Ob und wie wirkt sich das Konsumverhalten auf das Kohärenzgefühl aus? Hat das Kohärenzgefühl von Jugendlichen Einfluss auf den jeweiligen Drogenkonsum?
In der Arbeit habe ich mich mit einem Mädchen (17 Jahre) zusammengesetzt, welches regelmäßig (illegale) Drogen konsumiert. Die (illegalen) Drogen sind zudem ein großes Thema in ihrem Freundeskreis. Neben dem vorgegebenen Fragebogen zur Lebensorientierung habe ich mich dazu entschlossen, noch einige Fragen mehr mit den Klienten durchzusprechen.
In Deutschland nehmen die Strafdelikte in Bezug auf Handel und Konsum von illegalen Drogen zu. Im Jahr 2017 wurden im Vergleich zu dem Jahr 2016 9,2 Prozent mehr solcher Delikte erfasst. Die jährliche Kriminalitätsrate stieg in diesem Bereich zum 7. Mal in Folge an.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Begründung des Themas
2 Theorieteil
2.1 Das Kohärenzgefühl
2.2 Gesundheit im Jugendalter:
2.3 Bedeutung von Peergroups in der Gesundheitsentwicklung im Jugendalter
2.4 Warum konsumieren Jugendliche illegale Drogen?
2.5 Drogenkonsum und Kohärenzgefühl
3 Praxisteil:
3.1 Mögliche praktische sozialpädagogische Maßnahmen und Angebote
3.2 Resilienz:
3.3 Resilienzförderung
4 Fazit Teil:
4.1 Bedeutung für die Sozialpädagogische Arbeit mit Jugendlichen
4.2 Eigene Einschätzung des Themas:
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Begründung des Themas
In Deutschland nehmen die Strafdelikte im Bezug auf Handel und Konsum von illegalen Drogen zu. Im Jahr 2017 wurden im Vergleich zu dem Jahr 2016 9,2 Prozent mehr solcher Delikte erfasst. Die jährliche Kriminalitätsrate stieg in diesem Bereich zum 7. Mal in Folge an.1
Nach meiner Ausbildung als Erzieherin begann ich in der offenen Jugendarbeit mit Kindern und Jugendlichen von 8- 25 Jahren zu arbeiten. Mit meinem Beginn des Dualen Studiums der Sozialen Arbeit habe ich die Leitung der offenen Jugendarbeit übernommen.
Während meiner Arbeitszeit in der offenen Kinder- und Jugendarbeit werde ich oft mit dem Thema „Drogenkonsum im Jugendalter“ konfrontiert.
In Aufgabe 1 des Moduls habe ich mich in diesem Zusammenhang mit einem Mädchen (17 Jahre) zusammengesetzt, welches regelmäßig (illegale) Drogen konsumiert. Die (illegalen) Drogen sind zudem ein großes Thema in ihrem Freundeskreis. Neben dem vorgegebenen Fragebogen zur Lebensorientierung haben wir uns in der Gruppe dazu entschlossen, noch einige Fragen mehr mit den Klienten durchzusprechen. Eine zusätzliche Frage darunter war die nach dem Drogenkonsum der unserer Klienten.
Da meine Klientin regelmäßig gemeinsam mit ihrem Freundeskreis Drogen konsumiert kam in mir die Frage auf, ob und wie sich das Konsumverhalten auf das Kohärenzgefühl auswirkt oder ob ggf. das Kohärenzgefühl der Jugendlichen Einfluss auf den jeweiligen Drogenkonsum hat.
