Um die Gründe für die breite Unterstützung Erdogans in der Bevölkerung zu analysieren, wird zunächst auf sein Leben und seinen beruflichen Werdegang eingegangen. Ist die Persönlichkeit von Erdogan und sein ökonomischer Erfolg ein Grund für die Unterstützung in der Wählerschaft? Auf den folgenden Seiten werden Theorien erklärt, um diese Frage zu beantworten. Die Wahlforschung ist ein interessantes und vielfältiges Forschungsfeld. Um das Wahlverhalten der Bevölkerung zu erklären, wird in der Forschung auf folgende Erklärungstheorien zurückgegriffen: den soziologischen Erklärungsansatz, den individualpsychologischen Erklärungsansatz, das Modell des rationalen Wählers und das Modell der sozialen Milieus. Das Wählen aufgrund ökonomischer Kriterien fällt unter das Modell des rationalen Wählens.
Im ersten Kapitel wird auf das Leben und die politische Karriere von Erdogan eingegangen, um einige Aspekte in den darauffolgenden Kapiteln im Bezug aus sein Leben zu analysieren. Dafür werden die wichtigsten Fakten aus dem Buch von Cigdem Akyol „Erdogan: Die Biografie“ zusammengefasst. Anschließend wird im zweiten Kapitel, das Wählen aufgrund ökonomischer Kriterien anhand der Theorie von Anthony Downs beschrieben und gehe auf die Wirtschaft in der Türkei eingegangen. Im dritten Kapitel wird die Persönlichkeit von Erdogan anhand seiner Rhetorik und seinem Führungsstil beschrieben. Die Rhetorik wird nach Aristoteles definiert. Um die Persönlichkeit und sein Führungsstil zu beschreiben, wird der Leadership- Trait- Ansatz von Margaret Hermann untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Biografie
2 Ökonomisches Wählen
3 Rhetorik
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Türkei ist ein gespaltenes Land. Für die einen ist Erdogan ein islamisch konservativer Präsident, der zum Wohle der Bevölkerung handelt, für die anderen ein Autokrat, der alleine für seine eigene Macht kämpft. Viele Gegner von Erdogan verstehen nicht, warum dieser Mann in seinem Land so viel Unterstützung bekommt und seit Jahren die Wahlen gewinnt. Um die Gründe für die breite Unterstützung Erdogans in der Bevölkerung zu analysieren, wird zunächst auf sein Leben und seinen beruflichen Werdegang eingegangen. Ist die Persönlichkeit von Erdogan und sein ökonomischer Erfolg ein Grund für die Unterstützung in der Wählerschaft?. Auf den folgenden Seiten werden Theorien erklärt, um diese Frage zu beantworten. Die Wahlforschung ist ein interessantes und vielfältiges Forschungsfeld. Um das Wahlverhalten der Bevölkerung zu erklären wird in der Forschung auf folgende Erklärungstheorien zurückgegriffen: den soziologischen Erklärungsansatz, den individualpsychologischen Erklärungsansatz, das Modell des rationalen Wählers und das Modell der sozialen Milieus. Das Wählen aufgrund ökonomischer Kriterien fällt unter das Modell des rationalen Wählens. Im ersten Kapitel wird auf das Leben und die politische Karriere von Erdogan eingegangen, um einige Aspekte in den darauffolgenden Kapiteln im Bezug aus sein Leben zu analysieren. Dafür werden die wichtigsten Fakten aus dem Buch von Cigdem Akyol „Erdogan: Die Biografie“ zusammengefasst. Anschließend wird im zweiten Kapitel, das Wählen aufgrund ökonomischer Kriterien anhand der Theorie von Anthony Downs beschrieben und gehe auf die Wirtschaft in der Türkei eingegangen. Im dritten Kapitel wird die Persönlichkeit von Erdogan anhand seiner Rhetorik und seinem Führungsstil beschrieben. Die Rhetorik wird nach Aristoteles definiert. Um die Persönlichkeit und sein Führungsstil zu beschreiben, wird der Leadership- Trait- Ansatz von Margaret Hermann untersucht. Es existieren sehr umfangreiche wissenschaftliche Forschungen über das Wahlverhalten der Menschen. Viele Autoren haben allgemein über die Theorien des Wahlverhaltens geforscht. Die Anwendung dieser Theorien auf die Türkei ist in geringem Umfang passiert. In der türkischen Literatur wurden diese Theorien umfangreicher am Beispiel der Türkei analysiert. Jedoch wurde in dieser Ausarbeitung die türkische Literatur in möglichst geringem Umfang eingesetzt. Über die Biographie von Erdogan gibt es ausreichend Quellen. Leider ist die Analyse der Auswirkung von Erdogans Persönlichkeit auf seine politischen Entscheidungen eine große Lücke in der Forschung. Aus diesem Grund wurde die wissenschaftliche Ausarbeitung von Görener und Ucar herangezogen, da diese versucht die Lücke in geringem Umfang zu schließen. Die Autoren haben Erdogans Persönlichkeit, anhand seiner Aussagen in Pressekonferenzen und Interviews analysiert.
