Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeines zum Film
2. Der Inhalt des Filmes
3. Darstellung, Wirkung und Bedeutung der Sinneswahrnehmungen im Film
3.1. Schmecken
3.2. Sehen
3.3. Hören
3.4. Fühlen
4. Zusammenfassung
Links im Internet zu „Babettes Fest“
1. Allgemeine Informationen zum Film
Der, im folgenden betrachtete, Farbfilm „Babettes Fest“[1] (Originaltitel: „Babettes gaestebud“) ist eine dänische Produktion von Just Betzer, Panorama Film International und der Nordisk Film AS.
Regie führte , der 1918 geborene Däne, Gabriel Axel, der in Frankreich aufwuchs. Er schrieb auch das Drehbuch zum Film. Die Geschichte basiert auf einen Roman von Tania Blixen[2]. Nach 15 dänischen Filmen erzielte Axel, mit dem 1987 produzierten Film „Babettes Fest“, seinen ersten internationalen Erfolg. „Babettes Fest“ erhielt einen Oscar für den besten fremdsprachigen bzw. ausländischen Film.
Kamera führte Henning Kristiansen. Darsteller sind u.a.: Stephane Audrane (Babette), Jean-Philippe Lafont (Achile Papin), Gudmar Wivesson und Jarl Kulle (Lorenz Löwenhielm[3] ), Hanne Steensgaard und Bodil Kjaer (Filippa[4] ) und Vibeke Hastrup und Birgitte Federspiel (Martine).
2. Der Inhalt des Filmes
In der zweiten Hälfte des 19.Jh. leben zwei Schwestern (Filippa und Martine), die Töchter eines Probstes, in einem abgeschiedenen Fischerdorf in Jütland. Sie versorgen dort die Armen, Alten und Kranken mit Speisen. Ihr Vater gründete in dem Dorf eine Glaubensgemeinschaft, eine Art Sekte, die sich regelmäßig im Haus des Probstes versammelt. Für die Schwestern ist der Glaube Mittelpunkt ihres Lebens. Sie leben in strenger Frömmigkeit, und ihr Vater gewährt keinem jungen Mann Kontakt zu seinen Töchtern. Nur einmal tritt im Leben jeder ein Mann auf. Bei Martine ist es der Leutnant Lorenz Löwenhielm, der in der Nähe einige Zeit auf dem Schloss bei seiner Tante verbringen muss. Durch Zufall treffen sich Lorenz und Martine. Lorenz nimmt daraufhin regelmäßig an den Treffen der Glaubensgemeinschaft teil und ist Martine sehr angetan. Plötzlich verabschiedet er sich aber, und verlässt Martine für immer. Er hat sie nie vergessen.
Später schickt der Zufall einen Sänger der königlichen Oper in das Dorf. Der Sänger soll hier von einer Krankheit genesen. Als er den Gottesdienst besucht und die Menschen singen hört, ist er entzückt von Fillipas Stimme. Er bittet den Probst, seine Tochter unterrichten zu dürfen.
Als Fillipa jedoch spürt, dass ihr Gesanglehrer Achille Papin mehr für sie empfindet, beendet sie den Unterricht, obwohl Filippa gern singt und Papin ihr versichert, dass sie einmal ein Star an der Oper sein wird. Daraufhin verlässt Papin das Dorf.
Viele Jahre später, der Probst ist längst verstorben und Babette und Martine älter geworden, kommt eine Französin zu ihnen, mit einem Brief von Papin. Die Französin (Babette) verlor Mann und Sohn und musste Frankreich aufgrund des Bürgerkrieges verlassen. Papin schreibt außer der Bitte, dass die Schwestern Babette aufnehmen, seine immer noch andauernden Gefühle für Filippa nieder.
Babette arbeitet nun bei den Schwestern, kocht und putzt für sie. Babette wird im Dorf akzeptiert und auch die beiden Probst-Töchter sind mit ihr zufrieden.
Unter den Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft, in der nach wie vor die selben Leute versammelt sind, treten nach und nach immer mehr Streitereien und Sticheleien auf. Jeder gibt dem anderen die Schuld für etwas, was in der Vergangenheit geschehen ist. Der 100. Geburtstag des stets verehrten Probstes steht an.
