Bei der Arbeitszufriedenheit handelt es sich um eine für den unternehmerischen Erfolg zentrale Einflussgröße, deren Erforschung zwar auf eine lange und umfangreiche Tradition zurückblicken kann, aber auch vor einer Reihe von methodischen und inhaltlichen Herausforderungen steht, die sowohl die genaue Definition und Abgrenzung der Arbeitszufriedenheit als auch die Entwicklung geeigneter Testinstrumente betreffen.
Innerhalb der vorliegenden Arbeit erfolgt im ersten Teil nach einer kurzen Einführung in die Definition und unternehmerische Bedeutung der Arbeitszufriedenheit eine dimensionale Analyse des Konstruktes anhand einschlägiger wissenschaftlicher Literatur, auf deren Basis im zweiten Teil ein beispielhaftes Erhebungsinstrument für die Praxis entwickelt wird. Die Fragebogenkonstruktion beschäftigt sich mit der Ableitung von Skalen und Items aus dem im Rahmen der dimensionalen Analyse erstellten der Strukturbaum der Arbeitszufriedenheit sowie deren fachgerechter Konstruktion und Gestaltung. Der Prozess der Fragebogenerstellung wird im dritten Teil Arbeit anhand psychometrischer Gütekriterien als zentrale Beurteilungsmerkmale empirischer Erhebungsinstrumente diskutiert.
Gliederung
1. Einleitung
1.1 Definition und Abgrenzung der Arbeitszufriedenheit
1.2 Unternehmerische Bedeutung
1.3 Theorien und Modelle der Arbeitszufriedenheit
1.3.1 „Theory of human Motivation“ nach Abraham Maslow (1943)
1.3.2 Die ,,Zwei Faktoren-Theorie” von Herzberg (1959)
1.3.3 ,,Job Characteristics Model” nach Hackman und Oldham (1980)
2. Fragebogenkonstruktion
2.1 Dimensionale Analyse und Strukturbaum
2.2 Fragebogen- und Itemkonstruktion
2.2.1 Subjektive Bedürfnisbefriedigung durch die Arbeitsstelle
2.2.2 Subjektives Motivationspotential der Stelle
3. Diskussion
3.1 Psychometrische Gütekriterien
3.1.1 Validität
3.1.2 Objektivität
3.2 Fazit
4. Anhang
1. Einleitung
Bei der Arbeitszufriedenheit handelt es sich um eine für den unternehmerischen Erfolg zentrale Einflussgröße, deren Erforschung auf eine lange und umfangreiche Tradition zurückblicken kann: Nach Recherchen von Judge et al. (2002, S. 25–26) wurden bis zum Jahr 2000 bereits über 11.000 einschlägige Studien veröffentlicht. Die Arbeitszufriedenheit zählt damit zu den bedeutsamsten Forschungsgegenständen der Arbeits- und Organisationspsychologie mit großem Abstand vor anderen Konstrukten wie der Berufs- und Tätigkeitszufriedenheit, der Arbeitseinbindung und -mentalität und auch dem organisationalen Commitment (Judge et al. 2017). Trotz des anhaltend hohen Interesses der einschlägigen Forschung und Praxis ist die Arbeitszufriedenheit als Konstrukt noch nicht vollumfänglich erforscht (Ferreira 2020, S. 13), unter anderem, da die wissenschaftliche und empirische Untersuchung vor einer Reihe von methodischen und inhaltlichen Herausforderungen steht, die sowohl die genaue Definition und Abgrenzung der Arbeitszufriedenheit als auch die Entwicklung geeigneter Testinstrumente betreffen, die im Sinne einer hohen inhaltlichen Validität möglichst frei von Einflüssen angrenzender Variablen wie der Lebenszufriedenheit, dem Commitment oder der Berufs- und Arbeitsplatzzufriedenheit sein sollten (Ferreira 2020, S. 103).
