In allen Kulturen und zu allen Zeiten hat Religion und Glauben eine wichtige Rolle gespielt. Sie ist wesentlicher Bestandteil jeder Kulturgesellschaft, Gesellschaft ohne Religion ist undenkbar. In der folgenden Arbeit werde ich einen Erklärungsansatz für die Omnipräsenz von Religion im menschlichen Leben aufzeigen und auf die Sichtweise des katholischen Christentums, speziell im Hinblick auf das Segensverständnis, eingehen. Den Anfang bildet in Anlehnung an Fink und sein Konzept der Grundphänomene des menschlichen Daseins eine anthropologische Erörterung, die den Menschen maßgeblich durch das Erkennen der eigenen Sterblichkeit charakterisiert sieht. Im Anschluss daran werden exemplarisch einige philosophische Positionen zum Tod vorgestellt. Im Tod sieht sich der Mensch mit einer unvorstellbar fremden Sphäre konfrontiert. Als Seiender schaut er in den Abgrund des Nicht-Seins und ist sich bewusst, dass er sich diesem mit jedem Tag unausweichlich nähert. Die Eigentümlichkeit der menschlichen Existenz liegt genau darin: als Lebender immer auch schon Sterbender zu sein und darum zu wissen. Es ist das Wissen um die eigene Sterblichkeit, das menschliches von anderem, beispielsweise tierischem Sein unterscheidet. Da sich aber das Nichts unserem Verstand radikal entzieht, sich nicht von uns begreifen lässt, bietet nur der Glaube die Möglichkeit, mit dem Nichts oder dem Numinosen, wie es z.B. Tugend hat oder Wiederkehr verstehen, umzugehen und es in unsere Lebenswelt zu integrieren. Religion erscheint so als Lebensweise, die es ermöglicht, sich positiv zu diesem unverständlichen übermächtigen Numinosen zu verhalten. Im Katholizismus geschieht dies im Gebet und Segen. Daher wird der letzte Teil dieser Arbeit schließlich verschiedene Sichtweisen und Arten von Segensfeiern thematisieren und damit verbundene Probleme aufzeigen.
Inhalt
Einleitung
Anthropologische Vorüberlegungen
Der Tod als wesentliches Merkmal menschlichen Daseins
Philosophische Verhaltensweisen 2um Tod
Tod in klatons khaidon
Tod bei Epikur
Tod bei Lukres
Der Tod bei Jeneca
Der Tod in Montaignes Essay ‘Que khilosopher, c’est apprendre a mourir’
Religiöse Verhaltensweisen 2um Tod
Segen
Segen heute
Schlussbemerkungen
Einleitung
In allen Kulturen und zu allen Zeiten hat Peligion und Glauben eine wichtige Polle gespielt. Sie ist wesentlicher Bestandteil jeder Kulturgesellschaft, Gesellschaft ohne Peligion ist undenkbar. In der folgenden Arbeit werde ich einen Erklärungsansatz für die Omnipräsenz von Peligion im menschlichen Leben aufzeigen und auf die Sichtweise des katholischen Christentums, speziell im Hinblick auf das Segensverständnis, eingehen.
Den Anfang bildet in Anlehnung an Fink und sein Konzept der Grundphänomene des menschlichen Daseins eine anthropologische Erörterung, die den Menschen maßgeblich durch das Erkennen der eigenen Sterblichkeit charakterisiert sieht. Im Anschluss daran werden exemplarisch einige philosophische Positionen zum Tod vorgestellt. Im Tod sieht sich der Mensch mit einer unvorstellbar fremden Sphäre konfrontiert. Als Seiender schaut er in den Abgrund des Nicht-Seins und ist sich bewusst, dass er sich diesem mit jedem Tag unausweichlich nähert. Die Eigentümlichkeit der menschlichen Existenz liegt genau darin: als Lebender immer auch schon Sterbender zu sein und darum zu wissen. Es ist das Wissen um die eigene Sterblichkeit, das menschliches von anderem, beispielsweise tierischem Sein unterscheidet. Da sich aber das Nichts unserem Verstand radikal entzieht, sich nicht von uns begreifen lässt, bietet nur der Glaube die Möglichkeit, mit dem Nichts oder dem Numinosen, wie es z.B. Tugendhat oder Wiederkehr verstehen, umzugehen und es in unsere Lebenswelt zu integrieren. Peligion erscheint so als Lebensweise, die es ermöglicht, sich positiv zu diesem unverständlichen übermächtigen Numinosen zu verhalten. Im Katholizismus geschieht dies im Gebet und Segen. Daher wird der letzte Teil dieser Arbeit schließlich verschiedene Sichtweisen und Arten von Segensfeiern thematisieren und damit verbundene Probleme aufzeigen.
