Welche Stellung nahm das Vandalenreich im Mittelmeerraum in seiner Anfangsphase ein und auf welche Art und Weise beeinflusste seine Politik die Geschehnisse in der spätantiken Welt. Ausgehend davon soll abschließend die Frage geklärt werden, ob das Vandalenreich eine prägende Macht oder nur eine Episode in den vielen Umwälzungen dieser Zeit war.
Literatur über die Vandalen als Ganzes ist solide vorhanden, wichtige Monographien hierzu schrieben Helmut Castritius und Roland Steinacher. Zudem existieren Werke zu dem ersten und wichtigsten Vandalenkönig in Nordafrika, Geiserich. Die Quellenlage vor Ort wiederum ist äußerst dünn, die bedeutenste Überlieferung stammt von Victor von Vita, welcher aber seinen Fokus fast ausschließlich auf die Verfolgung der nordafrikanischen Christen legt. Ansonsten behandelt Prokop mit seinen Historien recht zeitnahe die Geschehnisse im Bezug auf die Vandalen.
Als Prokop von Caesarea in seinen Historien die Einnahme der Stadt Rom durch die Vandalen im Jahr 455 beschreibt wirkt es, als ob die Stadt von einer militärischen Großmacht eingenommen werden würde, nicht von einem Königreich, dessen Bestehen man nicht einmal in Jahrzehnten messen konnte. Diese Diskrepanz ist ein gutes Beispiel für das uneindeutige Bild, welches wir von dem als Vandalen bekannten Großverband haben, welcher im 4.Jh in dauerhaften Kontakt mit dem imperium romanum kam. Helmut Castritius leitet sein Buch Die Vandalen auch mit dem Kapitel ,,Vandalenbilder’’ein, er stellt fest, dass das einzige Kontinuum durch die Zeit der Name und das damit Verbundene ethnische Bewusstsein sei. Dennoch bezeugt Prokop, dass die Vandalen ein handlungsfähige politische Macht gegenüber Rom sind und sie offensichtlich zu solchen Militäroperationen von ihrem Königreich in Nordafrika fähig schienen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Errichtung des Königreiches
Piraterie und Intervention
Die Nachfolge Geiserichs
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis/Quellen
1. Einleitung
Als Prokop von Caesarea in seinen Historien die Einnahme der Stadt Rom durch die Vandalen im Jahr 455 beschreibt wirkt es, als ob die Stadt von einer militärischen Großmacht eingenommen werden würde, nicht von einem Königreich, dessen Bestehen man nicht einmal in Jahrzehnten messen konnte.1 Diese Diskrepanz ist ein gutes Beispiel für das uneindeutige Bild, welches wir von dem als Vandalen bekannten Großverband haben, welcher im 4.Jh in dauerhaften Kontakt mit dem imperium romanum kam. Helmut Castritius leitet sein Buch Die Vandalen auch mit dem Kapitel ,,Vandalenbilder''ein, er stellt fest, dass das einzige Kontinuum durch die Zeit der Name und das damit Verbundene ethnische Bewusstsein sei.2 Dennoch bezeugt Prokop, dass die Vandalen ein handlungsfähige politische Macht gegenüber Rom sind und sie offensichtlich zu solchen Militäroperationen von ihrem Königreich in Nordafrika fähig schienen.
Über die genaue Herkunft der ostgermanischen Völkergemeinschaft der Vandalen ist nichts verlässliches bekannt, sie treten erst wirklich in das Gesichtsfeld der Forschung, als sie im 3.Jh n.Chr. mit der römischen Ostgrenze in Konflikt geraten, bis sie 406/7 mit anderen Volksgruppen den Rhein nach Gallien hinein überschritten.3 Nach kurzen Ansiedlungen in Gallien und Spanien, dort nahmen sie auch den arianischen Glauben an, überquerten sie 429 die Straße von Gibraltar.4 Von dort eroberten sie in kurzer Zeit die meisten weströmischen Provinzen Nordafrikas, 239 fiel auch Karthago.5 Vor diesem Übergang unterschieden sich die Vandalen in ihrer machtpolitischen Stellung nicht viel von anderen Gruppen die zu diesem Zeitpunkt durch das Römische Reich zogen. Sie waren auf der Suche nach Siedlungsraum, schlossen Verträge mit Rom und bekämpften sich dann wieder mit römischen Heeresverbänden oder anderen eingewanderten Völkergruppen. Mit der Eroberung Nordafrikas änderte sich dieser Status aber, die Vandalen unter Geiserich besaßen nun mehr als den Förderatenstatus, nämlich ein eigenes, gegenüber Rom souveränes Reich.6
Dieser Einritt in einen neuen Status als Volksverband führt zu der Fragestellung, die hier erörtert werden soll. Welchen Stellung nahm das Vandalenreich im Mittelmeerraum in seiner Anfangsphase ein und auf welche Art und Weise beeinflusste seine Politik die Geschehnisse in der spätantiken Welt. Ausgehend davon soll abschließend die Frage geklärt werden, ob das Vandalenreich eine prägende Macht oder nur eine Episode in den vielen Umwälzungen dieser Zeit war.
