Zu Beginn der Arbeit soll die historische Genese der rechten Jugendszene bis in die heutige Zeit aufgezeigt werden. Anschließend werden die charakteristischen Einstellungen und Ansichten, also die spezifischen Merkmale der rechtsextremen Jugend beleuchtet. Darauf aufbauend wird weiter der Frage nachgegangen, welche Faktoren bzw. Gründe dafür verantwortlich sind, dass rechtsextreme Ideologien in der Jugendkultur Gehör finden und sich in dieser verankern können. Daraus resultierend sollen Maßnahmen zur Bekämpfung rechter Anschauungen bei Jugendlichen ermittelt werden. Diese werden mit dem Vorangegangenem verknüpft und dahingehend untersucht, inwieweit diese Handlungsweisen erfolgversprechend sein können oder nicht und daraus letztendlich Konsequenzen für die zukünftige Arbeit gegen Rechtsextremismus in der Jugendkultur abgeleitet.
Sie symbolisierten eine Jugend, die offen gegenüber kulturellen und religiösen Differenzen war, die gegen autoritäre Tendenzen sowie für soziale Gleichheit und Akzeptanz von Verschiedenheit eintrat. Auch wenn diese Tat einen Extremfall darstellt dürfen rechtsextremistische Gewalttaten nicht unterschätzt werden. Dies wird unteranderem dadurch untermauert, dass die Zahl der rechts motivierten Straftaten in der letzten Dekade zugenommen hat und 2006 mit 18000 Delikten einen neuen Höhepunkt erreichte. Zugleich haben sich auch die Strategien und Taktiken der rechten Parteien in dieser Zeit gewandelt. Sie tendieren dazu sich nun in bürgerlichem Gewand zu verkaufen. Die rechtsgesinnten Parteien versuchen mit Hilfe der Beschreitung von unüblichen Wegen neues Klientel anzuwerben. Gerade durch die neuen Medien wird vor allem ein junges Publikum erreicht, wodurch rechte Ideologien auf diesem Verbreitungskanal attraktiv präsentiert respektive näher gebracht werden können. In Folge dessen kommt die Frage nach einer erfolgreichen Jugendarbeit auf, welche Jugendliche gegenüber rechtsextremen Tendenzen immunisieren kann oder aber in der Lage dazu ist sie aus den Fängen rechtsextremer Strukturen herauslösen. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung
2. Die Genese der rechtsextremen Jugendkultur
3. Charakteristika von rechtsextremer Jugendkultur
4. Faktoren für die Etablierung rechtsextremer Ideologien in der Jugendkultur
4.1 Modernisierungstheoretische Erklärungsansätze
4.2 Politische Erklärungsansätze
4.3 Sozialisationstheoretische Erklärungsansätze
5. Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus bei Jugendlichen
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
1. Hinführung
Im Juli 2011 erschütterte eine extreme Gewalttat die Öffentlichkeit. Ein norwegischer Rechtsextremist zündete im Osloer Regierungsviertel eine Bombe, wodurch acht Menschen starben. Kurze Zeit später exekutierte er 69 junge Menschen auf einem Jugendcamp. Ziel des Anschlages war die sozialdemokratische Jugend Norwegens. Diese liefere, nach Ansichten des Täters, das Land an den Islam aus. Obwohl es sich bei Anders Behring Breivik vermutlich um einen Einzeltäter handelte konnte offengelegt werden, dass dieser über viele Jahre hinweg Mitglied in einer rechtspopulistischen Partei war und sich in deren Jugendorganisation engagierte. Weiterhin ergaben tiefergehende Ermittlungen, dass der Täter seine rechtsextremen Ansichten während seiner Jugend entwickelte. Die von ihm ermordeten jungen Menschen verkörperten eine Gegenwelt. Sie symbolisierten eine Jugend, die offen gegenüber kulturellen und religiösen Differenzen war, die gegen autoritäre Tendenzen sowie für soziale Gleichheit und Akzeptanz von Verschiedenheit eintrat. Auch wenn diese Tat einen Extremfall darstellt dürfen rechtsextremistische Gewalttaten nicht unterschätzt werden. Dies wird unteranderem dadurch untermauert, dass die Zahl der rechts motivierten Straftaten in der