Diese Hausarbeit soll die jüdische Identität in Deutschland anhand der Dokumentation von "Oma & Bella" veranschaulichen.
Alexa Karolinskis Dokumentarfilm "Oma & Bella" zeigt das Leben der beiden, eben Oma und Bella, er begleitet beim Kochen und Backen, zeigt lachende und auch traurige Gesichter und vereint Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem. Die Zuschauenden finden sich mitten in einer liebevollen, barmherzigen Küche wieder, die mehr als nur eine Momentaufnahme widerspiegelt. Es stellt das Leben von zwei fürsorglichen Damen dar, erzählt ihre Geschichten, mit all den schönen und auch schrecklichen Seiten, von denen Oma und Bella viele zu bieten haben.
Meistens wirken die beiden glücklich, doch bei der Zubereitung des Essens kommen nicht nur schöne Erinnerungen, so wie die an ihre Kindheit in einer jüdischen Familie, sondern auch Schreckliche hoch. Demnach erinnern sich die beiden Freundinnen an den Holocaust, den sie, anders als ihre Familien, überlebten. Sie erzählen wie es in den Ghettos und Arbeitslagern verlief, sie erinnern sich an Erniedrigung und Schikane. Trotz dessen strahlen die Damen eine enorme Lebensenergie aus. Sie tragen Schminke auf, spazieren durch die Stadt, besuchen ihren Friseur, fahren Boot auf der Spree und verbringen gerne Zeit in Gesellschaft. Diese Dokumentation nimmt die Zuschauer:innen mit auf eine Reise durch die jüdische Historie und zeichnet ein Bild von jüdischer Identität in Deutschland, welchem sich diese Hausarbeit widmen wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Jüdische Identität in Deutschland
2.1 Drei Phasen der Identitätsproblematik
2.2 Jüdische Identität in Deutschland vor der Shoah
2.3 Jüdische Identität in Deutschland nach der Shoah
3 Essen und Identität
3.1 Essen und jüdische Identität in Deutschland
4 Oma & Bella - Die Dokumentation
4.1 Handlung
4.2 Jüdische Identität
4.2.1 Essen als Medium
4.2.2 Deutsch jüdische Identität
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
7 Filmverzeichnis
1 Einleitung
Eine schrumpelige Hand reicht einen kleinen Löffel Richtung Kamera: „Braucht man kein Zucker mehr?“ (TC: 00:10:24), fragt Regina Karolinski ihre Enkelin Alexa. Gleich darauf wird der nächste Löffel in Alexas Richtung gehalten, diesmal von Bella Katz, „Omas“ Freundin und Mitbewohnerin. „Eins nach dem anderen kosten“ (TC: 00:10:30) erklärt sie und erfreut sich über das „Mhm“ (TC: 00:10:40) von Alexa, „Wunderbar“ (TC: 00:10:43).
Alexa Karolinskis Dokumentarfilm „Oma & Bella“ (2012) zeigt das Leben der beiden, eben Oma und Bella, er begleitet beim Kochen und Backen, zeigt lachende und auch traurige Gesichter und vereint Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem. Die Zuschauenden finden sich mitten in einer liebevollen, barmherzigen Küche wieder, die mehr als nur eine Momentaufnahme widerspiegelt. Es stellt das Leben von zwei fürsorglichen Damen dar, erzählt ihre Geschichten, mit all den schönen und auch schrecklichen Seiten, von denen Oma und Bella viele zu bieten haben.
Meistens wirken die beiden glücklich, doch bei der Zubereitung des Essens kommen nicht nur schöne Erinnerungen, so wie die an ihre Kindheit in einer jüdischen Familie, sondern auch Schreckliche hoch. Demnach erinnern sich die beiden Freundinnen an den Holocaust, den sie, anders als ihre Familien, überlebten. Sie erzählen wie es in den Ghettos und Arbeitslagern ablief, sie erinnern sich an Erniedrigung und Schikane. Trotz dessen strahlen die Damen eine enorme Lebensenergie aus. Sie tragen Schminke auf, spazieren durch die Stadt, besuchen ihren Friseur, fahren Boot auf der Spree und verbringen gerne Zeit in Gesellschaft. Diese Dokumentation nimmt die ZuschauerInnen mit auf eine Reise durch die jüdische Historie und zeichnet ein Bild von jüdischer Identität in Deutschland, welchem sich diese Hauarbeit widmen wird. „Oma & Bella“ (2012) resultiert aus dem gleichnamigen Kochbuch1, wobei der Film die Geschichten hinter den Rezepten erzählt. Insofern wird die jüdische Küche in den Vordergrund gestellt, allesamt dreht sich um das Essen. Doch für Oma und Bella ist eine Hühnerbrühe viel mehr als nur eine Brühe, es ist jüdisches Penizillin. Genauso verhält es sich mit dem Essen per se, es ist viel mehr als nur Essen. Die Zubereitung von Speisen erinnert an das Jüdischsein, das Verzehren von jüdischen Gerichten lässt in Nostalgie schwelgen. All das ist ein Medium für die jüdische Identität. Doch wie genau diese Verbindung zwischen Essen und Identität hergestellt wird und was dies für das Jüdischsein bedeutet, wird in dieser Arbeit näher erläutert. Zudem ist es wichtig anzumerken, dass sich die Dokumentation in Deutschland, Berlin abspielt. In Folge dessen, wird in dieser Hausarbeit die jüdische Identität in Deutschland ergründet und inwiefern diese in „Oma & Bella“ (2012) konstruiert und dem Publikum verkauft wird. Demnach sollte zunächst die jüdische Identität in Deutschland veranschaulicht werden.
