Die vorliegende Arbeit analysiert, ob es gelang, durch den Wiener Kongress und den vorgeschlagenen Abmachungen der europäischen Staatsmänner ein Mächtegleichgewicht herzustellen, oder ob dieser Ansatz durch Macht- und Wirtschaftsinteressen einzelner Staaten in den Hintergrund geriet. Im Fokus steht dabei besonders der Konflikt bezüglich der polnisch-sächsischen Frage und wie die einzelnen Vertreter des Kongresses diesen Konflikt zu ihrem Vorteil nutzten. Es wird ferner betrachtet, inwiefern die Umsetzung eines Mächtegleichgewichts gelang und welche Auswirkungen die Konflikte auf die Neuordnung Europas hatten.
In dieser Arbeit wird im ersten Kapitel chronologisch auf den Beginn des Wiener Kongresses eingegangen und die Wirtschafts- und Machtinteressen genauer erläutert. Im zweiten Kapitel soll verdeutlicht werden, wie sich der Konflikt bezüglich der polnisch-sächsischen Frage weiter anspannte. Die letzten beiden Kapitel sollen die Entspannung der Lage skizzieren und die Neuordnung Europas darstellen. Im Fazit werden die Ereignisse des Wiener Kongresses abschließend bewertet und seine Auswirkungen bis heute betrachtet.
Inhalt
I. Einleitung
1. Der Wiener Kongress
1.1 Vorgeschichte des Wiener Kongresses
1.2 Ziele des Wiener Kongresses
1.3 Wirtschafts- und Machtinteressen der Großmächte
2. Der Konflikt
2.1 Die polnische Frage
2.2 Die polnisch-sächsische Frage
3. Die Entspannung der Situation
3.1 Die Konferenzen vom 29. Dezember 1814 bis zum 9. Januar 1815
3.2 Angriff Napoleons
4. Die Neuordnung Europas
II. Fazit
5. Bewertung der Ergebnisse des Wiener Kongresses
6. Die Auswirkungen des Wiener Kongresses bis Heute
III. Wissenschaftlicher Apparat
Abbildungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Der Fall Bonapartes hat dessen ungeheuerliche Pläne einer Universalherrschaft zunichte gemacht, und die Alliierten, deren edle Bemühung dieses glückliche Ereignis herbeigeführt haben, vollendet, indem sie durch ein gerechtes Gleichgewicht und eine ausgewogene Machtverteilung Europa eine Ordnung geben, die geeignet ist, das Ziel zu sichern, das Gegenteil ihres glorreichen Unternehmens war[.. .j.1
Dieses, aus meiner Sicht sehr bedeutende Zitat, stammte aus „Hardenbergs Plan für die künftige Gestaltung Europas“ vom 29. April 1814 .Es klingt erstaunlich, da die Aussage erst einem Monat nach dem Sieg über die napoleonischen Armeen, getätigt wurde. Aber es nahm damals schon Bezug auf den bevorstehenden Wiener Kongress, der als eines der prägendsten Ereignisse des 19. Jahrhundert zählte und Vorreiter für ein vereintes Europa war. Der Plan stellte erstmals das Ziel dar, ein wirkliches und dauerndes Gleichgewicht in Europa“2 zu erschaffen.
Die vorliegende Arbeit analysiert, ob es gelang, durch den Kongress und den vorgeschlagenen Abmachungen der europäischen Staatsmänner ein Mächtegleichgewicht herzustellen, oder ob dieser Ansatz durch Macht- und Wirtschaftsinteressen einzelner Staaten in den Hintergrund geriet. Im Fokus steht dabei besonders der Konflikt bezüglich der polnisch-sächsischen Frage und wie die einzelnen Vertreter des Kongresses diesen Konflikt zu ihrem Vorteil nutzten. Es wird ferner betrachtet, inwiefern die Umsetzung eines Mächtegleichgewichts gelang und welche Auswirkungen die Konflikte auf die Neuordnung Europas hatten.
Auch die Forschungsliteratur befasst sich mit den damaligen Konflikten des Kongresses und deren Auswirkungen. Besonders aufschlussreich ist unter anderem das Kapitel „Am Rande des Krieges“ von Thierry Lentz3, der hier die Zuspitzung des Konfliktes gut darstellt.
Auch Reinhard Stauber schrieb, dass auf dem Kongress die „traditionelle Rivalität der Großmächte erneut durchschlug“4 und Julia Angster berichtet von zu klärenden Konflikten bezüglich territorialen Fragens.5
Des Weiteren gibt es einige relevante Quellen bezüglich der Konflikte des Wiener Kongresses.6 Dies liegt vor allem an den zahlreichen Briefwechseln neben den offiziellen Konferenzen. Sie ermöglichen einen genauen Einblick in die Vorhaben der Staatsmänner und stellen ihre Ansichten bezüglich der Streitfragen ausführlich dar.
