In der vorliegenden Facharbeit wird zu Beginn auf die Historie und die Entwicklung des Waldkindergartens eingegangen, die Frage geklärt, wie diese Form von Pädagogik sich in Deutschland etablieren konnte und welche Arten von Waldkindergärten es in Deutschland gibt.
Im zweiten Teil wird genauer auf die ganzheitliche Bildung eingegangen. Es wird erläutert, welches Bild vom Kind in der Naturpädagogik vorhanden ist und wodurch der Wald zum Bildungsraum im Waldkindergarten wird. Hierbei gibt der Autor einen Einblick in seinen Waldkindergarten mit seinen verschiedenen Plätzen und Möglichkeiten. Im Anschluss erklärt er seine Rolle als Fachpersonal, welchen pädagogischen Ansatz er verfolgt und wie er die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung begleitet und unterstützt. Um dem Bildungsauftrag gerecht zu werden, haben die Kinder immer die Möglichkeit, an freien Angeboten teilzunehmen. Im Fazit wird zum Abschluss die Frage beantwortet, wie der Wald zum Bildungsraum wird und ob er diesen Anspruch erfüllen kann.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Macht der Gene – Steinzeit trifft auf Neuzeit
2.1 Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen bereiten den Boden für eine neue Pädagogik
2.2 Historische Entwicklung
2.3 Die verschiedenen Formen des Waldkindergartens
2.4 Die Idee der Waldkindergärten
3 Ganzheitliche Bildung
3.1 Verständnis von Bildung
3.2 Bildung als lebenslanger Prozess
3.3 Leitziele von Bildung
3.4 Verhältnis von Bildung und Entwicklung, Bildung und Erziehung
3.5 Das Bild vom Kind im Naturraum
4 Wie wird der Waldkindergarten zum Bildungsraum
4.1 Der Wald durch seine ständig wechselnden äußeren Bedingungen
als pädagogischer Einfluss
4.2 Die sechs verschiedenen Waldplätze
4.3 Ohne Wände
4.4 Ohne Spielzeug
4.5 Soziale Erziehung
4.6 Entwicklung und Förderung der körperlichen Fähigkeiten mit allen Sinnen
5 Meine pädagogische Arbeit mit den Eltern
5.1 Mein pädagogischer Ansatz und meine Rolle als Begleiter für
die individuelle Entwicklung des Kindes
5.2 Freie Angebote in allen Bildungsbereichen
6 Fazit
1 Einleitung
„In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte“ (Franz Kafka). Dieser Satz verdeutlicht genau, was ich mit meiner Facharbeit aussagen möchte. Ich schreibe über den Waldkindergarten als eine neue Form der pädagogischen Kindertageseinrichtung. Durch den Ort „Wald“ wird diese Art und Weise von Betreuung zur außergewöhnlichen pädagogischen Arbeit. In Deutschland hat sich die Form des Waldkindergartens erst in den 90er Jahren etablieren können. Grundlegend ist der Waldkindergarten eine Einrichtung ohne Wände. Die pädagogische Arbeit und das Zusammenleben der Gruppe finden nicht in einem Gebäude statt, sondern im Wald. Anfangs wurde der Waldkindergarten von den Behörden nicht in die Öffentlichkeit gebracht, um eine Ausbreitung zu vermeiden. Jedoch konnte sich die Waldkindergartenbewegung durch diverse Elternbewegungen und die Initiative engagierter Vertreter der Waldkindergartenbewegung in das deutsche Bildungssystem etablieren. Gegenwärtig sind Waldkindergärten eine Selbstverständlichkeit und nicht mehr aus der Vielfalt der Kindertagesstätten weg zu denken. Die Anzahl der Wald- und Naturkindergärten wächst stetig. Dies ist vor allem auf eine veränderte Kindheit in der heutigen Zeit zurückzuführen. Früher hatten die Kinder weniger Spielzeug, mehr Freiräume und waren die meiste Zeit ihrer Kindheit zum Spielen draußen. Dies taten sie auf den Straßen, Wiesen und Wäldern, um so ihren vielen Bedürfnissen gerecht zu werden. Heute ist das nicht mehr so. Kinder werden vom Konsum überflutet, und die Eltern haben weniger Zeit, um sich mit den Kindern zu beschäftigen. Computer, Spielekonsolen und Fernseher bestimmen das Freizeitangebot der Kinder. Durch die immer weiterwachsenden Städte und die steigende Kriminalität lassen Eltern ihre Kinder nicht mehr so einfach auf den Straßen und in den Wäldern spielen. Hierdurch bleiben jedoch viele Bildungserlebnisse und eigene Erfahrungen der Kinder auf der Strecke, z.B. den biologischen Rhythmus und Wandel der Natur zu entdecken. Deshalb erfreut sich der Waldkindergarten immer mehr großer Beliebtheit, da sich die Kinder dort frei in der Natur bewegen und bilden können. Wenn die Natur ein Teil des Alltags wird, kann das Kind wieder aus natürlicher Neugierde und eigener Motivation Lebensprozesse hinterfragen und selbst erforschen.