2 Jüdische Identität in Deutschland
Die Frage nach der jüdischen Identität ist eine besonders Wichtige, jedoch erfährt sie einen noch höheren Stellenwert, wenn nach der jüdischen Identität in Deutschland gefragt wird. Die deutsch jüdische Geschichte mit besonderem Fokus auf den Holocaust ist eine Unvergessliche, welche die jüdische Identitätssuche unermesslich erschwerte. Genau aus diesem Grund soll zunächst die jüdische Identität in Deutschland vor der Shoah2 und nach der Shoah dargelegt werden, um einen präziseren Eindruck nach der Frage der jüdischen Identität in Deutschland erlangen zu können.
2.1 Drei Phasen der Identitätsproblematik
Die Identitätsproblematik der in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen kann in drei Phasen unterteilt werden. Diese werden historisch betrachtet und beschreiben den Beginn und die Entwicklung. Die erste Phase dauert von circa 1750 bis 1871 an und behandelt die „Aufklärung, Emanzipation und grundlegende[n] Akkulturation“ (Fölling 1995, 260). Als zweite Phase wird die „verzögerte[n] Assimilation“ (260) gekennzeichnet, diese erstreckt sich von den Jahren 1873/1900 bis 1933. Die dritte und letzte Phase beginnt 1933 mit der Reghettoisierung und endet mit der darauffolgenden Vernichtung ab dem Jahre 1941 (260). Da in dieser Arbeit ein Bild von jüdischer Identität in Deutschland vor und nach der Shoah gegeben werden soll, werden zunächst die ersten beiden Phasen erläutert, so kann ein Bild der jüdischen Identität vor der Shoah gegeben werden. Daraufhin wird die jüdische Identität nach der Shoah abgehandelt.
2.2 Jüdische Identität in Deutschland vor der Shoah
Das Selbstbild der in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen war vor 1933 einerseits von der eigenen jüdischen Religion und Tradition, anderseits von der deutschen Sprache und Kultur bestimmt (Schoeps 2015, 46). Somit verstand sich das deutsch jüdisches Volk auch als solches, sprich einer Mischung aus beiden Kulturen. Zudem begriffen sich die in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen größtenteils als deutsche Familien (Fölling 1995, 259). Diese Zugehörigkeit wurde ihnen allerdings mit Beginn des Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg entzogen (259).
Die Identitätssuche war in der deutsch jüdischen Geschichte seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein permanentes Problem. Zu dieser Zeit verließ das jüdische Volk das Ghetto und demzufolge auch ihr soziales Umfeld, zusammen mit dem jüdischen Glauben, so beschreibt es Werner Fölling in „Zwischen deutscher und jüdischer Identität“ (1995, 259). Dies ist das Kernmerkmal der ersten Phase. Das Verlassen des Ghettos bot zunächst neue Möglichkeiten und Hoffnung, da die jüdische Gemeinde ohne Frage mehr Freiheit erfuhr (259). Jedoch resultierte dies auch in Schuldgefühlen über die zurückgelassenen kulturellen und religiösen Bräuche, welches hauptsächlich ein Gefühl von Verrat den Vorfahren gegenüber mit sich brachten (259). Dieses Empfinden wurde zusätzlich durch das nicht Erreichen von erhofften Standards bestärkt, wodurch sich ebenfalls eine Identitätskrise, mit persönlichem Charakter, entwickelte (259).
Darüber hinaus darf nicht in Vergessenheit geraten, dass bereits vor dem zweiten Weltkrieg Antisemitismus in Deutschland herrschte (260), dieser entstand nicht erst mit der Macht Adolf Hitlers, sondern wurde mit ihm zum Höhepunkt, dem Holocaust, getrieben. Dies lässt die zweite Phase beginnen. Denn aus diesem antisemitistischen Verhalten entwickelte sich ein Minderwertigkeitsgefühl der in Deutschland lebenden jüdischen Bevölkerung (260), welcher die Identitätskrise weiter vorantrieb. Die deutschen Juden und Jüdinnen begriffen sich immer weniger als Teil der deutschen Bevölkerung, da sie von dieser zudem immer mehr abgelehnt wurden (260). Diese enorme Ablehnung begann mit dem Jahre 1873 und wurde daraufhin durch den ersten Weltkrieg und auch durch die Reghettoisierung angekurbelt (260). Seinen Höhepunkt fand diese zweifelsohne mit der Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler, womit die dritte Phase eingeläutet wird. Diese wird jedoch nicht weiter analysiert, da sich die vorliegende Arbeit nur auf die Betrachtung der jüdischen Identität vor und nach der Shoah bezieht. Folglich soll im Anschluss ein Bild der deutsch jüdischen Identität nach der Shoah gegeben werden.
