Faschismus in Italien
INNEN- UND AUSSENPOLITISCHE LAGE ITALIENS VOR 1. WELTKRIEG
- als „Spätkommer“ unter den europäischen Nationalstaaten erlebte Italien die
Industrialisierung erst kurz vor der Jahrhundertwende
- Staat trat als Unternehmer in der Schwerindustrie hervor
- Konkurrenzfähigkeit der italienischen Erzeugnisse wurde durch hohe Schutzzölle gesichert
→ Handelskrisen schädigten die Landwirtschaft (besonders im Süden)
- 1876-1914 mussten 5-6 Millionen Italiener emigrieren
→ Überangebot an Arbeitskräften
⇒negative Auswirkung auf Fabrikarbeiter, deren geringe Entlohnung wiederum die Entstehung eines leistungsfähigen Binnenmarktes unterband
- italienischer Arbeiter wurde im Vergleich zu seinen europäischen Kollegen am schlechtesten bezahlt und musste auch noch länger arbeiten
NACH 1. WELTKRIEG:
- man konnte Territorialgewinne verzeichnen
- aber, das Land war weniger arm als zuvor
- Felder waren heruntergekommen
- es war wenigere Vieh als zuvor vorhanden
- hohe Verschuldung bei ehemalig Verbündeten
- Unmut der Bevölkerung entlud sich gegen die Regierung / Rücktritt
- Unruhen brachern aus, wie im Juni 1919.Als in großen Städten gegen die sprunghaft steigenden Preise demonstriert wurde
- FOLGE: Neuwahlen
- Faschisten waren an den Wahlurnen anfangs erfolglos gewesen
- Faschisten der ersten Stunde waren zurückgekehrte Kriegsfreiwillige, seit März 1919 von Benito Mussolini organisiert in den „fasci di combattimento“ geschult vom politischen STIL des nationalistischen Dichters D’Annunzio
- von Existenzangst getriebene Kleinbürger (.., die nach Bankzusammenbrüchen ihre Spareinlagen verloren hatten) und zum Beispiel auch Händler und Angestellte, sehnten sich nach einer Ordnungsmacht, die den drohenden Sieg der Sozialisten verhindern sollten
- die Sozialisten verloren immer an Boden, wegen Abspaltung des Linken Flügels
- Faschisten gingen gegen slawische Minderheiten im Norden, gegen Gewerkschaftshäuser, Redaktionsbüros und gegen Kooperativen der sozialistischen Landarbeiter vor
- Getreu ihrer Parole, dass man gegen Gewalt nur mit überlegener Gewalt etwas ausrichten könne, gingen sie mit Brutalität vor, die geeignet schien, das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen
- Terroraktionen wurden von Kleineigentümern in der Poebene offen unterstützt und von der Polizei sogar geduldet
- Mussolinis öffentliche Distanzierung von seinen linksradikalen Anfängen und die Versprechen an die Industrie, machten den Faschismus „salonfähig“
- Versprach die Inflation und steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen
- 1919 hatten sie bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer nicht mehr als 4795 Stimmen
- aber als Folge mehrerer aneinander ablösenden Regierungen, den es nicht gelang die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in den Griff zu bekommen, gab es den Faschisten die Gelegenheit, sich als Erretter ihres Landes darzustellen (die einzige Kraft)
- jedoch im Jahre 1922 hatte die von Mussolini 1921 gegründete PNF (Partito Nazionale Fascista) bereits über 320 000 Mitglieder und war mit Abstand die größte Partei Italiens
- „Entweder man vertraut uns die Regierungsgewalt an, oder werden sie uns nehmen, indem wir nach Rom marschieren“
⇒ diese tollkühne Drohung wurde auf dem Parteitag der italienischen Faschisten ausgestoßen, der gegen Ende 1922 in Neapel stattfand, und von den 40 000 Besuchern und Delegierten mit dem vielstimmigen Schrei „ROMA!ROMA!ROMA!“beantwortet
- der Redner war Benito Mussolini
- so hatten die Faschisten große Unterstützung von ihrer Anhängerschaft
- das gab Mut, den Marsch nach Rom und den Griff nach der Staatsmacht zu wagen
- außerdem hatten sie die begründete Hoffnung, weil das HAUS SAVOY zusicherte, dass sie sich neutral verhalten würden
- „Per Roma!“ hieß es am 28. Oktober 1922
- in Kolonnen aufgeteilt, marschierten 26 000 Faschisten (Kampfgruppen= „Squadri“) sternförmig auf Rom zu
- Die Regierung wollte das Kriegsrecht verhängen, doch der König Viktor Emmanuel 3. weigerte sich die Verordnung zu unterzeichnen
- Als sich herumsprach, dass er bereit war, Mussolini zu akzeptieren, legten Polizei und Armee die Hände in den Schoß und ließen die Schwarzhemden, die mit Zügen, Busen und teilweise auch zu Fuß in die Stadt strömten, gewähren
- Mussolini selbst blieb vorerst in Mailand und betätigte sich aus der Ferne als Agitator
- Er war bereits mit Bildung einer Regierung beauftragt worden, sodass der Marsch auf Rom eigentlich unnötig gewesen wäre
- Für die faschistischen Legendenbildung war der Marsch aber nützlich
- Der neue Regierungschef traf am Montag des 30. Oktober 1922 mit dem Zug in Rom ein
- Nachdem er sein Amt angetreten hatte - als jüngster Premierminister in der Geschichte Italiens -, entpuppte er sich als höchst geschickter Politiker.