Babette ist nun schon 14 Jahre bei den Schwestern. Sie gewinnt 10000 Franc. Zum ersten Mal bittet sie die Schwestern um etwas. Sie möchte zum Geburtstag des Probstes ein französisches Festessen servieren, und zwar von ihrem Geld. Das ist ihr größter Wunsch. Sie bittet dazu um 10 bis 11 freie Tage damit sie die Zutaten besorgen kann. Martine und Filippa müssen in dieser Zeit wieder allein die Alten und Kranken versorgen, doch diese haben sich nun an die Brotsuppe, die Babette ihnen kocht, gewöhnt.
Es werden Kisten mit Zutaten aus Frankreich für das Festessen geliefert, unter anderem lebende Vögel, eine Schildkröte und auch Wein, den die Mitglieder der Sekte verschmähen. Sie essen stets nur das nötigste, einfache Dinge, wie Brotsuppe, getrunken wird Kaffee oder Tee. Filippa und Martine ist beim Anblick der gelieferten Ware nicht wohl, sie träumen nachts schlecht und haben vor der Gemeinschaft ein schlechtes Gewissen. Sie haben Angst, dass das Essen ungewöhnliche und unheimliche Kräfte auslösen kann und sprechen von einem Hexensabbat. Daraufhin geben sich die Mitglieder der Sekte das gegenseitige Versprechen, während der Mahlzeit kein Wort über das Essen zu verlieren. Sie werden nur zum Gebet sprechen. Es soll so sein, als ob ihre Zungen keinen Geschmack kennen würden.
Nun kommt aber auch der General Lorenz Löwenhielm zum Festessen, da seine Tante eingeladen ist. Er beginnt, trotz der Ermahnungen, das Essen zu loben und den Getränken und Speisen ihre Namen zuzuordnen. Zunächst versuchen die Personen seine Bemerkungen zu ignorieren oder entgegnen mit sinnlosen Äußerungen. Doch nach und nach rutscht dem einen oder anderen doch mal eine Äußerung über das Essen heraus, und auch an ihren Gesichtern kann man sehen, wie es ihnen mundet und wie zufrieden sie alle werden. Auch die Unterhaltungen der Leute werden von Zeit zu Zeit lockerer, fröhlicher und gemeinschaftlicher. Sie erinnern sich an den Probst und rufen seinen Grundsatz „Liebet einander!“, den sie längst vergessen zu haben scheinen, immer wieder.
Nach dem Menü sind alle zufrieden und bedanken sich für das Essen. Keiner ist mehr nachtragend.
Für Babette, die während des Geschehens die ganze Zeit in der Küche arbeitete, ist die Zubereitung eines solchen Festessens etwas besonderes. Sie war einst Köchin in einem Restaurant in Paris, und die Zubereitung eines Festmenüs macht sie glücklich. Es ist für sie Kunst, und es ist für sie schön, Leute damit glücklich zu machen, was ihr gelungen ist. Das Festessen hat nahezu ein Wunder bewirkt.
3. Die Darstellung und Bedeutung der Sinneswahrnehmungen im Film
Man könnte sagen, Gabriel Axels Film „Babettes Fest“ ist ein Film über die Soziologie des Essens und Schmeckens, über seine Auswirkungen und Bedeutung in der zwischenmenschlichen Beziehung. Neben dem Essen und Schmecken, spielen aber in zwischenmenschlichen Beziehungen (und so auch in ihren Darstellungen, z.B. im Film) immer auch das Sehen und das Hören ein Rolle.
Dass das Sehen und das Hören bei der Kommunikation und Beziehung zwischen Menschen von Bedeutung ist, wird jedem verständlich sein, dass aber auch das Essen und Schmecken eine wesentliche Rolle dabei spielen kann, zeigt der Film „Babettes Fest“ auf phantastische Art und Weise.
Während hören und sehen direkt für die Kommunikation wichtig sind, und eigentlich jedem bewusst sind, ist das Schmecken eine eher unbewusste Sinneswahrnehmung.
Im folgenden möchte ich auf die einzelnen Sinneswahrnehmungen näher eingehen und ihre Darstellung und Bedeutung im Film versuchen zu beschreiben. Ich möchte aber auch darauf eingehen, wie die Darstellung einzelner Sinneswahrnehmungen auf die Zuschauer des Filmes wirken und wie sie selbst mit ihren Sinnen wahrnehmen .
