Menschen leben schon lange nicht mehr isoliert voneinander, sondern verbringen ihr Leben in sozialen Gefügen wie Familien, Freundeskreisen, Vereinen; ganzheitlich gesehen innerhalb der Struktur „Staat“ und dank der Globalisierung sogar in staatenübergreifenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verflechtungen. Innerhalb dieser Verflechtungen, die als Mit- oder Gegeneinander zu verstehen sind, bezieht jeder Mensch gewisse soziale Rollen oder Positionen. Wie alles im Leben, unterliegen diese Verflechtungen einem kontinuierlichen dynamischen Wandel und sind von endogenen und exogenen Gegebenheiten geprägt, wie zum Beispiel von Kriegen, demographischen Entwicklungen oder durch politische Entscheidungen.
In dieser Arbeit werden die Schichtmodelle von Theodor Geiger, Ralf Dahrendorf und Rainer Geißler sowohl soziologisch, als auch historisch genauer beleuchtet und miteinander verglichen. Außerdem wird deren und die Relevanz sozialer Schichtmodelle im Allgemeinen in der heutigen Zeit betrachtet.
Betrachtet man die Gesellschaft als Ganzes, werden unweigerlich Verhältnisse sozialer Ungleichheit sichtbar. Soziologische Schichtmodelle versuchen, Ordnung, Struktur und eine gewisse Systematik in das vielfältige und teils unübersichtliche Durcheinander der sozialen Ungleichheiten zu bringen. Dabei ist kein Modell falsch oder richtig, es wurde aus der jeweiligen Zeit für die jeweilige Zeit entwickelt, bestenfalls hat es für die Gesellschaft der jeweiligen Zeit zugetroffen. Deshalb sind die Modelle heutzutage nur begrenzt anwendbar, sie wurden in einer bestimmten Zeit entwickelt und trafen damals höchstwahrscheinlich auf die Gesellschaft zu, der Soziologe damals wie heute ist somit stets von seiner Zeit geprägt und hat für sie gearbeitet. Da soziale Schichten stets im Wandel der Zeit stehen, lassen sich viele gesellschaftliche Veränderungen an ihnen ablesen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
2.1. Soziale Ungleichheit
2.2. Soziale Schichten
3. Analyse der Schichtmodelle
3.1. Schichtmodell Theodor Geiger
3.2. Ralf Dahrendorf
3.3. Rainer Geißler
4. Vergleich
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Menschen leben schon lange nicht mehr isoliert voneinander, stattdessen verbringen sie ihr Leben in sozialen Gefügen, wie Familien, Freundeskreisen, Vereinen; ganzheitlich gesehen innerhalb der Struktur „Staat“ und dank der Globalisierung sogar in staatenübergreifenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verflechtungen. Innerhalb dieser Verflechtungen, die als Mit- oder Gegeneinander zu verstehen sind, bezieht jeder Mensch gewisse soziale Rollen oder Positionen. Wie alles im Leben, unterliegen diese Verflechtungen einem kontinuierlichen dynamischen Wandel und sind von endogenen und exogenen Gegebenheiten geprägt, wie zum Beispiel von Kriegen, demographischen Entwicklungen oder durch politische Entscheidungen.
Betrachtet man die Gesellschaft als Ganzes, werden unweigerlich Verhältnisse sozialer Ungleichheit sichtbar. Soziologische Schichtmodelle versuchen, Ordnung, Struktur und eine gewisse Systematik in das vielfältige und teils unübersichtliche Durcheinander der sozialen Ungleichheiten zu bringen. Dabei ist kein Modell falsch oder richtig, es wurde aus der jeweiligen Zeit für die jeweilige Zeit entwickelt, bestenfalls hat es für die Gesellschaft der jeweiligen Zeit zugetroffen. Deshalb sind die Modelle heutzutage nur begrenzt anwendbar, sie wurden in einer bestimmten Zeit entwickelt und trafen damals höchstwahrscheinlich auf die Gesellschaft zu, der Soziologe damals wie heute ist somit stets von seiner Zeit geprägt und hat für sie gearbeitet.1 Da soziale Schichten stets im Wandel der Zeit stehen, lassen sich viele gesellschaftliche Veränderungen an ihnen ablesen.
