In der vorliegenden Arbeit wird zunächst der Begriff der Aggression erläutert und von verwandten Begriffen abgegrenzt. Danach gilt es zu veranschaulichen, wie sich Aggressionen äußern können und wie man diese unterschiedlichen Formen von Aggression kategorisieren kann. Da es für Lehrerinnen und Lehrer von Bedeutung ist, zu erkennen, woher aggressives Verhalten rührt, werden im Anschluss verschiedene Aggressionstheorien präzise zusammengefasst und kritisch gewürdigt. Nach einer Befassung mit den theoretischen Grundlagen des Begriffs Aggression liegt der Fokus auf dem Anwendungsbereich der Schule.
Gliederung
1. Relevanz der Vergegenwärtigung von Aggression
2. Aggression und der Kontext zur Schule
2.1 Definition von Aggression und Begriffsabgrenzung
2.2 Formen von Aggression
2.3 Aggressionstheorien
2.3.1 T riebtheorie nach S igmund Freud
2.3.2 Ethologische Instinkttheorie nach Konrad Lorenz
2.3.3 Behavioristische Lerntheorie nach B. F. Skinner
2.3.4 Soziale Lerntheorie (Lernen am Modell) nach Bandura
2.3.5 Frustrations-Aggressions-Theorie (FAT) nach Dollard et al
2.3.6 Kritische Würdigung
2.4 Aggressives Verhalten in der Schule
2.4.1 Mobbing
2.4.2 Cybermobbing
2.5 Möglichkeiten für Lehrkräfte im Umgang mit aggressiven Verhalten von Jugendlichen
3. Fazit und Ausblick
4. Literaturverzeichnis
1. Relevanz der Vergegenwärtigung von Aggression
Aggressionen und Gewalt scheinen allgegenwärtig zu sein. Ob im privaten Umfeld, bei der Arbeit oder im Weltgeschehen, werden wir nahezu täglich mit aggressivem Verhalten konfrontiert, das in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen sichtbar werden kann. Folglich scheint es auch keine Schule zu geben, an der nicht wenigstens ab und an Aggressionen auftreten. Seien es Streitereien auf dem Pausenhof, das Diskriminieren von einzelnen Schülerinnen und Schülern oder Unstimmigkeiten zwischen Angestellten.
Besonders für Lehrerinnen und Lehrer ist es sinnvoll zu wissen, wie man mit aggressivem Verhalten umgehen kann. Im Rahmen des Seminars für Förderpädagogik werden wir uns mit dem weit gefassten Thema der Aggression beschäftigen und versuchen, die Relevanz dieses Themas auf den schulischen Kontext zu beziehen. Um Verständnisproblemen vorzubeugen, werden wir uns im Folgenden zunächst an die Definition von Aggression annähern und von verwandten Begriffen abgrenzen. Danach gilt es zu veranschaulichen, wie sich Aggressionen äußern können und wie man diese unterschiedlichen Formen von Aggression kategorisieren kann. Da es für Lehrerinnen und Lehrer von Bedeutung ist zu erkennen, woher aggressives Verhalten rührt, werden wir im Anschluss verschiedene Aggressionstheorien präzise zusammenfassen und kritisch würdigen. Nach der Befassung mit den theoretischen Grundlagen des Begriffs Aggression, widmen wir uns dem Anwendungsbereich der Schule. Im Zuge dessen werden wir veranschaulichen, wie es zu Mobbing und Cybermobbing unter Schülern kommen kann. Welche Möglichkeiten haben Lehrkräfte bei derartigen Fällen zu agieren und zu intervenieren, um Schäden zu begrenzen? Welche präventativen Maßnahmen können Lehrerinnen und Lehrer ergreifen, um aggressivem Verhalten vorzubeugen? Wobei liegen hier mögliche Grenzen, die das individuelle Ausleben von Emotionen zu sehr einschränken würden? Im Rahmen unserer Hausarbeit wollen wir uns diesen und weiteren Fragen widmen, um sicherzugehen, dass auch wir als zukünftige Lehrkräfte positive Grundhaltungen wie Toleranz und Konfliktfähigkeit vorleben werden. Dadurch wird aggressives Verhalten vermeiden, um in der Folge ein friedvolles Miteinander zu gewährleisten.