Anthropologische Vorüberlegungen
Der Tod als vesentliches Merkmal menschlichen Daseins
Jede anthropologische Theorie versucht auf ihre Weise die Frage zu beantworten, was den Menschen ausmacht, was sein Wesen ist. Eine Möglichkeit, den Menschen in seiner Eigentümlichkeit phänomenologisch zu fassen, stellt der Ansatz Eugen Finks dar. So nähert er sich dem Menschen möglichst vorurteilsfrei, das heißt ohne ihn als Wesen mit dem göttlichen
Funken der Vernunft1 auf der einen Seite, noch ihn andererseits „von vornherein in der biologischen Blickbahn“ (Fink Traktat: 20) zu sehen. Denn wenngleich er diese Anschauungsweisen nicht als verkehrt ansieht, so sind sie seiner Ansicht nach doch nicht in der Lage, das spezifisch Menschliche herauszuarbeiten, sie erfassen „den Menschen nicht in seiner genuinen Seinsart“ (Fink Grundphänomene: 107). Genau das aber setzt sich Fink als Ziel: den Menschen in all seinen Facetten zu betrachten. Dabei stößt er auf die Grundphänomene Tod, Arbeit, Herrschaft, Liebe und Spiel, die unser Leben auszeichnen. Diese Grundphänomene sind wechselseitig dialektisch miteinander verwoben, stehen in einer „Polemos-Dialektik“ (Wirth MuW: 37) wie Wirth es formuliert. Diese Bezeichnung erhält die Spannung der verschiedenen Grundphänomene, ihr ,flüssiges’ sich Durchdringen, ihr Ineinanderübergehen. Der Mensch lebt in der Spannung zwischen diesen ihn bestimmenden Phänomenen. Es ist eben diese Spannung, ihr sich Durchdringen einerseits, wie ihre ,Widerstrebigkeit’ andererseits, die das Wesen des Menschen ausmacht. Es ist daher klar, dass die Charakterisierung eines einzelnen Grundphänomens schwierig ist, da sie für Fink immer auch
„für die tiefen Zweideutigkeiten, für das rätselhafte Doppelgesicht der Lebensphänomene“ (Fink Grundphänomene: 302) offen sein, sie berücksichtigen muss. Aber weil es sich jeweils um „wesensverschiedene Phänomene“ (Fink Existens: 231, Hervorhebung im Original)2 handelt, ist es dennoch wichtig, auch zu einer isolierten Eigenbestimmung zu kommen. Und hier wird der Tod auch in methodischer Hinsicht zentral. Denn er ist das Grundphänomen, das sozusagen noch grundlegender als alle anderen Grundphänomene ist. Erst im Hinblick auf ihn werden andere Grundphänomene möglich oder verständlich. Da jedoch auch andere Lebewesen und Pflanzen sterben, steht die Frage im Paum, was deren Sterben von dem des Menschen unterscheidet. Wenn Dinge und Pflanzen vergehen, zerfallen sie; die Materie jedoch bleibt bestehen, was sich ändert ist lediglich der Zustand ihres Seins. Wenn Lebewesen enden, ist dies andererseits „kein Umschlagen von einem bestimmten Seinszustand in einen anderen, sondern ein Umschlag von Sein in Nichts“ (Fink Grundphänomene: 123). Der Verstorbene bleibt zwar zunächst in Form seines
Leichnams als Phänomen betrachtbar in unserem binnenweltlichen Kontext vorhanden und verhält sich als solcher gleich aller anderen Materie, er zerfällt, wird zu Staub. Das jedoch, was den Menschen ausmachte, wird dadurch nicht erfasst. Dies fällt nicht wie der Körper wieder in seine Bestandteile auseinander. Mit dem Eintritt des Todes ist das Wesen des Verstorbenen vielmehr schlagartig verschwunden. Es entzieht sich ins Nichts. Dieses Nichts entzieht sich dem binnenweltlichen menschlichen Verständnis in absoluter Weise. Dass er aber letztendlich auch in dieses unheimliche Nichts übergehen wird, dass seine Tage als Lebender nicht ewig währen, ist jedem Menschen immer schon bewusst3. Dies unterscheidet das menschliche Dasein wesentlich vom tierischen, das nicht um seine eigene Vergänglichkeit weiß. Geburt und Tod stellen die Extrempunkte menschlichen Lebens dar und eröffnen ihm die zeitliche Dimension. Dadurch, dass Menschen sich mit dem eigenen Tod konfrontiert sehen, können sie sich, im Strom der Zeit stehend zu ihm verhalten, während Tiere, die ganz im Jetzt leben, lediglich in der Zeit sind, sich aber nicht zu ihr verhalten können. Sie haben darum keine Vergangenheit und keine Zukunft, können nicht planend der Zeit vorauseilen und ihre Geschicke bestimmen. Auch ist ihr Verhalten stets triebgesteuert. Der Mensch hingegen ist offen für die Nöte, die das Tier nur als Bedürfnisse wahrnimmt und, sobald sie gestillt sind, außer acht lässt. Er erkennt die wiederkehrenden Bedürfnisse als Not, die es planend zu wenden gilt. Das, was so zur Not-Wendigkeit wird, ist die Arbeit. Als solche ist sie jedoch grundsätzlich immer auf die drohende Gefahr des Todes rückbezogen (vgl. Wirth MuW: 138/139), auch wenn der Blick hierauf in heutigen Gesellschaften vielfach verstellt ist, da Arbeit heutzutage nur noch selten direkt mit der Beschaffung der lebensnotwendigen Güter zu tun hat.