Innerhalb der vorliegenden Arbeit erfolgt im ersten Teil nach einer kurzen Einführung in die Definition und unternehmerische Bedeutung der Arbeitszufriedenheit eine dimensionale Analyse des Konstruktes anhand einschlägiger wissenschaftlicher Literatur, auf deren Basis im zweiten Teil ein beispielhaftes Erhebungsinstrument für die Praxis entwickelt wird. Die Fragebogenkonstruktion beschäftigt sich mit der Ableitung von Skalen und Items aus dem im Rahmen der dimensionalen Analyse erstellten Strukturbaum der Arbeitszufriedenheit sowie deren fachgerechter Konstruktion und Gestaltung. Der Prozess der Fragebogenerstellung wird im dritten Teil der Arbeit anhand psychometrischer Gütekriterien als zentrale Beurteilungsmerkmale empirischer Erhebungsinstrumente reflektiert und diskutiert.
1.1 Definition und Abgrenzung der Arbeitszufriedenheit
Felfe (2019, S. 370) definiert Arbeitszufriedenheit als positiven emotionalen Zustand, der „das Resultat der Bewertung der eigenen Arbeit ist“ und „die Einstellung des Mitarbeiters gegenüber seiner Arbeit insgesamt oder gegenüber einzelnen Facetten der Arbeit“ widerspiegelt. Den genauen Ablauf des kognitiv-emotionalen Bewertungsprozesses der eigenen Arbeit spezifiziert Locke (1969, S. 316) in einer wegweisenden Definition:
,,Job satisfaction and dissatisfaction are a function of the perceived relationship between what one wants from one's job and what one perceives it as offering or entailing. Note that there are three elements involved in the appraisal process (these elements are not experienced as separate during an emotional reaction but may be isolated by a process of abstraction): 1) the perception of some aspect of the job; (…) 2) an implicit or explicit value standard; and 3) a conscious or subconscious judgment of the relationship between (e.g., discrepancy between) one's perception(s) and one's value(s).”
Arbeitszufriedenheit entsteht also gemäß der Definition von Locke (1969), indem Mitarbeiter ihre Erwartungen bezüglich der Arbeit mit realen Gegebenheiten vergleichen, dabei bestimmte Aspekte der Arbeit wahrnehmen und sie bewusst oder unbewusst mit ihren individuellen Erwartungen und Werten vergleichen. Diese Unterteilung der Entstehungsbedingungen von Arbeitszufriedenheit in personelle und situative Einflüsse wird in der aktuellen Forschung weitgehend übernommen. Situative Einflüsse auf die Arbeitszufriedenheit entstehen vor allem durch Merkmale der Tätigkeit und werden unter anderem im sogenannten „Job Characteristics Model“ von Hackman und Oldham (1980) näher spezifiziert (vgl. Abschnitt 1.3.3). Nerdinger et al. (2014, S. 426) ergänzen, dass entgegen der alltagspsychologischen Annahme nicht die absolute Höhe des Gehaltes die Arbeitszufriedenheit entscheidend beeinflusst, sondern eher dessen Beurteilung in Bezug auf die Kriterien der Gerechtigkeit und Fairness. Unter Merkmalen der Person, die die Arbeitszufriedenheit beeinflussen können, werden insbesondere Persönlichkeitsmerkmale als potentielle Einflussvariablen diskutiert, die zum Teil beachtliche Korrelationen mit der Arbeitszufriedenheit aufweisen. Einer Meta-Analyse von Thoresen et al. (2003) zufolge sind vor allem die Merkmale ,,Positive Emotionalität” mit einer Korrelation von r = .50 zur Arbeitszufriedenheit und ,,Negative Emotionalität” mit einer Korrelation von r = -.40 wichtige Faktoren, die durch mit der Emotionalität verbundene spezifische Kognitionen und Verhaltensweisen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit nehmen können.
