Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Südtiroler Varietät des Standarddeutschen, die im Vergleich zur österreichischen und schweizerischen Varietät in der Forschung bisher kaum Beachtung findet. Ziel ist es, die Abweichungen des Südtiroler Deutschen vom gemeindeutschen Standard aufzuzeigen. Hierfür wurden drei deutschsprachige Online-Zeitungen aus Südtirol analysiert, die zu den meist rezipierten Medien der Region zählen: Die "Nachrichten für Südtirol", "Südtirol News" und "Die Neue Südtiroler Tageszeitung". Alle frei Zeitungen publizieren (fast) ausschließlich in deutscher Hochsprache, womit sie sich ideal für die geplante linguistische Untersuchung eignen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Die deutsche Sprache in Südtirol
2 Besonderheiten des Südtiroler Standarddeutschen
3 Das Korpus
4 Analyse
5 Zusammenfassung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Einleitung
Das Südtiroler Deutsch stellt eine Varietät des Standarddeutschen dar, die in der autonomen Provinz Bozen-Südtirol im Norden Italiens gebraucht wird. Trotz dessen, dass in dieser Region etwa 315.000 Personen der deutschen Sprachgruppe angehören, scheint deren Varietät kaum Relevanz für die linguistische Forschung zu besitzen, denn es finden sich nur wenige Studien, die sich mit der deutschen Sprache in Südtirol auseinandersetzen; während Österreich und die Schweiz viel interessanter für Wissenschaftler*innen zu sein scheinen, die als Nachbarländer Deutschlands ebenfalls eigene Varietäten der deutschen Standardsprache besitzen. Die Bedeutung der folgenden Analyse ergibt sich also aus dem derzeit spärlichen Forschungsstand, der der Tragweite der sprachpolitischen Debatte in Südtirol nicht gerecht werden kann. Ziel dieser Arbeit ist daher, das Südtiroler Deutsch mehr in den Fokus der Forschung zu rücken, indem seine Abweichungen vom gemeindeutschen Standard aufgezeigt werden.
Zu diesem Zweck wurden drei deutschsprachige Online-Zeitungen aus Südtirol analysiert, die Recherchen zufolge zu den meist gelesenen Medien der Region zählen: Die Nachrichten für Südtirol, Südtirol News und Die Neue Südtiroler Tageszeitung. Alle frei Zeitungen publizieren (fast) ausschließlich in deutscher Hochsprache, womit sie sich ideal für die geplante linguistische Untersuchung eignen. Weiterhin wurden die Artikel aufgrund ihrer für die Analyse relevanten Thematik und ihrer auffälligen sprachlichen Besonderheiten ausgewählt.
Bevor jedoch die praktische Analyse erfolgt, soll zuerst ein Überblick gegeben werden über die politischen Entwicklungen Südtirols im 20. Jahrhundert, die enormen Einfluss auf die Sprachgruppen nahmen, woraufhin die gegenwärtige Situation des Sprachkontakts geschildert wird. Ein weiterer Unterpunkt des ersten Kapitels befasst sich mit der offiziellen Sprachenpolitik Südtirols, die in den letzten Jahrzehnten in der Provinz betrieben wurde. Anhand des Autonomiestatuts (Vgl. Südtiroler Landesregierung Bozen 2019) und Dr. Oskar Perlinis (ehemaliger Abgeordneter und Regionalrat Trentino-Südtirol) Beitrag zum Minderheitenschutz in Trentino-Südtirol (Vgl. Peterlini 1997) wird dargelegt, wie Italien sich um eine Gleichberechtigung aller Sprachgruppen bemüht, mit welchen sprachlichen wie sozialen Gegebenheiten Ansässige sich befassen müssen, aber auch welche Chancen Mehrsprachigkeit einer Gesellschaft bietet. Im Anschluss werden bereits einige theoretische Besonderheiten des Südtiroler Deutschen aufgezeigt, die sich aus der Sekundärliteratur entnehmen lassen, womit die Grundlage gelegt wird für die Analyse in Kap. 4. Zuvor erfolgt allerdings eine Charakterisierung der Südtiroler Presse, die ebenfalls einige Besonderheiten vorzuweisen hat, woraufhin das gewählte Korpus einer ersten oberflächlichen Analyse unterzogen wird. Ein letztes Kapitel widmet sich dann ausführlich den verschiedenen Erscheinungsformen der Südtiroler Varietät, die sich vorrangig aus dem Sprachkontakt mit dem Italienischen ergeben. Die daraus resultierenden Interferenzen lassen sich dem Korpus entnehmen: Sachspezifika, Lehnwörter, Lehnübersetzungen, semantische sowie phraseologische und idiomatische Interferenzen und als letzte Kategorie Austriazismen.