1 Biografie
Recep Tayyip Erdogan ist am 26 Februar 1954 in Istanbul geboren. Sein Vater war Seemann, seine Mutter Hausfrau. Die Eltern legten in der Erziehung der Kinder großen Wert auf Frömmigkeit und Disziplin. Erdogan lebte mit seiner Familie im Stadtviertel Kasimpasa (Istanbul), dessen Bewohner unter den schlechten Bedingungen der damaligen politischen und wirtschaftlichen Probleme litten. Die Straßen waren belagert durch Abfall und die Luft war dreckig. Kasimpasa hob sich ab von anderen Stadtvierteln, dessen Bewohner modern eingestellt waren. Die Frauen waren entweder komplett verschleiert oder trugen ein Kopftuch. Alkohol und anderen Sünden waren tabu. Erdogans Vater war sehr streng und hatte klare Regeln (Akyol, 2016, pp. 31-33). Er wollte, dass sein Sohn eine Imam- Hatip Schule besucht. Die Schulen sind bekannt als religiöse Gymnasien, die auch während der Schulzeit das islamisch konservative Leben in den Vordergrund rückt. Für Erdogan war die Laufbahn in der Imam- Hatip- Schule eine gute Investition in sein Humankapital. Laut ihm hat er durch die Ausbildung gelernt seine Heimat und Allah (Gott) zu lieben. Er rezitierte in seiner gesamten Schullaufbahn nicht nur den Koran, sondern auch Gedichte (Akyol, 2016, p. 45). Auch seinen Namen hat er seiner Religion zu verdanken. Recep ist der siebte Monat im islamischen Kalender. (Akyol, 2016, p. 40).
Ahmet Erdogan, Vater von Recep Tayyip Erdogan hat seine Kinder für ihre Fehler hart bestraft. Alleine das Fluchen oder das Beschimpfen war für den Vater ein Grund Erdogan zu betrafen (Akyol, 2016, p. 36). Neben der Schule verkaufte Recep Postkarten und andere Souvenirs. Er musste schon als Kind auf den Straßen arbeiten um seine Familie zu unterstützen und sein Taschengeld zu verdienen. Dadurch musste er des Öfteren gewalttätigen Auseinandersetzungen entkommen. Aber er hatte auch einige schöne Dinge in seinem Leben, die ihm Spaß machten. Trotz seiner strengen religiösen Erziehung begeisterte er sich für den Fußball. Diese Begeisterung musste er vor seinem Vater verheimlichen, weil er kurze Shorts getragen hat, die gegen religiöse Vorschriften verstoßen haben. Bis es aufgeflogen ist, hat er ein Doppelleben geführt zwischen den Regeln seines Vaters und seinem Hobby (Akyol, 2016, p. 48).