Auf das Riechen möchte ich nicht näher eingehen. Es spielt natürlich im Zusammenhang mit dem Essen eine Rolle, hat aber im Film keine wesentliche Bedeutung.
3.1. Das Schmecken
Diese Sinneswahrnehmung ist nahezu Thema des Filmes, deshalb beschreibe ich sie an erster Stelle. Zunächst möchte ich aber kurz auf die Rolle des Essens im Film eingehen, da sie ja für den Geschmack von Bedeutung ist.
Der Fokus wird im Film schon früh auf das Essen gelegt. Martine und Filippa versorgen die Armen mit Essen, in den Zusammenkünften der Sekte besteht eine gewisse Tradition: Das Hausmädchen (später Babette) bringt immer direkt nach dem ersten Gebetslied die Speise und den Tee in das Zimmer. Die Gemeinschaft ißt dann zusammen. Dies geschieht im Film mehrere Male und fällt dem Zuschauer schnell auf. Das gemeinsame Essen spielte in jeder Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Und so ist es auch hier im Film. Die Gemeinschaft wird durch das gemeinsame Essen, ähnlich wie ein Abendmahl in der Kirche, deutlich.
In dem Empfehlungsschreiben von Papin an die beiden Schwestern wird über Babette eigentlich nur erwähnt, dass sie gut kochen kann, und das ist auch das erste, was ihr von den Schwestern gezeigt wird. Obwohl die Schwestern sich sehr spartanisch und enthaltsam (von Brotsuppe etc.) ernähren, scheint doch die gemeinsame Mahlzeit und das Essen an sich, für sie eine besondere Bedeutung zu haben.
Während die Schwestern gemeinsam essen, bleibt Babette allein in der Küche zurück und isst dort allein. Hier wird schon deutlich, dass das Essen eine hierarchische Ordnung weisen kann. Babette ist die Bedienstete, eine Fremde und gehört nicht zur Glaubensgemeinschaft oder zur Familie. Obwohl sie im Dorf anerkannt wird, ist sie für die Schwestern etwas Fremdes, was nicht in ihre Familie gehört, obwohl sie anscheinend als Gast zu Beginn sehr willkommen geheißen scheint, denn Filippa und Martine reichen ihr sofort Tee (oder Kaffe) als Babette zum ersten Mal in ihr Haus kommt. Durch diese Szenen (zunächst die beiden Schwestern essend im Wohnzimmer, dann Babette allein essend in der Küche) wird das Verhältnis zwischen den Schwestern und Babette deutlich gemacht. Aber auch beim Festessen wird eine hierarchische Ordnung deutlich. Der Kutscher von Lorenz Löwenhielm und seiner Tante darf nicht mit den anderen essen, er ist, wie Babette Bediensteter und muss in der Küche zurückbleiben.
Bei den Schwestern und in der Glaubensgemeinschaft wird immer ein einfaches Abendmal gereicht. Getränke wie Champagner oder Wein sind für sie unbekannt.
Man kann sagen, dass die Dorfbewohner bzw. die Mitglieder der Sekte eine Art eigenen Geschmack entwickelt haben. Sie ernähren sich von einfachen Dingen, um rein zu bleiben und nicht verwerflich zu werden. Da sie deshalb bestimmte Speisen und Getränke (wie z.B. Wein) nicht kennen und diese als Hexenzeug bezeichnen, also als nicht wünschenswert erachten, hat dies Einfluss auf ihren Geschmack. Auf der Mikroebene betrachtet bestimmen soziale Einflüsse auch den persönlichen Geschmack. Dies scheint hier der Fall zu sein. Auf der Makroebene betrachtet, ist es für die Menschen einfach sinnvoll, dass zu mögen, was es in der Gesellschaft gibt. Im Film lässt es die kleine Gesellschaft (die Glaubensgemeinschaft) nicht zu, Dinge zu sich zu nehmen, die in ihren Augen Teufelszeug sind. Das sind wahrscheinlich die Sachen, die es in dem abgelegenen Fischerdorf gar nicht gibt, die also für die Leute, bis Babette ihr Festessen macht, unerreichbar sind. Vielleicht mögen die Leute ihre Brotsuppe deswegen und halten festliche Speisen für teuflisch. Sie lehnen sie ab, um in ihrer Gemeinschaft existieren zu können und ohne bessere Speisen gut leben zu können, um kein Bedürfnis nach ihnen, nach besserem Geschmack zu haben und auch um von den anderen anerkannt zu werden. Es bleibt ihnen eigentlich gar nichts anderes übrig, da es ja keine anderen Speisen gibt. So ist es hilfreich für sie, das was sie nicht oder schwer bekommen können, als schlecht zu bewerten.