2 Theorieteil
2.1 Das Kohärenzgefühl
Das Kohärenzgefühl entwickelt sich aus Ressourcen und Erfahrungen des einzelnen Menschen. Es ist ein Grundgefühl, das sich den Komponenten „Verstehbarkeit“, „Bewältigbarkeit“ und „Sinnhaftigkeit“ zusammensetzt. Ein Mensch braucht also das Gefühl, das sein Leben sinnvoll ist, seine Handlungen verstehbar sind und er die Anforderungen seines Lebens bewältigen kann
Je stärker das Kohärenzgefühl ausgeprägt ist, desto besser kann der Mensch auf die Anforderungen seines Lebens reagieren. Um auf die Anforderungen des eigenen Lebens zu reagieren, muss der Mensch die dafür nötigen Ressourcen aktivieren. Menschen mit einem niedrig ausgeprägten Kohärenzgefühl konnten keine Ressourcen entwickeln, die zum Bewältigen der entsprechenden Situationen erforderlich sind2.Je regelmäßiger und verlässlicher Menschen Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit und Bewältigbarkeit erfahren, desto leichter können sie Belastungen aushalten und Gesundheitsressourcen zur Stressbewältigung entwickeln3.
Man nimmt an, dass sich das Kohärenzgefühl in der frühen Kindheit entwickelt und etwa bis zum 30. Lebensjahr stabilisiert.4 Was bedeutet, das Kinder und Jugendliche bis zum 30. Lebensjahr alle notwendigen Ressourcen entwickeln müssen, um auf die Anforderungen des eigenen Lebens reagieren zu können.
2.2 Gesundheit im Jugendalter:
Die Lebensphase von Jugendlichen (ca. im Alter von 10-16 Jahren) wird durch große Unsicherheiten, hohe Ansprüche an die Selbstverwirklichung und einem umfassenden körperlichen Veränderungsprozess gekennzeichnet.5 Zudem haben viele gesundheitsbelastende Verhaltensweisen im Jugendalter ihren Ausgangspunkt. Aus diesem Grund ist die Lebensphase von Jugendlichen entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung. Im Vergleich zur Kindheit und dem Erwachsenenalter sind schwere somatische Krankheiten im Jugendalter zwar eher selten, dafür treten psychische Krankheiten und Beschwerden häufiger auf. Ergebnisse der Kinder- und Jugendgesundheitssurvesys (KiGGS) zeigen, dass allgemeine psychische Auffälligkeiten im Übergang vom Kindeheits- und Jugendalter in einem Aufmaß steigen, dass in der Gruppe von 14 bis 17 Jährigen bei nahezu einem Viertel das Risiko einer psychischen Erkrankung besteht.6 Ein Schwerpunkt der Jugendgesundheitsforschung liegt auf der Analyse des Gesundheitsverhaltens vom Jugendlichen. Die Studien belegen, dass sich das Gesundheitsverhalten im Übergang von Kindheit ins Jugendalter im schnellen Tempo ändert. Im Jugendalter werden offensichtlich Verhaltensmuster ausgebildet, welche für das Erwachsenenalter als strukturbildend angesehen werden müssen. Gerade im Jugendalter kommen Gesundheitsrelevante Verhaltensmuster hinzu, welche für die Gesundheit im Erwachsenenalter relevant sind. Während Tabak rauchen, Alkohol trinken, ungesunde Ernährung und der Konsum von Illegalen Drogen steigt, nehmen gesunde und regelmäßige Ernährung und ausreichende Bewegung ab.
2.3 Bedeutung von Peergroups in der Gesundheitsentwicklung im Jugendalter
Die Gesundheitsentwicklung, welche in den ersten Lebensjahren vermehrt durch die Eltern geprägt ist, unterliegt mit Beginn der Jugendphase neuen Einflüssen. Ab dieser Zeit bildet die Beziehung zu den Gleichaltrigen eine wesentliche Basis. Die Aufnahme von Beziehungen zu Gleichaltrigen zählt zu einer der wichtigsten Entwicklungsaufgaben im Jugendalter. Die Peergroup stellt eine hohe Bedeutsamkeit für die Jugendlichen dar. In der Jugendphase wird in den Peergroups Verhalten ausprobiert und zur Selbstdarstellung sowie zur Abgrenzung gegenüber den Eltern genutzt. Die Einbindung in einen spezifischen Freundeskreis, in welchem der Konsum von (illegalen) Drogen beispielsweise als „normal“ angesehen wird, schafft vermehrt Möglichkeiten und Gelegenheiten dieses Verhalten zu praktizieren. Die Daten der HBSC Studie zeigen auf, „dass Schülerinnen und Schüler, welche viel Zeit mit Freunden verbringen, häufiger gesundheitsschädigendes Verhalten aufweisen. Die Ergebnisse sprechen damit für ein sozial motivierendes Risikoverhalten bei Jugendlichen.“7
Im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung liegt der Fokus auf dem Konsum von Illegalen Drogen und die damit verbundene Auswirkung auf die Gesundheit und das Kohärenzgefühl von Jugendlichen.