- Er schwang sich nicht gleich zum Diktator auf, sondern als national denkender Führer, wie die Präsentation der Kabinettsliste demonstrieren sollte
- Und das war er auch, was die Italiener bereit waren zu akzeptieren, ja wünschten: eine nationale Führerfigur
- Sie waren der Streiks und Unruhen überdrüssig und fanden Gefallen an dem bombastischen und mittelalterlichen Auftreten der Faschisten
⇒ so ist es zu erklären, dass es im Anschluss auf den Marsch nach Rom zu spontanen Beifallsbekundungen kam und die immense Popolarität Mussolinis überlebte
- nach dem Marsch auf Rom gelang es Mussolini die rivalisierenden Parteiströmungen und die alten konservativen Eliten, das Königshaus unter Viktor Emmanuel 3., das Militär und nicht zuletzt die Kirche für den faschistischen Staat einzuspannen, ohne dabei deren relative Bewegungsfreiheit beseitigen zu können
- die Zerstörung des liberalen Systems vollzog sich in weiteren Etappen : durch eine Änderung des Wahlgesetzes wurde dem PNF die Vorherrschaft im Parlament gesichert
- es verbesserte sich unter dem faschistischen Regime die Arbeitsbedingungen und die rechtliche Lage der Arbeiter
- Die Statistik Mussolinis verkündeten stolz, dass zw. 1922 und 1942 zu keiner Zeit mehr als 100 000 Arbeitskräfte bei staatlichen Großprojekten im Einsatz gewesen
seien und dass die Regierung in diesem Zeitraum nicht weniger als 33.634 Millionen Lire für diese Projekte ausgegeben habe
- Es wurde gewiss eine Menge getan und erreicht, aber doch nur ein Bruchteil dessen, was geplant und angekündigt war z.B. begonnene Projekte kamen meistens zum
Erliegen und riesige Geldsummen versickerten (d.h. flossen teilweise in die Taschen korrupter Beamter und hochrangiger Faschisten, die ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollten, solange noch Zeit war
- Wegen der Leistungen Mussolinis „duce“ war er nicht nur ein Diktator, sondern auch ein Idol z.B. in zahllosen italienischen Wohnzimmern hing sein Bild und auf den Straßen erblickte man auf Schritt und Tritt mit weißer Farbe auf Mauern und Wänden gepinselt, Lobsprüche auf ihn
- Die Vorstellung, er sei der von der Vorsehung erkorene Führer des italienischen Volkes, nistete sich, von Mussolini selbst und seinen Managern geschickt und beharrlich propagiert, allmählich in den Köpfen der meisten Italiener ein
- Allein der Duce befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem abschüssigen Weg, der ihn in den Untergang führen sollte
- Opfer seiner eigenen Propaganda, überzeugt von seiner Unfehlbarkeit und blind gegenüber Tatsachen, die sich nicht mit seiner Wunschvorstellung vertrugen, gab er sich dem Glauben hin, das BÜNDNIS MIT HITLER, die sogenannte Achse ROMBERLIN, werde Italien zu jener „wahren Größe verhelfen, zu der der Faschismus es prädestiniert hat“ , und ließ sich in einen Krieg hineinziehen
- Obwohl Mussolinis Ideologie (eine Art „Kulturrevolution“) die Jugendlichen zur kämpferischen, imperialen Einstellung erziehen sollte, um mental für den Krieg vorbereitet zu sein, war das italienische Heer absolut nicht gerüstet
- Am 10. Juni 1940 erklärte Mussolini nach langem Zögern und vielen Nachdenken England den Krieg
- Der Krieg nahm einen katastrophalen Verlauf - katastrophal für Italien im allgemeinen und für Mussolini im besonderen