Nerdinger et al. (2014, S. 421) definieren Arbeitszufriedenheit als Einstellung, die „die emotionale Reaktion auf die Arbeit, die Meinung über die Arbeit und die Bereitschaft, sich in der Arbeit in bestimmter Weise zu verhalten“ umfasst. Eine positive Einstellung gegenüber der Arbeit entstehe durch die Befriedigung individueller Bedürfnisse und Wünsche, die Arbeitszufriedenheit wird also als ein Ergebnis der Motivation und entsprechenden Leistungsverhaltens aufgefasst. Den Autoren zufolge ist allerdings auch der umgekehrte Fall denkbar, in dem die mit der Arbeitszufriedenheit verbundenen positiven Emotionen und Erlebnisse als Anreiz und Motivation für zukünftiges Leistungsverhalten fungieren und somit nicht als Ergebnis, sondern Ursache der Arbeitsmotivation zu betrachten wären. Nerdinger et al. (2014, S. 427) sprechen diesbezüglich von einer reziproken Beeinflussung beider Variablen. In einer Studie von Riketta und Nienaber (2007) war allerdings nur der Effekt von der Arbeitszufriedenheit auf die Leistung signifikant, wenn auch schwach ausgeprägt, während der umgekehrte Effekt der Leistung auf die Arbeitszufriedenheit nicht signifikant wurde. Demzufolge scheint die Arbeitszufriedenheit vor allem als Einstellungsgröße in Frage zu kommen, die durch mit der Arbeitstätigkeit verbundene positive Emotionen und Kognitionen ursächlich für Arbeitsmotivation und Leistungsverhalten wirkt.
Als Einstellungsgröße kann sich die Arbeitszufriedenheit auf unterschiedliche Merkmale der Arbeit wie unter anderem die Arbeitsaufgaben, äußere Arbeitsbedingungen, die Beziehung zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern, Entwicklungsmöglichkeiten der Stelle oder das Gehalt beziehen und mitunter erhebliche Varianz zwischen den einzelnen Arbeitsmerkmalen aufweisen (Nerdinger et al. 2014, S. 21). Die situativen und personellen Entstehungsbedingungen und -prozesse, Inhaltstheorien und Modelle der Arbeitszufriedenheit werden in Abschnitt 1.3 ausführlich vorgestellt.
Ferreira (2020, S. 23) zufolge kann Arbeitszufriedenheit nicht nur „positiv“ im Sinne einer Begriffsbestimmung, sondern auch „negativ“, also in „Abgrenzung zu (…) weiteren Konstrukten“, definiert werden. Die Abgrenzung von der „Berufszufriedenheit“ und der „Zufriedenheit mit der eigenen Arbeitstätigkeit“ erfolgt nach Ferreira (2020, S. 22) dadurch, dass diese sich auf die Zufriedenheit mit der für sich selbst gewählten Erwerbstätigkeit als Berufsentscheidung beziehen und einen längeren Zeitraum sowie mehrere Arbeitsverhältnisse einschließen können, während mit dem Begriff der Arbeitszufriedenheit stets das „derzeitige Arbeitsverhältnis“ unter den „spezifischen Unternehmensbedingungen“ der aktuellen Position gemeint sei. Auch organisationales Commitment wird etwa nach Glisson und Durick (1988) als von der Arbeitszufriedenheit unabhängiges Konstrukt aufgefasst, da hier nicht Merkmale der Tätigkeit, sondern Organisationscharakteristiken die wichtigsten Prädiktoren sind und Personen mit niedriger Arbeitszufriedenheit nachweislich über ein hohes Commitment verfügen können (Ferreira 2020, S. 105). Bezüglich des subjektiven Wohlbefindens und der Lebenszufriedenheit wurde in der Forschung neben einer relativ hohen Interkorrelation ein sogenannter „Spillover“-Effekt der Arbeitszufriedenheit festgestellt, demzufolge die Arbeitszufriedenheit die Lebenszufriedenheit mitunter erheblich beeinflusst, jedoch umgekehrt kaum prädiktive Zusammenhänge nachweisbar sind (Iris und Barrett 1972).
Über diese erläuterten inhaltlichen Abgrenzungen hinaus weisen viele Konstrukte in der Praxis jedoch immer wieder hohe Interkorrelationen mit der Arbeitszufriedenheit und damit Einschränkungen ihrer definitorischen Unabhängigkeit auf, wie Ferreira (2020, S. 23) ausführt:
,,Es finden sich immer wieder hohe Interkorrelationen zu den abzugrenzenden Konstrukten. Dies hat einen inhaltlichen Grund, denn letztendlich beschreiben alle Konstrukte das Erleben und Verhalten von Menschen bezogen auf ihre Arbeit. Durch Einstellungen, Erfahrungen, soziale Vergleiche, Werte und vieles mehr sind es die arbeitenden Menschen selbst, die die Konstrukte untrennbar miteinander verknüpfen (wie beispielsweise Arbeitszufriedenheit mit Lebenszufriedenheit oder subjektivem Wohlbefinden).”