In der vorliegenden Facharbeit möchte ich zu Beginn auf die Historie und die Entwicklung des Waldkindergartens eingehen, die Frage klären, wie diese Form von Pädagogik sich in Deutschland etablieren konnte und welche Arten von Waldkindergärten es in Deutschland gibt. Im zweiten Teil gehe ich genauer auf die ganzheitliche Bildung ein, erläutere, welches Bild vom Kind in der Naturpädagogik vorhanden ist und wodurch der Wald zum Bildungsraum in unserem Waldkindergarten wird. Hierbei gebe ich einen Einblick in meinen Waldkindergarten mit seinen verschiedenen Plätzen und Möglichkeiten. Im Anschluss erkläre ich meine Rolle als Fachpersonal, welchen pädagogischen Ansatz ich verfolge und wie ich die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung begleite und unterstütze. Um dem Bildungsauftrag gerecht zu werden, haben die Kinder immer die Möglichkeit an freien Angeboten teilzunehmen. In meinem Fazit beantworte ich zum Abschluss die Frage, wie der Wald zum Bildungsraum wird und ob er diesen Anspruch erfüllen kann.
2 Die Macht der Gene – Steinzeit trifft auf Neuzeit
In den vergangenen 20.000 Jahren hat sich unser Körper kaum verändert. Die Steinzeit steckt uns noch in den Knochen und dies wird vor allem durch das Sammeln und Jagen sichtbar. Unsere Vorfahren waren viele Stunden auf den Beinen, stets zu Fuß unterwegs und legten mehrere Kilometer am Tag zurück. Der Mensch musste laufen, um zu überleben. Sie waren Jäger und Sammler und nicht wie heute Autofahrer und Dauersitzer. Der Mensch ist als Läufer geboren und dies tragen wir bis heute in unserem Erbgut. Unser Körper ist außerdem nicht auf das neuzeitliche Leben angepasst, vor allem der wachsende Kinderkörper ist nicht auf einseitige Belastungen vorbereitet. Das viele Sitzen beginnt meist schon im Kindergarten und zieht sich über die Schullaufbahn bis hin zum Arbeitsleben durch. Da unser Körper Fett äußerst effektiv speichert, wird das viele Sitzen, das Überangebot an Nahrungsmitteln und mangelnde Bewegung zu den Hauptindikatoren für die neuzeitliche Volkskrankheit Adipositas, volksprachlich auch Fettleibigkeit genannt. Diese Erkrankung gab es vor 20.000 Jahren noch nicht und ist das Resultat unseres evolutionären Erbes. Bei Kindern und Jugendlichen ist dies heutzutage viel zu früh zu beobachten, da der natürliche Drang sich zu bewegen immer mehr auf der Stecke bleibt. Gründe hierfür könnten unter anderem der fehlende Platz und die fehlende Zeit in Regelkindergärten sein. Somit können die Kinder ihrem natürlichen Bewegungsbedürfnis nicht nachkommen. Kinder vermissen die fehlende Bewegung irgendwann nicht mehr und verlieren durch die von Menschenhand geschaffene unnatürliche Umwelt, wie z.B. Spielplätze und Turnhallen, das genetisch angelegte Bedürfnis nach Bewegung. Keine geschaffene Umgebung kann so viele Anreize für Spontaneität, eigeninitiierte Bewegung und Handlung schaffen, wie ein Stück Wald mit seinen Stöcken, Steinen, Bodenbeschaffenheiten, Bäumen, Baumstümpfen und vieles mehr.1
2.1 Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen bereiten den Boden für eine neue Pädagogik
