Gender Mainstreaming ist ein strategischer Ansatz von Geschlechterpolitik und wird in dieser Hausarbeit thematisiert. Es soll auf die Frage hingearbeitet werden, inwiefern bzw. ob überhaupt das Gender Mainstreamig zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit beiträgt. Die Frage erschließt sich aus dem Sachverhalt, dass der Ansatz der Strategie plausibel erscheint, es jedoch keine repräsentativen Forschungsergebnisse dazu gibt sowie die Soziale Arbeit noch nicht als vollständige Profession anerkannt wurde. Soziale Bewegungen haben einen enormen Einfluss auf die Soziale Arbeit gehabt, insbesondere die Frauenbewegungen. Geschlecht war also schon immer ein wichtiges Thema in diesem Berufsfeld. Die Geschichte zeigt, dass sich die Soziale Arbeit – die ehemals sogenannte Wohlfahrtspflege – aus der Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit, bezogen auf die Gleichheit und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, und dem Wunsch nach Veränderung entwickelte.
Um konkret auf die Strategie des Gender Mainstreamig einzugehen, als auch auf die Institutionellen Ebene der Kinder- und Jugendhilfe und der Genderkompetenz, folgt eine Einführung in den aktuellen Stand der Wissenschaft. Damit in Verbindung werden die wichtigsten Ereignisse der Geschichte der Sozialen Arbeit dargestellt. Um das Gender Mainstreaming auf den Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe zu beziehen, wird in Kapitel 5 auf die Mädchenarbeit eingegangen. Infolgedessen erfolgt eine Gegenüberstellung von Gender Mainstreaming und Mädchenarbeit. Auch auf die Chancen und Risiken der Strategie wird eingegangen und endet mit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des Gender Mainstreaming. Im Anschluss wird ein direkter Bezug zum Professionalisierungsprozess erarbeitet und auf die Leitfrage, inwiefern bzw. ob überhaupt das Gender Mainstreamig zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit beiträgt, eingegangen. Um die Arbeit abzuschließen werden alle Ergebnisse bündig mit Integration einer Schlussfolgerung zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Stand der Wissenschaft
3 Geschichte der Sozialen Arbeit
4 Gender Mainstreaming
4.1 Strategie des Konzepts
4.2 Institutionelle Ebenen
4.3 Genderkompetenz
4.4 Kritik am Gender Mainstreaming
5 Kinder und Jugendhilfe
5.1 Beispiel: Mädchenarbeit
5.2 Mädchenarbeit versus Gender Mainstreaming
5.3 Chancen und Risiken des Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe
6 Professionalisierung der Kinder- und Jugendhilfe durch Gender Mainstreaming?
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Soziale Arbeit begegnet immer wieder Herausforderungen verschiedenster Arten. Be- sondern in Verbindung mit der Eigenschaft der Fürsorge, die wiederum in Verbindung mit vorwiegend Frauen gebracht wird, muss sich Soziale Arbeit vor Klischees erklären oder ihren Wertgehalt als Wissenschaft allgemein aufklären. Geschlecht spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Das Umgehen mit dem Begriff ‚Geschlecht‘ oder dem englisch entlehnten ‚Gender‘ ist schon Alltag in der sozialarbeiterischen The- orie und Praxis. Unter den Begriffen assoziiert die Soziale Arbeit Geschlechtsspezifische Arbeit, Geschlechtergerechtigkeit, Genderkompetenz und Gender Mainstreaming (Plö- ßer & Sabla, 2013, S. 7). Handlungsfelder, wie zum Beispiel die Kinder- und Jugendhilfe, sind durch die Geschlechterverhältnisse zu interessanten Ausgangspunkten für Debat- ten geworden, durch die man versucht die gendertheoretische Perspektive in Bezug auf AdressatInnen, dem Professionsverständnis und dem Professionalisierungsverlaufs zu verstehen. Im Gegensatz dazu trägt die Geschlechterdifferenzierung zur Ungleichheit und Diskriminierung bei (ebd.). Daher zeigt sich das Verhältnis von Gendertheorien und Sozialer Arbeit als sehr widersprüchlich. Durch die Einführung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 1990 wurde die Geschlechterfrage eine Leitmaxime der Kinder- und Jugendhilfe und wurde 1996 noch einmal durch die Verabschiedung der