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Essay, 2019
6 Seiten, Note: 1,0
In dem Text Kulturelle Vielfalt und demokratische Gleichheit-Politische Partizipation im Zeitalter der Globalisierung geht es um das Problem, dass Kämpfe um politische Anerkennung zwischen unterschiedlichen Gruppen zunehmen. In der derzeitigen politischen Theorie wird dies unter dem Begriff der Politik der Identität oder Differenz diskutiert. Eine globale Integration findet statt, jedoch mit der Folge, dass es zu Gegenbewegungen von politischer Wirkung kommt. Es entstehen neue Formen kollektiver Identität. Dabei handelt es sich um von Identität und Differenz bestimmte neue politische Bewegungen. Es wird die Frage aufgestellt, wie im Zeitalter der Globalisierung demokratische Identitäten gestaltet sein müssten. Im Folgenden wird die Autorin des Textes vorgestellt. Anschließend werden die Argumente zusammengefasst und Beispiele aufgezeigt, welche die Argumentation belegen. Des Weiteren werde ich meine eigene Meinung zu dem Standpunkt der Autorin äußern und abschließend ein Fazit ziehen.
Die Autorin Seyla Benhabib wurde am neunten September 1950 in Istanbul geboren und ist eine amerikanische Professorin für Politische Theorie und Politische Philosophie an der Yale University. Ebenso ist sie die Direktorin des Programms für Ethik, Politik und Wirtschaft. Ihr Themengebiet stellen die sozialpolitische Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die feministische Theorie und die Frankfurter Schule dar. Seyla Benhabib absolvierte ihr Studium in Philosophie am Istanbuler American College for Girls, welches sie 1970 mit dem Bachelor of Arts abschloss. Die Autorin hielt Professuren für Politische Theorie in Harvard und für Philosophie und Frauenstudien an der State University of New York (Yale University 2019).
Das Gesamtwerk von Frau Benhabib ist in drei große Kapitel unterteilt, wobei für dieses Reaction Paper das erste Kapitel mit dem Titel Strange multiplicity- Die Politik der Identität und Differenz im globalen Zusammenhang erläutert wird. „Ziel dieses Kapitels ist es, den Blick auf die Problematik von Identität und Differenz zu erweitern“ (Benhabib 2015:14). Dabei wurde es in drei weitere Abschnitte unterteilt, wobei sich das erste auf die Kapitelüberschrift bezieht. Im zweiten Abschnitt wird der Gegensatz zwischen Essentialismus und Konstruktivismus untersucht und daraus im letzten Abschnitt normative Schlüsse für die politische Kultur liberaler Demokratien gezogen (Benhabib 2015:14). Im Folgenden werden die Hauptargumente dargestellt.
Die Autorin fordert eine zeitgenössische kritische Gesellschaftstheorie, um Klarheit über die neue Politik der Identität und Differenz zu verschaffen. Die gegenwärtige Lage ist gekennzeichnet durch eine allmähliche Auflösung von naturalistischen Begriffen in Politik und Kultur bei gleichzeitigem Versuch, diese wiederherzustellen. Weltweit gibt es viele Demokratien, die Kämpfe austragen und somit das „politische Projekt der Demokratie in Frage stellen“ (Benhabib 2015:15). Eine globale Integration erfolgt parallel zur soziokulturellen Auflösung und ethnischen, kulturellen und religiösen Separationsbestrebungen. Es existiert ein globaler Trend zur Demokratisierung, ebenso wie feststellbare Widerstände, welche sich gegen den Trend behaupten. Auf der gesamten Welt kommt es zu einem Wiedererstarken der Politik, welche um die Anerkennung von kollektiven Formen der Identität kämpft. Durch die Erfahrungen der neuen sozialen Bewegungen änderte sich die Charakteristik der Problemlagen. Diese setzt sich nun mit den Frauenrechten, Homosexualität, der Ökologie sowie der Frage nach dem ethnischen Selbstbewusstsein auseinander. Der kulturelle, sprachliche, ethnische und religiöse Separatismus fordert die Identitätsgrenzen des politischen Gemeinwesens heraus. Frau Benhabib definiert den Nationalismus als „kollektive Ideologie, die verlangt, daß das Volk in einem bestimmten Staat ethnisch, religiös und sprachlich eine homogene Mehrheit bildet“ (Benhabib 2015:17f.). Die Existenz von zeitlich und räumlich parallel verlaufenden unterschiedlichen Bewegungen, die um politische Anerkennung kämpfen, prägen das Bild einer „strange multiplicity-einer seltsamen Vielfalt“ (Benhabib 2015:18). Ein soziologischer Skeptizismus gegenüber Identitätsstrategien und deren Durchsetzung ist kennzeichnend für das Klima der aktuellen politischen Diskurse (Benhabib 2015:13-18).