Durch die Schlagwörter „Waldsterben, Stickoxide und Schwefeldioxid“ in den 1980er Jahren entwickelte sich bei der Bevölkerung wieder ein Bewusstsein für die Schönheit und die elementar wichtige Rolle der Natur für uns Menschen. Auch die Politik wurde zum Umdenken gezwungen, als das Baumsterben im Harz und im Erzgebirge begann. Die Berichte im Frühjahr 1985 über die immer größer werdenden Ozonlöcher in der Ozonschicht sowie Schlagworte wie „Wegwerfgesellschaft“ und „Umweltsünder“ brachten die Bevölkerung zum Umdenken ihrer Lebenskonzepte. Ein weiterer Aspekt für die Entstehung von Wald- und Naturkindertagesstätten ist, dass Kinder heutzutage immer mehr mit Multimedien zu tun haben und die meiste Zeit ihrer Kindheit zuhause und nicht in der Natur verbringen. Der „Jugendreport Natur 1997“ berichtete über ein klares Bild von der Jugend, die sich immer weiter von der Natur entfernt. Dies zeigte sich speziell bei einer Umfrage, bei der nur 44 Prozent der befragten Jugendlichen die Früchte der Buche erkannten und nur 50 Prozent wussten, dass die Rosine eine getrocknete Traube ist. Waldkindergärten tragen ebenfalls dazu bei, dass Kinder nicht nur aus Medien Naturinformationen bekommen, sondern eigene Naturerfahrungen machen und erleben dürfen. Der Hirnforscher Gerald Hüther schreibt hierzu: „Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich die Art und Weise, wie Kinder Natur sehen und erleben, grundlegend verändert. Die Polarität der Beziehung hat sich umgekehrt. Heute sind die Kinder der globalen Bedrohungen für unsere Umwelt bewusst, aber ihre körperliche Erfahrung, ihre Vertrautheit mit Natur, sind im Schwinden begriffen. Ein Kind heute kann wahrscheinlich einiges über den Regenwald am Amazonas erzählen, aber nicht darüber, wann es das letzte Mal allein im Wald herumgestreift oder in einer Wiese gelegen ist und dem Wind gelauscht und den Wolken hinterhergeschaut hat“.2 Dieses Zitat zeigt uns, dass Kinder sich über verschiedene Medien Wissen über die Natur zwar aneignen, aber die elementar wichtigste Form der Bildung, wie „Erfahrungen aus erster Hand“ und die „ganzheitliche Bildung“ um sich etwas einzuprägen, fehlt.3
2.2 Historische Entwicklung
Ihre Wurzeln hat die Wald-und Naturpädagogik in Schweden. Seit 1892 gibt es dort eine Organisation, die ganzjährige Aktivitäten im naturpädagogischen Bereich anbietet. Im nahe gelegenen Dänemark wurden diese pädagogischen Einflüsse Mitte der fünfziger Jahre von Ella Flatau aus Sölleröd aufgegriffen. Sie ging anfangs jeden Tag mit ihren eigenen Kindern in den Wald. Andere Eltern wurden darauf aufmerksam und fanden dies eine wunderbare Idee. Frau Flatau nahm sich daraufhin auch deren Kinder an und zog mit einer ganzen Schar von Kindern in den Wald. Daraus entwickelte sich eine Elterninitiative, aus der später der erste Waldkindergarten hervorging.4 In Deutschland wurde der erste Waldkindergarten von Ursula Sube 1968 in Wiesbaden eröffnet. Dieser entstand aus einer Notsituation, als ein Bekannter für seine Kinder keinen Kindergartenplatz bekam. Frau Sube nahm sich den Kindern an und ging mit ihnen täglich in den Wald. Als sich dies herumsprach, entwickelte sich daraus schnell eine wachsende Kindergruppe. Das zuständige