letzten Dekade zugenommen hat und 2006 mit 18000 Delikten einen neuen Höhepunkt erreichte.1 Zugleich haben sich auch die Strategien und Taktiken der rechten Parteien in dieser Zeit gewandelt. Sie tendieren dazu sich nun in bürgerlichem Gewand zu verkaufen. Die rechtsgesinnten Parteien versuchen mit Hilfe der Beschreitung von unüblichen Wegen neues Klientel anzuwerben. Gerade durch die neuen Medien wird vor allem ein junges Publikum erreicht, wodurch rechte Ideologien auf diesem Verbreitungskanal attraktiv präsentiert respektive näher gebracht werden können. In Folge dessen kommt die Frage nach einer erfolgreichen Jugendarbeit auf, welche Jugendliche gegenüber rechtsextremen Tendenzen immunisieren kann oder aber in der Lage dazu ist sie aus den Fängen rechtsextremer Strukturen herauslösen. Dieser Frage soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Außerdem soll vorweg beleuchtet werden, inwieweit rechtsextreme Ideologien besonders bei Jugendlichen auf fruchtbaren Nährboden treffen. Die Jugend bildet die zukünftige Gesellschaft von morgen, sodass es von essentieller Wichtigkeit ist sich mit dem Themenkomplex des Rechtsextremismus in der Jugendkultur innerhalb der Bundesrepublik auseinanderzusetzen. Weitergehend wird herausgearbeitet welche Gründe und weshalb diese eine positive Resonanz bei Jugendlichen gegenüber rechter Ideologien erzielen. Schließlich werden noch präventive sowie interventive Maßnahmen zur Bekämpfung von rechtsextremen Anschauungen aufgezeigt als auch deren Misserfolg respektive Erfolg untersucht, da Jugendliche ein erhöhtes Potenzial aufweisen von rechten Ideologien verführt zu werden. Generell ist im letzten Jahrzehnt die Entwicklung zu erkennen, dass die europäische als auch die deutsche Jugend rechtsgesinntere Einstellungen gehäuft ausbildet. 30% der deutschen Jugend vertritt die Ansicht, dass es zu viele Ausländer in der Bundesrepublik gibt. Außerdem geben 4,9% der Jungs als auch 2,6% der Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren an, Mitglied in einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft zu sein.2 Hier ist vor allem die politische Bildung gefordert, in der Schule, in der Jugendarbeit und in der außerschulischen Jugendbildung. Auf diesem Wege wurden seit der 90er Jahre zahlreiche Projekte gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen. Dennoch zeigt der gegenwärtige Forschungsstand, dass das Vorgehen gegen rechtes Gedankengut in der Jugendkultur nur bedingt erfolgreich war. Zwar ging die Anzahl der rechtsextremen Parteien in der letzten Dekade merklich zurück, dennoch steigt die rechtsextremistisch motivierte Gewalt seit 2014 stetig an.3 Gerade anhand der jüngeren Vergangenheit mit Hilfe der im Aufwind befindlichen rechtspopulistischen Vereinigungen wird ersichtlich, dass rechte Ideologien gesellschaftsfähig gemacht wurden und so auch immer mehr Jugendliche ansprechen und verführen, indem diese die Ängste der jungen Bürger ausnutzen. Zu Beginn der Arbeit soll die historische Genese der rechten Jugendszene bis in die heutige Zeit aufgezeigt werden. Anschließend werden die charakteristischen Einstellungen und Ansichten, also die spezifischen Merkmale der rechtsextremen Jugend beleuchtet. Darauf aufbauend wird weiter der Frage nachgegangen welche Faktoren bzw. Gründe dafür verantwortlich sind, dass rechtsextreme Ideologien in der Jugendkultur Gehör finden und sich in dieser verankern können. Daraus resultierend sollen Maßnahmen zur Bekämpfung rechter Anschauungen bei Jugendlichen ermittelt werden. Diese werden mit dem Vorangegangenem verknüpft und dahingehend untersucht inwieweit diese Handlungsweisen erfolgsversprechend sein können oder nicht und daraus letztendlich Konsequenzen für die zukünftige Arbeit gegen Rechtsextremismus in der Jugendkultur abgeleitet.