Als Recep Tayyip Erdogan ein Kind und Jugendlicher war, musste das Land eine schwierige Zeit durchmachen. Innenpolitisch und außenpolitisch musste die Türkei viele Krisen überstehen. Wirtschaftskrise, Regierungskrise und Staatskrise folgen aufeinander (Akyol, 2016, p. 38). Ein hoch überschuldetes Land, die Zypernkrise und auch Ermordungen von Politikern prägten seine Jugend. Den Weg zur Politik fand Erdogan, als der damalige Politiker Necmettin Erbakan eine Partei gründete, die die Rettung der Türkei im Islam sah. Erdogan war Mitglied der Jugendorganisation dieser Partei und wurde von den Erwachsenen unterstützt, weil er mit seinen rhetorischen Fähigkeiten überzeugt hatte. Er war stets engagiert und hielt Reden, die von vielen bejubelt wurden. Im Laufe der Zeit arbeitete er sich hoch und wurde Vorsitzender der Jugendorganisation für ganz Istanbul (Akyol, 2016, p. 54). Seine politische Karriere nahm in diesen Jahren seinen Lauf. Im Jahre 1994 wurde er zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt. Schnell gewann er bei der Bevölkerung das Bild eines renommierten Politikers. Er löste nach und nach die Probleme der Stadt Istanbul. Damals haben die Menschen in Istanbul mit Kohle geheizt, was zu einer starken Luftverschmutzung führte. Er stellte das Heizsystem von Braunkohle in Gas um. Die Umwelt gewann ein neues Bild mit seinen mehreren Tausend Bäumen. Außerdem wurde der Müll entsorgt und die Wasserversorgung verbessert (Akyol, 2016, p. 68). Mit seinen Maßnahmen und der Nähe zu Religion gewann er die Unterstützung der frommen Menschen im Land. In einigen Betrieben führte er ein Alkoholverbot ein, dass er mit der Gesundheit argumentierte. Seine politische Linie orientiert sich - auch heute noch- streng nach dem Islam (Akyol, 2016, p. 69). Im Jahre 1998 musste Erdogan wegen einem Gedicht in Gefängnis. Die Inhalte des Gedichts waren für die damalige Regierung islamistisch und ein Aufruf zum heiligen Krieg. Er wurde wegen „Aufstachelung zur Feindschaft“ zu zehn Monate Gefängnis verurteilt und hat ein lebenslanges Politikverbot bekommen. Gegen diese Verurteilung kämpfte er und kritisierte die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei (Akyol, 2016, p. 72). Während seines Gefängnisaufenthaltes hatte er den Plan geschmiedet eine neue Partei zu gründen. Am 14 August 2001 gründete er die AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) und wurde zum Parteivorsitzenden gewählt (Akyol, 2016, p. 74). Im Jahre 2002 wurde sein Freund Abdullah Gül zum Ministerpräsidenten gewählt. Das Politikverbot Erdogans wurde durch Gesetzesänderung gestrichen. Abdullah Gül war nur übergangsmäßig zum Ministerpräsidenten vereidigt worden. Erdogan sollte einige Monate danach den Posten übernehmen (Akyol, 2016, p. 84). Nach mehreren Jahren wurde in der Türkei eine Einparteienregierung gebildet (Baslevent, et al., 2009, p. 377).
Seit dem Jahre 2002 hat sich die Türkei drastisch verändert. Eine neue Ära hatte begonnen. Recep Tayyip Erdogan wurde seitdem in jeder Wahlperiode, mit eindeutiger Mehrheit erneut gewählt. Heute ist die Türkei ein Präsidialsystem mit Recep Tayyip Erdogan als Präsidenten und alleiniger Staatsoberhaupt.
2 Ökonomisches Wählen
Anthony Downs ist einer der wichtigsten Politikwissenschaftler, der in seinem Werk „An economic Theory of Democracy“, den Einfluss ökonomischer Faktoren auf das Wahlverhalten der Bevölkerung analysiert hat. In seiner Theorie unterscheidet Downs drei Akteure: die Wähler, die politischen Parteien und die Politiker. Jeder dieser Akteure haben bestimmte Ziele. Die politischen Parteien und Politiker wollen ihre Stimmen maximieren, um an der Regierung zu bleiben oder die neue Regierung zu bilden (Downs, 1968, p. 40/41). Dafür setzen sie bestimmte Handlungsmittel ein. Im Gegensatz dazu versuchen die Wähler ihr Nutzen zu maximieren, d. h sie handeln rational, indem sie die Partei oder den Politiker wählen, wo sie sich den größten Vorteil versprechen. Das sogenannte Eigennutz- Axiom beruht auf die Bewertung der staatlichen Tätigkeiten (Downs, 1968, p. 35/36).
Das Eigennutz- Axiom spielt auch bei den Wahlen in der Türkei eine Rolle. Aufgrund des Modells von Downs kann die Wahl von Recep Tayyip Erdogan begründet werden. Die Wähler betrachten, wie sich das Land aufgrund dem Politiker bzw. der Partei wirtschaftlich entwickelt hat. Wenn die wirtschaftliche Arbeit der Regierung keine Fortschritte macht, entscheiden sich viele Menschen bei der nächsten Wahl gegen die Regierung (Baslevent, et al., 2009, p. 378). Um die Wahl von Recep Tayyip Erdogan auf den wirtschaftlichen Faktoren zurückzuführen muss zunächst die ökonomische Entwicklung in der Türkei betrachtet werden.
Die Türkei musste viele Wirtschaftskrisen überstehen. Das Jahr 2001 war eine davon. Im Betracht auf die Biografie Erdogans war die Wirtschaftskrise in dem Zeitraum, als Wahlen anstanden. Ein Jahr nach der Wirtschaftskrise hatte Erdogan sein Posten vom Bürgermeister von Istanbul zum Ministerpräsidenten gewechselt. Es war einer der schwierigsten Zeiten in der Geschichte der Türkei. Trotz einer Währungshilfe der IWF (Internationaler Währungsfond) von 4 Milliarden US- Dollar konnte die inländische Ökonomie nicht stabilisiert werden. Die inländische Nettoneuverschuldung aus dem Jahr 2001 erhöhte die bestehenden Schulden um 70% (Cizre & Yeldan, 2005, p. 397).