1.2 Unternehmerische Bedeutung
Ferreira (2020, S. 103) bezeichnet die Arbeitszufriedenheit als „eine der wichtigsten Konstrukte der Arbeits- und Organisationspsychologie“ und führt das anhaltend hohe Forschungsinteresse unter anderem auf Erkenntnisse zum Zusammenhang der Arbeitszufriedenheit mit wirtschaftlichen Kennzahlen wie der Arbeitsleistung zurück, die Hoffnungen begründeten, durch die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit auch eine höhere Wirtschaftlichkeit im Sinne einer „Win-Win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte“ erreichen zu können. Judge et al. (2001, S. 376) bezeichnen den Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung unter Bezugnahme auf Landy (1989) sogar als „‘Holy Grail‘ of industrial psychologists“ und bestätigen die herausragende Rolle der Arbeitszufriedenheit als „one of the most venerable research traditions in industrial-organizational psychology“. Als Arbeitsleistung gilt hierbei als „das erzielte Ergebnis innerhalb einer bestimmten Zeitperiode“, wobei „sowohl die Menge als auch der Wert des erzielten Ergebnisses“ erfasst und zum Beispiel durch Leistungsbeurteilungen und objektive Indikatoren wie Leistungskennzahlen oder in negativer Ausprägung über „von der Arbeit befreiendes Verhalten“, also Arbeitsabwesenheit, beurteilt werden (Ferreira 2020, S. 181).
Als wichtiger Meilenstein in der Erforschung der wirtschaftlichen Bedeutung von Arbeitszufriedenheit kann eine umfangreiche Metaanalyse von Judge et al. (2001) angesehen werden, die sowohl einen qualitativen Review von sieben Modellen der Arbeitszufriedenheit als auch eine quantitative Metaanalyse von 312 einschlägigen Studien mit einer kumulierten Teilnehmerzahl von n = 54.417 Versuchspersonen vornahm. Die Autoren berichten als Ergebnis der quantitativen Untersuchung eine durchschnittliche korrigierte Korrelation von r =.30 für Arbeitszufriedenheit („job satisfaction“) und Arbeitsleistung („job performance“) in den untersuchten Studien, die bei komplexen und anspruchsvollen Aufgaben sogar noch höher ausfiel und Werte bis r = .52 erreichte. Auch kognitionspsychologische Aspekte bezüglich der Ausprägung der Arbeitszufriedenheit scheinen eine moderierende Rolle für ihren Einfluss auf die Arbeitsleistung zu spielen. In einer Studie von Schleicher et al. (2004) korrelierte die Arbeitszufriedenheit höher mit der Arbeitsleistung, wenn die Versuchsperson eine hohe „affective-cognitive consistency“ (ACC) aufwies, also die affektiven und kognitiven Einstellungskomponenten der Arbeitszufriedenheit im Sinne übereinstimmender Gefühle und Gedanken bezüglich der Arbeit qualitativ und quantitativ ähnlich ausgeprägt waren. Über die Arbeitsleistung hinaus zeigt die Forschung auch positive Einflüsse der Arbeitszufriedenheit auf weitere unternehmerisch bedeutsame abhängige Variablen. So wird etwa die Kundenzufriedenheit Studien zufolge durch eine hohe Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden positiv beeinflusst (Jeon und Choi 2012, Meffert und Schwetje 2000) und es zeigen sich negative Zusammenhänge zu betriebliche Fehlzeiten, die in einer Studie von Sczesny und Thau (2004) sowohl für die Fehlzeitenhäufigkeit (r =-.12) als auch die Fehlzeitendauer (r =-.09) zwar eher schwach ausgeprägt, aber hochsignifikant waren. Analog wurde für die Fluktuation von Semmer et al. (1996) anhand einer Längsschnittstudie in IT-Unternehmen eine negative Korrelation mit der Arbeitszufriedenheit in Höhe von r = -.27 ermittelt.