2. Die Genese der rechtsextremen Jugendkultur
Um auf einer profunderen Ebene die rechtsextreme Jugendkultur nachvollziehen zu können ist es hilfreich sich die historische Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik vor Augen zu führen und zu beleuchten. Das Ende des zweiten Weltkrieges und der damit einhergehenden militärischen Zerschlagung des Hitler-Regimes bedeutete für den Rechtsextremismus auf institutioneller Ebene einen immensen Umbruch. Die NSDAP wurde verboten und aufgelöst. Außerdem wurden alle anderen nationalsozialistischen Organisationen durch die Alliierten ebenfalls als rechtswidrig erklärt. In den beiden deutschen Staaten nach 1949 wurden Gesetze verabschiedet, welche die Gründung von nationalsozialistischen Organisationen unter Strafe stellten. Dennoch wurde der institutionelle Bruch auf anderen Ebenen nicht genauso konsequent vollzogen, sodass ein Teil des NS-Führungspersonals vor allem in der Justiz und Verwaltung übernommen wurde und rechtsextreme Einstellungen und Überzeugungen in der Bevölkerung nicht entschieden genug angegangen wurden. Darauf folgend gründeten sich in der Bundesrepublik, anders als im totalitären System der DDR, verschiedene Parteien bzw. Organisationen, die ideologisch an den Nationalsozialismus anknüpften.4 Auf diesem Wege entstand bereits 1949 die Sozialistische Reichspartei (SRP). Allerdings wurde diese 1952 durch das Bundesverfassungsgericht, aufgrund ihrer Wesensverwandtschaft mit der NSDAP, verboten. Keine zwei Monate später aber schloss sich die Jugendorganisation der SRP mit Teilen der Deutschen Unitarischen Jugend und der Vaterländischen Jugend zur Wiking-Jugend (WJ) zusammen. Nach eigenen Angaben will die WJ bis 1994 15000 Kinder und Jugendliche gedrillt und ideologisch geschult haben.5 Das Verbot der SRP offenbarte eine Einschränkung des politischen Spielraums für nationalen Parteien. Außerdem befürchteten die Rechtsgesinnten, dass es „im Schatten von Wirtschaftswunder, Kaltem Krieg und einer als Umerziehung empfundenen Demokratisierung zu einem Kontinuitätsbruch kommen würde, der schließlich das Ende der völkischen und nationalistischen Tendenzen insgesamt mit sich bringen könnte.“6 Daraus resultierend kam den rechten Jugendorganisationen eine hohe Relevanz zu. Über diese konnte sich eine braune Bewegung neu entwickeln und aufstellen. In den 1960er Jahren kristallisiere sich die WJ und der Bund Heimattreuer Jugend heraus. Beide Gruppierungen orientierten sich an der 1964 ins Leben gerufenen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). „Die NPD markiert den Beginn einer Rehabilitation des deutschen Nationalismus und dient dem Geschichtsrevisionismus als Vorreiter.“7 Weiterhin unterscheidet sich diese politische Vereinigung, gegenüber nationalen Parteien aus den 1950er Jahren, darin, dass diese sich stärker vom Nationalsozialismus losgelöst hat, sodass ein klares Verbot gegen die Partei schwieriger zu vollziehen ist. Weitere Parteien, die sich von den bisherigen unterschieden traten 1983 mit den Republikaner und Anfang der 1970er Jahre mit der Entstehung einer Neonazi-Szene zu Tage. Die Republikaner gaben sich gemäßigter als die NPD, wodurch sie bis in konservative Kreise vordrangen und dort Stimmen sammeln konnten. Aus dem Umfeld der zersplitterten rechtsextremistischen Parteiszene entwickelte sich dann zu Beginn der 70er eine Neonazi-Szene, welche weniger taktisch argumentierte, sich positiv auf den Nationalsozialismus bezog und generell militanter auftrat. Im Hinblick auf die Jugendkultur wird es vor allem ab Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre interessant. Während dieser Zeit breitete sich von Großbritannien