Diese Arbeit beschäftigt sich zu Beginn mit möglichen subjektiven Fehlerquellen bei Mitarbeiterbeurteilungen durch Vorgesetzte, Führungs- und/oder Personalverantwortliche (nachfolgend Beurteiler oder Beurteilende genannt) und zeigt anschließend auf, welche Folgen derartige fehlerhafte oder verzerrte Beurteilungen mit sich bringen können und welche Möglichkeiten für objektivere Mitarbeiterbeurteilung bestehen.
Mitarbeiterbeurteilungen sind ein unerlässlicher Bestandteil einer fortschrittlichen Personalführung und Personalentwicklung. Richtig durchgeführt liefern Mitarbeiterbeurteilungen aussagekräftige und zuverlässige Informationen über das Leistungsvermögen des Personals - beginnend bei der Einstellung, über die Förderung und Entwicklung, bis hin zu eventuell notwendigen Freisetzungen.
Die systematische Mitarbeiterbeurteilung zielt auf die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter im Unternehmen ab, indem sie nach gleichen Beurteilungskriterien und Bewertungsskalen, zum gleichen Zweck, mit möglichst gleichen Bewertungsmaßstäben und mit möglichst gleichem Wissens- und Leistungsstand der Beurteiler durchgeführt wird.
Die Bewertung oder Beurteilung dient häufig der Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung und Evaluierung des Personalbestandes. Mitarbeiterbeurteilung können aus mehreren Grün-den durchgeführt werden. So können die Aus- und Weiterbildung und eine damit verbundene Förderung und Entwicklung des Personals im Vordergrund stehen.
Wichtig für ein aussage-kräftiges Ergebnis der Mitarbeiterbewertung ist, dass nicht nur subjektive Eindrücke den Ausschlag geben, sondern dass sowohl qualitative Beobachtungen als auch messbare Leistungskennzahlen kontinuierlich und systematisch erfasst werden. Das bedeutet, dass die Mitarbeiterbeurteilung als fortlaufender Prozess und Beurteilungsgespräche als Zwischenergebnisse verstanden werden sollten.
In der Praxis lassen sich jedoch zahlreiche subjektive Fehlerquellen im Beurteilungsverfahren nachweisen. Beurteiler können unter Umständen nur einen kurzen und nicht repräsentativen Verhaltensausschnitt eines Mitarbeiters erleben oder verschiedene Beurteiler nehmen zwar denselben Verhaltensausschnitt wahr, interpretieren ihn dagegen auf unterschiedliche Weise und treffen anschließend verschiedene zusammenfassende Aussagen über das beobachtete Verhalten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Mitarbeiterbeurteilungen und deren Objektivität
2. Wahrnehmungsfehler bei Mitarbeiterbeurteilungen
2.1 Beurteilungstäuschungen
2.2 Beurteilungsverzerrungen
2.3 Beurteilungsversagen
3. Folgen einer fehlerhaften Mitarbeiterbeurteilung
4. Möglichkeiten einer objektiveren Mitarbeiterbeurteilung
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anmerkung der Redaktion: Aus urheberrechtlichen Gründen wurde der Anhang entfernt.
Einleitung
Mitarbeiterbeurteilungen sind ein unerlässlicher Bestandteil einer fortschrittlichen Personalführung und Personalentwicklung. Richtig durchgeführt liefern Mitarbeiterbeurteilungen aussagekräftige und zuverlässige Informationen über das Leistungsvermögen des Personals - beginnend bei der Einstellung, über die Förderung und Entwicklung, bis hin zu eventuell notwendigen Freisetzungen. Die systematische Mitarbeiterbeurteilung zielt auf die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter im Unternehmen ab, indem sie nach gleichen Beurteilungskriterien und Bewertungsskalen, zum gleichen Zweck, mit möglichst gleichen Bewertungsmaßstäben und mit möglichst gleichem Wissens- und Leistungsstand der Beurteiler durchgeführt wird (Grotzfeld 2020).
Die Bewertung oder Beurteilung dient häufig der Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung und Evaluierung des Personalbestandes. Mitarbeiterbeurteilung können aus mehreren Gründen durchgeführt werden. So können die Aus- und Weiterbildung und eine damit verbundene Förderung und Entwicklung des Personals im Vordergrund stehen. Wichtig für ein aussagekräftiges Ergebnis der Mitarbeiterbewertung ist, dass nicht nur subjektive Eindrücke den Ausschlag geben, sondern dass sowohl qualitative Beobachtungen als auch messbare Leistungskennzahlen kontinuierlich und systematisch erfasst werden. Das bedeutet, dass die Mitarbeiterbeurteilung als fortlaufender Prozess und Beurteilungsgespräche als Zwischenergebnisse verstanden werden sollten (Renner 2020).
