Der Musikpädagoge Edwin Gordon hob wiederholt hervor, wie wichtig es für Kinder wäre, so früh wie möglich mit Musik in vielfältiger Weise und in optimaler Qualität vertraut gemacht zu werden, wobei es mittlerweile einige wissenschaftliche Studien gibt, die ihm in dieser Einschätzung Recht geben.
Zu dieser Arbeit bewogen hat den Autor in erster Linie seine eigene große Verbundenheit mit Musik und in zweiter Linie ein Praktikum, welches er in einem Kindergarten absolvierte. Diese Veranlassung eröffnete ihm die Möglichkeit, einen praxisbezogenen Einblick in die Arbeit einer Musiktherapeutin zu bekommen und erste diesbezügliche Eindrücke zu sammeln. In der Zeit dieser praxisbezogenen Assistenz- und Lehrzeit im Kindergarten konnte er den starken und stützenden Einfluss von Musik beobachten und miterleben.
In dieser Arbeit setz der Autor sich erst mit dem Thema auseinander, wie Musik und Sprache zusammenhängen. Im Anschluss daran wird erörtert, welche Wirkung Musik auf das kindliche Gehirn und die kindlichen Entwicklungsbereiche, insbesondere auf die kognitive und die psychische Entwicklung hat.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Musik
2.1 Definition von Musik
2.2 Musik und Sprache
2.3 Wirkung von Musik auf das kindliche Gehirn
3 Wirkung von Musik auf kindliche Entwicklungsbereiche
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Musik ist ein fixer Bestandteil unserer Alltagskultur. Sie wirkt manchmal mitreißend, vermittelt Aufbruchsstimmung hier, stimmt uns scheinbar grundlos glücklich, klingt dort düster und unheilverheißend, verbreitet zutiefst traurige Stimmung. Musik berührt uns und, so scheint es, sie „dringt auf wunderbare Weise durch alle kognitiven Schichten und macht sich direkt in der Seele des Menschen breit“ (Mauró, 2020).
Der Musikpädagoge Edwin Gordon hob wiederholt hervor, wie wichtig es für Kinder wäre, so früh wie möglich mit Musik in vielfältiger Weise und in optimaler Qualität vertraut gemacht zu werden (Gordon, 2003), wobei es mittlerweile einige wissenschaftliche Studien gibt, die ihm in dieser Einschätzung Recht geben (Spitzer, 2007, S. 238f).
Zu dieser Arbeit bewogen hat mich in erster Linie meine eigene große Verbundenheit mit Musik und in zweiter Linie ein Praktikum, welches ich in einem Kindergarten absolvierte. Diese Veranlassung eröffnete mir die Möglichkeit, einen praxisbezogenen Einblick in die Arbeit einer Musiktherapeutin zu bekommen und erste diesbezügliche Eindrücke zu sammeln. In der Zeit dieser praxisbezogenen Assistenz- und Lehrzeit im Kindergarten konnte ich den starken und stützenden Einfluss von Musik beobachten und miterleben.
In dieser Arbeit setze ich mich erst mit dem Thema auseinander, wie Musik und Sprache zusammenhängen. Im Anschluss daran erörtere ich, welche Wirkung Musik auf das kindliche Gehirn und die kindlichen Entwicklungsbereiche, insbesondere auf die kognitive und die psychische Entwicklung hat.
2 Musik
2.1 Definition von Musik
Musik widersetzt sich allen Definitionsversuchen, seien diese nun philosophischer Natur oder nicht. Die Forderung nach einer klaren Definition von Musik, ist immer auch eine Forderung nach einer Verengung (Grüny, 2018, S. 53). Als grundlegende und dogmatische Definition könnte Musik als rationale Konstruktion aus Klängen beschrieben werden. Alles, was über diese Beschreibung hinausgeht, sei es an Bedeutungen oder in Bezugnahme zu anderen Phänomen, vermag sie nur auf Grundlage der Konstruktion von Tönen (Grüny, 2018, S. 52).
Musik wird auch oft als eine universelle menschliche Sprache bezeichnet, als menschliche Ausdrucksform, die keiner Worte bedarf bzw. mitteilen kann, was Sprache niemals ausdrücken könnte. Sie ist ein Mittel zur Kommunikation mehrerer, sich gleichzeitig äußernder und dennoch auch aufeinander hörender Menschen. Das bedeutet, Musik errichtet Beziehungen zwischen Menschen, sie verändert sie, fordert und testet sie. Zugleich ist die Definition dessen, was unter Musik zu verstehen sei, auch stark kulturabhängig (Irle & Müller, 1996, S. 16). Im Alltag begegnet uns Musik heute in dreierlei Form: Als zwangsläufige, allzeit verfügbare Übertragungsmusik bspw. aus dem Radiogerät, als musikalische Live-Darbietung im Rahmen eines Konzerts oder auch als Effekt höchstpersönlichen Musizierens (Bruhn et al., 2002, S. 114).