aus eine proletarische und gewaltbereite jugendkulturelle Strömung – die Skinhead-Szene – auf viele westeuropäische Länder aus. Charakteristisch für diese war und sind äußere Attribute wie Glatze, Fliegerjacke und Springerstiefel sowie Gewaltbereitschaft und Gewaltverherrlichung.8 Weiterhin bezeichnend für diese radikale Strömung ist unteranderem der Protest gegen die Gesellschaft, Ehre und Treue, Zusammenhalt, Abgrenzung vom gewöhnlichem Leben, durch markantes Auftreten Missstände aufzuzeigen, ein Prellbock gegen Ausländer sein, etc. Anhand dieser Aufzählung, die aus Befragungen innerhalb dieser Szene entstand, wird ersichtlich, dass die keineswegs homogene Skinhead-Szene eindeutig dem Rechtsextremismus zugeordnet werden kann.9 Allerdings gibt es Überschneidungen im Welt- und Gesellschaftsbild. Konklusiv betrachtet stellen Skins eher eine Subkultur dar, die rechte Affinitäten aufweist. Trotz dessen muss beachtet werden, dass die Angehörigen dieser Strömung durch einige ihrer Ansichten und Einstellungen erhöhtes Potenzial besitzen gänzlich in die rechtsextreme Szene abzurutschen. Anfang der 90er Jahre stiegen rechtsextreme Gewalttaten immens an. Von 1990 bis 1995 starben allein 69 Menschen durch rechtsextreme Täter.10 1990 wurden mehrere Straftaten und Gewaltverbrechen von Jugendlichen an Ausländern, wie beispielsweise in Hoyerswerda und Lübbenau, registriert. Die Rechtsextremisten erhielten jeweils milde Jugendstrafen. Im September 1991 gingen Skinheads in Sachsen unter Beifall gegen Ausländerwohnheime vor. Traurige Berühmtheit erlangte der Ort Rostock- Lichtenhagen, indem Rechtsextremisten eine Aufnahmestelle für Asylbewerber gewaltvoll attackierten. Die gewalttrunkene rechte Welle Anfang der 90er Jahre stellt in den letzten Dekaden einen Höhepunkt der rechtsextremen Gewalttaten dar. Allerdings stieg die Anzahl an rechtsextremistisch motivierten Straftaten bis heute an.11 Vor allem in Ostdeutschland haben sich ausländerfeindliche und völkische Stimmungen verankert. Gerade aufgrund dessen, dass offensiv agierende national politische Vereinigungen sich überwiegend in einer rechtlichen Grauzone aufhielten, avancierten rechtsextreme Jugendorganisationen zu einem weniger angreifbaren Nährboden für das rechte Gedankengut. Weiterhin bildeten sich jugendkulturelle Subkulturen aus, die nicht eindeutig dem Rechtsextremismus zugeordnet werden können, dennoch aber nicht selten parallele Ansichten und Machenschaften an den Tag legen. Die Finanzkrise ab 2007 und die Flüchtlingskrise 2014 stellen für die heutige Jugend Faktoren dar, die ihren Glauben an ihre existenzielle Sicherheit destabilisieren können, woraufhin es zu einer gesteigerten Abwehrhaltung gegenüber Fremden kommt. Die Shell- Jugendstudien weisen nach, dass sich in Europa und in Deutschland bei Jugendlichen eine gesteigerte Tendenz zu einer ausländerfeindlichen Haltung lokalisieren lässt.12 Die rechte Jugendkultur hat sich in ihren Anfängen an nationalsozialistischen Gruppierungen orientiert. Herbei durchlief sie die Entwicklung, dass sie sich von dieser Richtung distanzierte. Es bildeten sich vielmehr eigenständige Subkulturen aus in welchen sich rechtsextremistische Elemente wiederfinden lassen. Die heutige Jugendkultur ist einem multikulturellen Umfeld ausgesetzt, einer beschleunigten Zeit, einer Zeit, in welcher erhöhter Leistungs- und Erfolgsdruck vorherrschen. Dies generiert Druck, Selbstzweifel und Ängste. Vor allem die neu aufstrebenden rechtspopulistischen Parteien bergen das Potenzial junge Wähler für ihre Ansichten zu begeistern, indem sie mit den Ängsten der Jugendlichen spielen und ihnen einfache Lösungen für ihre Besorgnisse offerieren.