Die Entgegensetzung von Essentialismus und Konstruktivismus umfasst viele theoretische Perspektiven der zeitgenössischen Diskussion um Identität und Differenz. Essentialismus wird definiert, dass kollektive Identitäten wie Geschlecht, Rasse oder Nationen eindeutige Merkmale besitzen, welche über geschichtliche Zeiträume hinweg erhalten bleiben. Der Konstruktivismus hingegen ist der Ansicht, dass Grenzen aller Identitäten fließend, umstritten und anfechtbar, instabil und veränderbar sind (Benhabib 2015:19f.). Er gelangt an seine Grenzen, da durch ihn nicht erklärt werden kann, warum Individuen Identitätsunterschiede für etwas Essentielles halten. Ebenso kann er nicht begründen, welche kulturellen „Fetzen und Flicken“ passend sind und welche Identitätsprobleme diese lösen sollen. Die Kontingenzen können mit dem Konstruktivismus zwar aufgezeigt werden, aber keine Kohärenzen. Des Weiteren kann die soziologische Distanz begründet, aber nicht die motivierende Distanzlosigkeit von Ideologien erklärt werden. Das nationalstaatliche System befindet sich der Krise und die Auswirkungen der Globalisierung stellen es überall in Frage. Die Nationalstaaten sind zunehmend hilflos bei der Beantwortung neuer globaler Fragen. Aufgrund der weltweiten Bewegung von Arbeit, Neuigkeiten, Kapital und Information über nationale Grenzen hinweg wird eine globale Umwelt erzeugt, in welcher die Nationalstaaten mehr zu Rezipienten und Opfern anstatt zu Initiatoren und Akteuren werden. Es handelt sich um Probleme der Systemintegration und bedeutet, dass Mechanismen erfolgreicher sozialer Koordination und Kooperation zwischen den Akteuren entwickelt werden, um zu einer Lösung von Problemen materieller Reproduktion in globalem Maßstab zu gelangen. Die Probleme der Systemintegration auf globaler Ebene gehen einher mit einem zunehmenden Niedergang der Mechanismen der sozialen Integration auf innerstaatlicher Ebene. International nimmt die Macht der Nationalstaaten ab. Dadurch wird ihre Fähigkeit beeinträchtigt, gesellschaftlich als integrierende Akteure zu wirken. Zusammengefasst ist die Hauptaussage des Textes, dass im Zeitalter der Globalisierung die integrative Leistung des Nationalstaates in Frage gestellt wird (Benhabib 2015:27-29).
Der Text ist erstmals 1999 erschienen, in einer Zeit, in der die Globalisierung rasant voranschritt. Dies beinhaltete die globale materielle Kultur, eine weltweite Integration auf den Gebieten der Wirtschaft und Finanzen, der Kommunikation und des Transportes sowie des Militärs und Tourismus und wurde begleitet von einer kulturellen und kollektiven Desintegration. Die 1980er und 1990er Jahre werden in der Forschung oft genannt als der Startpunkt der Globalisierung. Daraus lässt sich schließen, dass Seyla Benhabib ihren Text in einem Zeitalter verfasst hat, in dem die Globalisierung enorm an Bedeutung gewinnt, aber noch lange nicht vollendet ist. Sie vertritt einen soziologischen Begriff der Globalisierung, definiert den Prozess als eine Art Fernwirkung und die Verstärkung dessen als Resultat der direkten globalen Kommunikation und des Massenverkehrs. Für sie ist Globalisierung kein Einzelprozess, sondern ein „komplexes Gemisch mehrerer Vorgänge, die häufig in Widerspruch zueinander geraten und Konflikte […] nach sich ziehen“ (Benhabib 2015:31). Dadurch, dass sie keinen rein politisch-ökonomischen Begriff der Globalisierung vertritt, leistet Frau Benhabib einen Beitrag für das Verständnis der Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf den Nationalismus, indem sie die Zusammenhänge darstellt und begründet. Ebenso thematisiert die Autorin die globale Integrität und deren Widerstände dagegen.
Die Argumentation des Textes weist keine Brüche auf. Seyla Benhabib belegt eines ihrer Hauptargumente, dass der Separatismus Grenzziehungen herausfordert, mit mehreren Beispielen. Zum einen kann das Streben der Ureinwohner Kanadas nach mehr Selbstbestimmung als separatistische Bewegung angesehen werden und auf Grundlage eines verfassungsrechtlichen Kompromisses wurde zwischen der spanischen Zentralregierung und der Provinz Katalonien eine erfolgreiche kulturelle Trennung durchgeführt. Zum anderen ist der Kampf um die Rechte der Kurden, welcher die Türkei, den Iran und Irak betrifft, ein Beispiel für Separatismus. In dem Beispiel von Katalonien ist das Ziel der Auseinandersetzungen ein Kompromiss innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates. Andere Bewegungen, beispielsweise die PKK, wollen eine Zerstörung und Umgestaltung der existierenden Formen von Souveränität erreichen (Benhabib 2015:16f.).
Ich stimme Frau Benhabib in dem Punkt zu, dass aufgrund der Globalisierung die integrative Leistung des Nationalstaates erschwert wird und die Wahrscheinlichkeit von Kämpfen oder Konflikten religiöser oder politischer Art höher ist als in einer nicht globalisierten Welt. Andererseits finde ich, dass ihre Ansicht von Globalisierung zu negativ ist. In unserer heutigen Zeit ist dieser Prozess Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Ebenso führt es nicht nur zu sozialer Fragmentierung, sondern auch zu der Möglichkeit, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben, wenn man sich an einem anderen Ort befindet. Ein Beispiel hierfür ist das Studium. Universitäten gibt es nur in größeren Städten und in den meisten Fällen wohnt man mehrere Stunden von der eigentlichen Heimat entfernt. Ohne eine gut ausgebaute Infrastruktur und Kommunikationstechnologien, welche Aspekte der Globalisierung darstellen, hätten wir nicht die Möglichkeit, soziale Kontakte aus der Heimat weiterhin zu pflegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Text die soziale und kulturelle Fragmentierung als eines der Hauptprobleme von Globalisierung darstellt. Ebenso wird dadurch die integrative Leistung der Nationalstaaten in Frage gestellt. Frau Benhabib betrachtet den Prozess der Globalisierung nicht unter dem Aspekt der Ökonomie, sondern von einem sozialen Blickwinkel aus und richtet mit dieser etwas untypischeren Definition das Augenmerk auf die Problematik von Identität und Differenz.
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