In der Praxis lassen sich jedoch zahlreiche subjektive Fehlerquellen im Beurteilungsverfahren nachweisen. Beurteiler können unter Umständen nur einen kurzen und nicht repräsentativen Verhaltensausschnitt eines Mitarbeiters erleben oder verschiedene Beurteiler nehmen zwar denselben Verhaltensausschnitt wahr, interpretieren ihn dagegen auf unterschiedliche Weise und treffen anschließend verschiedene zusammenfassende Aussagen über das beobachtete Verhalten (Schuler 2004, S. 9–19)
Mitarbeiterbeurteilungen sollten allerdings möglichst objektive Informationen über die Leistungen und die Leistungspotentiale der Mitarbeiter liefern. Eine objektive Beurteilung schließt gewissermaßen Subjektivität der Beurteilenden aus. Subjektivität ist allerdings fester Bestandteil jedes Menschen und aufgrund seiner persönlichen Verarbeitung und Bewertung von zahlreichen inneren und äußeren Reizen sowie seiner persönlichen Wahrnehmung individuell. Jeder Mensch nimmt seine Umwelt in seiner eigenen, ganz spezifischen und persönlichen Art und Weise wahr (Dulisch 2020).
Diese Arbeit beschäftigt sich daher zu Beginn mit möglichen subjektiven Fehlerquellen bei Mitarbeiterbeurteilungen durch Vorgesetzte, Führungs- und/oder Personalverantwortliche (nachfolgend Beurteiler oder Beurteilende genannt) und zeigt anschließend auf, welche Folgen derartige fehlerhafte oder verzerrte Beurteilungen mit sich bringen können und welche Möglichkeiten für objektivere Mitarbeiterbeurteilung bestehen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in dieser Arbeit die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.
1. Mitarbeiterbeurteilungen und deren Objektivität
Objektives Beobachten ist für den Menschen im Grunde nicht möglich, da er immer und überall seine gesammelten subjektiven Erfahrungen mit sich trägt, die im Gedächtnis wie Filter wirken (Langer, Langer und Theimer, 2000). Durch persönliche Erfahrungen entstehen Stereotype im Gedächtnis, welche helfen sollen, die Umwelt einfacher zu verarbeiten, indem Gruppierungen gebildet werden, zu denen vereinfacht neue Informationen hinzugefügt werden können. Durch dieses stereotype Denken entstehen gegenüber Mitmenschen Erwartungen, von denen angenommen wird, dass sie einem dieser speziellen Stereotype zugeordnet werden können (Degner, Meiser und Rothenmund, 2009).
Um eine möglichst faire Beurteilung durch Vorgesetzte, Führungs- und/oder Personalverantwortliche zu gewährleisten, ist es daher wichtig, dass sich die jeweiligen Beurteiler möglichen Beurteilungsverzerrungen oder Beurteilungsfehlern bewusst sind und sich diese subjektiven Fehlerquellen vor einer anstehenden (Mitarbeiter)-Beurteilung in Erinnerung rufen.
2. Wahrnehmungsfehler bei Mitarbeiterbeurteilungen
Jede Beurteilung enthält entsprechende subjektive Elemente. Diese Elemente können nicht gänzlich ausgeschlossen werden, der Beurteiler kann jedoch versuchen, sich diese Einflussfaktoren gezielt bewusst zu machen und sie hierdurch eingrenzen. Typische Wahrnehmungsfehler kommen in der Psychologie bei Beurteilungen von Personen, Sachverhalten, Situationen oder Objekten vor.
2.1 Beurteilungstäuschungen
Bei den Beurteilungstäuschungen wird der Beurteiler von seinem Auge bzw. seinem Gedächtnis betrogen. Es handelt sich bei den Beurteilungstäuschungen vorrangig um ein „Nicht-gerecht-beurteilen-können“ durch den Vorgesetzten, Führungs- und/oder Personalverantwortlichen (Dulisch 2020).