- Im Sommer 1943 war es soweit, dass man in Rom sogar bis weit in die Reihe der Faschisten diskutierte, wie man sich am besten des Duce entledigen könnte
- Der König reagierte mit tiefer Betroffenheit, als am 19. Juli bei einem verheerenden Luftangriff der Alliierten auf Rom, Hunderte von Menschen ums Leben gekommen waren und zahlreiche Gebäude beschädigt worden waren
- Nach Wochen des Zögerns hatte sich der König überreden lassen, die Verhaftung Mussolinis anzuordnen, worauf Mussolini bei der nächsten Audienz mit 19 von 28 Ratsstimmen abgesetzt wurde
- Die Neuigkeit versetzte ganz Italien in höchste Aufregung, und selbst die gleich anschließende Erklärung, dass der Krieg weitergeführt werde, ließ die Gemüter nicht abkühlen
- Durch die Straßen Roms zogen die Menschen haufenweise und verkündeten in Sprechchören das Ende des Krieges
- Drangen in Redaktionsräume der faschistischen Zeitung „Il Messaggero“ ein und warfen Möbel und Portraitbilder des gestürzten Duce aus dem Fenster
- Über Nacht waren, so schien es, die Römer allesamt zu Antifaschisten geworden
- Kampflos war der Faschismus in Rom zusammengebrochen
- Nach einmonatigen Geheimverhandlungen mit den Alliierten, ohne dass der deutsche Bündnispartner davon etwas wusste, wurde am 3. September in Sizilien die Urkunde über die Kapitulation unterzeichnet
- Am selben Tag versicherte Italien, es werde „an der Seite seines Bündnispartners Deutschland bis zu Ende kämpfen“
- Aber am 5. September sickerte die italienische Kapitulation bei den Deutschen durch
- Daraufhin bemächtigte sich die Deutsche Wehrmacht der Hauptstadt Rom und es begann die Zeit der NS-Besatzung
- Gegen Ende 1944 gelang es den Alliierten die Stadt Rom zu erreichen und von den Deutschen zu befreien
- Überall, wo alliierte Soldaten erschienen, traten die Römer auf ihre Balkone oder liefen auf die Straße, jubelten und klatschten Beifall, winkten mit Blumen und vollgeschenkten Weinkrügen
- Benito Mussolini war am 27. April 1945 von roten Partisanen erschossen worden
Häufig gestellte Fragen
Was war die innen- und außenpolitische Lage Italiens vor dem Ersten Weltkrieg?
Italien erlebte als "Spätkommer" unter den europäischen Nationalstaaten die Industrialisierung erst kurz vor der Jahrhundertwende. Der Staat trat als Unternehmer in der Schwerindustrie hervor, und die Konkurrenzfähigkeit der italienischen Erzeugnisse wurde durch hohe Schutzzölle gesichert. Dies führte jedoch zu Handelskrisen, die besonders die Landwirtschaft im Süden schädigten, was zur Auswanderung von 5-6 Millionen Italienern zwischen 1876 und 1914 führte. Das Überangebot an Arbeitskräften wirkte sich negativ auf Fabrikarbeiter aus, deren geringe Entlohnung wiederum die Entstehung eines leistungsfähigen Binnenmarktes unterband. Italienische Arbeiter wurden im Vergleich zu ihren europäischen Kollegen am schlechtesten bezahlt und mussten länger arbeiten.
Wie war die Situation Italiens nach dem Ersten Weltkrieg?
Italien verzeichnete zwar Territorialgewinne, war aber nicht weniger arm als zuvor. Felder waren heruntergekommen, weniger Vieh vorhanden, und das Land war hoch verschuldet. Der Unmut der Bevölkerung entlud sich gegen die Regierung, was zum Rücktritt führte. Es brachen Unruhen aus, und die Faschisten waren an den Wahlurnen anfangs erfolglos.
Wer waren die ersten Faschisten und was waren ihre Ziele?