EU- Leitlinie des Gender Mainstreaming verfestigt (Werthmanns-Reppekus, 2008, S. 102f.). Gender Mainstreaming ist ein strategischer Ansatz von Geschlechterpolitik und wird in dieser Hausarbeit thematisiert. Es soll auf die Frage hingearbeitet werden, inwiefern bzw. ob überhaupt das Gender Mainstreamig zur Professionalisierung der Sozialen Ar- beit beiträgt. Die Frage erschließt sich aus dem Sachverhalt, dass der Ansatz der Stra- tegie plausibel erscheint, es jedoch keine repräsentativen Forschungsergebnisse dazu gibt sowie die Soziale Arbeit noch nicht als vollständige Profession anerkannt wurde. Soziale Bewegungen haben einen enormen Einfluss auf die Soziale Arbeit gehabt, ins- besondere die Frauenbewegungen. Geschlecht war also schon immer ein wichtiges Thema in diesem Berufsfeld. Die Geschichte zeigt, dass sich die Soziale Arbeit – die ehemals sogenannte Wohlfahrtspflege – aus der Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit, bezogen auf die Gleichheit und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, und dem Wunsch nach Veränderung entwickelte (vgl. Kapitel 2). Um konkret auf die Strategie des Gender Mainstreamig einzugehen, als auch auf die Institutionellen Ebene der Kin- der- und Jugendhilfe und der Genderkompetenz, folgt eine Einführung in den aktuellen Stand der Wissenschaft. Damit in Verbindung werden die wichtigsten Ereignisse der Ge- schichte der Sozialen Arbeit dargestellt. Um das Gender Mainstreaming auf den Teilbe- reich der Kinder- und Jugendhilfe zu beziehen, wird in Kapitel 5 auf die Mädchenarbeit eingegangen. Infolgedessen erfolgt eine Gegenüberstellung von Gender Mainstreaming
und Mädchenarbeit. Auch auf die Chancen und Risiken der Strategie wird eingegangen und endet mit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des Gender Mainstreaming. Im Anschluss wird ein direkter Bezug zum Professionalisierungsprozess erarbeitet und auf die Leitfrage, inwiefern bzw. ob überhaupt das Gender Mainstreamig zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit beiträgt, eingegangen. Um die Arbeit abzu- schließen werden alle Ergebnisse bündig mit Integration einer Schlussfolgerung zusam- mengefasst.
2 Stand der Wissenschaft
Feministische Theorien und Erkenntnisse der Geschlechterforschung zeigen, dass ge- sellschaftliche Konstruktionen von Geschlechterdifferenz nicht wertneutral sind, sondern sich durch Auf- und Abwertungsdynamiken auszeichnen. Die Soziale Arbeit trifft immer wieder auf Barrieren auf ihrem Weg eine Profession zu werden – dabei wird die enge Verbindung und „Assoziation von Weiblichkeit und Fürsorge, Etikettierung von Sozialer Arbeit als Frauenberuf und ihre allfällige Einordung als Semi-Profession“ (Bereswill & Stecklina, 2010, S. 10) in den Vordergrund gehoben. Der Umstand, dass die Geschlech- terperspektiven in der Sozialen Arbeit immer wieder in Professionsdebatten thematisiert werden, zeigt auf, dass es sich um eine Profession handelt, die durch ihre Entstehungs- geschichte mit der Weiblichkeit assoziiert wird und bis heute als Frauenberuf gilt (Mieg, 2016, S. 32). Diese Zuschreibung erschwert den Aufstieg in die männlich geprägte Pro- fession und muss deshalb abgelegt werden (ebd.). Die Strategie des Gender Mainstreaming versucht diese Ungleichheit zwischen den beiden Geschlechtern zu de- zimieren und Chancengleichheit zu schaffen. Dennoch zeigt sich dieses Thema als For- schungslücke, denn alle bislang vorliegenden Untersuchungen zum Thema Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe sind nicht repräsentative Forschungsar- beiten in Form von Mitgliederbefragungen, Untersuchungen, die von vorneherein in Ver- bindung mit den Zielen von Förderrichtlinien standen, oder wissenschaftlichen Begleit- studien (vgl. Hollenstein, 2020). Deutlich wird, dass Untersuchungen zu allen Hand- lungsfeldern und Trägerstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe fehlen. Dadurch er- schließt sich die Leitfrage, wie bzw. ob überhaupt diese zu wenig erforschte Strategie auf die Professionalisierung der Sozialen Arbeit einwirken kann.