In dieser Arbeit wird im ersten Kapitel chronologisch auf den Beginn des Wiener Kongresses eingegangen und die Wirtschafts- und Machtinteressen genauer erläutert. Im zweiten Kapitel soll verdeutlicht werden, wie sich der Konflikt bezüglich der polnischsächsischen Frage weiter anspannte. Die letzten beiden Kapitel sollen die Entspannung der Lage skizzieren und die Neuordnung Europas darstellen. Im Fazit werden die Ereignisse des Wiener Kongresses abschließend bewertet und seine Auswirkungen bis heute betrachtet.
1. Der Wiener Kongress
1.1 Vorgeschichte des Wiener Kongresses
Mit dem Sieg über Napoleon und dem ersten Pariser Frieden (30. Mai 1814) endeten 25 Jahre Krieg und Revolution. Die napoleonischen Kriege hatten fast ganz West- und Mitteleuropa überzogen und brachten politische und territoriale Änderungen mit sich (siehe Abbildungen 1 und 2). Dies war das Ende des vorher bekannten Staatensystems. Eine Neuordnung Europas war nötig. Es wurden Forderungen nach einer stabilen Ordnung mit einem bestehenden Frieden und die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den europäischen Mächten geäußert. Die Siegermächte stellten Ansprüche auf die im Krieg eroberten Gebiete und zusammen mit den im Krieg geschwächten Staaten forderten sie Entschädigung für ihre erbrachten Mühen und Opfer.
Am 1. November 1814 begann aus diesem Grund der Wiener Kongress mit beteiligten Staatsoberhäuptern und Delegationen von fast allen europäischen Staaten. Zu den wichtigsten und einflussreichsten Teilnehmer des Kongresses gehörten die Vertreter der Großmächte:
Der österreichische Staatsminister Klemens Wenzel Lothar Fürst von MetternichWinneburg-Beilstein fungierte „als Präsident des Kongresses“7 und prägte mit seinen diplomatischen Fähigkeiten den Kongress und die folgenden Jahre 1815-1848. Metternich schätzte das monarchische Prinzip und hielt wenig von Volkssouveränität. Zusammen mit dem englischen Vertreter galt er als Verfechter des Gleichgewichtsprinzip der europäischen Staaten.8
England wurde von Robert Stewart Viscount Castlereagh (britischer Außenminister) vertreten. „Castlereagh erwies sich in den teils schwierigen Verhandlungen wiederholt als kluger Diplomat und geschickter Vermittler zwischen den divergierenden Positionen der europäischen Großmächte“9, dies zeigte er als „Mediator in der polnisch-sächsischen Frage“.10 Castlereaghs Ziel war es auch, Frankreich mit in die Gespräche zu integrieren.11
Preußen wurde in den Verhandlungen vertreten durch Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg und Kultusminister Wilhelm Christian Karl Ferdinand von Humboldt. Hardenberg galt als ausdauernder Diplomat und beriet oftmals den preußischen König Friedrich Wilhelm III., wenn es um eine aussichtsreiche Politik gegenüber Österreich ging. Dies hatte jedoch nicht immer den erwünschten Effekt, da der preußische König oft Partei für den russischen Zaren ergriff, um sich so einen Vorteil bezüglich seinen eigenen Machtinteressen in Sachsen zu schaffen. Zum Vorteil Preußens war Humboldt „ausgezeichnet über die politischen Absichten des österreichischen Außenministers in den Jahren 1811 bis 1814 informiert“.12
Russlands Vertreter war Pavlovic Alexander I., der Zar von Russland. Er trat vor allem bei der Sachsen-Polen-Frage auf und unterstütze König Friedrich Wilhelm III. in Bezug auf Sachsen. Er erhoffte sich auf diese Weise, seinen Zielen, einen Einflussbereich in Mitteleuropa zu haben, näher zu kommen.13
Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (französische Außenminister) vertrat Frankreich. Er forderte eine „gleichberechtigte Aufnahme Frankreichs in die Reihen der alliierten Mächte“14. Durch seine geschickte Diplomatie gelang ihm die Isolierung Frankreichs aufzuheben, dies lag vor allem an seiner Stellung zur polnisch-sächsischen Frage.15
Es gründeten sich Ausschlüsse für die individuellen Probleme der einzelnen Länder, aber die wichtigsten Verhandlungen fanden ausschließlich zwischen den bereits genannten Großmächten und Frankreich statt. So wollten zum Beispiel Metternich, Hardenberg und Humboldt bei der Verhandlung über die Verfassung des deutschen Bundes die Klein- und Mittelstaaten ausschließen. Der Ausschluss scheiterte jedoch am Protest dieser. Besonders wichtig für die Diplomatie während des Kongresses waren die zahlreichen Briefwechsel, wie zahlreiche Quellen beweisen.16
Neben den vielen Konferenzen wies der Kongress eine Festkultur von Bällen, Festen, Konzerten und Jagden auf, dadurch sollte den zahlreichen Gästen die Zeit so angenehm wie möglich gemacht werden. Dies ließ Vorwürfe eines „tanzenden“17, aber nicht vorankommenden Kongresses laut werden. Die Stimmen kamen hauptsächlich aus dem hungernden Volk, die sich von ihren Monarchen im Stich gelassen fühlten.
