Wie entstand Otto von Freisings Werk „Gesta Friderici imperatoris“? Inwieweit kann man den Darstellungen des gelehrten Geistlichen Otto von Freising über Kaiser Barbarossa und dem Geschlecht der Staufer Glauben schenken? Sind diese tendenziös? Stammen sie überhaupt von Otto selbst oder gab dieser lediglich die kaiserliche Perspektive wieder? Welches Gegenwarts- und welches Geschichtsbild vertritt Otto und wie schlagen sich beide in seinen Schriften nieder? Diesen Fragen wird in dieser Arbeit nachgegangen.
Seit jeher wähnt sich der mit scheinbar ausweglosen, womöglich sogar prophezeiten Krisenzeiten konfrontierte Mensch in der letzten aller Phasen der Welt, in der Endzeit. Durch die jüdisch-christliche, lineare Geschichtsauffassung von der Welt mit der Schöpfung als Anfang, dem Jüngsten Gericht bzw. der Ankunft eines Messias als Ende und einer bestimmten Zeit dazwischen wurde dieser Art des Denkens maßgeblich der Boden bereitet. So rief auch die Krisenzeit des ausgehenden 11. und des frühen 12. Jahrhunderts bei einigen Zeitgenossen Endzeitstimmung hervor.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Otto von Freising und die Genese der Gesta Friderici imperatoris
3 Ottos Geschichtsschreibung
4 Fazit
5 Quellenverzeichnis
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Seit jeher wähnt sich der mit scheinbar ausweglosen, womöglich sogar prophezeiten Krisenzeiten konfrontierte Mensch in der letzten aller Phasen der Welt, in der Endzeit. Durch die jüdisch-christliche, lineare Geschichtsauffassung von der Welt mit der Schöpfung als Anfang, dem Jüngsten Gericht bzw. der Ankunft eines Messias als Ende und einer bestimmten Zeit dazwischen wurde dieser Art des Denkens maßgeblich der Boden bereitet. So rief auch die Krisenzeit des ausgehenden 11. und des frühen 12. Jahrhunderts bei einigen Zeitgenossen Endzeitstimmung hervor.
Otto von Freising war einer von ihnen. Der hochgebildete Bischof, der „bedeutendste Geschichtsdenker des deutschen Hochmittelalters und [...] packender Stilist bei Schilderung und Deutung weltgeschichtlicher Szenen“1, sah bestimmte biblische und antike Prophezeiungen erfüllt, welche das Ende der Welt andeuteten. Dann trat jedoch sein Neffe Friedrich I. Barbarossa auf den Plan und löste durch seine Herrschaft in Otto ein Umdenken aus. Er bewahrte die Welt vorerst vor ihrem Ende und brachte eine neue Friedenszeit.
Doch inwieweit kann man den Darstellungen des gelehrten Geistlichen über seinen Neffen und dessen Geschlecht Glauben schenken? Sind sie tendenziös? Stammen sie überhaupt von Otto selbst oder gab dieser lediglich die kaiserliche Perspektive wieder? Welches Gegenwarts- und Geschichtsbild vertritt Otto und wie schlagen sich diese in seinen Schriften nieder? Diesen Fragen wird in dieser Arbeit nachgegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden am Ende zu einem Gesamtbild zusammengetragen. Da die Inhalte in den Quellen des hochmittelalterlichen Bischofs teils einmalig sind, werden manche Fragen dazu womöglich niemals endgültig geklärt werden können, da ein Abgleich mit Darstellungen in anderen Werken nicht möglich ist.
Doch dennoch oder vielleicht genau deswegen haben im Laufe der Zeit unzählige Historiker dem Erforschen dieser hochmittelalterlichen Schriften ihr Interesse gewidmet und viele verschiedene Ansätze zu deren Deutung entwickelt.