Den Sinn den Menschen Sinneswahrnehmungen geben, ist von den sozialen Strukturen einer Gemeinschaft abhängig. Für die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft scheint die Sinneswahrnehmung des Schmeckens überflüssig zu sein.
Es ist aber doch so, dass alle Schichten Privilegien höherer Schichten anstreben. Ich denke, dass die Gemeinschaft um Martine und Filippa sich durch ihre Art zu ernähren als etwas Besonderes etwas Besseres fühlt. Andererseits denke ich aber auch, dass sich die Leute während Babettes Festessen durch den festlich gedeckten Tisch und die feierlichen Speisen und deren (für sie exotischen) Geschmack, besonders fühlen. Sie speisen plötzlich wie reiche Leute, das Essen hat den Hauch etwas Fremden und Unbekannten, das zuvor noch Angst machte, den Hauch der großen weiten Welt. Dadurch werden die Personen vielleicht aber nicht nur ängstlich, sondern es macht sie auch selbstbewusster und glücklicher, sie fühlen sich als etwas Besonderes. Diese Gefühle werden natürlich nicht allein durch das Schmecken ausgelöst, auch das Riechen und Sehen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, der festlich gedeckte Tisch z.B.. Es ist also bei Babettes Festmahl nicht nur allein der Geschmack der einzelnen Speisen für die Wendung des Verhaltens der Leute bedeutsam. Allein der Geschmack einer einzelnen Speise hätte vermutlich niemanden der Leute überzeugt. Auch die Anrichtung und Vielfalt des Essens, der gedeckte Tisch, der feierliche Rahmen spielten dabei eine Rolle. Es heißt ja nicht umsonst „Das Auge ißt mit!“ Es gibt sozusagen einen doppelten Sinn des Schmeckens: Einmal den Geschmack auf der Zunge, wobei jede Person ihren eigenen Geschmack hat und einmal den Stil des Essens, was man ißt um einer bestimmten Schicht zuzugehören etc..
Die Sinneswahrnehmungen Schmecken, Riechen und Fühlen dienen auf der Mikroebene dazu Leute voneinander zu distanzieren, da jeder seinen eigenen Geschmack hat. Im Film wird das Gegenteil bewirkt. Vermutlich weil alle Personen den Geschmack positiv wahrnehmen. Das verbindet sie und so entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.
Die Mitglieder des Festessens haben sich plötzlich gut verstanden, in den Wochen und Monaten zuvor haben sie noch gestritten und gegenseitig „gestichelt“. Plötzlich sagen sie zueinander „Gott segne Dich“ und vergeben sich gegenseitig ihre kleinen Sünden, für die sie vorher die anderen verurteilt haben. Sie fühlen sich am Ende so selig, dass sie Hand in Hand im Kreis tanzen und singen, was allein durch dieses Festessen ausgelöst wurde. Obwohl jeder doch seinen eigene Geschmack hat, hat das Essen sie verbunden. Vielleicht war auch die gemeinsame Angst vor dem Essen, die dann verblasste dafür verantwortlich, aber vielleicht auch die Tatsache, dass das Essen ihnen zum ersten Mal einen Grund zur Unterhaltung lieferte. Bisher waren die Leute beim Essen stets schweigsam. Der Geschmacksinn eignet sich zur Kommunikation. Er scheint unter den Bewohner des Dorfes und in der Glaubensgemeinschaft jedoch bisher kein Thema gewesen zu sein. Brotsuppe und Tee und immer wiederkehrende Speisen geben auch nicht unbedingt Anlass, den Geschmack von Speisen zum Thema einer Kommunikation zu machen. Erst als Babette mit den Vorbereitungen des Essens beginnt, wird Essen und Geschmack zum Thema. Die Sektenmitglieder sind sich wohl bewusst, dass es Geschmack gibt. Sie nehmen sich allerdings vor, ihn nicht zum Thema zu machen. Sie sagen: „Es wird so sein, als kennen unsere Zungen keinen Geschmack“. Diese und ähnliche Aussagen bringen die Zuschauer zum Schmunzeln, denn natürlich weiß jeder, dass sich die Sinneswahrnehmung des Geschmacks nicht automatisch abstellen lässt. Geschmack lässt sich eben nicht beeinflussen. Und wenn es den Gästen anfangs zwar gelingt, nicht über das Essen und den Geschmack zu sprechen, kann man doch in ihren Gesichtern sehen, wie es ihnen mundet. Sie sehen zufrieden, zum teil erstaunt und glücklich aus.