Im Dezember 2000 betrug die durchschnittliche Inflationsrate in der Türkei 39,03% (inflation.eu, kein Datum). Eine Der Gründe für die Krise ist das politische Management des Finanzsektors. In diesen Jahren wuchs die Unzufriedenheit der Bevölkerung, weil kein Interesse bestand, die politischen Strukturen im Land zu verändern. Die Krise von 2001 war für die Menschen eine Notwendigkeit das politische System zu verändern (Cizre & Yeldan, 2005, p. 398) .
Erdogan setzte in seiner Amtszeit viele Reformen um. Sein Ziel ist es bis 2023 die Türkei unter die zehn stärksten Wirtschaftsregionen auf der Welt zu bringen. Er möchte das Pro- Kopf- Einkommen von 10500 US- Dollar auf 25000 US-Dollar steigern (Erdogan, 2012). Schon seit seiner ersten Amtszeit hatte Recep Tayyip Erdogan das Ziel, das Land in Richtung EU zu steuern. Die wirtschaftliche Stärke des Landes ist ein Kriterium für die Aufnahme in die EU. Seit Amtsantritt von Erdogan wuchs die Wirtschaft in der Türkei im Durchschnitt knapp 5-8 % im Jahr. Verkehrsnetzwerke und Gesundheitsversorgung wurden verbessert und das BIP pro Kopf hat sich fast verdreifacht. Für viele in der Bevölkerung symbolisiert die Akp die Steigerung des Wohlstands in der Bevölkerung. Außerdem sank die Inflationsrate drastisch (Aydin, 2014, p. 6).
Die Inflationsrate während der Krise im Jahr 2001 betrug 68,53 %. Im Gegensatz zum Vorjahr ist eine Steigerung von 29,5 % festzuhalten. An der Grafik ist erkennbar, dass die Inflationsrate ab 2001 kontinuierlich gesunken ist. Von 2003 bis 2017 bleibt es relativ konstant zwischen 6 und 13 %. (inflation.eu, kein Datum)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Grafik zeigt die Inflationsrate einschließlich das Jahr 2017. Ab 2018 ist eine Steigerung von 11,92 % auf 20,30 % feststellbar. Die wirtschaftliche Lage in der Türkei wird zunehmend schlechter. Die Lira hat drastisch an Wert verloren (Demircan, 2018).
Das Erdogan und die Akp zu einem wirtschaftlichen Wachstum in der Türkei geführt haben ist nicht abzustreiten. Trotz der vielen positiven Dinge, die Erdogan nach seinem Amtsantritt durchgesetzt hat, sieht es heute anders aus. (destatis, kein Datum)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zwischen 2016 und 2017 ist eine Steigerung der Inflationsrate um 3,35 % zu erkennen. Im Jahre 2018 betrug die durchschnittliche Inflationsrate 11,4 %. Die monatliche Inflationsrate betrug über 20 %, was auf eine Krise hindeutet. Der Wert der Lira ist drastisch gesunken, wodurch die Importe im Land teurer werden. Wie Erdogan die Inflationsrate senken möchte, hat er noch nicht bekannt gegeben. Seit dem drastischen Verfall der Lira und der Steigerung der Inflationsrate ist keine Maßnahme erfolgreich umgesetzt wurden. Die Lira befindet sich immer noch im Tiefpunkt (handelsblatt, 2019). Trotz der wirtschaftlichen Erfolge die Erdogan während seiner Amtszeit erzielt hat, existiert die Tatsache, dass die Wirtschaft in der Türkei in einer Krise ist. Die Menschen müssen wegen der hohe Inflationsrate höhere Lebensunterhaltskosten bezahlen.
Am 31. März 2019 stehen Kommunalwahlen in der Türkei an. Viele Wissenschaftler führen die Erfolge von Erdogan und seiner Partei bei den Wahlen auf wirtschaftliche Faktoren zurück. Doch nun könnte wegen der bestehenden Rezession in der Türkei alles anders aussehen (Spiegel, 2019). Bei der Präsidentschaftswahl im Jahre 2018 hat die Bevölkerung mit große Mehrheit Recep Tayyip Erdogan zum Präsidenten gewählt, trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land. Wie es bei der Kommunalwahl aussehen wird, wird sich zeigen.
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