Die Arbeit erhebt hierbei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte eine Übersicht geben, sowohl darüber, welche sprachlichen Attribute das Südtiroler Deutsche vom Gemeindeutschen unterscheiden, als auch darüber, wie sich diese Divergenzen historisch, politisch und geografisch erklären lassen.
1 Die deutsche Sprache in Südtirol
1.1 Historie
Um den Status des Deutschen in Südtirol festzustellen, bietet sich zunächst ein Blick auf die historischen Entwicklungen dieser Region an, denn Südtirol war seither eine Grenzlandschaft, die durch politische Machtkämpfe sowie kulturelle Rivalitäten bestimmt wurde. Schon zur Zeit des Altertums erkannte man Südtirol als wirtschaftlich starke Region, die durch ihre günstige Lage zwischen Nordeuropa und Mittelmeerraum und den schon damals herrschenden Sprachkontakt immenses Potenzial bot. (Vgl. Otto, S. 202). Obwohl Südtirol bis zu diesem Zeitpunkt immer Teil des geeinten Tirols gewesen war, wurde es 1919 durch den Friedensvertrag von Saint-Germain Italien zugesprochen und erhielt die italienische Bezeichnung Alto Adige. In den folgenden Jahren forcierte der Staat u.a. unter Mussolini die Italianisierung der Region, wodurch Italienisch als Amts- und Gerichtssprache durchgesetzt und das Deutsche in öffentlichen Räumen verboten wurde. Weiterhin wurden deutsche Orts- und Flurnamen, Vor- und Familiennamen und sogar Grabinschriften italianisiert. (Vgl. Roters 1995, S. 35)
Mit dem Umsiedlungsvertrag von 1939 zwischen Mussolini und Hitler musste sich die deutschsprachige Bevölkerung des nun italienischen Südtirols entscheiden, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen und damit in das Deutsche Reich umsiedeln wolle, oder in Südtirol als Italiener leben. So verließen 86% der deutschen Muttersprachler die Provinz. Und auch nach dem Krieg blieb Südtirol unter italienischer Herrschaft. (Vgl. Otto, S. 201) Erst nach österreichischen Protesten und neonazistischen Anschlägen wurde 1972 das Zweite Autonomiestatut verabschiedet, womit die Provinzen Trient und Bozen weitgehende Autonomie in Politik und Verwaltung erhielten. In den 1970ern erfolgte die Durchführung der darin geregelten Bestimmungen wie die zu Zweisprachigkeit und Proporz. (Vgl. Südtiroler Landesregierung Bozen 2019, S. 42)
1.2 Gegenwart
Heute verfügen Deutsch wie auch Ladinisch dank des Autonomiestatuts über den Status regionaler Amtssprachen (für Italienisch gilt das national), womit es sich bei Italien um ein Halbzentrum der deutschen Sprache handelt (Vgl. Huneke/ Steinig 2013, S. 57). In anderen Teilen Italiens werden u.a. Slowenisch und Französisch als regionale Amtssprachen anerkannt (Vgl. Riemke/ Pepe 2018, S. 157). Laut der Volkszählung von 2011 (wird aller 10 Jahre durchgeführt) gehören 69,41% (314.604) der Südtiroler Bevölkerung der deutschen Sprachgruppe an, 26,06% (118.120) der italienischen und 4,53% (20.548) der ladinischen. Damit verfügt Südtirol insgesamt über eine Bevölkerungszahl von 453.272. (Vgl. Landesinstitut für Statistik ASTAT 2019, S. 15 