3. Charakteristika von rechtsextremer Jugendkultur
Folgend sollen die spezifischen Merkmale rechtsextremistischer Jugendlicher ausgemacht werden. Inwieweit unterscheiden sich diese von Gleichaltrigen ohne extremistische Gesinnung. Welche Charakteristika führen zu dem Urteil, dass eine junge Person dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden kann. Zunächst einmal sollte geklärt werden, dass die institutionalisierte Phase der Jugend sich derzeit auf 11,5 Mio. SchülerInnen, etwa 1,5 Mio. Auszubildende, 2,2 Mio. Studierende sowie 30,9% Arbeitslose von unter 25-Jährigen beschränkt.13 Der zu untersuchende Personenkreis befindet sich also in einem Zeitraum, in welchem er sich orientieren muss und vor allem nach einer gesicherten Existenz strebt. Resultierend daraus ergeben sich unteranderem typische Einstellungen und Verhaltensweisen von rechtsextremen Jugendlichen. Einstellungen stellen relativ überdauernde, positive oder in diesem Fall negative Bewertungen gegenüber einem Objekt, wie beispielsweise Personen, Gruppen, Normen, etc., dar und nehmen potentiell Einfluss auf das Verhalten. Die Verhaltenskomponente umfasst demgegenüber sowohl offen gezeigtes Verhalten als auch die Absicht, sich in bestimmter Weise gegenüber dem Einstellungsobjekt zu verhalten.14 Dennoch müssen die beiden Dimensionen des Rechtsextremismus, Einstellungen und Verhalten, auseinandergehalten werden, wobei sie gleichzeitig nur gemeinsam den Rechtsextremismus vollständig abbilden können. Nicht jede Person, die über ein rechtsextremistisches Eistellungsmuster verfügt, wird auch politisch und oder gewalttätig aktiv. Allerdings stellt ein rechtsextremistische Einstellungsmuster die notwendige Voraussetzung für rechtsextremistisches Verhalten dar.15 Diese Voraussetzungen erfüllt auch die braune Jugendszene. Generell wird rechtsextremes Denken in der Definition der Wissenschaft in sechs Dimensionen unterteilt: Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus.16 Eine Studie Leipziger Wissenschaftler ergab, dass Personen zwischen 14-30 Jahren die sechs Einstellungsdimensionen verglichen mit älteren Menschen am geringsten befürworteten.17 Bei Personen, die allen sechs Dimensionen zustimmen spricht man von einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild. Dies trifft auf die rechtsextreme Jugendszene eben nicht zu, sodass hier ein essentieller Unterschied zu älteren Rechtsgesinnten besteht. Die Botschaften der rechten Jugendkultur, welche mit starken, expressiven, symbolischen Ausdrucksformen übermittelt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass diese vor allen Dingen Einigkeit, Stärke, Maskulinität, Rebellion und eine Stimmung des Aufbruchs vermitteln.18 Jugendliche Subkulturen wie die Skinheads, welche nun exemplarisch herangezogen werden, weisen kein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild sowie Ideologie auf. So haben zwar nach wie vor überwiegend Ausländer eine Opferrolle bei den Skinheads inne, dennoch werden aber auch Personen aus sozialen Randgruppen sowie Linke ebenfalls angegangen.19 Ein Charakteristikum, welches spezifisch für den Rechtsextremismus ist lässt sich auch in der braunen Jugendkultur lokalisieren – Gewalt. „Gewalt und Aggressionen sind stets präsent im Skinhead-Alltag.