2. Aggression und der Kontext zur Schule
2.1 Definition von Aggression und Begriffsabgrenzung
Im Alltag kommen wir ständig mit aggressivem Verhalten in Berührung. Aufgrund dessen ist der Begriff Aggression fest in unserem Sprachgebrauch verankert. Auf individuellen Erfahrungen basierend, variiert die Verwendung und der mit dem W ort gemeinte Sinn zwischen verschiedenen Personen stark. Dieser weitgefasste Begriff beinhaltet für manche ausschließlich physische Gewalt, vom Foul im Fußball bis hin zu militärischen Konflikten, für andere hingegeben beginnt Aggression bereits im Konkurrenzkampf um eine Beförderung (vgl. Nolting, 2014, S.14).
Um sich neben dem Alltagsverständnis auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist eine umfassende Definition nötig. Laut Röhm wird Aggression folgendermaßen gekennzeichnet:
„ Unter„ aggressivem Verhalten “ verstehen wir eine breite Skala von unterschiedlich motivierten, meist als unangemessen empfundenen potentiell schädigende Verhaltensweisen, die aktiv oder passiv vollzogen werden, bewusst oder unbewusst intendiert oder spontan sind, verbal oder motorisch realisiert werden, die auf die eigene Person oder auf Objekte, seine es Menschen, Tiere oder Gegenstände, abzielen und physischen oder psychischen Schaden beim Objekt hervorrufen können.“ (Strauß, 1980, S. 9)
Röhm begreift Aggression also als ein sichtbares Verhalten, dem individuell unterschiedliche Intentionen zugrunde liegen. Hinzu kommt die soziale Komponente, nämlich, dass jenes Verhalten als Normabweichung empfunden wird. Diese Aggressionen können durch direktes Verhalten oder durch Ersatzhandlungen, sprachlich sowie körperlich ausgedrückt werden. Aggressives Verhalten richtet sich auf andere Menschen, Objekte oder die eigene Person und kann sowohl körperlichen als auch seelischen Schaden beim Betroffenen hervorrufen.
Auch wenn diverse Theoretiker den Begriff Aggression in Nuancen anders definieren, gleichen sich alle hinsichtlich der Meinung, dass Aggression ein gerichtetes, schädigendes Verhalten beschreibe.
Wenn man sich mit Aggression beschäftigt, stößt man automatisch auf den Begriff der Aggressivität, welcher im Vergleich zu ersterem allerdings kein gerichtetes Verhalten meint. Aggressivität beschreibt die individuelle Eigenschaft einer Person, inwiefern und in welchem Ausmaß sie aggressives Verhalten an den Tag legt. Zudem verbindet man mit dem Thema Aggression stets den Begriff der Gewalt, welche eine folgenschwere, extreme Form von Aggression darstellt (vgl. Nolting, 2014, S. 15 f).
Man betrachtet Aggression nur als solche, wenn sie sichtbar geäußert wird, andernfalls spricht man von inneren aggressiven Empfindungen bzw. aggressiven Emotionen (vgl. ebd., S.19 f).
2.2 Formen von Aggression
Da unter Aggression immer ein gerichtetes, schädigendes Verhalten verstanden wird, ist die Bandbreite jener Äußerungen schier unerschöpflich. Um einen Überblick über diese unüberschaubare Menge an möglichen Verhaltensweisen zu erlangen, gilt es nun diese zu kategorisieren und zu ordnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Kiehlholz, 1984, S.88)
Kielholz unterteilt diese Erscheinungsformen von Aggression in die Dimensionen verbal, physisch, toleriert und nicht toleriert. Jede Handlung kann je nach Ausprägung der unterschiedlichen Dimensionen hiermit relativ genau eingeordnet werden.