2 Otto von Freising und die Genese der Gesta Friderici imperatoris
Otto von Freising war hochadeliger Abstammung. Er wurde etwa 1111 bis 1113 n. Chr. als Sohn des Babenbergers Markgraf Leopold III. von Österreich und seiner Frau Agnes geboren, welche wiederum Tochter Kaiser Heinrichs IV. war.2 Aus der ersten Ehe Agnes´ mit Friedrich I. von Schwaben ging u. a. Friedrich II. von Schwaben hervor, der der Vater Friedrich I. Barbarossas war. Otto war somit (Halb-)Onkel von Barbarossa. Noch als Kind wurde Otto zum Propst des durch deinen Vater neu erbauten Chorherrenstifts Klosterneuburg ernannt.3 Aus diesem Grund konnte er bereits früh gute Einkünfte generieren, welche ihm in jungen Jahren den Beginn eines Studiums in Paris ermöglichten. Hier kam der junge Geistliche mit frühscholastischen Gedanken vom Schlage Hugos von St. Viktor und Gilberts von Poitiers in Kontakt, die ihn beeinflussten.4 Nachdem Otto seine Studien in Paris beendet hatte, trat er im Jahr 1132 in das Kloster Morimond ein und wurde 1138 bereits zu dessen Abt gewählt. Jedoch berief ihn sein Halbbruder, der neue römisch-deutsche König Konrad III., nach Bayern, um von nun an das Freisinger Bischofsamt zu bekleiden.5 Obgleich er das Bistum in einer verzwickten politischen und einer prekären materiellen Situation vorfand, schaffte es Otto von Freising, seine Diözese relativ unbehelligt durch den welfisch-babenbergischen Konflikt zu navigieren und durch unnachgiebige Arbeit bestehende geistliche Besitztümer zu fördern, sowie neue geistliche Besitztümer, aber auch neue Verteidigungsanlagen zu errichten.6 Otto nahm auch 1148/49 am gescheiterten Zweiten Kreuzzug in den Nahen Osten teil. Jedoch erlangte der Bischof vor allem durch seine beiden Hauptwerke ` Historia de duabus civitatibus´ („Die Geschichte von den zwei Staatswesen“), auch „Weltchronik“ genannt, und ` Gesta Friderici imperatoris´ („Die Taten Kaiser Friedrichs“) Bedeutung. Die Weltchronik beinhaltet die Weltgeschichte von ihrem Ursprung an bis in Ottos hochmittelalterliche Gegenwart des Jahres 1146, sowie Gedanken zum kommenden Weltende und dem Jenseits.7 Die Gesta Friderici (kurz: Gesta) schrieb Otto später im Auftrag seines kaiserlichen Neffen Friedrich Barbarossa. Während ihr erster Band mit dem Investiturstreit beginnt und vom Aufstieg des Staufergeschlechts handelt, behandelt das zweite und letzte Buch des Bischofs von Freising die frühen Jahre der Amtszeit Barbarossas von 1152 bis 1156. Ottos Notar und Vertrauter, Rahewin, erweiterte nach seinem Ableben 1158 die Gesta um zwei Bände, welche die Zeit bis 1160 abdecken.8
3 Ottos Geschichtsschreibung
Quellenwert und Objektivität der Gesta Friderici
Manche Forscher ziehen aus seinen beiden Werken ein hartes Resümee: Wegen seiner Verwandtschaftsbeziehungen sei Otto von Freising „zu seiner widersprüchlichen Doppelrolle als Prophet des Weltuntergangs und hochgemuter Herold der staufischen Mission [...] prädestiniert“9, so Rainer Traub. Die bereits etwas in die Jahre gekommene Ansicht Robert Holtzmanns von Otto als Hofgeschichtsschreiber der Staufer ist zwar widerlegt, da er scheinbar keine zu engen Beziehungen zum Hof pflegte, sondern mehr auf mündliche Tradition zurückzugriff10, jedoch ist der Grad der Objektivität bzw. Befangenheit des Werkes keinesfalls sicher festzustellen.
Die Gesta Ottos teilt einen Großteil ihres Inhalts mit einem Brief seines Neffen Barbarossas von 1157, in dem er einen Abriss über seine Taten seit seiner Königskrönung 1152 gibt.11 Diesen Brief verfasste der Kaiser bzw. seine Notare auf ein Schreiben vom Freisinger Bischof hin, in dem er anbot, Barbarossas Taten in einem Geschichtswerk zu verewigen und dafür um eine Übersicht über seine Taten bat.12 Der Bischof stellte diesen Brief sogar seinem zweiten Band der Gesta Friderici voran und machte dadurch die Vorlage, an der sich das Werk orientiert, öffentlich. Die Intention für dieses seltene Verhalten ist nicht genau bekannt. Womöglich stellte Otto ihn als Zierde voran, womöglich als Beweis für die Authentizität seiner Schilderungen und womöglich aus anderen Gründen.13 Da der Brief, nach Heinz Krieg ein „einzigartiges Dokument herrscherlicher Selbstdarstellung“14, unter Mitwirkung des Kaisers entstand und Ottos Gesta inhaltlich großteils darauf fußt, folgert