2.2 Musik und Sprache
Vor der Zuwendung zur Frage, welchen Einfluss Musik auf die frühkindliche Entwicklung hat, ist es sinnvoll, einen Blick auf jene Parallelen zu werfen, die Musik mit Sprache gemeinsam hat und die mit Blick auf die Entwicklung von Relevanz sind. Musik ist beispielsweise wie auch die Sprache von einer Vielzahl an Regeln und Gesetzen bestimmt, ohne die keine dieser beiden Domänen existieren könnte (Trehub, 2003, S. 669). So keine bestimmten Beeinträchtigungen vorliegen, die zu musikalischen Dysfunktionen führen, wie bestimmte Formen der Amusie (Ton- oder Melodie-Taubheit, Unfähigkeit zu Singen oder Töne, Rhythmen und deren Lautstärke zu unterscheiden, Unfähigkeit musikalische Noten oder Symbole zu lesen usw.), erwirbt jeder Mensch eine alltägliche musikalische Kompetenz (bspw. das Erkennen, Nachsingen oder auch die Erfindung von Melodien) ebenso mühelos, wie er seine sprachliche Kompetenz erwirbt. Training und absichtliches Einüben sind lediglich für das gekonnte Vortragen von Musik bspw. im Rahmen eines Konzertes erforderlich, ebenso wie es notwendig wäre, sich auf das gekonnte Rezitieren von Texten oder dem öffentlichen Halten von Ansprachen vorzubereiten. Kleinkinder sind in der Regel eher in der Lage, Lieder zu erfinden, als konventionelle Kinderlieder nachzusingen (ebd.). Musik übt auf Kleinkinder jedenfalls dermaßen große Wirkung aus, dass man schon mit wenigen Klängen ihre Aufmerksamkeit und gebanntes Interesse erwecken kann. Ganz besonders Säuglinge zeigen schon in den ersten Lebenswochen eine hohe Sensibilität auf unterschiedliche Klänge (Gruhn, 2003, S. 27). Es ist diese erstaunliche Beobachtung, die die Forschung dahingehend lenkte, Säuglinge als Schlüsselmodell für das Verständnis ansehen zu können, wie Musikalität im Menschen angelegt ist, erlernen sie doch schon in den ersten Lebenswochen die Unterscheidung von gleichen und verschiedenen Klängen.
Der „ Music Learning Theory “ des US-amerikanischen Musikpsychologen und Musikpädagogen Edwin Gordon zufolge, beginnt sowohl das Erlernen des Sprechens als auch der Musik mit dem Hören. Seiner Überzeugung folgend beginnt die wichtigste Lernphase im Leben eines Menschen spätestens mit der Geburt (wenn nicht sogar noch früher im Mutterbauch) und sie neigt sich im achtzehnten Lebensmonat dem Ende zu. In diesem Zeitfenster lernt das Kleinstkind anhand von Exploration und durch eine ziemlich unstrukturierte Orientierung der Eltern oder anderer Betreuer. An diese erste schließe sich eine weitere Lernperiode, die das Alter von achtzehn Monaten bis etwa drei Jahren umfasst, an, in der sich diese Art des Lernens zwar fortsetzt, jedoch nach Einschätzung Gordons nicht mehr dieselbe durchschlagende Wirkung im Lerneffekt hat. Seiner Ansicht nach wäre es unmöglich, die in der ersten Lernphase ungenutzten Chancen später aufholend zu kompensieren, denn was ein Kind in dieser frühen Entwicklungsphase nicht ausbildet, wäre unwiederbringlich verloren (Gordon, 2003, S. 1f). Zwar wäre kompensatorisches Training möglich, doch kann ein Lehrer die Kinder nur dahingehend unterstützen, Fortschritte in dem Ausmaß zu erreichen, wie dies ihre jeweiligen Voraussetzungen zulassen. Gebe es zwei Kinder mit gleicher Veranlagung und gleicher Motivation, wäre jenes Kind, dem erst später eine gezielte Förderung widerfuhr, dem anderen, dem eine Frühförderung seiner Lernfundamente zuteil wurde, in dem Sinne unterlegen, als es nicht in der Lage wäre, gleich viel im Laufe des Lebens zu erlernen. Gordon stützt sich in dieser Aussage auf die universitäre Forschung zahlreicher Neurologen, Pädiatriker, Psychologen und Biologen, die dahingehend übereinstimmen, dass das ausschlaggebende Zeitfenster, in dem sich die neurologischen Verbindungen und Synapsen im Gehirn verbinden in der pränatalen Phase und in der allerfrühesten Kindheit geöffnet ist. Das habe damit zu tun, dass die Natur Kinder in diesem Entwicklungsstadium mit einem Übermaß an Neuronalzellen ausstattet, damit diese Verbindungen hergestellt werden können. Obwohl das Gehirn weiterwächst und im Alter von fünf Jahren etwa 90% der Größe eines Erwachsenengehirns erreicht, ruht das Fundament seiner Entwicklung dennoch in dieser ersten Phase, in der die komplexen neuronalen Netzwerke errichtet und hinderliche Blockaden umgangen werden können. Jene Zellen, die in dieser Aufbauphase des Gehirns ungenutzt und funktionslos bleiben, sterben ab und schwächen folglich die Effektivität der wichtigsten ersten Lernphase im Leben des Kindes ab (ebd.).