3 Geschichte der Sozialen Arbeit
Die Soziale Arbeit in Deutschland hat ihre Ursprünge in der nicht-staatlichen Wohlfahrt und den sozialen Bewegungen – die Arbeiterbewegung, Jugendbewegung und vor allem der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts (Ehlert, 2012, S. 9). Die Frauenbewegung ist im Zusammenhang mit der Leitfrage von besonderer Bedeutung und wird daher ver- tiefend dargestellt. Bevor es in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu der ersten
Frauenbewegung kam, wurde stets das Weiblichkeitsideals vertreten, bei der eine Frau ihren Platz im Haus als Ehefrau und Mutter hatte. Die Möglichkeit eine Karriere anzu- streben oder sich weiterzubilden und einer Lehre nachzukommen war verboten. Bürger- liche Frauen litten unter diesen Bedingungen, die sich vor allem durch die aufgezwun- gene Untätigkeit sowie die finanzielle Situation charakterisieren lässt. Sie wünschten sich ökonomische Unabhängigkeit sowie eine gesellschaftliche Aufwertung der Haus- frauenarbeit. Durch die Professionalisierung und somit der Etablierung und Tätigkeit ei- nes neuen Berufes in Form der Wohlfahrtspflege sollte der Zuwachs an gesellschaftli- cher Einflussnahme zunehmen (ebd., S. 33ff.). Durch die bürgerliche Frauenbewegung wurde deutlich, dass die soziale und pädagogische Fürsorge Aufgabe der Frauen waren und sich hieraus sowie der Vorstellung der „geistigen Mütterlichkeit“ eine ideologische Grundlage festgelegt hat (Helsper, 2021, S. 45).
Durch die Auflösung der Vorstellung der engen Vorgaben als mütterliches Wesen, wel- ches aufgrund der sich damaligen entwickelten bürgerlichen Polarität der Geschlechter als emotional, sorgend und immer Kindzentriert beschrieben wird, konnte dieses in die Kulturaufgabe der Fürsorge übergehen (ebd.). Frauen werden bis heute Fürsorge und Hilfsbereitschaft zugeschrieben, welche als Voraussetzungen zur Ausübung sozialer Be- rufe wahrgenommen wurde und wird (Baar et al., 2019, S. 35). Für die Entwicklung und Professionalisierung der damaligen Armen- und Gesundheitsfürsorge spielte Alice Salo- mon (1872-1948) eine wichtige Rolle. Sie erkannte das Potenzial und gilt als erste Be- gründerin des sozialen Frauenberufs in Deutschland. Jedoch galt dieser vorerst als ein Ehrenamt und nicht als ein Erwerbsberuf (Hammerschmidt & Tennstedt, 2012, S. 79). Salomon gehörte zu einer reichen Familie und führte nach ihrer Schulausbildung das für sie unbefriedigende Leben einer Haustochter. Wie zu der Zeit üblich, war es den bürger- lichen Mädchen und Frauen nicht erlaubt, eine Ausbildung zu absolvieren oder zu arbei- ten. Selbst im Haushalt wurde Salomon kaum gebraucht, da die Familie Angestellte da- für hatte. Infolgedessen entschied sie, dass es eine Tätigkeit geben muss, die Frauen ermöglicht, sich selbst weiterzuentwickeln und eine Chance bietet, im Arbeitsbereich der sozialen Hilfsarbeit und Wohlfahrtspflege zu partizipieren und diesen mitzugestalten (Helsper, 2021, S. 45f.; Hemmerschmidt & Tennstedt, 2012, S. 79). Dadurch, dass so- ziale Hilfstätigkeiten öffentlich anerkannt waren und dieses Feld als ehrenamtlich galt, erhielten die Frauen eine Möglichkeit sich zu engagieren. Salomon machte deutlich, dass Soziale Arbeit als Berufung von Frauen anerkannt werden muss und diese im Dienst der Gesellschaft erfolgt, um Hilfebedürftige zu unterstützen (Ehlert, 2012, S. 35). Durch von ihr betriebene Schulungen, wurde eine Basis geschaffen, die im Laufe der Zeit zur „(Fach-)Schulausbildung und daraufhin dann zur beruflichen Ausbildung in der Wohlfahrtspflege umgestaltet“ wurde (Hammerschmidt & Tennstedt, 2012, S. 79). Nach der Gründung der ersten sozialen Frauenschulung im Jahr 1908 folgten innerhalb von
vier Jahren noch zwölf weitere solcher Schulen und führten zur Etablierung sozialer Ar- beit als Frauenberuf. Somit wurde eine Entwicklung eingeleitet, welche durch verschie- dene Phasen zur qualifizierten Ausbildung, der Entstehung des Berufsbildes sowie der Berufsbezeichnung Sozialarbeiter/Sozialpädagoge führte. In den 1960er Jahren erfolgte dann die Verberuflichung und Akademisierung der Sozialen Arbeit und wurde an Fach- hochschulen sowie Universitäten anerkannt und aufgenommen (Helsper, 2021, S. 45f.; Hemmerschmidt & Tennstedt, 2012, S. 79f.). Aus der Armen- und Gesundheitsfürsorge entwickelte sich dadurch die Sozialarbeit (Becker-Lenz, 2018, S. 64), welche unter männlicher Leitung stattfand.