Jugendamt befürwortete diesen Waldkindergarten zuerst nicht, wollte aber auch jene neue Form des Kindergartens nicht verbieten. Somit wurde dies, ohne weiteres Aufsehen zu erregen, geduldet, aber nicht im Umkreis populär gemacht. Meiner Meinung nach ist dies der ausschlaggebende Grund, warum erst 25 Jahre später ein zweiter Waldkindergarten in Deutschland eröffnet wurde. Ende der achtziger Jahre erfolgte eine Neubesetzung in diesem Jugendamt. Der neue Referent wollte aus Aufsichtspflichtgründen diesen Zustand nicht weiterhin dulden. Er forderte eine zweite Aufsichtsperson, welche aber die finanziellen Möglichkeiten der Initiative überstieg. Es kam zu einem amtlichen Ortstermin bei dem Spezialisten diese Form des Waldkindergartens begutachteten. Das Jugendamt erteilte die amtliche Betriebserlaubnis unter Voraussetzung zweier Auflagen: zum einen musste ein Handy für eventuelle Notfälle mitgeführt werden, zum anderen durfte die Gruppenstärke 15 Kinder nicht überschreiten. Damit war der Weg für weitere Waldkindergärten in Deutschland geebnet. In den neunziger Jahren begann in Deutschland die Anzahl der Waldkindergärten zu wachsen, man kann von einer regelrechten Bewegung sprechen. In Dänemark hingegen war die Bildungsstätte Waldkindergarten in dieser Zeit schon allgegenwärtig. Nachdem 1991 zwei Erzieherinnen aus Deutschland, Petra Jäger und Kerstin Jebsen, einen für sie sehr interessanten Artikel über Waldkindergärten in Dänemark gelesen hatten, reisten sie dorthin, um genau diese Form von Bildung hautnah zu erleben. Nach ihrer Hospitation entwickelten sie gemeinsam eine Konzeption und gründeten einen Verein, mit dem sie die Behörden allmählich überzeugen konnten, diese Form der Bildungseinrichtung fest im Bildungssystem aufzunehmen. 1993 wurde der erste deutsche staatlich anerkannte Waldkindergarten in Flensburg eröffnet. Durch eine sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit und ein großes Interesse der Bevölkerung wurde dieses Konzept transparent. 1994 folgte die Eröffnung zweier weiterer Waldkindergärten in Berglen und Lübeck. Die Gründer dieser Einrichtungen leisteten große Überzeugungsarbeit im Umgang mit den zu dieser Zeit noch skeptischen Ämtern und Behörden. Ab 1995 stiegen die Gründungen der Waldkindergärten enorm an. Die Eröffnungen wurden aber immer noch mit großer Skepsis behandelt. Der neue pädagogische Ansatz setzte sich dennoch durch, so dass 1996 der „Bundesarbeitskreis der Naturkindergärten in Deutschland“ gegründet wurde und im Jahr 2000 sogar ein Bundesverband. Mittlerweile gibt es über 1000 Einrichtungen in ganz Deutschland mit ansteigender Tendenz.5
2.3 Die verschiedenen Formen des Waldkindergartens
Der klassische Waldkindergarten
Als „reinen“ oder „klassischen“ Waldkindergarten bezeichnet man Einrichtungen, in denen die Kindergruppen den ganzen Vormittag in der Natur in einem räumlich begrenzten Gebiet verbringen. Die Aktivitäten im Freien finden bei jedem Wetter statt. Bestehen extreme Wetterverhältnisse, wie Sturm, Windböen, extreme Kälte (-15 Grad Celsius), Gewitter und Hagel, ist ein Schutzraum aufzusuchen. Dieser ist in Deutschland vorgeschrieben und bezeichnet eine beheizbare Unterkunft in unmittelbarer Nähe des Waldgebietes, in welchem Kinder und Erzieher bei unzumutbaren Witterungsbedingungen Schutz- und Aufenthaltsmöglichkeit finden sollen. Hierzu dient in der Regel auch ein beheizbarer Bauwagen oder eine Waldhütte. Die Gruppengröße variiert zwischen 15 und 20 Kindern. Die Buchungszeiten sind zwischen 4 bis 6 Stunden im Freien an 5 Tagen die Woche.6