1.3 Theorien und Modelle der Arbeitszufriedenheit
1.3.1 ,,Theory of human motivation“ nach Abraham Maslow (1943)
Wie einleitend berichtet, liegt zum Konstrukt der Arbeitszufriedenheit umfangreiche theoretische und empirische Forschung und damit eine Vielzahl an Modellen vor, deren Auswahl im Rahmen dieser Arbeit sich an den Ausführungen von Nerdinger et al. (2014, S.419-429) und Ferreira (2020, S.32-66) orientiert. Begonnen wird dabei mit der sogenannten „Theory of human motivation“ nach Maslow (1943), die vereinfacht auch als „Bedürfnis“- oder „Motivpyramide“ (Nerdinger et al. 2014, S. 429) bezeichnet wird und die sich streng genommen mit dem Konstrukt der Arbeitsmotivation auseinandersetzt. Ferreira (2020, S. 33) zufolge wird die von Maslow konzipierte Bedürfnis- und Motivhierarchie allerdings „vielfach im Arbeitskontext diskutiert und es wird postuliert, dass deren Erfüllung zu Arbeitszufriedenheit führt“, sodass sich insbesondere im Bereich der Arbeitsgestaltung ein direkter Bezug zur Arbeitszufriedenheit ergibt. Maslow (1943) unterscheidet in seiner Theorie Defizit- und Wachstumsmotive, wobei Defizitmotive einem homöostatischen Regulierungsmechanismus folgen und hierarchisch organisiert sind, sodass zunächst physiologische Bedürfnisse, dann Sicherheitsbedürfnisse, darauf folgend soziale Bedürfnisse und schließlich Wertschätzungsbedürfnisse („Ich-Motive“) befriedigt werden. An der Spitze der Bedürfnispyramide steht das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung als Wachstumsmotiv (vgl. zu diesen Ausführungen Nerdinger et al. 2014, S. 429). Obwohl die Theorie ursprünglich nicht spezifisch für die Arbeitswelt entwickelt wurde, wird sie häufig auf diesen übertragen, zum Beispiel durch den Versuch einer bedürfnisgerechten Arbeitsgestaltung mit der impliziten Zielsetzung einer hohen Arbeitszufriedenheit (Ferreira 2020, S.22).
Mertel (2006, S. 39) zufolge ist die Befriedigung physiologischer Bedürfnisse und der Sicherheitsbedürfnisse am Arbeitsplatz in modernen industriellen Organisationen des europäischen Raums durch umfangreiche gesetzliche Regelungen, unter anderem zum Mindesteinkommen, zum Arbeitsschutz mit dem Ziel der Sicherstellung einer körperlich unversehrten Arbeitsverrichtung und Unfallverhütung sowie Arbeitszeitvorgaben weitgehend gewährleistet. Ebenso seien Möglichkeiten zur Erfüllung sozialer Bedürfnisse durch regelmäßige Interaktionen mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern mit Ausnahme von Sonderarbeitsformen wie dem „Home Office“ grundsätzlich gegeben. Im Bereich der „Ich-Motive“, also der Bedürfnisse nach Selbstachtung, Selbstvertrauen, Anerkennung und Status bestehe dagegen häufig noch Entwicklungspotential. So könne etwa das Status- und Aufstiegsmotiv durch den Trend zu sogenannten „flachen Hierarchien“ eingeschränkt werden, oder das Selbstachtungsmotiv etwa in großen Unternehmen durch das Gefühl bedroht sein, vom Management nur als Arbeitskraft und nicht als Person wahrgenommen zu werden (Mertel 2006, S. 42).