Die Angst die Babette und Filippa haben, lässt sich jedoch einigermaßen gut nachvollziehen, denn auch der Zuschauer sieht wie die Waren ankommen und zubereitet werden. Beim Anblick der lebenden Riesenschildkröte und den gerupften Vögeln, die mit Kopf verarbeitet werden, wird einem als Zuschauer schon komisch, man hat eine bestimmte Vorstellung des Geschmacks und kann sich nicht vorstellen, dass diese Dinge gut schmecken sollen. Menschen neigen oft dazu, etwas Unbekanntes als böse oder als Teufelszeug zu bezeichnen.
Auch die Erwartungshaltung spielt beim Schmecken eine Rolle. Menschen haben Schwierigkeiten zu erkennen, wie etwas schmecken soll, wenn sie es nicht kennen. Ich habe mich gefragt, wie das Essen wohl ausgegangen wäre, wenn Lorenz Löwenhielm nicht dabei gewesen wäre. Er kannte die Speisen und hat die übrigen Gäste ermuntert zu essen. Er hat vor jeder Speise oder jedem Getränk den dazugehörigen Namen gewusst und seine Erinnerungen aus Frankreich damit verknüpft. Er hat die Speisen gelobt und genau benannt, während sie für die anderen nicht bekannt waren. Beim Champagner sagte eine Frau: „Das muss eine Art Limonade sein!“ Die übrigen haben so etwas die Scheu vor der Speise verloren, so denke ich. Es konnte in ihren Augen ja nun nicht mehr wirklich so schlecht sein. Ich weiß nicht, ob sie erwartet hatten, dass das Essen gut oder schlecht schmeckt, aber wohl dass es etwas böses auslöst oder zumindest, dass sie Gefallen am Essen finden und das ihnen nicht gut tut. Sie haben Angst vor ungewöhnlichen unheimliche Kräften, die das Essen auslösen kann und bezeichnen es als Hexensabbat.
Ich möchte zum Abschluss dieses Kapitels noch kurz auf die historische Zusammenhänge eingehen. In der Zeit, in der die Handlung des Films spielt, gibt es in der Art und Weise des Essens große Unterschiede zwischen der Stadt- und Landbevölkerung. Im Film wird der Kontrast sehr deutlich dargestellt: Das Leben in dem abgelegenen Dorf in Jütland auf der einen Seite und Babette, die Köchin die aus dem fernen Paris kommt auf der anderen Seite.
Ab ca. 1850 wird auf dem Land so gekocht wie schon immer gekocht wurde, nach bestimmten Traditionen, Rezepte werden von Generation zu Generation weitergegeben. Es gibt eine strenge Regelung in der Abfolge den Mahlzeiten (welsche Speise es an welchem Wochentag gibt und welche an den Feiertagen). In der Stadt hingegen entwickelt sich in dieser Zeit eine Art Koch- bzw. Essmode. Die Unterteilung zwischen den einzelnen Schichten wird mit der Zeit immer stärker bemerkbar. Der Geschmack des Essens spielt eine wichtige Rolle und auch die Tischsitten, die von Schicht zu Schicht unterschiedlich sind. Ich denke, diese Unterschiede werden im Film sehr deutlich. In Frankreich hat das gemeinsame Essen vielleicht eine größere Bedeutung, was durch das Wort „compagne“ > Kompagnon, zu deutsch „der Brotgenosse“ deutlich werden kann.