In dieser Arbeit werden die Schichtmodelle von Theodor Geiger, Ralf Dahrendorf und Rainer Geißler sowohl soziologisch, als auch historisch genauer beleuchtet und miteinander verglichen. Außerdem wird deren und die Relevanz sozialer Schichtmodelle im Allgemeinen in der heutigen Zeit betrachtet.
2. Begriffsklärungen
Um die Thematik besser greifen zu können ist es erforderlich, sich einen genauen Überblick über verwendete Begrifflichkeiten zu machen. In der Soziologie gibt es meist keine einzig richtige Definition, jeder Soziologe hat seine ganz eigene Vorstellung. Im Folgenden werden für diese Arbeit wichtige Begriffe wie Soziale Ungleichheit und Soziale Schicht näher beleuchtet, da sie als Grundlage dienen.
2.1. Soziale Ungleichheit
Der Begriff Soziale Ungleichheit ist ein durchaus gängiger und weit verbreiteter Begriff, in vielen unterschiedlichen Wissenschaften findet er Gehör, auch im alltäglichen Leben beeinflusst das Phänomen unser Leben. Simple scheinende Ausdrücke unserer Sprache wie „Macht und Ohnmacht“ oder „Reichtum und Armut“ machen deutlich, dass soziale Ungleichheiten wichtige Aspekte menschlichen Zusammenlebens sind. So machen auch etliche politische Konflikte, wie beispielsweise der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, auf das Bestehen von sozialer Ungleichheit aufmerksam.
Doch was ist soziale Ungleichheit? – Wie sooft in der Soziologie gibt es keine einheitlich anerkannte Definition, dennoch lassen sich innerhalb der einzelnen Definitionsversuche viele Gemeinsamkeiten erkennen.
Zu Beginn muss eine Abgrenzung vom geläufigen Gebrauch des Begriffs in der Alltagswelt erfolgen; dort erfährt der Begriff oftmals einen Beigeschmack von Ungerechtigkeit und Illegitimität. In der Soziologie als Wissenschaft lässt der Begriff hingegen offen, ob herrschende Gegebenheiten als illegitime, ungerechte und gar problematische Ungleichheiten zu beurteilen sind, oder die sozialen Ungleichheiten gar gerechtfertigt scheinen.2
Grundsätzlich sind mit dem Einnehmen von sozialen Positionen gewisse Lebens- und Arbeitsbedingungen verknüpft, die Menschen untereinander wertend einordnen, im Sinne von besser- oder schlechter-, höher- oder tiefergestellt, bevorrechtigt oder benachteiligt.3
Soziale Ungleichheit ist ein zentrales Phänomen der Sozialstruktur.4 Unter der Sozialstruktur versteht man ein relativ stabiles System sozialer Beziehungen in der Gesellschaft. Die Sozialstrukturanalyse im Allgemeinen betrachtet daher erstmal ohne jeglichen theoretischen Bezug dauerhafte Wechselbeziehungen zwischen sozialen Gruppen sowie deren Veränderungen als Formen des sozialen Wandels.