Rosenstiel und Nerdinger (2011, S. 395) zufolge bestehen an Maslows Motivationstheorie trotz ihrer „hohen Beliebtheit – v.a. in den Wirtschaftswissenschaften“ erhebliche, „durch die empirische Forschung (…) [begründete] Zweifel“. Insbesondere die Hierarchisierung der Bedürfnisse werde angezweifelt, da sie nicht nur empirisch nicht bestätigt, sondern auch in sich widersprüchlich sei, da Bedürfnissen nie ganz und dauerhaft erfüllt seien - dies stellt in Maslows Theorie jedoch eine notwendige Bedingung zur Aktivierung einer höheren Bedürfnisstufe dar. Insgesamt erfülle Maslows Motivationstheorie aber eine wichtige Funktion im Sinne einer Kategorisierung potentiell relevanter Motive, auf deren Beachtung im Kontext der Organisationsgestaltung zu achten sei. Als Beispiele können hier die Berücksichtigung von Selbstverwirklichungsmotiven der Mitarbeiter im Rahmen der Konzepte von Autonomie, Handlungsspielräumen und „Mitunternehmertum“ gelten, die in Studien zum „Job Characteristics Model“ (s. Abschnitt 1.3.3) nachweislich zu betrieblicher Arbeitszufriedenheit beitragen (Rosenstiel und Nerdinger 2011, S. 397).
1.3.2 Die ,,Zwei Faktoren-Theorie” von Herzberg (1959)
Als eine spezifisch für den Arbeitskontext entwickelte Bedürfnistheorie unterscheidet die sogenannte „Zwei Faktoren-Theorie“ von Herzberg et al. (1959) „Kontext“- oder „Hygienefaktoren“ wie die Arbeitsinfrastruktur, -umgebung und -mittel, gesetzlichen Urlaub sowie die regelmäßige und pünktliche Gehaltszahlung von sogenannten „Kontentfaktoren“ oder „Motivatoren“ wie den Tätigkeitsinhalten, der Leistungsanerkennung und Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme und Weiterentwicklung (Ferreira 2020, S. 38). Die Unterscheidung der Faktoren beruht auf der empirischen Beobachtung der Autoren, dass die Kontext- oder Hygienefaktoren notwendige, aber nicht ausreichende Bedingungen der Arbeitszufriedenheit sind, weil ihre Missachtung zwar zu Unzufriedenheit führt, die Beachtung und Erfüllung aber zur Entstehung von Arbeitszufriedenheit noch nicht ausreicht, sondern nur zur „Nicht-Unzufriedenheit“ führt (Ferreira 2020, S. 39). Erst durch die Berücksichtigung der Kontentfaktoren in einem ausreichenden Maß entstehe durch ihre motivatorische Wirkung Arbeitszufriedenheit. Nerdinger et al. (2014, S. 423) führen diesen Zusammenhang darauf zurück, dass die Hygienefaktoren vor allem extrinsische, außerhalb der eigentlichen Tätigkeit liegende Anreize umfassen, während die Kontentfaktoren intrinsische, mit der Tätigkeit inhaltlich verbundene Wirkursachen beschreiben.
Ein wichtiger Kritikpunkt an der Zwei Faktoren-Theorie von Herzberg et al. (1959) lautet Ferreira (2020, S. 40) zufolge, dass durch die angewendete retrospektive Befragungsmethode „Verzerrungen durch Fehlattributionen“ zu erwarten seien, die dazu führen können, dass „Zufriedenheitsaspekte mit der eigenen Person und der unmittelbaren Arbeitstätigkeit (interne Attribution) in Verbindung gebracht werden, während Aspekte der Unzufriedenheit auf die weitere Arbeitsumgebung bezogen werden (externe Attribution)“. Eine Aufteilung der Faktoren in Hygiene- und Motivationsfaktoren zeigt sich Schuler und Sonntag (2007, S. 53) zufolge nur bei der Anwendung von Herzbergs spezifischer Befragungsmethode. Dennoch entspricht die Zwei Faktoren-Theorie nach Ferreira (2020, S. 39) insgesamt durch die „Betonung der Bedeutung der Tätigkeit selbst“ den „Grundannahmen der Humanisierungsdebatte“ sowie „den aktuellen Kriterien psychologischer Arbeitsgestaltung“. Auch Nerdinger et al. (2014, S. 424) sehen in der Betonung der Bedeutung intrinsischer Tätigkeitsaspekte den wichtigsten Beitrag der Zwei Faktoren-Theorie:
„Trotz dieser Begrenzungen hat das Modell von Herzberg auch heute noch große Bedeutung für die Erklärung der Motivation. Es widerspricht den in der Praxis weit verbreiteten Vorstellungen, wonach die Mitarbeiter allein durch ökonomische, speziell finanzielle Anreize zur Arbeit motiviert werden. Es ist das bleibende Verdienst von Herzberg und seinen Mitarbeitern, dass sie als erste die Bedeutung intrinsischer Aspekte der Tätigkeit für die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter erkannt haben.“
1.3.3 „Job Characteristics Model“ nach Hackman und Oldham (1980)
Das sogenannte „Job Characteristics Model“ nach Hackman und Oldham (1980) differenziert die konkreten inhaltlichen Gestaltungsmerkmale, die eine Arbeitstätigkeit aufweisen muss, um zur Zufriedenheit der Mitarbeiter zu führen. Dieses sogenannte „Motivationspotential“ einer Aufgabe als Ursache und Bedingung für die Entstehung intrinsischer Motivation, hoher Arbeitszufriedenheit, qualitativ hochwertiger Arbeitsleistung und niedriger Abwesenheit sowie Fluktuation ist in seiner Ausprägung abhängig von fünf Gestaltungsmerkmalen der Arbeitsaufgabe, die mit der Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit, der Aufgabenbedeutsamkeit für das Leben und die Arbeit anderer, der Autonomie als „Kontroll- und Entscheidungsspielraum“ sowie der Rückmeldung über die Aufgabenerfüllung angegeben werden (Ferreira 2020, S. 42). Die genaue Definition dieser Aufgabenmerkmale oder ,,Job Characteristics” erfolgt in Abschnitt 2.2.2.
Arbeitsaufgaben, die sich durch die genannten Kriterien auszeichnen, führen nach Hackman und Oldham (1980) zunächst zu einem hohen sogenannten ,,Motivationspotential” als „latente Stärke der Motivation, die eine Tätigkeit auslösen kann“. Das Motivationspotential wird berechnet aus dem „Produkt der Merkmale Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit und der anschließenden Addition der Merkmale Autonomie und Rückmeldung“ (Nerdinger et al. 2014, S. 425). Ein hohes Motivationspotential der Arbeitstätigkeit führt wiederum zu drei spezifischen psychologischen Kognitionen über die Aufgabe, die Arbeitszufriedenheit konstatieren: Sie ergibt sich aus der erlebten Bedeutsamkeit der eigenen Aufgabe, der erlebten Verantwortung für die Ergebnisse der eigenen Arbeit und dem Wissen über diese Ergebnisse sowie deren Qualität (Nerdinger et al. 2014, S. 425). Sowohl der Zusammenhang zwischen dem Motivationspotential der Arbeitsaufgabe und den genannten drei Erlebniszuständen als auch zwischen diesen Kognitionen und den erwarteten Folgen der intrinsischen Motivation, hoher Arbeitszufriedenheit und Leistung sowie niedriger Abwesenheit wird durch das individuelle Bedürfnis zur Selbstentfaltung moderiert. Eine graphische Darstellung des Job Characteristics Model von Nerdinger et al. (2014, S. 425) ist in Abbildung eins zu sehen.
[Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt]
Abbildung eins. Das Job Characteristics Model von Hackman und Oldham (1980). Quelle: Nerdinger et al. (2014, S. 424), Copyright: Pearson 1980
Die Operationalisierung des Motivationspotentials als zentralem Konstrukt des Job Characteristics Model wurde von den Autoren durch die Entwicklung des sogenannten „Job Diagnostic Survey“ (JDS, zit. nach Nerdinger et al. 2014, S. 425) mit fünf siebenstufigen Skalen zur Selbsteinschätzung der wahrgenommenen Ausprägung motivationaler Arbeitsmerkmale grundgelegt. Nerdinger et al. (2014, S. 425) zufolge weist das Modell insbesondere im Bereich des Motivationspotentials in empirischen Untersuchungen eine gute prädiktive Validität auf:
„Direkte Tests des Modells kommen zu dem Ergebnis, dass die Merkmale der Arbeit und die Arbeitszufriedenheit eine korrigierte Korrelation von ρ = .50 aufweisen. Weiter zeigt eine Metaanalyse von zehn Studien, dass bei Mitarbeitern mit einem hohen Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung der Zusammenhang zwischen den Merkmalen der Arbeit und der Arbeitszufriedenheit deutlich höher ist als bei Mitarbeitern, denen dieses Bedürfnis nicht so wichtig ist (vgl. dazu Judge et al., 2001). Dabei finden sich aber auch für diese Mitarbeiter signifikante Zusammenhange, d. h., eine gezielte Gestaltung der Arbeitsbedingungen gemäß dem Modell der Job Characteristics führt durchgängig zu größerer Arbeitszufriedenheit. Nicht eindeutig belegt ist dagegen die vermittelnde Wirkung der psychologischen Grundbedingungen, und auch die postulierte Kausalrichtung bedarf noch der genaueren Prüfung.“
2. Fragebogenkonstruktion
2.1 Dimensionale Analyse und Strukturbaum
Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus der im ersten Teil besprochenen Literatur abgeleitete Strukturbaum der Arbeitszufriedenheit ist im Anhang dargestellt und soll nachfolgend kurz erläutert werden. Insgesamt werden zwei Dimensionen der Arbeitszufriedenheit postuliert, die als ,,Subjektive Bedürfnisbefriedigung durch die Arbeitsstelle” und ,,Subjektives Motivationspotential der Arbeitsstelle” bezeichnet werden. Da Maslows Bedürfnistheorie trotz ihrer umstrittenen Hierarchisierungsannahme eine übersichtliche Kategorisierung potentiell am Arbeitsplatz relevanter Motive enthält, bildet sie die Basis für die erste Dimension sowie die nachfolgenden Kategorien der im Modell spezifizierten Defizit- und Wachstumsmotive. Die Messung der einzelnen Motive auf Indikatorenebene wird an den sogenannten „Fragebogen zur Messung der Bedürfniszufriedenheit bei der Arbeit“ (FMBZ) von Weinert (2015, 258 f.) als deutsche Version des „Porter Need Satisfaction Questionaire“ (PNSQ) angelehnt. Der Prozess der Itemmodifikation und -selektion wird ab Abschnitt 2.1 näher erläutert.
Die zweite Dimension des subjektiven Motivationspotentials der Arbeitsstelle wird in Anlehnung an die ,,Zwei Faktoren-Theorie” von Herzberg et al. (1959) und das ,,Job Characteristics Model” von Hackman und Oldham (1980) konzipiert und soll im Gegensatz zur bereits besprochenen subjektiv wahrgenommenen Bedürfnisbefriedigung am Arbeitsplatz als personelle Variable von der Situation des Arbeitsplatzes ausgehen und nach deren motivationaler und motivgerechter Gestaltung fragen. Es geht also im zweiten Teil der Befragung nicht mehr darum, die Zufriedenheit des Arbeitnehmers mit der Befriedigung verschiedener Bedürfnisse im Arbeitskontext zu bestimmen, sondern das Vorhandensein und die Wirksamkeit essentieller Faktoren der Arbeitsgestaltung zu ermitteln, die theoretisch und empirisch Arbeitszufriedenheit konstatieren. Da das Job Characteristics Model durch seine mathematische Formulierung gut operationalisierbar ist und die empirische Bestätigung positiver ausfällt als bei der Zwei Faktoren-Theorie, deren Hygiene- und Motivationsfaktoren zudem im ersten Teil der Arbeit größtenteils bereits erfragt wurden, wird der Bestimmung des Motivationspotentials im zweiten Teil der Befragung das Job Characteristics Model zugrunde gelegt. Die Items für den zweiten Testteil wurden mit Ausnahme der Skala ,,Bedürfnis nach individueller Selbstentfaltung” eigenständig auf Basis der Definitionen der ,,Job Characteristics” von Nerdinger et al. (2014, S. 425) entwickelt, wie in Abschnitt 2.2.1 näher erläutert wird.
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