3.2. Sehen
Die Sinneswahrnehmung des Sehens spielt vor allem für den Zuschauer eine Rolle, da er ja den Inhalt des Films über das Sehen und Hören aufnimmt. Ihm wird durch das Sehen der Speisen auch ein Geschmack, den die Speisen haben könnten, bewusst. Die Brotsuppe sieht keineswegs appetitlich aus. Man hört aber auch, wie und mit welchen Zutaten die Suppe zubereitet wird, was ebenfalls die Vorstellung eines Geschmackes beim Zuschauer auslöst.
Ich hatte schon im vorhergehenden Kapitel erwähnt, dass nicht nur das Schmecken beim Essen eine Rolle spielt, sondern auch das Sehen. Der Zuschauer sieht, wie der Tisch gedeckt wird, wie das Tischtuch gebügelt wir, die vielen Kristallgläser, Teller, die großen Kerzenleuchter,... All das hat Einfluss auf das Gefühl und die Erwartungshaltung beim Essen und auch auf den Geschmack.
Beim Zuschauer löst dies vermutlich ein Gefühl von Feierlichkeit und gutem Essen (=guten Geschmack) aus, was dann ja auch bei den Gästen des Festessens ausgelöst wird. Der Mensch nimmt durch das Sehen wahr, zu welcher Gruppe der Gesellschaft er gehört (Makroebene), was hier durch das Sehen des reich gedeckten Tisches ausgelöst wird.
Ich hatte auch bereits erwähnt, dass die Angst vor dem Essen dem Zuschauer einigermaßen nachvollziehbar ist, da der Anblick der Zubereitung des Essens und der Zutaten zum Teil sehr unappetitlich ist.
Aber der Zuschauer kann auch durch den Gesichtsausdruck der Leute erkennen, wie sie sich fühlen, was in ihnen vorgeht,... Dies wird vor allem beim Festessen von Bedeutung. Man sieht in den Gesichtern anfangs Angst, aber auch Erwartung, Gespanntheit und dann die, mit der Zeit immer größer werdende, Zufriedenheit. Und man erkennt auch an den Gesichtern, dass es ihnen schmeckt.
Spannung wird auch aufgebaut, als man Babette im Film zum ersten Mal sieht. Sie kommt während eines Unwetters und trägt einen Mantel. Man kann sie kaum erkennen. Der Zuschauer wir neugierig und fragt sich, wer das ist und was nun passiert.
Das Sehen als Sinneswahrnehmung und die Bedeutung des Sehens in Kommunikation wird im Film an anderer Stelle deutlich, nämlich in der „Beziehung“ zwischen Martine und Lorenz Löwenhielm. Martine und Lorenz kommunizieren eigentlich nur über Blicke.
Der erste Blickkontakt bei einer Begegnung ist entscheidend für die Kommunikation. Dieser Blickkontakt macht beim anderen deutlich, ob eine Interaktion stattfinden soll oder nicht. Blicke haben oft eine modifizierende Form Beziehungen aufzubauen. Blicke lösen auch Gefühle beim Gegenüber aus. Durch einen Blick können sehr viele Informationen ausgetauscht werden. Man sieht, durch die Blicke, die sich Martine und Lorenz seit ihrer ersten Begegnung zuwerfen, dass sie sich sehr sympathisch sind und mehr für einander empfinden. Blicke wirken authentisch, sie geschehen und können nicht korrigiert werden. Lorenz besucht die Zusammenkünfte der Sekte regelmäßig, dabei treffen sich immer wieder die Blicke von Lorenz und Martine. Martine hängt mit ihren Augen förmlich an Lorenz. Lorenz muss damit deutlich werden, was Martine für ihn empfindet. Zu einer richtigen Kommunikation kommt es zwischen ihnen aber nie, erst als er sich verabschiedet.
Auch beim Festessen (viele Jahre später) treffen sich ihre Blicke wieder. Durch die Beziehung von Martine und Lorenz wird im Film die Bedeutung des Sehens auf der Mikroebene deutlich. Ich denke, dass zwischen Martine und Lorenz schon eine Art Zuneigung und Beziehung besteht. Das wird auch deutlich in der Äußerung Lorenz‘, dass er die Jahre über in Gedanken jeden Tag bei ihr war und mit ihr am Tisch gesessen und mit ihr gespeist hat und dies auch in Zukunft so sein wird. (Hier wird auch wieder die Bedeutung des gemeinsamen Essens deutlich.) Warum sie nicht richtig zueinanderfinden bleibt offen. Es liegt wohl an der Welt und an der Lebensweise in der Martine und Fillipa gefangen sind.