Das Lexikon der Soziologie definiert „Soziale Ungleichheit [als] jede Art verschiedener Möglichkeiten der Teilhabe an Gesellschaft beziehungsweise der Verfügung über gesellschaftlich relevante Ressourcen.“5 Eine weiterer Definitionsversuch lautet „‘Soziale Ungleichheit’ liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‘wertvollen Gütern’ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.“6
2.2. Soziale Schichten
Wie festgestellt untersucht die Soziologie die Sozialstruktur einer Gesellschaft. Seit der Entstehung und den Anfängen der Soziologie hat sich die Wissenschaft weiterentwickelt. So wie sich die Struktur einer Gesellschaft im Zeitablauf verändert, haben sich auch verschiedene Wissenschaftler im Laufe der Zeit aus verschiedenen Blickwinkeln mit der Weiterentwickelung / Kritik von sozialen Theorien befasst. Mittlerweile gibt es von Milieu-, Ständen-, Schicht- bis hin zu Klassentheorien fast alles. Die Schichtanalyse ist schon vergleichsweise alt, das Konzept der Schicht „wurde [erst] in der Auseinandersetzung mit Marx von Theodor Geiger in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zum soziologischen Grundbegriff präzisiert.“7
In dieser Arbeit bleibt der Fokus überwiegend auf die sozialen Schichten gerichtet. „Gruppierung von Menschen mit ähnlich hohem Status innerhalb einer oder mehrerer berufsnaher Ungleichheitsdimensionen werden üblicherweise als Schicht bezeichnet“8. Jeder Soziologe versteht unter dem Begriff Schicht etwas anderes, auch hier gibt es keine alleinige Definition. Geißler beispielsweise versteht unter dem Begriff: „Gruppierungen mit ähnlicher Soziallage und damit typischen Subkulturen und Lebenschancen“.9 Sprich Menschen in ähnlichen Schichten machen oftmals gleiche Erfahrungen, weil sie in ähnlichen Lebensbedingungen leben. Dadurch entstünde dann eine Art „schichtspezifische[s] Einstellungs- und Verhaltensmuster“10, so eine Sozialisationsannahme. Karl Marx nennt dies das „Klassenbewusstsein“, Theodor Geiger „Schichtmentalität“ und Pierre Bourdieu „Klassenhabitus“.
3. Analyse der Schichtmodelle
Theodor Geiger, Ralf Dahrendorf und Rainer Geißler gehören zu den bedeutendsten Soziologen und deren Schichtmodelle sind überaus bekannt. Jeder von ihnen lebte in einer anderen Zeit, zu anderen gesellschaftlichen Gegebenheiten und eben dies spiegeln auch ihre Werke wider. Im Folgenden wird sowohl der historische Kontext als auch das jeweilige Schichtmodell Erwähnung finden.
3.1. Schichtmodell Theodor Geiger
Bei dem am 9. November 1891 in München geborenen und am 16. Juni 1952 auf See gestorbenen Theodor Julius Geiger handelt es sich um einen dänischen Soziologen deutscher Herkunft.11 Er wuchs in Landshut auf, erwarb dort die allgemeine Hochschulreife und studierte ab 1910 Rechts- und Staatswissenschaften in München. Im Jahr 1932 veröffentlichte er das Buch „Die soziale Schichtung des deutschen Volkes“, in dem er sich neben umfangreichen Studien zur sozialen Schichtung auch mit wahlsoziologischen Forschungen zum Nationalsozialismus auseinandersetzt. Nach seiner Emigration lehrte er als erster Professor für Soziologie an der Universität Aarhus in Dänemark.
Gelten Marx und Weber als Väter des Klassenkonzepts, so gehören die Werke Theodor Geigers zu den Bedeutsamsten des Schichtkonzepts. Er gilt als Begründer der Schichtungssoziologie. Nach Theodor Geiger lässt sich eine Gesellschaft in Gruppen mit typischer Soziallage einteilen. Die zentrale Annahme ist, dass die Gesellschaft kein Gegenstand, sondern ein Prozess ist. Die sozialen Schichten gelten dabei als die bewegenden Kräfte der Gesellschaft, sodass deren Auffindung das Ziel jeder Sozialstrukturanalyse ist.