Die Faschisten der ersten Stunde waren zurückgekehrte Kriegsfreiwillige, seit März 1919 von Benito Mussolini in den "fasci di combattimento" organisiert. Von Existenzangst getriebene Kleinbürger, Händler und Angestellte sehnten sich nach einer Ordnungsmacht, die den drohenden Sieg der Sozialisten verhindern sollte. Sie gingen gegen slawische Minderheiten, Gewerkschaftshäuser, Redaktionsbüros und Kooperativen der sozialistischen Landarbeiter vor.
Wie gelang es den Faschisten, an die Macht zu kommen?
Mussolinis öffentliche Distanzierung von seinen linksradikalen Anfängen und die Versprechen an die Industrie machten den Faschismus "salonfähig". Er versprach, die Inflation und steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Obwohl sie bei den Wahlen 1919 kaum Stimmen erhielten, nutzten sie die Schwäche aufeinanderfolgender Regierungen, um sich als Erretter des Landes darzustellen. 1922 hatte die von Mussolini gegründete PNF bereits über 320.000 Mitglieder.
Was war der Marsch auf Rom und welche Bedeutung hatte er?
Der Marsch auf Rom am 28. Oktober 1922 war eine Machtdemonstration der Faschisten. 26.000 Faschisten marschierten sternförmig auf Rom zu. Der König weigerte sich, das Kriegsrecht zu verhängen, und die Armee ließ die Schwarzhemden gewähren. Mussolini wurde mit der Bildung einer Regierung beauftragt, was den Marsch eigentlich unnötig machte, aber für die faschistische Legendenbildung nützlich war.
Wie festigte Mussolini seine Macht nach dem Marsch auf Rom?
Mussolini schwang sich nicht gleich zum Diktator auf, sondern präsentierte sich als national denkender Führer. Er spannte die rivalisierenden Parteiströmungen, die alten konservativen Eliten, das Königshaus, das Militär und die Kirche für den faschistischen Staat ein. Die Zerstörung des liberalen Systems vollzog sich in weiteren Etappen, und durch eine Änderung des Wahlgesetzes wurde dem PNF die Vorherrschaft im Parlament gesichert. Es wurden Arbeitsbedingungen und die rechtliche Lage der Arbeiter verbessert.
Welche Rolle spielte Mussolini als "Duce"?
Wegen seiner Leistungen als "Duce" war Mussolini nicht nur ein Diktator, sondern auch ein Idol. Die Vorstellung, er sei der von der Vorsehung erkorene Führer des italienischen Volkes, nistete sich in den Köpfen der meisten Italiener ein.
Wie führte Mussolinis Bündnis mit Hitler zu seinem Fall?
Überzeugt von seiner Unfehlbarkeit und blind gegenüber Tatsachen, die sich nicht mit seiner Wunschvorstellung vertrugen, gab sich Mussolini dem Glauben hin, dass das Bündnis mit Hitler Italien zu "wahrer Größe verhelfen" werde, und ließ sich in einen Krieg hineinziehen. Der Krieg nahm einen katastrophalen Verlauf, und 1943 wurde in Rom sogar bis weit in die Reihe der Faschisten diskutiert, wie man sich am besten des Duce entledigen könnte.
Wie endete Mussolinis Herrschaft?
Nach Wochen des Zögerns hatte sich der König überreden lassen, die Verhaftung Mussolinis anzuordnen, worauf Mussolini bei der nächsten Audienz mit 19 von 28 Ratsstimmen abgesetzt wurde. Italien kapitulierte heimlich vor den Alliierten. Daraufhin bemächtigte sich die Deutsche Wehrmacht der Hauptstadt Rom, und es begann die Zeit der NS-Besatzung. Mussolini wurde am 27. April 1945 von roten Partisanen erschossen.
Was geschah nach dem Sturz Mussolinis?
Nach einmonatigen Geheimverhandlungen mit den Alliierten, ohne dass der deutsche Bündnispartner davon etwas wusste, wurde am 3. September in Sizilien die Urkunde über die Kapitulation unterzeichnet. Daraufhin besetzte die Deutsche Wehrmacht Rom, und es begann die Zeit der NS-Besatzung. Gegen Ende 1944 befreiten die Alliierten Rom von den Deutschen.
- Quote paper
- Tobias Konik (Author), 2001, Faschismus in Italien, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/104291