Der integrierte Waldkindergarten
Das Modell des integrierten Waldkindergartens ist in Dänemark weit verbreitet. In Westdeutschland gibt es dies nur vereinzelt, zeigt aber einen langsamen Anstieg. In Ostdeutschland hingegen ist der integrierte Waldkindergarten eher die Regel. Hierbei handelt es sich um Ganztageskindergärten mit eigenen Räumen wobei das pädagogische Konzept eines Waldkindergartens integriert wird. Von diesem Konzept gibt es heute in Deutschland mehrere Formen. Eine dieser Formen ist zum Beispiel die täglich stattfindende offene Waldgruppe. Hier dürfen die Kinder jeden Tag selbst entscheiden, ob sie mit in den Wald gehen oder lieber im Kindergarten bleiben möchten. Eine weitere Form ist die feste Waldgruppe mit wöchentlichem oder monatlichem Wechsel der Waldgruppenkinder. Von Kritikern dieser Mischform wird beanstandet, dass der Grundgedanke eines Waldkindergartens hierbei verloren geht und die Kinder die Natur nur unter erleichterten Bedingungen erleben. Sie halten es für sehr bedeutsam, dass die Kinder bei jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit in den Wald gehen. Des Weiteren finden sie es fragwürdig, ob man Kindern die Wahl lassen sollte, in den Wald zu gehen oder nicht. Früherziehung im Wald impliziert auch, den Reiz zu entdecken, der in der Einschränkung liegt. Eine Fülle von Angeboten, in der der Wald nur ein Programmpunkt unter vielen ist, verträgt sich damit nicht unbedingt.7-8
Befristete Waldprojekte in Kindertagestätten
Manche Regelkindergärten beschränken sich darauf, in ihrem Jahresablauf in einer festgelegten Woche oder einem fest integrierten Tag in der Woche Waldprojekte anzubieten. Hierbei nehmen die Erzieher meist nur ansatzweise die Konzepte der Waldkindergärten auf. Bei den Kindern und ebenso den Eltern kommen die Waldprojekte meist sehr gut an, erfordern aber von allen ein hohes Maß an organisatorischem Aufwand. Angefangen bei der richtigen Kleidung bis hin zum Unfallschutz muss alles bedacht werden. Trotz des großen Aufwandes ist der Wald immer wieder ein unvergessliches Erlebnis und kann schöne Erfahrungen mit sich bringen.9
Strand-und Naturkindergärten
Waldkindergärten können sich an Küsten meist nur schwer entwickeln, da dort meist kein Wald vorhanden ist. Erzieher haben sich deshalb den Strand als Erlebnis- und Naturraum zu Nutze gemacht, um auch dort Natur als verbundene Früherziehung zu gewährleisten. Die Kinder lernen den Strand bei jeder Jahreszeit kennen und verbringen nicht nur den Sommer dort, wenn es heiß ist. Der Fokus liegt hierbei im Naturerlebnis, im Freien zu spielen und die Kinder dort auch zu bilden. Die meisten Strand- und Naturkindergärten besitzen eine Hütte oder einen Bauwagen, um Zuflucht bei schlechten Witterungsbedingungen zu bieten.