ff.) 98% der Italienischsprachigen leben in Städten, während 72% der Deutschsprachigen in ländlichen Gegenden gemeldet sind, 87% der Ladiner in den Dolomitentälern Gröden und Gadertal. Die Gemeinde Martell verzeichnet 100% deutschsprachige Einwohner*innen; der größte Prozentsatz Italiener*innen liegt bei 70% in der Gemeinde Bozen. (Vgl. Südtirol Information (k.A.)1 ) An diesen Zahlen wird zwar deutlich, dass Siedlungsschwerpunkte der drei Sprachgruppen existieren, dennoch distanzieren sie sich territorial nicht klar voneinander (Vgl. Moser 1982, S. 75), sondern leben weitestgehend neben- (und mit-) einander. Nichtsdestotrotz ist die sprachliche Spaltung in Südtirol omnipräsent und es existieren weiterhin Bestrebungen zur Loslösung von Italien, was sich u.a. durch den geringen Einfluss der Südtiroler Politiker (SVP) auf die römische Politik erklären lässt (Vgl. Roters 1995, S. 47).
1.3 Sprachenpolitik in Südtirol
Die Geschichte wie auch der fortwährende Sprachkontakt in dieser Region führten dazu, dass Südtirol bis heute eine besondere Rolle in Italien zukommt. Das Südtiroler Autonomiestatut garantiert Trentino-Südtirol mit den Provinzen Bozen und Trient per Verfassung Autonomie und versichert allen Sprachgruppen gleiche Rechte sowie den Schutz ihrer „ethnische[n] und kulturelle[n] Eigenart[en]“ (Südtiroler Landesregierung Bozen 2019, S. 125). So ist unter anderem gesetzlich geregelt, dass Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, während die jeweils zweite Sprache, Deutsch oder Italienisch, ab der 2. bzw. 3. Klasse gelehrt wird. (In ladinischen Schulen findet der Unterricht nach der Grundschule zu etwa gleichen Teilen in deutscher und italienischer Sprache statt.) (Vgl. Ebd., S. 135)
Darüber hinaus müssen alle Ämter, Gerichte und ähnliche Institutionen, die dem öffentlichen Dienst bzw. der Regierung unterstehen, die Kommunikation in deutscher wie italienischer Sprache gewährleisten. Alle maßgeblichen Dokumente sind entweder zweisprachig vorhanden oder müssen auf Nachfrage der Bürger*innen in ihrer Muttersprache zur Verfügung gestellt werden. (Vgl. Südtiroler Landesregierung Bozen 2006, S. 4 ff.) Daher müssen die dort Angestellten selbst mindestens Deutsch und Italienisch beherrschen, was vor der Einstellung durch einen entsprechenden Zweisprachigkeitstest geprüft wird (Vgl. Peterlini 1997, S.185 ff.). Außerdem werden die Stellen in öffentlichen Einrichtungen an Angehörige der drei Sprachgruppen proportional zu deren Stärke in der Bevölkerung vergeben (Vgl. Südtiroler Landesregierung Bozen 2019, S. 164 f.). Man spricht hierbei vom 'ethnischen Proporz', der im Autonomiestatut in mehreren Artikeln Erwähnung findet. Ermittelt wird das Verhältnis der drei Sprachgemeinschaften durch die Zugehörigkeitserklärung beziehungsweise Sprachgruppenerklärung, die im Rahmen der Volkszählung 10-jährig durchgeführt wird. Erst seit 1991 können Bürger*innen die Zuordnung verweigern oder eine andere als die drei regionalen Amtssprachen angeben. (Vgl. Peterlini 1997, S. 170 ff.)
