Nationalsozialistische Bibliothek Heft 1 (1932), S. 19 - Punkt 4.
26 Vgl. BOEPPLE: Politik und Rasse, S. 55.
27 Vgl. VON KOERBER: Freistaat oder Sklaventum? S. 40.
28 Ebd. S. 66, „Denn die Mörder unseres Vaterlandes, die die ganzen Jahre hindurch Deutschland verraten und verkauft haben, sind die gleichen, die uns als Novemberverbrecher in das allertiefste Unglück gestürzt haben!“
29 Vgl. VON KOERBER: Der Zusammenbruch der Novemberrepublik (Rede v. 12.09.1923), S. 104. Hitler greift hier wieder die „Dolchstoßlegende“ auf.
30 Vgl. VON KOERBER: Die Urschuldigen am Weltkriege, S. 66.
31 Vgl. VON KOERBER: Der Zusammenbruch der Novemberrepublik, S. 104.
32 Ebd., S. 98f. Das Wesen der Novemberrepublik charakterisierte sich in: „Unterwürfigkeit dem Feind gegenüber, Aufgeben deutscher Manneswürde, pazifistischer Feigheit, Dulden aller Gemeinheiten, williges Eingehen auf alles, bis nichts mehr übrig bleibt. [...]. Der Name Novemberverbrecher wird nach Jahrhunderten noch auf diesen Leuten lasten!“