Goetz, dass hier bis zu einem gewissen Grad die kaiserliche Perspektive auf die Ereignisse vermittelt und durch den Bischof „um seine geschichtstheologische Deutung erweitert“15 wurde. Auf die Art und die Ursachen jener Geschichtsdeutung wird in dieser Arbeit später noch eingegangen. Dieser kaiserlichen Perspektiven ist es nach Meinung einiger Historiker geschuldet, dass die Gesta Friderici tendenziös und einseitig zu Gunsten der Staufer sei. Barbarossas Erfolge wie u. a. seine Königskrönung 1152, sein Italienfeldzug 1154/55 und die wichtige erreichte Aussöhnung zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und Herzog Heinrich Jasomirgott 1156 werden im zweiten Buch behandelt, Fehlschläge jedoch übergangen, so Traub.16 Im ersten Buch der Gesta hätte Otto das positive Stauferbild bereits vorbereitet, indem er durch bestimmte Darstellung der staufischen Geschichte „`Friedrich I. als den Herrscher erscheinen [lässt], auf den die Geschichte von annähernd einem Jahrhundert hinzielte´“17, so Schmale. Jürgen Dendorfer merkt an, wie durch Otto von Freising im ersten Band der Gesta die Treue von Barbarossas Vater Herzog Friedrich II. von Schwaben und Großvater Herzog Friedrich I. von Schwaben zu den Saliern hervorgehoben wird, um Barbarossa zu einem rechtmäßigen Nachfolger der salischen Kaiser zu stilisieren.18 Man geht jedoch heute davon aus, dass in der Spätphase der Amtszeit des salischen Kaisers Heinrichs V. der Vater Barbarossas, Friedrich II., in Konflikten eher Partei für die Gegenseite des Kaisers ergriff. Von Ottos Darstellung einer ungebrochenen Saliertreue der Staufer könnte also in diesem Fall nicht die Rede sein. Weitere Fehldarstellungen sind, dass Otto bei der Beilegung des Investiturstreits 1122 den Kaiser als in Eigenregie handelnden Streitschlichter darstellt, obwohl er von den Fürsten dazu gedrängt wurde, mit dem Papst Frieden zu schließen.19 Obgleich er Jahrzehnte nach den Ereignissen schreibt und daher Dinge vergessen haben könnte, liefern diese Fälle trotzdem Anhaltspunkte, den Quellenwert Gesta zu der Frühphase der Staufer in Zweifel zu ziehen.
[...]
1 LAMMERS Walther, Weltgeschichte und Zeitgeschichte bei Otto von Freising (= Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt am Main 14, 3). Wiesbaden 1977, S. 81.
2 Vgl. TEN HAAF Julia, Otto von Freising als Geschichtsschreiber. In: Sascha FOERSTER (u.a.) (Hgg.), Blumen für Clio. Einführung in Methoden und Theorien der Geschichtswissenschaft aus studentischer Perspektive. Marburg a. d. Lahn 2011, S. 67-69.
3 Vgl. GOEZ Werner, Bischof Otto von Freising, Geschichtsschreiber. In: DERS. (Hg.), Lebensbilder aus dem Mittelalter. Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. Darmstadt 1998, S. 283f.
4 Vgl. GOETZ Hans-Werner, Otto von Freising. In: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 684-686 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118590782.html#ndbcontent
5 Vgl. TEN HAAF, S. 69.
6 Vgl. GOEZ, S. 288f.
7 Vgl. GOETZ, Biographie, S. 684-686.
8 Vgl. GOETZ, Biographie, S. 684-686.
9 TRAUB Rainer, Verklärung nach Maß. Barbarossas Onkel Otto von Freising begründete die Saga vom Friedenskaiser. In: Annete GROSSBONGHARDT / Dietmar PIEPER (Hgg.), Die Staufer und ihre Zeit. Leben im Hochmittelalter. München 2010, S. 77.
10 Vgl. GOETZ Hans-Werner, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts (= Archiv für Kulturgeschichte 19). Köln (u.a.) 1984, S. 23f.
11 Vgl. Ebd.
12 Vgl. ZOTZ Thomas, Kaiserliche Vorlage und Chronistenwerk. Zur Entstehungsgeschichte der Gesta Frederici Ottos von Freising. In: Steffen PATZOLD / Anja RATHMANN-LUTZ / VoIker SCIOR (Hgg.), Geschichtsvorstellungen. Bilder, Texte und Begriffe aus dem Mittelalter; Festschrift für Hans-Werner Goetz zum 65. Geburtstag. Köln (u.a.) 2012, S. 156f.
13 Vgl. ZOTZ, S. 154.
14 KRIEG Heinz, Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung (= Vorträge und Forschungen; Sonderband 50). Ostfildern 2003, S. 22.
15 Vgl. GOETZ, Geschichtsbild, S. 24.
16 Vgl. TRAUB, S. 75.
17 Zitat Franz-Josef Schmale; zitiert aus TRAUB, S. 76.
18 Vgl. DENDORFER Jürgen, „Fidi milites“? Die Staufer und Kaiser Heinrich V.. In: DERS. / Hubertus SEIBERT (Hgg.), Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152). Ostfildern 2005, S. 213-215.
19 Vgl. Ebd., S. 215f.