Als klassische Beurteilungstäuschung bei Mitarbeiterbeurteilungen kann der fundamentale Attributionsfehler genannt werden. Der Beurteiler hat in diesem Fall die Tendenz, die Wirkung von Eigenschaften, Einstellungen und Meinungen auf das Verhalten des Mitarbeiters zu überschätzen und äußere Faktoren, wie situative Einflüsse, zu unterschätzen. Begegnet dem Beurteiler beispielsweise jemand unfreundlich, schiebt er es automatisch auf dessen Charakter. Äußere Faktoren, dass dieser Mitarbeiter gerade gestresst sein könnte oder soeben eine belastende Nachricht erhalten hat, kommen ihm dabei nicht in den Sinn (Myers 2016).
Beim Halo-Effekt prägt der erste Eindruck des Mitarbeiters den Beurteiler. Fällt ihm ein bestimmtes Merkmal der zu beurteilenden Person besonders positiv oder negativ auf, überstrahlt dieses Merkmal das Gesamtbild. Eine besonders attraktive oder sehr eloquente Person wird beispielsweise häufig als erfolgreich und kompetent wahrgenommen (Stockhausen 2021). Gerade in Bewerbungs- oder Auswahlverfahren kann dieser Effekt eine entscheidende subjektive Fehlerquelle darstellen.
Ebenso kann der letzte Eindruck stark prägend sein. Hierzu zählt der Nikolaus-Effekt oder auch Recency-Effekt. Ereignisse, die sich kurz vor einer angekündigten Mitarbeiterbeurteilung abspielen, wirken sich stärker auf die Beurteilung aus als solche Ereignisse, die bereits länger zurückliegen. Hat der zu beurteilende Mitarbeiter Kenntnis darüber erlangt, dass seine Leistungen oder sein Verhalten beobachtet und beurteilt werden, strengt er sich mehr an und erlangt so eventuell eine bessere Beurteilung, ähnlich wie bei Kindern kurz vor Nikolaus (Wondrak 2016).
Bei der selektiven Wahrnehmung werden durch den Beurteiler nur bestimmte Signale der Umwelt bewusst wahrgenommen, andere hingegen unbewusst aussortiert. Ist die Aufmerksamkeit des Vorgesetzten auf einen bestimmten Sachverhalt gerichtet, dann kann er andere Informationen nicht (mehr) bewusst wahrnehmen. In die Auswahl von Reizen gehen die bisher gemachten Erfahrungen sowie persönliche Vorlieben und Einstellungen des Beurteilenden ein und was dieser in entsprechender Situation vom Gegenüber erwartet. Auf diese Weise gefällte Urteile, und daraus fälschlicherweise gezogene Schlussfolgerungen, werden vom Beurteiler nicht rückwirkend überprüft und es werden im Anschluss an diese Beurteilung keine neuen Erfahrungen oder keine korrigierten Erkenntnisse durch den Beurteiler hinzugefügt (Stangl 2020).
Aus den eben genannten Beurteilungstäuschungen und die daraus fälschlicherweise gezogenen Schlussfolgerungen kann sich der Andorra-Effekt (benannt nach einem Theaterstück von Max Frisch) ergeben. Dieser besagt, dass sich Menschen oft an die Beurteilungen und Einschätzungen ihrer sozialen Umgebung anpassen und dies unabhängig davon, ob diese korrekt sind oder nicht (Weidl 2021). Dieser Effekt beschreibt eine Form einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung, da sich eine Person mit der Zeit genauso verhält, wie es ihr die ganze Zeit vorausgesagt wurde, und sie es vermutlich ohne diese Vorhersage nicht so getan hätte. Bemerkungen wie “Du wirst das nie lernen”, sind unter Umständen schicksalshafte Feststellungen. Erfolgt die Verhaltensbeeinflussung ausschließlich durch die Erwartungen einer konkreten Autoritätsperson wie etwa eines Vorgesetzten, Lehrers, Arztes oder Versuchsleiters, spricht man eher vom Rosenthal- oder Pygmalion-Effekt. (Jansen 2021).
Bei einer Beurteilungstäuschung liegt der subjektive Fehler demnach in der Wahrnehmung, beziehungsweise in der individuellen Verarbeitung und Bewertung dieser Wahrnehmung, durch den Beobachter. Ein resultierendes subjektives Urteil aufgrund einer Beurteilungstäuschung ist demzufolge nur an diese eine wahrnehmende und bewertende Person gebunden. Ein weiterer Beurteiler könnte den zu beurteilenden Mitarbeiter anders wahrnehmen und würde somit zu einem völlig anderen Urteil gelangen.