2.4 Warum konsumieren Jugendliche illegale Drogen?
Die Jugendphase ist von der Bewältigung elementarer Entwicklungsaufgaben geprägt. Neben der Akzeptanz des eigenen Körpers, dem Aufbau zu Kontakten mit Gleichaltrigen gehören auch die Werte und Normentwicklung sowie die dem Aufbau eines Beruflichen Werdegangs zu den Aufgaben der Jugendlichen.
Für den Jugendlichen vermitteln sich diese Entwicklungsaufgaben in Form von elementaren Grundbedürfnissen nach Unabhängigkeit, Gemeinschaft, Beziehungen, Selbstverwirklichung, intensivem Erleben und Selbstsicherheit. Jugendliche realisieren nun diejenigen Verhaltensweisen, die diese Grundbedürfnisse befriedigen und damit der Erledigung der Entwicklungsaufgaben dienen. Wenn die realen Bedingungen der Jugendlichen der Befriedigung der Bedürfnisse entgegenstehen (z.B. Schulversagen, Schwierigkeiten im Freundeskreis, Nichtakzeptanz des eigenen Körpers, Gefühl der Benachteiligung) entwickeln die Jugendlichen ein Risikoverhalten, z.B. der Konsum von Drogen. Mit diesem Verhalten versuchen sie, ein – für sie als schwierig empfundenes Bedürfnis- befriedigen zu können. Dabei werden die Folgen (egal ob mittel- oder langfristige Folgen) des Verhaltens (hier Drogenkonsum) ausgeblendet. Für die Jugendlichen steht in diesem Moment nur die kurzfristige Befriedigung des Bedürfnisses im Vordergrund. Neben dem „problematischen Konsum“ von Jugendlichen, ist es durchaus möglich, das Jugendliche über eine gewisse Zeit, gelegentlich, zu bestimmten Anlässen Drogen konsumieren, und Risiken eingehen. Sofern es sich bei diesem Verhalten aber nicht um "notwendiges" Verhalten (zur Erlangung wichtiger Bedürfnisse und/oder zur Minderung negativer Empfindungen) handelt, die für den Jugendlichen anders nicht realisiert werden können, ist das Gefährdungspotenzial durch diese Probehandlungen eher als gering zu bewerten.8 Der Unterschied zwischen Ausprobieren, dem Genuss und dem Missbrauch im Drogenkonsum liegt also darin, das der Genuss an sich sinnvoll ist, Wohlbefinden nach sich zieht, zweckfrei ist und sich etwas „Gutes tun“ bedeutet. Missbräuchlicher Konsum ist dagegen Mittel zum Zweck und dient z.B. dem Dämpfen von unangenehmen Gefühlen und Empfindungen.
2.5 Drogenkonsum und Kohärenzgefühl
Der (illegale) Drogenkonsum wird von Jugendlichen (wie im vorherigen Abschnitt beschrieben) aktiv eingesetzt, um den spezifischen Anforderungen der aktuellen Lebensphase zu begegnen, und dient zur Bewältigung alltäglicher Lebensprobleme und deren Herausforderung.
Substanzkonsum wird dann zum Ersatzziel und erhält damit eine bestimmte Funktion im Rahmen der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. So kann es zu einem Kreislauf aus steigenden Belastungen und der zunehmenden Bereitschaft, durch Risikoverhalten sozialen Anforderungen auszuweichen, kommen. Was bedeutet, dass die Jugendlichen selbst, nicht die nötigen Ressourcen aufweisen können, welche für die Bewältigung der Herausforderungen nötig sind.
Ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl, als positive Bewältigungsressource hingegen, bildet offensichtlich für den Umgang mit Drogen im Jugendalter eine wichtige Basis: Wer im hohen Maße ein Gefühl des Vertrauens bezüglich der inneren und äußerlichen Lebensumwelt aufweist, entwickelt mit größerer Wahrscheinlichkeit persönlich sinnhafte Motivation für die individuelle Lebensgestaltung, konsumiert seltener Alkohol oder andere Drogen und weist seltener Phasen exzessiven Substanzkonsums auf .9
3 Praxisteil:
3.1 Mögliche praktische sozialpädagogische Maßnahmen und Angebote
Der Drogenkonsum von Jugendendlichen ist also, u.a. ein Zeichen dafür, dass Jugendliche also eine bestimmte Situation, eine Entwicklungsaufgabe in ihrem Leben nicht selbst bewältigen können, bzw. die nötigen Ressourcen dafür nicht aufbringen können. Gründe dafür können z.B. Gesundheitsprobleme (Sucht, Essstörungen), psychische Erkrankungen (Depressionen, Selbstverletzendes Verhalten) oder familiäre Störungen (häusliche Gewalt, Vernachlässigung, Drogenkonsum in der Familie) sein. Einen einzelne Ursache zu identifizieren wird dabei schwer sein bzw. kann man wahrscheinlich einzelne Ursachen nicht voneinander trennen. Es darf nicht vergessen werden, dass sich auch Jugendliche, trotz schwieriger Entwicklungsbedingungen positiv entwickeln. Doch warum sind manche Jugendlichen widerstandsfähiger als andere, welche Faktoren begünstigen die Resilienz?
3.2 Resilienz:
„Als Resilienz bezeichnet man die Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke.“10 Diese Fähigkeit und innere Stärke hilft Menschen, Misserfolge, traumatische Erfahrungen, Niederlagen und Lebenskrisen zu meistern. Resiliente Personenn können die notwendigen Ressourcen zur Bewältigung einer schwierigen Situation aufbringen und (schwere) Aufgaben lösen. Nach Prof. Dr. Jutta Heller gibt es sieben Schlüssel der Reselienz:11
*Akzeptanz - Annehmen was ist
*Optimismus - darauf vertrauen, dass es besser wird
- Selbstwirksamkei t - von seinem Kompetenzen überzeugt sein und Einfluss nehmen
*Eigenverantwortung – für eigene Entscheidungen Verantwortung übernehmen anstatt einen Schuldigen zu suchen
*Netzwerkorientierung – Kontakte pflegen und sich bei Herausforderungen Unterstützung holen
*Lösungsorientierung - die Dinge aktiv angehen und sich auf gut Funktionierendes konzentrieren
*Zukunftsorientierung - die Zukunft planen und auf Ziele hinarbeiten
Die Aufgabe besteht also darin, die Resilienz der Jugendlichen, welche Drogen zum Ersatzziel der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben konsumieren, zu fördern und zu stärken. Mit der erworbenen Resilienz können, die Jugendlichen die benötigten Ressourcen abrufen, um die Anforderungen des Lebens bewältigen zu können, das Leben für Sinnvoll zu erachten und sein Handeln zu verstehbar zu machen.
[...]
1 Vgl. Marlene Mortler 2017
2 Vgl. Antonovsky in Bengel 2001
3 Vgl Franzkowiak 2018
4 Vgl. Antonovsky 1997
5 Vgl. Adam & Breithaupt – Peters 2010
6 Vgl. Ravens-Sieberer 2007
7 Richter & Settertobulter 2003: 139
8 Vgl. Udo Eisenbarth, Marta Czapnik 2018
9 Vgl. Ullrich- Kleinmanns 2008
10 Stangl 2018
11 Prof. Dr. Jutta Heller