Das Gehör entwickelt sich zwar nahezu im Verlaufe der gesamten Schwangerschaft, doch ist es jenes Sinnesorgan, das ehestens seine Funktionstauglichkeit dahingehend erreicht, dass mit dem achten Schwangerschaftsmonat, wenn die Reifung des Mittelohrs abgeschlossen ist, akustische Reize vernommen und vom Gehirn, wenn auch noch in beschränkter Ausprägung, verarbeitet werden können (Spitzer, 2007, S. 143f). Ein Kind ist folglich in den letzten beiden Monaten der Schwangerschaft imstande, akustische Reize als bekannt bzw. unbekannt zu identifizieren und sogar darauf zu reagieren. Andere Untersuchungen belegen, dass der Fötus auch schon früher Geräusche wahrnehmen kann, so allem voran die Körpergeräusche der Mutter, der Herzschlag, das Rauschen des Blutflusses, Atemgeräusche, die Verdauungsgeräusche des Magen-Darm-Traktes und das Knirschen der Gelenke bei Körperbewegungen (Tomatis, 1997, S. 61). Die Umgebungsgeräusche aus dem Lebensbereich der Mutter dringen nur teilweise durch die Bauchdecke. Am deutlichsten hören Ungeborene durch die direkte Übertragung zunächst immer die Stimme der Mutter, wobei sie hierbei besonders auf die Sprachmelodie oder auch musikalische Melodien reagieren (Bruhn, Oerter, & Rösing, 2002, S. 270), die sich immer mit den so genannten Urrhythmen der Geräuschkulisse im Mutterleib mischen.
Bezeichnenderweise ist das Ohr nicht nur das allererste Tor zur Außenwelt, durch welches „die Welt“ schon an den Ungeborenen herantritt, es ist auch jenes Tor, das sich zuletzt schließt, wenn das Leben erlischt (Decker-Voigt, 1999, S. 37).
2.3 Wirkung von Musik auf das kindliche Gehirn
Das frühkindliche Gehirn zeichnet sich im Gegensatz zum Gehirn eines Erwachsenen durch maximales Entwicklungspotenzial und höchste Anpassungsfähigkeit aus. Das hat auch damit zu tun, dass im frühkindlichen Alter sämtliche höheren Bewusstseinsleistungen vom Kortex, der Großhirnrinde, übernommen werden. Zwar führen die Nervenbahnen sämtlicher Sinnesorgane direkt zu jenen Gehirnarealen, die auf die Verarbeitung der entsprechenden Reize spezialisiert sind, doch entsteht ergänzend dazu im frühkindlichen Gehirn ein riesiges, sehr eng gewobenes neuronales Netzwerk, das sich aus der Verbindung und Verschaltung einzelner Nervenzellen sukzessive entwickelt, sodass darin die unterschiedlichsten Informationen gleichzeitig aufgenommen, verarbeitet und weitergeleitet werden können. Wie bereits zuvor an anderer Stelle erwähnt, entsteht diese Synapsenbildung bzw. Verschaltung sehr früh in den ersten Lebensmonaten (Gordon vermutete bereits davor im Mutterleib), da die einzelnen Neuronen mittels geringfügiger elektrischer Impulse sich miteinander kommunizierend vernetzen (Gruhn, 2003, S. 71).
Wäre man ein Positivist oder auch ein Techniker, so würde man die Meinung vertreten, dass die noch Ungeborenen bereits ein grobes Schaltkreismodell angelegt hätten, welches sich nach erfolgter Geburt und darauf fußend des differenzierten Inputs der Außenwelt im Zuge einer Anpassung und Informationsverarbeitung ständig mehr verfeinert, indem neue Synapsen entstehen, die in ihrer Gesamtanzahl das Gehirn eines zweijährigen Kindes hinter dem eines Erwachsenen nicht nachstehen lassen (Gruhn, 2003, S. 29f).
Der Kortex als größter und vielleicht auch wichtigster Teil des zentralen Nervensystems (ZNS) übernimmt im frühkindlichen Alter nicht nur alle höheren Bewusstseinsleistungen, sondern bildet auch neuronale Repräsentationen jener Informationen ab, die er von der Außenwelt empfängt. Der primäre auditorische Kortex stellt eine Art Tonlandschaft dar, indem unterschiedlich hohe Töne in verschiedenen Kortex-Regionen Nervenzellen anregen, wodurch sich eine kartenähnliche Ordnung ergibt. Das bedeutet, dass vom Innenohr empfangene Informationen von den Fasern und Zellen der Hörbahn weiterverarbeitet und an den Kortex weitergeleitet werden. Die derart entstehende „Tonlandkarte“ besagt, dass kleine Nervenzellengruppen auf systematisch angeordnete Frequenzen direkt ansprechen (Spitzer, 2007, S. 185f).
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