1.2 Ziele des Wiener Kongresses
Das zentrale Ziel des Wiener Kongresses war die Herstellungen „eines dauerhaften Friedens“18 und „ein wirkliches und dauerndes Gleichgewicht“19 hervorzubringen. Er nahm sich zu Aufgabe die Legitimität der vertriebenen Fürstenhäuser (z.B. Bourbonen in Frankreich). Die Souveränität der Monarchie und solidarisches Verhalten sollte im Falle erneuerter Revolutionen gewährleistet sein und die politische Ordnung restauriert werden20, wobei der Begriff der Restauration mit Vorsicht genutzt werden muss, da „es sich keineswegs um eine Rückkehr zu vorrevolutionären [...] Strukturen [... ]“21 handelte, „sondern um den Versuch die Innenpolitik und die Frage der Gesellschaftsordnung der beteiligten Staaten aus dem Völkerecht herauszuhalten.“22.
1.3 Wirtschafts- und Machtinteressen der Großmächte
Das Streben nach einer Ordnung vermischte sich jedoch, vor allem bei den Großmächten, durch die Rivalität untereinander23 und deren Wirtschafts- und Machtinteressen. So schrieb Hardenberg an Metternich, „daß die erste seiner Pflichten ihm gebiete vor Allem an sich selbst [Preußen] zu denken.“24 Er war nicht der einzige Vertreter mit dieser Ansicht, auch Russland teilte diese.25
1.3.1 Interessen Russlands
Schon während den napoleonischen Kriegen (1803-1815) wurden die Interessen Alexanders I. erkennbar. Statt damit zufrieden zu sein das russische Reich von Napoleon befreit zu haben (Dezember 1812), entschied er sich den Krieg gegen Napoleon in Mitteleuropa fortzusetzen.
Früh fasste er dabei- und dies sollte sich als Grundpfeiler seiner Politik in den kommenden zwei Jahren erweisen- einen territorialen Gewinn für das Zarenreich ins Auge, und zwar Polen [...].26
Dem Zaren lag am wenigsten aller Teilnehmer des Kongresses daran ein Mächtegleichgewicht zu schaffen. Aus einem Brief des hannoverischen Kongressbevollmächtigten Graf Münster an den englischen Prinzregenten vom 19. September 1814 ging hervor, „daß der Zar von Russland in nichts zurückweichen will, am wenigsten von den Grenzen, die er in Polen fordert.“27 Mit einer möglichen Einverleibung Polens versprach er sich neben territorialen Vorteilen, auch eine Sicherheitszone gegenüber Frankreich.28
1.3.2 Interessen Preußens
Preußen war ebenfalls auf einen territorialen Zuwachs aus, da es während den napoleonischen Kriegen seine polnischen Gebiete verlor. Dadurch sollte der Status als Großmacht von 1807 wiederhergestellt werden29. Hardenberg meinte, dass dies im gesamten Interesse Europas sei und fordert: „daß Preußen stark sei, daß es an Kraft zunehmen in dem Maße wie seine Nachbarn sich vergrößern.“30 Hiermit will Hardenberg unteranderem den Anspruch Preußens auf Sachsen deutlich machen.