Die zweite Frauenbewegung der 1970er Jahre entwickelte sich aus der „Kritik an der männlich dominierten Studentenbewegung“ (Ehlert, 2016, S. 220). Immer noch wurde den Männern die Öffentlichkeit und Berufswelt zugeordnet und die Frauen waren stets verantwortlich für die Erziehung und Versorgung der Kinder sowie dem Erfüllen der Re- produktionsaufgabe. Genau dieses Geschlechterverhältnis wird in der zweiten Frauen- bewegung kritisiert und in Frage gestellt. Hierbei waren vor allem Frauen, die selbst an den Hochschulen vertreten waren, beteiligt und forderten neue und geschlechtsspezifi- sche sowie feministische Perspektiven ein, um die Weiterentwicklung von neuen Stu- dienschwerpunkten und Projekten voranzutreiben. Resultat dessen war, dass sich aus dem Frauenprojekten vier Themenfelder (Gewalt gegen Frauen, Kultur und Bildung, Ge- sundheit, Mädchen) zentriert und erfolgreich etabliert haben, wodurch Angebote und Ar- beitsformen ausdifferenziert und professionalisiert werden konnten. (Ehlert, 2012, S.39ff.)
4 Gender Mainstreaming
Gesellschaftsgeschichtlich geht aus dem vorherigen Kapitel hervor, dass Frauen keine Gleichberechtigung in der Berufswelt erfahren haben sowie keine Möglichkeiten besa- ßen außerhalb der Hauswirtschaft und Kindererziehung zu arbeiten. Auch die ge- schlechtsspezifische und feministische Perspektive musste von den Fachhochschulen und Universitäten aufgearbeitet werden. Die Etablierung des Berufs als SozialarbeiterIn verlief diskontinuierlich und musste sich immer wieder ihrer Fachlichkeit beweisen, da diese zu Beginn als ehrenamtlich festgehalten wurde. Dazu kommt, dass die historische Verknüpfung und der hohe Anteil von Frauen zur Abwertung der Sozialen Arbeit führte und immer noch führt (ebd.). Ehlert (2012) kommt zu dem Entschluss, dass generell ein hoher Anteil von Frauen in einem Beruf zu einer Abwertung des Berufes führt und ein erhöhter Anteil von Männern – gerade in den Frauenberufen – zu einem Statusgewinn (ebd., S.50). Um nun auf die Frage zurückzukommen, inwiefern das Konzept des Gender Mainstreaming eine Chance der Professionalisierung der Sozialen Arbeit darstellt und inwiefern die Entwicklung der feministischen Ansätze Einfluss auf die heutige Kinder-
und Jugendarbeit hat, soll im Folgenden genauer auf das Konzept des Gender Mainstreaming eingegangen werden. Im darauffolgenden Kapitel wird dann der Bezug zum Professionalisierungsverlauf genauer analysiert und reflektiert.
4.1 Strategie des Konzepts
Gender Mainstreaming ist ein strategischer Ansatz von Geschlechterpolitik und seit An- fang des 21. Jahrhunderts Gegenstand geschlechterpolitischen Debatten und Aktivitä- ten. Die Ursprünge dieses Konzeptes, welches zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter beitragen und dabei die unterschiedlichen Lebenssituationen, Interessen und allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen berücksichtigen soll, rei- chen bis in die 1970er Jahre zurück und stammen aus den internationalen geschlech- terpolitischen Debatten der Frauenbewegungen sowie -organisationen (Böllert & Karsunky, 2008). Die Strategie versucht nicht allein bereits bestehende geschlechterbe- zogene Benachteiligungen entgegenzuwirken, sondern auch neue Ungleichverhältnisse und Benachteiligungen zu vermeiden. Politische Konzepte und Programme sollen unter diesem Aspekt untersucht und behandelt werden. (Karsunky, 2018, S.1111-1113; 2011, S.14)
Die Schwierigkeit bei dem Konzept ist, dass es keine rechtlich verbindliche oder durch die Politik autorisierte Definition gibt, dennoch gibt es eine Übersetzung aus dem fran- zösischen Originaldokument nach Krell (2008), welche aus dem vom Europarat erstell- ten Sachverständigungsbericht von 1998 entnommen wurde und das einer angemesse- nen Definition des Gender Mainstreaming nahekommt:
„Gender Mainstreaming besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Ent- wicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse, mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen“ (Krell et al., 2008, S.100).