“20 Die horrende Gewaltakzeptanz der Skinhead-Szene ist unter anderem aus dem innerhalb der Szene gepflegten Männlichkeitskult und der behaupteten Überlegenheit der „weißen Rasse“ bzw. speziell „des Deutschen“ zu erklären. Hier offenbart sich also eine weiteres rechtsextremes Einstellungsmerkmal innerhalb der Jugendkultur. Ein stark ausgeprägter und gelebter Rassismus sowie der Glaube an eine Höher- und Niedrigstufung von „Menschenrassen“ kennzeichnen sowohl den Rechtsextremismus als auch die braune Jugendszene. Weiterhin ist es in dieser Szene wesenhaft in der Öffentlichkeit provokant aufzutreten und den Staat sowie gesellschaftliche Normen abzulehnen. Sie zählen zu dem demokratischen Typus der autoritär Orientierten: „skeptisch gegenüber der politischen Mitte sowie gegenüber Linken, eher männlich und vor allem im statusniedrigen Segment der Modernisierungsverlierer […] verankert, erwarten sie sich eine stärker handlungs- und weniger diskursorientierte Politik.“21 Die 15. Shell-Jugendstudie zeigt, dass Unzufriedenheit mit der Demokratie vor allem bei Jugendlichen in prekären Lebenslagen zu finden ist.22 Daraus kann das Gefühl resultieren, dass Jugendliche die Einstellung entwickeln, dass nicht sie, sondern vor allem andere von unserer Demokratie profitieren, wodurch Aussagen wie beispielsweise: „Faule Ausländer – die arbeiten nix und kriegen alles!“ entstehen. Die Ansicht von nationaler Benachteiligung und dem damit einhergehenden antidemokratischen Verhalten stellen ein weiteres, wenn nicht gar das Zugpferd des jugendsubkulturellen Rechtsextremismus dar. Jugendliche suchen daher beim Argument der nationalen Benachteiligung Zuflucht, „zudem es wie eine identitätsstabilisierende Selbstverteidigungswaffe wirkt und für junge Menschen im Segment der Verlierer die Möglichkeit zu kollektiver Identifikation bietet.“23 Die rechtsextreme Jugendszene weist also einige handfeste rechtsextreme Spezifika auf. Mit „klassischen“ verfassungswidrigen Vereinigungen bildet sie mit den Merkmalen der Gewalt, Rassenanschauung und der antidemokratischen Sichtweise eine gemeinsame Schnittmenge. Die braune Jugendkultur besitzt zwar keine geschlossene rechtsextremistische Ideologie und Weltanschauung, legt aber kennzeichnende rechtsextremistische Einstellungen an den Tag, wodurch sie innerhalb des Rechtsextremismus zu einer Subkultur gezählt werden kann, die einige klare rechtsextreme Ansichten und Verhaltensweisen praktiziert.
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1 Plodeck, Karin: Politischer Radikalismus bei Jugendlichen. Möglichkeiten der Prävention an den Schulen und Erziehung zur Toleranz. 3. Aufl. München. 2008. S. 9.
2 Marenda, Arne/Kammerer-Prölß, Anja: Rechtsextremismus in Nürnberg und Mittelfranken. Historie, Gegen wehr, Prävention – eine Herausforderung für die politische Bildung. Nürnberg. 2009. S. 10.
3 Vgl. Bundesministerium des Innern (Hg.): Verfassungsschutzbericht 2016. Berlin 2016. S. 38-41.
4 Klärner, Andreas: Überblick über den Rechtsextremismus in Deutschland: Geschichte, Parteien, Organisatio- nen, Gewalttaten und andere Aktions-formen, in: Molthagen, Dietmar (Hg.): Lern- und Arbeitsbuch gegen Rechtsextremismus. Handeln für Demokratie, Bonn 2008, S. 38-44, hier S. 38.