Auch in der Charakterisierung des Phänomens Herrschaft, das eng mit dem der Arbeit verbunden ist, ist der Tod von fundamentaler Bedeutung. Miteinem Pückgriff auf Hegel lässt sich sagen, dass Herrschaft zunächst „durch den Kampf auf Leben und Tod“ (Hegel khG: 149) hergestellt wird4. Der aus diesem Kampf als Gewinner hervorgehende hat „die schreckliche Macht, töten zu können. Als ,Töter’ verfügt er über den sonst unverfügbaren Tod“ (Fink Grundphänomene: 196). Das ,Schreckliche’ dieser Macht liegt hierbei darin, dass ein solcher von Menschen herbeigeführter Tod uns widernatürlich scheint.
Jeder Preis scheint gerechtfertigt, diesem Schicksal zu entrinnen. Darum unterwirft sich der Unterlegene der Herrschaft des Stärkeren, gibt seine Freiheit auf. Jede Herrschaft beginnt letztendlich damit, dass man den Besiegten „vor die Entscheidung Tod oder Unterwerfung stellt, es ihm anheimgibt, lieber tot als Sklave oder lieber Sklave als tot zu sein“ (Fink Grundphänomene: 316). Somit basiert jedes menschliche Gesellschaftssystem im Grunde auf der Todesdrohung.
In welchem Bezug das Phänomen Liebe zu dem des Todes steht, scheint auf den ersten Blick unklar. Führen wir uns jedoch vor Augen, dass eines jeden Menschen Geburt das Produkt der Schöpfungskraft der Liebe darstellt, zeigt sich die Liebe als direkter Gegenpol des Todes. Den Übergang des Weges aus dem Nichts, dem wir entspringen, bestimmt das Phänomen Liebe; denjenigen in das Nichts, in das wir entschwinden, der Tod. Abstrahieren wir von unserem je eigenen Leben und Sterben, von uns als Einzelnen und begreifen wir uns als Einzelne existierend „im Paume der Gattung“ (Fink
Grundphänomene: 327, vgl. 341), dann erscheint das Verhältnis von Liebe und
Tod erneut in anderem Licht. Das schöpfende Element Liebe und das nichtende Element Tod sind dialektisch miteinander verwoben. Die Liebe überwindet den Tod, indem sie die „5nsterblichkeit der Jterblichen“ (Fink Grundphänomene: 347, Hervorhebung im Original) auf irdische Weise durch die „Fortdauer in den Prozessen der Zeugung und Geburt, die Fortdauer in der ,Gattung’, im Eros“ (ibid.) garantiert. Der Tod andererseits wird nicht müde, jedes entstehende Leben auch wieder zu nehmen. In jeder Hinsicht bewahrheitet sich auch das Wort Heraklits, demzufolge der Weg hinauf und der Weg hinunter bekanntlich derselbe sind.