2. Der Konflikt
2.1 Die polnische Frage
Diese Machtinteressen führten auf dem Kongress zu der Debatte, wie mit Polen umzugehen sei. Liverpool schrieb in einer Weisung an Castlereagh, dass es hierfür nur drei Möglichkeiten geben könne. Polen könne unter den drei Großmächten (Österreich, Russland und Preußen) aufgeteilt werden und zum jeweiligen Territorium angebunden werden oder als selbstständigen Staat, mit einem unabhängigen Prinzen, erhalten werden. Die dritte Möglichkeit sei es, Polen als unabhängigen Staat einer der Großmächte zuzuordnen, welcher unter den Umständen dieser Zeit Russland gewesen wäre. Wobei in einem Originalzitat seitens Liverpools darauf hingewiesen wurde, dass „of these three alternatives, I [Liverpool] should certainly consider the third the worst for the general interests of Europe. “31 Der bevorzugte Umgang der Briten mit Polen wäre es gewesen Polen als unabhängigen Staat mit einem „eigenständigen Herrenhaus“32 zu etablieren, [übers. v. G. G.]33 was Metternich unterstützte.
2.2 Die polnisch-sächsische Frage
Nachdem Zar Alexander Ende September 1814 sein Programm der Übernahme des größten Teils des Herzogtums Warschau [...] bekannt machte, wurde die polnische Frage auf dem Kongress nur noch im Zusammenhang mit der Entschädigungsforderung Preußens diskutiert.34
Die polnisch-sächsische Frage dominierten vor allem die drei Großmächte Österreich, Preußen und Russland. Wie bereits erwähnt wollte Zar Alexander I. von seinem Vorhaben Polen einzunehmen keinesfalls zurückweichen.35 Dem gegenüber stand Metternich, der in seiner Position von Castlereagh unterstützt wurde. Zusammen wollten sie die Machtausdehnung Russlands in den Westen verhindern.
[...]
1 Hardenbergs 'Plan für die künftige Gestaltung Europas’, in: Quellen zur Geschichte des Wiener Kongresses: 1814/1815, hrsg. v. Klaus Müller, Bd. 23, Darmstadt 1986, S.33.
2 Protokoll der Viermächtesitzung vom 22.9, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S.178.
3 Thierry Lentz, 1815: Der Wiener Kongress und die Neugründung Europas, München 2014, übers. v. Frank Sievers, S.177-198.
4 Reinhard Stauber, Der Wiener Kongress, Wien, Köln, Weimar 2014, S.7.
5 Vgl. Julia Angster, Der Wiener Kongress und die Neuordnung des europäischen Staatensystems, in: Daniel Brühlmeier (Hg.), Zürich und der Wiener Konkress: Erklärung über die Angelegenheiten der Schweiz vom 20.März 1815, Zürich 2015, S.25-28, S.28.
6 Vgl. Quellen Wiener Kongress, Müller.
7 Karin Schneider und Eva Maria Werner, Europa in Wien: Who is Who beim Wiener Kongress 1814/15, Wien, Köln, Weimar 2015, S.238.
8 Ebd. S.237-239.
9 Schneider/Wenner, Europa in Wien, S. 132.
10 Ebd. S.132.
11 Ebd. S.131-133.
12 Ebd. S.194.
13 Ebd. S.100-102.
14 Ebd. S.295.
15 Ebd. S.294-296.
16 Vgl. Quellen Wiener Kongress, Müller.
17 Stauber, Wiener Kongress, S.205.
18 Vor Eröffnung des Wiener Kongresses, in: Geschichte in Quellen: Das bürgerliche Zeitalter 1815-1914, hrsg. v. Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke, Bd. 5, München 1980, S.16.
19 Protokoll der Viermächtesitzung vom 22.9, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S.178.
20 Vgl. Hardenbergs 'Plan für die künftige Gestaltung Europas’, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S.33.
21 Angster, Die Neuordnung des europäischen Staatensystems, S.35.
22 Ebd.
23 Vgl. Stauber, Wiener Kongress, S.7.
24 Handschreiben Hardenbergs an Metternich, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S.207.
25 Vgl. Entschiedener Anspruch des Zaren auf Polen, in: Geschichte in Quellen, Lautemann/Schlenke, S.17.
26 Stauber, Wiener Kongress, S. 19.
27 Entschiedener Anspruch des Zaren auf Polen, in: Geschichte in Quellen, Lautemann/Schlenke, S.17.
28 Vgl. Stauber, Wiener Kongress, S.80.
29 Vgl. Ebd. S.8.
30 Handschreiben Hardenbergs an Metternich, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S. 207.
31 Weisung Liverpools an Castlereagh, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S.213.
32 Stauber, Wiener Kongress, S. 91.
33 Vgl. Weisung Liverpools an Castlereagh, in: Quellen Wiener Kongress, Müller, S. 213.
34 Stauber, Wiener Kongress, S.91.
35 Vgl. Entschiedener Anspruch des Zaren auf Polen, in: Geschichte in Quellen, Lautemann/Schlenke, S.17.