Literatur über die Vandalen als ganzes ist solide vorhanden, wichtige Monographien hierzu schrieben Helmut Castritius und Roland Steinacher. Zudem existieren Werke zu dem ersten und wichtigsten Vandalenkönig in Nordafrika, Geiserich. Die Quellenlage vor Ort wiederum ist äußerst dünn, die bedeutenste Überlieferung stammt von Victor von Vita, welcher aber seinen Fokus fast ausschließlich auf die Verfolgung der nordafrikanischen Christen legt. Ansonsten behandelt Prokop mit seinen Historien recht zeitnahe die Geschehnisse im Bezug auf die Vandalen.
2. Die Errichtung des Königreiches
Die Gründe, warum sich die Vandalen dazu entschieden, 429 aus ihrer prekären Siedlungssituation in Spanien auszubrechen und den Weg über die Straße von Gibraltar zu wagen, sollen hier nochmal kurz aufgeführt werden. Vertraglich die Situation für die Vandalen sehr ungewiss, hatten sie zwar nach der Überquerung der Pyrenäen ein Abkommen geschlossen, welches sie als gentes in Spanien ansiedelte,7 jedoch war dieser Vertrag 410/411 mit dem Usurpatoren Maximus abgeschlossen worden, welcher zu diesem Zeitpunkt Hispanien kontrollierte.8 Spätestens 413 hatte aber die Regierung in Ravenna die Situation wieder weitesgehend unter ihre Kontrolle gebracht, für sie galt der Vertrag nun nicht mehr.9 Für uns ist es aber vor allem interessant zu betrachten, welche politischen Verwerfungen die Überquerung auslöste. Auch wenn einige antiken Autoren behaupten, dass der zu diesem Zeitpunkt um die Vorherrschaft kämpfende Bonifatius die Vandalen eingeladen hätte: Geiserich handelte letztendlich autark und für die eigene Sache als er in die römischen Provinzen einfiel und diese bis auf Karthago relativ rasch unter seine Kontrolle brachte.10 Für den Ausgang des zu diesem Zeitpunkt im Reich tobenden Bürgerkrieg war dies relativ unerheblich, jedoch schwächte der Abfall der äußerst wirtschaftlich und kulturell reichen Provinz die Zentralgewalt erheblich.11
Es ergibt sich nun die Frage, welchen Status das Herrschaftsgebiet unter ihrem rex Geiserich hatte. Nach den für beide Seiten verlustreichen Kämpfen in Nordafrika wurde ein Friedensvertrag zwischen Ravenna und Geiserich abgeschlossen, welcher aber von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert wurde.12 Historisch belegt ist dieser Vertrag beispielsweise bei Prosper, der aber nur knapp beschreibt, dass: ,, Mit den Vandalen Frieden geschlossen wurde und ihnen dabei ein Teil Afrikas zur Niederlassung übergeben [wurde]''.13 Für Ravenna galten die Provinzen aber immer noch als Teil des Reiches, während die Vandalen das Gebiet als ihr eigenes legitimes ansahen, mit Hippo Regius als Hauptstadt.14 Diese Stellung lässt sich auch damit untermauern, dass die Vandalen nicht wie übliche Föderaten Hilfstruppen stellen mussten und es gab auch nicht die übliche Verteilung von Siedlungsgebieten von Ravenna aus koordiniert.15
Diese unterschiedlichen Interpretationen des Vertrages wehrten aber nicht lange. 239 brach Geiserich den Vertrag und eroberte Karthago.16 Damit hatte er endgültig die Kontrolle über Nordafrika und eine außergewöhnliche Machtposition in dem dahinschwindenden Weströmischen Reiches erlangt.17 Damit kontrollierten die Vandalen endgültig die Provinzen Byzacena und Proconsularis, der Vertragsbruch zeigte auch, dass die Vandalen mittlerweile so selbstbewusst waren, dass sie so einen Bruch wagten.18 Auch ein Oströmisch getragener Entlastungsangriff schaffte es nicht, Geiserichs aggressives Auftreten einzudämmen.19 War das Verhältnis zwischen Westrom und den Vandalen nach dem vorigen Vertrag zumindest zweideutig, nun bestand nach dem neuen Vertrag von 442 nun kein Zweifel mehr, dass das regnum der Vandalen völkerrechtlich mit dem imperium romanum gleichzusetzen war.20