Das letzte der von Fink unterschiedenen Grundphänomene des menschlichen Daseins ist das Spiel. Und insofern man das Spiel vor allem auch als Darstellendes Spiel auffasst, sind Bezüge zu allen anderen Grundphänomenen offensichtlich. Das Spiel steht zwar nicht in einer direkten bedingten Pelation zu ihnen, wie es beispielsweise bei Liebe und Tod, Arbeit und Tod, Tod und Herrschaft oder Arbeit und Herrschaft der Fall war; dennoch steht es in
Beziehung zu jedem einzelnen der Grundphänomene, indem es sie, vor allem wenn das Darstellende Spiel betrachtet wird, umfasst und in sich aufnimmt. Im Spiel werden so alle Grundphänomene veranschaulicht, objektiviert in unseren Erfahrungshorizont hinein genommen. Dadurch, dass wir uns im Grundphänomen Spiel in diesem Sinne einen Spiegel vorhalten, leistet es einen wichtigen Beitrag zu unserem Selbst-verständnis. Dieser Beitrag kann in der Tat nicht hoch genug eingeschätzt werden, ist es doch, folgen wir Figal, gerade das Auslegen und Interpretieren des eigenen Daseins, das das wesentlich Menschliche charakterisiert5. So schreibt er in Anlehnung an
Aristotelische Gedanken: „Die dem Menschen eigentümliche Lebensäußerung ist das Verstehen“ (Figal Leben: 32). Der Tod jedoch lässt sich nicht vollständig verstehen. Nur als Fremdtod ist er überhaupt begreif-bar, als Eigentod bildet er die Schranke, die unserem Verstehen Einhalt gebietet. Deshalb meint auch Fink:
Viel Können wir vom Tode und vom Toten aussagen, aber nie das eine, was der Tod eigentlich ist. [...] Weil der Tod, strenggenommen, kein Phänomen ist, aber alle Phänomene des Menschenlebens durchwirkt und überschattet, die uns ängstigende, aber auch mit abgründigem Vertrauen erfüllende Leere des Nichts ist, ist er das am meisten „interpretierte“ Moment des Daseins. (Fink Grundphänomene: 200)
Der Tod bestimmt also menschliche Existenz auf vielfältige Weise und begründet sie in gewisser Hinsicht sogar. Häufig ist heutzutage der Bezug zum Tod und zur eigenen Sterblichkeit jedoch überdeckt. Nur allzu gern wird das Problem des Todes verdrängt, allzu gern wird dem Wahn ewiger Jugendlichkeit nachgeeifert. Dennoch: Die Beschäftigung mit dem Tod lässt sich zwar hinauszögern, gänzlich vermeiden kann man sie nicht. Das Wissen um die eigene Sterblichkeit ist wesentlicher Grundzug menschlichen Lebens. und erfordert ein Sich-Verhalten zu ihr. Im Folgenden sollen einige nicht-religiöse Möglichkeiten dieser melete thanatou, als die Philosophie in der Antike oft gedacht wurde, vorgestellt werden, bevor im Anschluss daran das christliche Modell in den Fokus rückt.
[...]
1 Vgl. Fink: Grundphänomene des menschlichen Daseins S.211: „Wir sind kein göttlicher Geist, in einen Tierleib eingesperrt. Die Leiblichkeit des Menschen ist so wenig tierisch, wie sein Geist göttlich.“
2 Wenngleich Fink hier lediglich die dialektische Verspannung von Arbeit und Herrschaft thematisiert, so gilt dasselbe doch ebenso für alle seiner Grundphänomene.
3 Auch in der Bibel findet sich diese Sichtweise wieder, steht doch Gen. 3, 19„…quia pulvis es et in pulverem reverteris“ unmittelbar im Anschluss an den Sündenfall. Mit der Erkenntnis tritt also nicht nur die Sünde, sondern gleichzeitig auch der Tod in Form des Wissens um die eigene Sterblichkeit ins menschliche Leben. Allerdings ist, wie später noch näher ausgeführt wird, im Christentum wie in vielen anderen Peligionen ein Weiterleben nach dem Tod angelegt: „…et spiritus redeat ad Deum, qui dedit illum“ (Eccl. 12, 7).
4 Der Fortgang des Kapitels ist durch die Marxistische Interpretation zur Berühmtheit gelangt. Dennoch ist es wichtig zu erkennen, dass die sozialphilosophische Betrachtung des Kapitels Herrschaft und Knechtschaft, die auch oben impliziert ist, vermutlich zwar die bekannteste Deutung, jedoch keineswegs die einzige darstellt. Fink beispielsweise sieht die gesamte Begrifflichkeit von Herrschaft und Knechtschaft als Gleichnis, das allerdings „wesentliche philosophische Gedanken über die menschliche Sozialität“ (Fink Grundphänomene: 280) enthält. Armstrong Kelly unterscheidet ebenfalls mehrere Bedeutungsebenen und stellt fest: „Die soziale Lesart allein kann zu starken Verzerrungen anreizen“ (Armstrong Kelly Herrschaft: 212). Zu diesem Thema vgl auch Kojève Kommentar und Gadamer Dialektik.
5 Diese Wesensbestimmung des Menschen steht auf einer anderen Ebene als die Grundphänomene Finks und sollte daher nicht als konkurrierend sondern eher als komplementär verstanden werden.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Kluitmann (Autor:in), 2008, Das Phänomen des Todes in der Philosophie und der Übergang zur christlichen Segnungspraxis, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/112599