Das Sehen spielt auch eine Rolle in der Darstellung von Filippa und Martine. Die jungen Männer im Ort finden Martine und Fillipa aufgrund ihres Aussehens so reizvoll.
3.2. Hören
Das Hören spielt im Film vor allem in der Beziehung zwischen Filippa und Achile Papin, dem Opernsänger, eine Rolle. Zunächst wird der Opernsänger auf der Bühne gezeigt, der Zuschauer hört ihn singen, das löst bei ihm etwas aus. Man hört wohl, dass die Stimme Papins nicht mehr die Beste ist, weshalb er dann nach Jütland fährt, um sie zu kurieren.
Papin kommt dort in die Kirche und ist von Filippas Stimme beeindruckt.
Die Kommunikation zwischen Papin und Fillipa erfolgt fast nur über den Gesang, der bei Papin und vielleicht auch bei Fillipa Gefühle auslöst. Ich denke, dass hier auch die Texte der Lieder eine Rolle spielen (die allerdings nicht übersetzt werden, aber durch die Blicke und Berührungen und die Melodie, z.T. auch durch einige Wortfetzen deutlich werden). Das was man sagt oder äußert (auch durch Gesang) hört man selbst, und man verbindet damit die Erwartung, dass das Gegenüber es hört und es etwas in ihm auslöst. Bei Fillipa hat es offenbar Angst ausgelöst. Vermutlich verknüpft Papin mit den Liedern Erwartungen, die Filippa nicht erfüllen kann. Man bildet zum Gehörten stets eine Assoziation, das tun auch Papin und Filippa. Diese Assoziation löst aber bei Fillipa Angst aus.
Papin verspricht ihr, dass sie ein Star an der königlichen Oper sein wird. Durch dieses Versprechen und auch durch den schönen Gesang wird ihr vielleicht deutlich und sie spürt, dass sie dort nicht hingehört. Es ist eine andere Gesellschaft und sie gehört in das Dorf und nicht an die königliche Oper nach Paris. Dies würde die These verdeutlichen, dass man durch hören (und sehen) wahrnimmt zu welcher Makrogruppe der Gesellschaft man gehört (oder nicht gehört). Aber ich würde sagen, dass das gemeinsame Singen auch auf der Mikroebene von großer Bedeutung ist, da es auch ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Verbundenheit schafft. Fillipa scheint aber diese Gemeinschaft nicht zu wollen oder Angst vor ihr zu haben.
Dies alles könnten Gründe sein, warum Filippa den Unterricht beendet.
3.3. Fühlen
Das Fühlen spielt auch in der Beziehung zwischen Papin und Filippa eine Rolle. Allgemein kommen Berührungen zwischen den Protagonisten eher selten oder fast gar nicht vor.
Das Fühlen hat besonders auf der Mikroebene Bedeutung. Berührungen können Gesprächsinhalten eine bestimmte Bedeutung geben. Fillipa ordnet aufgrund der Berührungen von Papin, den Lieder und dem gemeinsamen Singen eine bestimmte Bedeutung zu. Diese Bedeutung gibt es für Papin offensichtlich auch.
Fillipa scheint sich durch die Berührungen Papins unsicher zu fühlen.
Weiterhin hat das Fühlen im Film eine Bedeutung auf der Makroebene, als sich nämlich die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft nach dem Essen an die Hände fassen und im Kreis tanzen. Durch diese Berührung wird wieder eine Gemeinschaft hergestellt und sie ist Symbol für diese Gemeinschaft.
Zuletzt spielt das Fühlen in der Schlussszene eine Rolle als Filippa Babette umarmt. Hier hat die Berührung das Symbol, dass Fillipa Babette versteht und sie ein gemeinsames Schicksal verbindet. Beide sind Künstler und können ihre Kunst aufgrund der gesellschaftlichen Strukturen und äußerlichen Gegebenheiten nicht wirklich ausüben. Berührung ist hier also wieder Symbol für Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, aber auch für Trost, Verständnis, Sympathie und Dankbarkeit.