2.3 Jüdische Identität in Deutschland nach der Shoah
Um die jüdische Identitätsfrage nach der Shoah klären zu können, sollte vorerst ausgeführt werden, ob Juden und Jüdinnen in den Nachkriegsjahren in einem Deutschland leben wollten, welches für solch ein Grauen verantwortlich war.
Diese Bedenken sind berechtigt, denn es zeigt sich, dass Juden und Jüdinnen den Osten Deutschlands mieden (Wolffsohn 2015, 13). Demnach war von 1945 bis 1990 eher Westdeutschland von der jüdischen Gemeinde besiedelt, dennoch waren sie im Allgemeinen in Deutschland nahezu nichtexistent (13). Außerdem lebten sie bis 1990 in kleinen jüdischen Gemeinden (13). Sie mischten sich demzufolge nicht unter das deutsche nicht-jüdische Volk und blieben unter sich.
Zudem gab es beliebte deutsche Zufluchtsorte der Holocaust Überlebenden. So zog es den Großteil nach West-Berlin und München, aber auch Frankfurt, Stuttgart und Köln galten als Zufluchtsorte der jüdischen Holocaust Überlebenden (14). Ebenfalls sind jüdische Emigranten aus der Sowjetunion nach Deutschland gekommen, zunächst in den 1970er Jahren, primär jedoch ab 1991 (Wolffsohn 2015, 29).
Nun stellt sich die Frage nach der Identität dieser Juden und Jüdinnen in Deutschland. Nach 1945 gab es sicherlich eine Aufwärtsmobilität, Michael Wolffsohn beschreibt: „The longer they have lived in Federal Germany the better off they are“ (2015, 29). Folglich fühlt sich derweil zumindest ein Teil der in Deutschland lebenden jüdischen Bevölkerung tatsächlich „deutsch“, so drückt es Julias H. Schoebs in „Saving the German-Jewish Legacy?“ (2015, 58) aus. Demgemäß kann das Identitätsgefühl wiedererlangt werden, welches vor der Shoah herrschte, nämlich das der Mischung deutsch jüdischer Kultur. Ein Zustand, welcher lange Zeit zu unterbinden versucht wurde. Die deutschen Juden und Jüdinnen erkämpften sich somit ihre eigene Identität wieder.
Für die zweite Generation nach der Shoah, also den Kindern von Überlebenden, scheint dieses Erlangen von jüdischer Identität jedoch unwahrscheinlich (Schoebs 2015, 58). Die Gründe dafür sind einerseits auf die Zerstörung der jüdischen Welt ihrer Eltern zurückzuführen, anderseits aber auch auf die eigene Stigmatisierung, welche sie durch ihre nicht-jüdische Umgebung, primär in den Nachkriegsjahren, erleben mussten (58). Demzufolge ergab sich, dass viele Juden und Jüdinnen ihr Interesse an der jüdischen Religion verloren und diese nur wenig beziehungsweise überhaupt nicht an die nächste Generation weitergaben, ebenso wie jüdische Tradition und Kultur (Kotowski 2015, 106). Entsprechend lebte und lebt nur noch eine kleine Minderheit im Einklang mit den jüdischen Religionsgesetzen (106). Darüber hinaus entwickelte sich der Holocaust und der Nationalsozialismus zu einem Identitätsfaktor des jüdischen Lebens (106).
Zudem wurden mehrere Versuche unternommen, um das deutsch jüdische Kulturerbe zurückzugewinnen (Schoebs 2015, 49). Ein Beispiel dafür ist Heinrich Heine[3]. Ein Großteil der nicht-jüdischen Bevölkerung schenkte seinen Werken immer mehr Aufmerksamkeit und begann sich mit dem Dichter zu identifizieren (49). So kam es unter anderem dazu, dass die Düsseldorfer Universität 22 Jahre nach ihrer Gründung nach Heinrich Heine benannt wurde (49).
Demgemäß sollte die jüdische Identität in Deutschland gefördert werden, insbesondere in Anbetracht der historischen Ereignisse und der daraus resultierenden Zerstörung der jüdischen Identität. Es ist wichtig identitätsstiftende Faktoren im direkten Umfeld von Juden und Jüdinnen zu integrieren, um eine Identität wiederaufbauen zu können. Eines dieser identitätsstiftenden Faktoren ist das jüdische Essen. Besonders weil dieses ebenfalls religiös, kulturell und auch traditionell belastet ist. Inwiefern jüdisches Essen identitätsstiftend für das Jüdischsein ist, soll im Folgenden behandelt werden.
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1 Karolinski, Alexa. 2012. Oma & Bella: das Kochbuch. Berlin: A. Karolinski.
2 Die Shoah bezeichnet den Holocaust.
3 Heinrich Heine, deutsch jüdischer Abstammung (Schoeps 2015, 46), war ein Dichter, Journalist, Essayist und Literaturkritiker (Troyke 2015, 149f.).