Unter Naturkindergärten werden Bildungsstätten verstanden, die unter verschiedenen Gesichtspunkten ökologische Aspekte in die pädagogische Arbeit einfließen lassen. Dieser Begriff entspricht also nicht dem einheitlichen Aspekt des Waldkindergartens. Ein Naturkindergarten ist zum Beispiel auch ein Bauernhofkindergarten, der sich neben der Natur- und der Tierwelt auch mit landwirtschaftlichen Themen wie Aussaat, Ernte und ökologische Zusammenhänge auseinandersetzt. Die Kinder befassen sich mit Tieren und deren ökologischer Haltung. Sie helfen mit bei der Ernte und der Versorgung der Tiere und lernen verschiedene Heil-, Nutz- und Färberpflanzen kennen. Es gibt nur wenige Bauernhofkindergärten, da dieses Konzept noch sehr neu ist. In Deutschland sind drei dieser Einrichtungen bekannt. Der Waldkindergarten Oberschweinbachsteht in direkter Zusammenarbeit mit dem Bauernhofkindergarten in Olching.10
2.4 Die Idee der Waldkindergärten
Geschichtlich betrachtet ist die Idee des Waldkindergartens nicht neu. Bereits der bekannte Pädagoge Rousseau (1712–1778) hat eine Rückbesinnung auf die Natur verlangt. Der Mensch muss damit leben, dass die Welt in ihrer heutigen Form viele Erleichterungen mit sich bringt, uns aber gleichzeitig auch immer weiter von der Natur entfernt. Diesen Zustand wollen die Waldkindergärten mit ihrem pädagogischen Konzept aufbrechen. Es wäre ein Irrglaube zu meinen, durch eine naturnahe Erziehung das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können. Das ist keinesfalls der konzeptionelle Ansatz der Waldkindergärten, sondern man will in erster Linie den Wald als Lebensraum gemeinsam mit den Kindern erfahren, erforschen und erleben. Im Waldkindergarten wird mit der Natur gelebt und man vertraut sich dem Rhythmus der Natur an. Infolgedessen gibt es kein einheitliches pädagogisches Konzept, beziehungsweise keine Richtlinien, auf die sich alle Waldkindergärten berufen. Es lassen sich jedoch grundsätzliche pädagogische Gedanken herausarbeiten, die die Spezifik des Waldkindergartens beschreiben. Allen Ansätzen gemeinsam ist grundsätzlich der konsequente Bezug auf das Kind mit seiner Erlebnis- und Erfahrungswelt. Deshalb greifen Waldkindergärten vorrangig auf den Situationsansatz zurück. Dieser beinhaltet, dass die Erzieher mit der gerade eingetretenen Situation umgehen und sich auf diese einstellen müssen. Die pädagogische Situation im Waldkindergarten wird vorrangig durch die Abwesenheit von festen Gebäuden bestimmt. Folglich gibt es auch keine festgelegten Räume, außer dem von den Behörden vorgeschriebenen Schutzraum.11
3 Ganzheitliche Bildung
Grundsatz der ganzheitlichen Bildung ist das Verständnis von Bildung mit Körper, Geist und Seele. Der Begriff steht allgemein für einen umfassenden Entwicklungsprozess des Kindes, bei dem es sowohl seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten als auch seine persönlichen und sozialen Kompetenzen erweitert. Ganzheitliche Bildung bezieht das Kind mit allen Persönlichkeitsanteilen ein und ist mehrperspektivisch angelegt. Dementsprechend erfolgt sie interaktiv und bezieht alle Sinne und Emotionen mit ein. Hieraus resultiert eine Methodenvielfalt, die all diese Dimensionen mit einbezieht und handlungs- und erfahrungsgeleitet ist, ebenso spielerisch sein kann und Raum für die Individualität jedes einzelnen Kindes einräumt.12 In Art.13 Absatz 2 BayKiBiG ist außerdem fest verankert: „Das pädagogische Personal in förderfähigen Kindertageseinrichtungen hat die Kinder ganzheitlich zu bilden und zu erziehen.“13 Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit im Waldkindergarten, da die Kinder jegliche Art von Bildung, Erfahrung und Handlung ganzheitlich wahrnehmen. Zudem wird jedes Handeln in der Natur durch alle Sinne verstärkt und ist durch Gerüche, Farbenvielfalt, Wärme, Kälte und Gefühle allgegenwärtig.