Die Ereignisse des Jahres 455 beschleunigten noch einmal diese Entwicklung und führten der Mittelmeer gnadenlos vor Augen, welche Macht Geiserich von Karthago aus besaß. Nachdem Kaiser Valentinian III. den bis dahin ,,starken Mann im Reich'' Aetius eigenhändig erschlagen hatte, wurde der Kaiser selber Opfer der Anhänger des Heermeisters. Für das fragile weströmische Reich war der Tod des letzten Kaisers der Theodosianischen Dynastie das vorweggenommene Ende der Reichshälfte.21 Bemerkenswert ist aber vor allem die Reaktion Geiserichs, immerhin mit Valentinian vorläufig verschwägert. Der selbsternannte neue Kaiser in Rom, Petronius Maximus wollte sich nämlich nicht an das Versprechen halten, Valentinians Tochter mit Geiserichs Sohn zu verheiraten, er nutzte Eudocia lieber für eine andere Verbindung.22 Das Geiserich nur deswegen 455 in Rom intervenierte wäre naiv, es war höchstens ein verstärkender Faktor. Der wichtigste Grund war wohl, dass die Vandalen sich als Schutzmacht der Kaiserdynastie darstellen konnten und einen ihnen offensichtlich ungewogenen Herrscher beseitigen konnten.23 Plötzlich waren die Verhältnisse umgekehrt, das neue Königreich aus Nordafrika trat als Protektor von Westrom auf und war theoretisch in der Lage, den neuen Kaiser einzusetzen.24
Auch die Tatsache, dass die Vandalen das Eindringen in die Stadt zu Bereicherung nutzen, soll hier nicht unterschlage werden. Umberto Roberto widerspricht in einem sehr aufschlussreichen Artikel der Plünderung als Selbstzweck. Die Vandalen legten ein besonderes Augenmerk darauf, Schätze mitzunehmen, welche ihre neue Hauptstadt Karthago als Nachfolger von Rom legitimieren sollte.25 Damit signalisierte Geiserich klar, wer die neue hegemoniale Macht im westlichen Mittelmeerraum war, von dieser Plünderung sollte sich Westrom dann auch nicht mehr erholen.26 Die Besetzung Roms war also kein habgieriges ,,Zusammenraffen'', wie einige ,,ältere'' Literatur es uns mitteilen möchte.27
Aus all dem kann man eine wichtige Erkenntnis ableiten. Geiserich hatte etwas geschafft was andere germanische Heerführer seit Beginn der großen Migrationswellen ins Römische Reich versucht hatten, nämlich ein eigenes Reich im beziehungsweise neben dem Römischen Reich zu errichten.
[...]
1 Prok. BV. 3,5,1-7.
2 Castritius, Helmut (2007): Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche. Stuttgart: Kohlhammer. S.14.
3 G. H. Waldherr, Vandali. In: Der Neue Pauly. H. Cancik, H. Schneider ,M. Landfester (Hg.), doi:http://dx.doi.org/10.1163/1574-9347_dnp_e1228340 (letzter Abruf 09.09.2020), Ort 2006. S.1.
4 ebd.
5 ebd.
6 Waldherr (2006) S1.
7 Castritius S.62-63.
8 ebd. S.60.
9 Castritius (2007) S.63.
10 Börm (2009) S.70.
11 Waldher (2006). S.1.
12 Castritius (2007) S.90.
13 Prosp. chron. 1332.
14 Castritius (2007) S.91.
15 ebd.
16 Börm (2009) S.77.
17 Börm (2009) S.77.
18 M. Meier, Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr, München 2019. S.665.
19 ebd. 667.
20 ebd. S.670.
21 U. Roberto, Dépouiller Rome ? Genséric, Avitus et les statues en 455, Revue historique, 684, 2017, 775-802. S.755.
22 Börm (2009) S.96-97.
23 Steinacher (2016) S.200.
24 Steinacher (2016). S. 200-201.
25 Roberto (2017). S.755.
26 ebd.
27 Seston, William (1963): Verfall des Römischen Reichs im Westen. In: Mann, golo (Hrsg.) Propyläen Weltgeschichte. Rom. Die römische Welt. Berlin: Ullstein. S. 574.