2.2 Beurteilungsverzerrungen
Bei den Beurteilungsverzerrungen wendet der Beurteilende bei einem Mitarbeiter einen eher wohlwollenden Maßstab, bei einem weiteren Mitarbeiter jedoch einen eher kritischeren Maßstab an. Im Gegensatz zu den Beurteilungstäuschungen ist dem Beurteiler dieses Verhalten mehr oder weniger bewusst (Dulisch 2020).
Typisch hierfür ist die Tendenz zur Mitte, Tendenz zur Strenge oder die Tendenz zur Milde. Hier gebraucht der Beurteiler einen unzutreffenden Maßstab für die Beurteilung. Entweder durch ein zu hohes Anspruchsniveau (Tendenz zur Strenge) oder er ist sich unsicher und möchte nicht zu hart sein (Tendenz zur Mitte). Bei der Tendenz zur Milde hingegen möchte er niemanden brüskieren. Die Tendenz zur Mitte zeigt sich oft in standardisierten Frage- oder Bewertungsbögen, welche mit einer ungeraden Anzahl von Skalierungen dem Beurteiler eine mittlere Bewertungsmöglichkeit bietet. Beispielsweise nutzt der Beurteiler bei Bewertungsmöglichkeiten zwischen 1 (sehr gut) und 5 (nicht ausreichend) gerne die mittlere Wertungsmöglichkeit (Lehmann 2008).
Beim Stimmungs-Effekt führt die aktuelle Gemütsverfassung des Beurteilers, ist dieser beispielsweise frisch verliebt oder ist gerade sein Hund verstorben, zu einer eher positiveren oder zu einer negativeren Bewertung für den Mitarbeiter. Dies ähnelt einer Momentaufnahme und verzerrt die Wahrnehmung der länger zurückliegenden konstanten Leistungen des Mitarbeiters. Eine Momentaufnahme ohne Berücksichtigung der Stimmung des Beurteilers liegt dann vor, wenn etwa ein eher mittelmäßiger Mitarbeiter plötzlich einen Großauftrag generieren konnte. Sein aktuell sehr gutes Arbeitsergebnis steht gegenwärtig im Vordergrund, die vorangegangen konstanten und eher mittelmäßigen Leistungen werden, zumindest in diesem Moment, übergangen (Morys 2019).
Der Nähe-Effekt kann ebenso zu einer positiveren Wahrnehmung durch den Vorgesetzten führen. Wer oft oder längere Zeit eng zusammenarbeitet, hat die Chance, die gegenseitige Zusammenarbeit zu optimieren und somit positive Seiten intensiver wahrzunehmen. Je besser sich der Beurteilende und seine Mitarbeiter kennen und sich sympathisch sind, desto positiver fällt die Beurteilung aus (Rettig 2011).
Allerdings zeigen sich durch die direkte Zusammenarbeit auch Kontraste. Beim Kontrast-Effekt werden insbesondere diejenigen Persönlichkeitsmerkmale wahrgenommen, die der Beurteilende selbst nicht hat. Wenn dieser ein sehr teamorientierter Mitarbeiter ist und der zu beurteilende Kollege eher ein Einzelkämpfer, dann fällt ihm dieses Merkmal besonders auf. Hier tendiert er dazu, den Kollegen im Merkmal Teamfähigkeit besonders schlecht zu bewerten. Der Kontrast zwischen Beurteiler und seinem zu beurteilenden Kollegen ist zu groß. Oder die wahrgenommen charakterlichen Eigenschaften bei zwei aufeinander folgenden Mitarbeitern sind sehr unterschiedlich. Nach einem sehr extrovertierten Mitarbeiter folgt ein ruhigerer. Beim Kontrastfehler wird der Introvertierte schlechter bewertet, weil der Kontrast zwischen den beiden Mitarbeitern sehr stark war (Lüken 2016).
Wie eben erwähnt, kann die Position oder Reihenfolge von erlangten Informationen weitreichenderen Einfluss darauf haben, wie Mitarbeiter und deren erbrachte Leistungen wahrgenommen und beurteilt werden. Der erste zu beurteilende Mitarbeiter setzt dabei den Maßstab für den Vergleich von Leistungen und dient als Referenzpunkt für die nachfolgend zu beurteilenden Mitarbeiter. Fällt diese erste Bewertung sehr gut aus, werden die nachfolgenden Mitarbeiter zu schlecht beurteilt. Dieser Reihenfolge-Effekt kann auch umgekehrt eintreten. Liegt die erste Referenzbeurteilung bei einem sehr leistungsschwachen Mitarbeiter, so fallen die nachfolgenden Beurteilungen verhältnismäßig zu gut aus (Häder und Kühne 2009, S. 207–216).
[...]