4. Zusammenfassung
Was den Film „Babettes fest“ auszeichnet, ist die Darstellung der Bedeutung und Auswirkung des Essens und des Geschmacksinns. Fühlen, Sehen und Hören spielen in jedem Film eine Rolle, aber noch nie habe ich einen Film gesehen indem essen und schmecken auf so eine Weise thematisiert wurde. Die Darstellung dessen, es für den Zuschauer nachvollziehbar zu machen, ist natürlich auch wesentlich schwerer, auch weil jeder einen eigenen Geschmack hat. Dies ist aber dem Regisseur Gabriel Axel gut gelungen. Die Bilder vom Festessen, vom gedeckten Tisch bleiben dem Zuschauer am deutlichsten in Erinnerung, fast wie ein Stilleben.
Der Gemeinschaft war es durch das Essen möglich, ihren Alltagszwängen zu entfliehen. Die Geschichte von Tania Blixen ist eine „Parabel für die Befreiung von Schicksal- und Alltagszwängen durch die Kunst“[5]. Babette gibt mit ihrer Kunst den beiden Schwestern Martine und Filippa die Möglichkeit, „für wenige Stunden aus ihrem pietistisch-puritantischen Dasein auszubrechen.“[6]
Dies gelingt Martine und Filippa ihr ganzes leben lang nicht. Sie hatten Gelegenheit dazu als sie Lorenz Löwenhielm und Achile Papin begegneten. Doch diese Gelegenheiten waren nicht stark genug, um sie von den gegebenen gesellschaftlichen Strukturen und der festen Hand des Vaters zu befreien. Man könnte sagen, die Gefühle, die das Sehen, Hören und Fühlen ausgelöst haben, waren nicht stark genug oder überzeugend genug. Erst Babettes Festessen vermochte es, sie für kurze Zeit von diesen Strukturen zu befreien, vielleicht auch für die Zukunft. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns dem Geschmack in keiner Weise entziehen können, wir können den Geschmackssinn nicht abstellen.
Ich denke Axels Film soll zeigen, wie wichtig (gemeinsames) Essen und Geschmack und auch die Art und Form des Essens, die Tischsitten sind. In unserem Alltag verliert eine gute Esskultur ihre Bedeutung. Wir messen dem Essen und dem Geschmack oft zu wenig Bedeutung bei. Es gibt Fastfood, Kantinen und selten isst die Familie gemeinsam und noch seltener an einem festlich gedeckten Tisch.
Der Film zeigt auf rührende Weise, wie wichtig aber das Essen und das Drumherum des Essens ist und welch wundersame Auswirkung es haben kann.
„Die Sterne sind näher gekommen.“ sagt Martine, als sie sich von Lorenz verabschiedet. „Heute habe ich gelernt, dass in unserer Welt alles möglich ist.“ sagt Lorenz Löwenhielm.
Links im Internet zu „Babettes Fest“
www.luebeck.de/filmtage/98/filmprogramm/filme/86.html „Babettes Fest“ auf den „40. Nordischen Filmtagen Lübeck“ Kurzzusammenfassung des Filmes, Nennung der Schauspieler etc.
www.moviemaster.de/archiv/1987/87babett.htm Kurze Beschreibung und Kritik des Filmes
www.votivkino.at/archkurz/babettef.htm Kurzzusammenfassung
asta.uni-paderborn.de/~filmclub/1997w/babettes_fest.html Kurzzusammenfassung, Darsteller,...
www.jpc-buch.de/2957386 Angaben zum Hörbuch von „Babettes Fest“
[...]
[1] siehe unter anderem www.luebeck.de/filmtage/98/filmprogramm/filme/86.html
[2] auch Tanja oder Karen Blixen (wurde auf den Internetseiten unterschiedlich angegeben)
[3] oder Lorens Löwenhjeml
[4] oder Philippa
[5] siehe www.jpc-buch.de/2957386.htm
[6] siehe vorhergehendes
- Arbeit zitieren
- Kathleen Seifert (Autor:in), 2002, Rolle und Bedeutung der Sinneswahrnehmungen im Film -Babettes Fest- aus soziologischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/107569