„Schichtung heißt (…) Gliederung der Gesellschaft nach dem typischen Status ihrer Mitglieder, ohne nähere Bestimmungen der Soziallagen oder der Merkmale, an die sie im geschichtlichen Sonderfall geknüpft sind“12, so Geiger. Sein Schichtbegriff fasst Menschen mit vergleichbarem sozialem Status zusammen. In diesem Status sammeln sich Lebensstandards, Chancen, Risiken, Glücksmöglichkeiten, Privilegien, Diskrimination sowie Rang und öffentliches Ansehen.13 Die Gewichtung dieser einzelnen Indikatoren unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel, ist also zeit- wie ortspezifisch und keine Konstante. Der Status von mehreren Menschen ergibt eine gemeinsame soziale Lage. Diese „Soziale Lage (…) dient bei Geiger als Oberbegriff, der die Sozialstruktur einer Gesellschaft kennzeichnet. Begriffe (…) [wie] Kaste, Stand oder Klasse sind nur Beispiele für historische Sonderfälle einer Schichtung.“14
Um die jeweilige soziale Lage zu definieren, sind nicht nur die objektiven Statusmerkmale relevant, sondern gleichermaßen gilt es die subjektive Seite der Schichtzugehörigkeit zu betrachten. Geiger unterscheidet zwischen einem objektiven und einem subjektiven Schichtbegriff. Der objektive Schichtbegrifft berücksichtigt ausschließlich äußere Merkmale, wie Beruf und Einkommen, der subjektive Schichtbegriff hingegen gruppiert Menschen nach gemeinsamer innerer Haltung, Denkweise sowie psychischer Verfassung.15 Für Geiger ist es keinesfalls so, dass die objektive Lage zwangsläufig die subjektive Einstellungs- und Handlungsmuster festlegt, dennoch sind oft typische Mentalitäten zu erkennen. Insgesamt gilt: „Erst Soziale Lage und ihre typische Mentalität zusammen konstituieren eine Schicht“16. Deshalb können Gruppen, die sich in der gleichen sozialen Lage befinden, aber über unterschiedlicher Mentalität verfügen, unterschiedliche Schichten bilden. Daraus resultierend können Mentalitäten auch soziale Lagen übergreifen.
Aufgrund dessen sollte man, laut Geiger, zuerst „Lagen und Haltung […] getrennt erfass[en], dann aber die Verteilung der Lagen und die der Haltungen miteinander vergleich[en] , [dann] wird man gewisse Haltungen als typisch für gewissen Lagen erkennen“17.
Theodor Geiger hat diese Vorstellung von Schichten und Mentalitäten in einer Studie umgesetzt, in dieser hat er eine Volkszählung von 1925 analysiert. In dem Werk „Die Soziale Schichtung des deutschen Volkes“ von 1932 unterteilt der Soziologe die Gesellschaft in insgesamt drei Klassenlagen, in „die kapitalistische, die mittlere und die proletarische Lage“18. Diesen drei Lagen unterzieht er wiederrum einer Tiefengliederung mit Beachtung der Berufs- und Einkommensdifferenzierung, sodass letztendlich eine fünfteilige Schichtung entsteht; Kapitalisten, Mittlere und kleinere Unternehmer, Tagewerker für eigene Rechnung, Lohn-und Gehaltsbezieher höherer Qualifikation und Lohn-und Gehaltsbezieher minderer Qualifikation.19 Grundsätzlich werden Ungleichheitsstrukturen überwiegend durch größere Gruppen bestimmt, welche sich in einer homogenen sozialen Lage befinden und somit homogene Mentalitäten aufweisen. Zudem ist die soziale Schichtung, laut Geiger, von dem Verhältnis der Menschen zu Produktionsmitteln bestimmt, also der Wirtschaftsmentalität.20.
[...]
1 Vgl. Schwinn: Soziale Ungleichheit (transcript Verlag, Bielefeld 2007), S.9.
2 Vgl. Hradil: Soziale Ungleichheit in Deutschland (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2001), S. 29.
3 Ebd. S. 15.
4 Vgl. Solga und Powell: Soziale Ungleichheit Klassische Texte zur Sozialstrukturanalyse (Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009), S. 13.
5 Krause: Lexikon der Soziologie (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1994), S. 73
6 Hradil: Bundeszentrale für politische Bildung 2012
7 Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008), S..
8 Hradil: Soziale Ungleichheit in Deutschland (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2001), S. 29.
9 Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008),
10 Ebd.
11 Vgl. Henze: Die Demokratietheorie in der Soziologie Theodor Geigers Eine Analyse und kritische Würdigung (Juristische Medien AG, Zürich 2012), S.3.
12 Groß: Klassen, Schichten, Mobilität Eine Einführung (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008), S.31.
13 Vgl. Burzan: Soziale Ungleichheit Eine Einführung in die zentralen Theorien (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007), S.26.
14 Ebd.
15 Vgl. Groß: Klassen, Schichten, Mobilität Eine Einführung (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008), S.33.
16 Ebd.
17 Burzan: Soziale Ungleichheit Eine Einführung in die zentralen Theorien (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007), S.27.
18 Hradil: Soziale Ungleichheit in Deutschland (VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2001), S.71.
19 Ebd.
20 Ebd.