5 Maegerla, Anton/Röpke, Andrea/Speit, Andreas: Der Terror von rechts – 1945 bis 1990, in: Röpke, Andrea/ Speit, Andreas (Hg.): Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland, Berlin 2013. S. 23-60, hier S. 25.
6 Maegerla, Anton/Röpke, Andrea/Speit, Andreas: Der Terror von rechts – 1945 bis 1990. S. 26.
7 Camus, Jean-Yves: Strömungen der europäischen extremen Rechten – Populisten, Integristen, Nationalrevo- lutionäre, Neue Rechte, in: Backes, Uwe (Hg.): Rechtsextreme Ideologien in Geschichte und Gegenwart. Köln 2003, S. 235-260, hier S. 237.
8 Schroeder, Klaus: Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland: Ein Ost-West-Vergleich. München 2003. S. 40.
9 Schroeder, Klaus: Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland. S. 42.
10 Speit, Andreas: Der Terror von rechts – 1991 bis 1996, in: Röpke Andrea/Speit, Andreas (Hg.): Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland, Berlin 2013, S. 94-121, hier S. 114.
11 Schroeder, Klaus: Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland. S. 81.
12 Vgl. Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun: 17. Shell Jugendstudie. Jugend 2015. Hamburg. 2015. S. 183-192.
13 Liebsch, Katharina: Soziologie einer Lebensphase und einer sozialen Gruppe, in: Liebsch, Katharina (Hg.): Jugendsoziologie. Über Adoleszente, Teenager und neue Generationen, München 2012, S. 11-32, hier S. 15.
14 Hartung, Johanna: Sozialpsychologie. 2. Aufl. Stuttgart. 2006. S. 60-61.
15 Grumke, Thomas: Rechtsextremismus in Deutschland. Begriff – Ideologie – Struktur, in : Glaser, Ste- fan/Pfeiffer, Thomas (Hg.): Erlebniswelt Rechtsextremismus. Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. Schwalbach/Ts. 2013, S. 23-43, hier S. 26-27.
16 Molthagen, Dietmar: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland, in: Molthagen, Dietmar/Klärner, Andre- as/Korgel, Lorenz/ u.a. (Hg.): Lern- und Arbeitsbuch gegen Rechtsextremismus. Handeln für Demokratie. Bonn 2008, S. 26-37, hier S. 26-27.
17 Vgl. Brähler, Elmar/Decker Oliver: Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfakto- ren in Deutschland. Berlin. 2006. S. 48-50.
18 Erb, Rainer: Ideologische Anleihen, Geschichtsbilder und Symbole rechtsextremer Jugendgruppen – „Neona-zis“ und „Skinheads“, in: Backes, Uwe (Hg.): Rechtsextreme Ideologien in Geschichte und Gegenwart. Köln 2003, S. 289-309, hier S. 297.
19 Plodeck, Karin: Politischer Radikalismus bei Jugendlichen. S. 229.
20 Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus der Bundesrepublik, in: Möller, Kurt/Schiele, Siegfried (Hg.): Gewalt und Rechtsextremismus. Ideen und Projekte für die soziale Arbeit und politische Bildung. Schwal bach/Ts 1994, S.61-76, hier S. 67.
21 Großegger, Beate/Heinzlmaier, Bernhard: Demokratieentfremdung. Über Motive junger Menschen, sich demokratiedistanziert zu zeigen, in: Bundschuh, Stephan/Drücker, Ansgar/Scholle, Thilo (Hg.): Wegweiser Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus. Motive, Praxisbeispiele und Handlungsperspektiven, S. 137-147, hier S. 140.
22 Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus: 15. Shell Jugendstudie. Jugend 2006. Frankfurt a.M. 2006. S. 111.
23 Großegger, Beate/Heinzlmaier, Bernhard: Demokratieentfremdung. S. 142.