Im Allgemeinen sind alle öffentlichen Bereiche wie Justiz, Verwaltung oder auch Straßenverkehr grundsätzlich zwei- oder dreisprachig ausgelegt, um der gesamten Bevölkerung ein Leben innerhalb ihrer Muttersprache zu ermöglichen. So zeigen Ortsschilder und ähnliche Beschilderungen deutsche wie italienische Bezeichnungen, in ladinischen Gegenden auch die ladinischen. Je nachdem, ob das Bezeichnete in die Zuständigkeit des Staates oder des Landes fällt, wird der italienische oder deutsche (oder ladinische) Name an erster Stelle angeführt. Innerhalb von Ortschaften entscheidet die Sprache der stärksten Volksgruppe über die Reihenfolge. (Vgl. Righi/ Wallisch 2017, S. 29)
Viele der Südtiroler wünschen sich heute bilinguale Schulen, damit aus dem Nebeneinander der Sprachgruppen tatsächlich ein Miteinander werden kann. Denn häufig bleiben deutsche und italienische Muttersprachler*innen doch eher unter sich und das Beherrschen der jeweils anderen Sprache ist nicht mehr vonnöten. Insbesondere die deutsche Landbevölkerung bemüht sich immer seltener darum Italienisch zu lernen. Andererseits haben viele Italiener erkannt, dass die deutsche Sprache ihren Kindern weitreichende Karrierechancen ermöglicht; so wurde die Bozener Universität zur ersten dreisprachigen Hochschule Europas. (Vgl. Gabbe 2016) De facto entspricht der Mythos der perfekten Bilingualität der Südtiroler aber nur selten der Wahrheit – eine logische Konsequenz aus der Trennung der Sprachgruppen während ihrer Schulzeit (Vgl. Roters 1995, S. 52 f.).
2 Besonderheiten des Südtiroler Standarddeutschen
Die deutsche Hochsprache wird in Südtirol überwiegend in der Kommunikation mit Italienischsprachigen (oder Vertretern anderer Sprachgruppen) verwendet, während Deutschsprachige untereinander verbal in Tiroler Mundarten kommunizieren, also dialektal; eine Umgangssprache im engeren Sinne findet sich in dieser Region nicht. Die Hochsprache selbst unterscheidet sich von den genannten Mundarten in hohem Maße und wird außerdem von vielen Südtirolern als fremd empfunden, weshalb sie fast ausschließlich innerhalb der Schriftsprache gebraucht wird. Schule, Verwaltung, Regierung, Justiz usw. schreiben selbsterklärend entsprechend der in Südtirol üblichen Norm, allerdings sind hierbei einige Besonderheiten im Vergleich zum in Deutschland herrschenden Standard zu bemerken. Denn bei der in Südtirol verwendeten deutschen Sprache handelt es sich um eine Varietät der deutschen Hochsprache, die sich insbesondere durch die historische Verbundenheit sowie aktuelle geografische und kulturelle Nähe zu Österreich ergibt. Weiterhin muss der Sprachkontakt mit dem Italienischen beachtet werden, der bis 1919 hauptsächlich Fernentlehnungen aufgrund von Handelsbeziehungen und Saisonarbeit zur Folge hatte, aber seit der italienischen Annexion Südtirols deutlich stärker in Erscheinung tritt. (Vgl. Otto, S. 202 f.) Masser (Vgl. 1982, S. 65 ff.) weist darauf hin, dass Südtirol aufgrund seiner zentralen geografischen Lage seither Ort des menschlichen und daher sprachlichen Kontakts war, was unwillkürlich zu wechselseitiger sprachlicher Beeinflussung führte. Resultierende Interferenzen zeigen sich zunächst insbesondere auf lexikalischer Ebene, hierbei in den verschiedensten lebensweltlichen Bereichen, allerdings