3.1 Verständnis von Bildung
Bildung im Kindesalter gestaltet sich als sozialer Prozess, an dem sich Kinder und Erwachsene aktiv beteiligen und diesen mitgestalten. In gemeinsamer Interaktion, im kommunikativen Austausch und im ko-konstruktiven Prozess findet Bildung statt. Die Bildungsprozesse sind in sozialen und kulturellen Kontext eingebettet. Durch Bildung werden die individuelle Autonomie sowie die Mitgestaltung der sozialen, kulturellen Umgebung und die Übernahme entwicklungsangemessener Mitverantwortung gestärkt. Die Entwicklung des Kindes folgt nicht nur dem biologischen Reifungs- und Wachstumsprozess. Der Kulturkreis mit seiner eigenen Sprache, Schrift, Zahlen, Medien und sozialen Praktiken ist an der Bildung des Kindes von Anfang an miteinbezogen und treibt diese voran. Die Normen und Werte beeinflussen und gestalten die kindliche Entwicklung ebenso mit. In Zielen und Inhalten folgt Bildung heute einem weiten, ganzheitlichen Verständnis, das sich in fünf Dimensionen aufteilt. Die persönliche Dimension stellt dar, welche Basiskompetenzen das Kind braucht und wie sie aufzubauen und zu stärken sind, damit eine positive Persönlichkeitsentwicklung gelingen kann. In der interaktionalen Dimension achtet man darauf, welche Basiskompetenzen Kinder benötigen, um eigene Bildungsprozesse in der Interaktion mit anderen Kindern und Erwachsenen mitzugestalten und mitverantworten zu können, wie zum Beispiel durch Sprache. Bei der kulturellen Dimension wird verständlich, welche gesellschaftlichen Werte die Kinder als eigene Wertvorstellungen verinnerlichen sollen, um ein produktives Zusammenleben in einer interkulturellen Gemeinschaft zu erleben und mitzugestalten. Diese Werte werden durch Familie und stetig wachsende persönliche Wertempfindungen vermittelt und gesammelt. Hierbei können Erzieher mit einer positiven Haltung dem Kind gegenüber ein Vorbild sein. Die Wissensdimension beschäftigt sich damit, was Kinder wissen sollten, um sich in einer globalen Wissensgesellschaft zurechtzufinden und ihre Lebensaufgaben kompetent zu bewältigen können. In der partizipatorischen Dimension spricht man über die Gelegenheiten, die Kinder brauchen, um Entscheidungsfähigkeit, Mitgestaltung und Verantwortungsübernahme aufzubauen können. Aus diesen Dimensionen ergibt sich ein neues und breites Verständnis von Allgemeinwissen. „Hier steht die Entwicklung der Basiskompetenzen und Werthaltungen im Mittelpunkt und verknüpft diese mit dem Erwerb von inhaltlichem Basiswissen. Das innere Gerüst aus Basiskompetenzen und Werthaltung geben dem Kind Orientierung und Sicherheit. Sie befähigen es zum produktiven Umgang mit Vielfalt und Wandel, zur Selbstorganisation und sozialen Mitgestaltung sowie Offenheit für andere Kulturen und Lebenskonzepte. Kinder erwerben Kompetenzen, Werthaltungen und Wissen an vielen Bildungsorten. Die Familie, Gleichaltrige, Kindergruppen und Medien sind die informellen Bildungsorte. Die non-formalen Bildungsorte sind Kindertageseinrichtungen und Musik- und Kunstschulen. Die formalen Bildungsorte sind Schulen und Hochschulen. Bildung ist das Produkt eines komplexen Wechselspiels aller vor- und nachgelagerten und sich ergänzenden Bildungsorte, in denen sich das Kind von Geburt an bewegt.“14
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1 S.1011
2 Hütter Gerald Das letzte Kind im Wald [Buchabschnitt] // Das letzte Kind im Wald / Buchverf. Louv Richard. - [s.l.]:BELTZ,2011.Seite. 15
3 S.11-12
4 S.14
5 S.15
6 S.18
7 S.18
8 S.14
9 S.15
10 S.15-17
11 S.18
12 S. 201 Pädagogik/ Psychologie für die sozialpädagogische Erstausbildung Kinderpfleger Sozialassistenz Bildungsverlag EINS 3.Auflage
13 S.119 Absatz 2
14 S.12