Ein zentraler Ansatzpunkt der Strategie des Gender Mainstreaming ist die sogenannte Top-Down-Umsetzung, bei der zunächst die oberste Führungsebene die Verantwortung für die Umsetzung der Strategie hat (Karsunky, 2018, S. 1114). Um des Weiteren die darunter liegenden Hierarchiestufen effektiv miteinbeziehen zu können sowie eine Ver- bindlichkeit zu schaffen, Ressourcen zu gewährleisten und den Umsetzungsprozess stets zu begleiten und zu kontrollieren, müssen klare Zielvorgaben formuliert werden (ebd.; Karsunky, 2011, S.131). Zudem ist Gender Mainstreaming auch selbst ein Orga- nisationsprinzip und benötigt bestimmte Implementierungen sowie passende Konzepte hierzu (Löffler, 2012, S.11). Auf diese werden im folgenden Kapitel näher eingegangen. Die Strategie muss für einzelne und unterschiedliche Handlungsfelder präzisiert werden
und letztlich auf allen Ebenen wirken, um die Ausgangsbedingungen sowie
Auswirkungen auf die Geschlechter berücksichtigen zu können. Um die Ebenen genauer nachvollziehen zu können, werden diese im Folgenden kurz erläutert.
4.2 Institutionelle Ebenen
Entscheidend für den Erfolg auf der formalen Ebene ist, dass Ressourcen vorhanden und erreichbar sind. Um die Ziele, Leistungen, Aufträge und Leistungsvereinbarungen der formalen Ebene in der Jugendhilfe durch das Gender Mainstreaming präzisieren und qualifizieren zu können, müssen die Ressourcen, welche in Abhängigkeit mit der Be- schaffung stehen, erreichbar sein. Dazu zählen vor allem genderbezogene Informatio- nen, Forschungsergebnisse, Prozessunterstützungen oder auch finanzielle Mittel (Bentheim et al., 2004, S. 17).
Die zweite Ebene umfasst die Konzeptionelle Ebene. Die meisten Institutionen der Ju- gendhilfe formulieren und halten ihre Ausgangspunkte, Standards und Ziele fest und verfügen so über bestimmte Konzeptionen. Die konzeptionelle Ebene bezieht sich dem- nach vor allem auf die Gestaltung der Einrichtung sowie auf deren Zielsetzungen und Handlungsformen. Sie bezieht sich nicht nur auf die MitarbeiterInnen und Adressaten- Innen, sondern kann auch Bedingungen umfassen, wie bspw. Materialen, Methoden, Möglichkeiten oder einen Raum zu bieten für die Interaktionen zwischen Mitarbeitern untereinander oder Mitarbeitern und Adressaten (ebd., S.18). Innerhalb der Institution ermöglicht Gender Mainstreaming eine reflektierte Gestaltung von Interaktionen und zielt somit auf die Entwicklung der Adressaten, der Institution und des Personals ab (ebd.). Die Strategie des Gender Mainstreaming soll auf der konzeptionellen Ebene eine Quali- fizierung und Sensibilisierung auf Gender-Dimensionen bewirken.
Die Ebene der Qualifizierung stellt die dritte Ebene dar. Hierbei geht es um die Weiter- entwicklung und Qualifizierung, insbesondere auf das Verständnis von Gender bezogen. Genderkompetenz ist eine wichtige Schlüsselqualifikation und stellt eine notwendige Vo- raussetzung für professionelles Handeln dar, weshalb allen Mitarbeitern und Mitarbeite- rinnen die allgemeine und fachbezogene Genderkompetenz vermittelt werden soll (Baar et al., 2019, S. 39).
4.3 Genderkompetenz
Kunert-Zier 2008 nennt drei Elemente, die für die Genderkompetenz erforderlich sind: genderbezogenes Wissen, genderbezogene Selbstkompetenz und genderbezogene Praxis. Diese Kompetenzen kann man durch Gender-Trainings, Fort- und Weiterbil- dungsangebote trainieren. Gerade Gender-Trainings sind hier von Bedeutung. Diese sind für Leitungskräfte und MitarbeiterInnen gedacht. Im Gender-Training liegt der Fokus auf die Sensibilisierung, strukturelle Reflexion und Umgang mit Genderthemen sowie der Kommunikation zwischen Mitarbeitern, Adressaten und den Geschlechtern selbst
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