mit schwankender Intensität. In diesem Kontext müssen Wortschatz des Alltags und Fachsprache klar voneinander abgegrenzt werden. Laut Masser finden sich im Vokabular des alltäglichen Lebens Bereiche, in denen lexikalische Interferenzen gar nicht auftauchen, während andere Bereiche sehr stark durch das Italienische beeinflusst wurden oder werden, dazu gehören u.a. Lexeme der Nahrung. In die Kategorie der Fach- oder Berufssprache sind Lexeme der Verwaltung, Regierung, Justiz, des Finanz- oder Transportwesens einzuordnen, die in hohem Maße aus der Fremdsprache Italienisch übernommen wurden (werden), sich allerdings dadurch auszeichnen, dass sie – so Massers (Vgl. 1982, S. 67 ff.) Einschätzung – nur selten in die Alltagssprache übernommen werden. Dennoch ist davon auszugehen, dass Fachwörter des öffentlichen Lebens der Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung bekannt sind und aktiv verwendet werden. Begriffe der Verwaltung oder Politik, um nur zwei Beispiele zu nennen, tangieren alle Bürger*innen und gehören daher weitestgehend zur Alltagssprache. (Ausführlichere Erläuterungen zur Fachspezifika folgen in Kap. 4.)
3 Das Korpus
3.1 Presse in Südtirol
Laut Riemke und Pepe (Vgl. 2018, S. 207) werden Zeitungen überwiegend im Norden Italiens, somit auch in Südtirol, und in höheren Bildungsschichten konsumiert; Boulevardpresse insgesamt kaum. Des Weiteren wird Italien von den Reporters without Borders im Press Freedom Index als 'nur zum Teil frei' bewertet, da Politik und Medien keine klare Trennung erfahren und die organisierte Kriminalität den investigativen Journalismus in seiner Freiheit einschränkt (Vgl. Riemke/ Pepe 2018, S. 207). Restriktiert wird die Presse in Südtirol außerdem durch die Monopolstellung der Druck- und Verlagsgruppe Athesia. Unter anderem die ff – Das Südtiroler Wochenmagazin berichtet über die einseitige Kontrolle des lokalen Zeitungsmarktes durch die Eigentümer Ebner, die sich mittlerweile auch auf das Radio niedergeschlagen hat (Vgl. Hinterwaldner 2017). Auf ihrer Website listet die Gruppe als ihnen unterstehende Medien: die Tageszeitung Dolomiten, das Dolomiten Magazin, Dolomiten Spezial, Dolomiten Extra, das Dolomiten Trauerportal, WIKU Dolomiten Wirtschaftskurier, Dolomiten Markt, Z Die Zeitung am Sonntag, Z Life Style, Die Südtiroler Frau, Katholisches Sonntagsblatt, Der Schlern, Radius, Nachrichten für Südtirol, Südtirol News, Sportnews.bz, telmi.it sowie die Radiosender Südtirol 1, Radio Tirol und diverse weitere Unternehmen wie First Avenue und second-hand.it. Druckereien, Verlage, Kalender, Unternehmen des Tourismus und wohlgemerkt italienische Medien als eigenes Segment der Presse (unabhängig von den deutschsprachigen Medien) fanden bei dieser Aufzählung noch gar keine Erwähnung. (Vgl. Athesia (k.A.)2 ) So lässt sich wohl zweifellos von einer Übermacht der Athesia -Gruppe sprechen, die eine entsprechend hohe Bedeutung für die Meinungsbildung ihrer Leser hat – zumal das Unternehmen der Südtiroler Volkspartei SVP nahesteht (Vgl. Pernstich 1982, S. 93). Dennoch muss betont werden, dass Südtirol entgegen seiner geringen Bevölkerungsgröße von ca. 450.000 eine proportional extrem hohe Mediendichte vorweisen kann, wie man sie in anderen Regionen selten vorfindet (Vgl. Klein 2015, S. 17).
3.2 Analysierter Korpus
Für die vorliegende Analyse der Deutschen Standardsprache in Südtirol wurden drei Online-Zeitungen ausgewählt, die eine deutschsprachige Leserschaft adressieren: die Nachrichten für Südtirol 3 und Südtirol News 4, die zur Athesia -Gruppe gehören, sowie Die Neue Südtiroler Tageszeitung 5, die sich als Gegenpart zum Athesia -Monopol versteht. Alle drei werden in der Google-Suche nach „Südtiroler Zeitungen“ als erste Treffer aufgelistet und sind kostenlos einsehbar.
Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, richten sich nur äußerst wenige Medien sowohl an die deutsche als auch an die italienische Sprachgruppe. Beide Gruppen fokussieren sich sozial und medial weitestgehend auf die eigene Muttersprache, dementsprechend existieren kaum mehrsprachige Medien. Alle drei Webseiten schreiben ausschließlich in deutscher Sprache, italienischsprachige Passagen begegnen Leser*innen lediglich in importierten Texten wie Twitter-Beiträgen, die als Quelle, Kommentierung o.ä. in die deutschen Artikel eingebettet werden. Stattdessen wird immer die eigene der drei Sprachgruppen adressiert, was sich auch in der Themenauswahl der veröffentlichten Beiträge zeigt. (Vgl. Klein 2015, S. 11) So sind die Artikel der drei analysierten Zeitungen entsprechend ihrem Adressatenkreis konzipiert, sie widmen sich in hohem Maße den für ihre Sprachgruppe relevanten Themen. Neben globalen und nationalen Nachrichten finden sich eine Vielzahl regionaler Beiträge, die sich bei der Nachrichten für Südtirol und Südtirol News nach einzelnen lokalen Bezirken wie Pustertal oder Vinschgau filtern lassen. Thematisierte Ereignisse, Personen oder deren geografische Verortung korrespondieren mit der ethnischen Zugehörigkeit der Adressaten. Exemplarisch zu nennen ist das Thema Landwirtschaft, das die überwiegend auf dem Land lebende deutschsprachige Bevölkerung mehr interessieren dürfte als die städtischen Italiener. (Vgl. Klein 2015, S. 12) Auch hier wird das Selbstverständnis der deutschen Bevölkerung als Tiroler, nicht als Italiener, und ihr Fokus auf die lokale Wirtschaft, Sprache und Kultur deutlich. Demnach wurden für die Analyse vorrangig diejenigen Artikel ausgewählt, die thematisch in Südtirol zu verorten sind und das dortige 'Lebensgefühl' abbilden, was vermuten ließ, dass sie erstens stark frequentiert werden und zweitens ein für Südtirol typisches Vokabular widerspiegeln. Während einige Artikel bereits im Dezember letzten Jahres dem Korpus beigefügt wurden, stammt der Großteil des Materials aus dem Januar und Februar diesen Jahres. Einzelne ältere Artikel wurden zufällig gewählt oder aufgrund ihrer Eignung zur Veranschaulichung eines sprachlichen Phänomens bewusst einbezogen. Insgesamt umfasst das Korpus zwanzig Online-Artikel.
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1 Quelle: Südtirol Information (k.A.): Deutsch, Italienisch, Ladinisch. <https://www.suedtirol.info/de/das-ist-suedtirol/menschen/sprachen/ein-land-drei-sprachen-deutsch-italienisch-und-ladinisch> (Stand: 25.02.20).
2 Quelle: Athesia (k.A.): Marken. <https://www.athesia.com/de/marken/> (Stand: 05.03.20).
3 Quelle: <www.stol.it> Abkürzung im Folgenden: Stol.
4 Quelle: <www.suedtirolnews.it> Abkürzung: News.
5 Quelle: <www.tageszeitung.it> Abkürzung: Tag.