Aggressionen können sich entweder sprachlich oder körperlich äußern. Zuzüglich besteht bei beiden Ausprägungen die Möglichkeit zur Bewertung der Handlungen in gesellschaftlich toleriert oder nicht toleriert. Beobachtet man nun beispielsweise eine Schlägerei auf dem Pausenhof, so lässt sich die Äußerung von Aggression zunächst auf der physischen Seite einordnen. Häufig fallen im Zusammenhang mit derartigen Auseinandersetzungen auch Kraftausdrücke, welche wiederum auf der verbalen Dimension zu finden sind. Auch wenn Rangeleien unter Heranwachsenden ein häufiges Mittel sind, ihre Kräfte zu messen und unter diesen Umständen eher als harmlos angesehen werden, sinkt mit zunehmender Gewalt, egal ob verbal oder physisch, auch die Toleranz der Mitmenschen. Somit würde eine ernsthafte Schlägerei im Bereich der nicht tolerierten Aggression eingeordnet werden.
Ein weiteres Beispiel wäre eine Polittalkshow in der zwei Politiker unterschiedlicher Parteien über die mögliche Lösung eines Problems diskutieren. Beide Politiker sind von ihren konträren Standpunkten überzeugt und versuchen den jeweils anderen mit schlagkräftigen Argumenten auszustechen. Bei einer solch hitzigen Diskussion sprechen wir von einer verbalen, tolerierten Form von Aggression, solange die Parteien sachlich bleiben.
Allgemein kann man sagen, dass dieses dimensionale Modell von Kielholz nur grobe Anhaltspunkte zur Kategorisierung diverser sichtbarer aggressiver Verhaltensweisen liefert. Die Grenze zwischen verbaler und körperlicher Aggression verläuft häufig fließend. Zudem liegt es im Auge des Betrachters, inwiefern Aggression als tolerierbar oder nicht tolerierbar eingestuft wird. Abhängig von z.B. kultureller Herkunft, persönlichen Wert- und Normvorstellungen und individueller Erfahrung wird aggressives Verhalten unterschiedlich bewertet (vgl. Nolting, 2014, S. 214).
2.3 Aggressionstheorien
Im Folgenden betrachten wir verschiedene Theorien zur Entstehung aggressiven Verhaltens näher. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben Theoretiker immer wieder versucht menschliche Aggression und Gewalt hinsichtlich ihrer Ursachen und der Umstände ihres dynamischen Prozesses im Laufe des Lebens zu erklären (vgl. Köhnken, 2002, S. 71). Zunächst erläutern wir nun vier der populärsten Aggressionstheorien, um einen Überblick über die mögliche Entstehung von Aggression zu erlangen. Dabei skizzieren wir die Theorien so, wie sie zunächst aufgestellt wurden. Im Anschluss ziehen wir ein Resümee und würdigen die Theorien kritisch, um eine für Lehrerinnen und Lehrer zusammengefasste Erklärung für aggressives Verhalten von Schülerinnen und Schülern geben zu können.
2.3.1 Triebtheorie von Sigmund Freud
Die wohl bekannteste Aggressionstheorie, die „Triebtheorie“ stammt von Sigmund Freud. Die menschliche Psyche ist laut ihm in drei Teile unterteilt, das „ES“, das „ICH“ und das „ÜBERICH“. Das „ES“ ist die älteste dieser Sinninstanzen, die jeder Mensch von Geburt an vererbt bekommen hat. In ihm finden sich die durch die menschliche Evolution entstandenen Triebe wieder, die laut Freud der grundlegende Motor menschlichen Verhaltens sind. Die dichotomen Triebe gliedern sich in den Sexualtrieb und den Todestrieb und finden sich im Unbewussten wieder. Die den Trieben zugehörige Energien nennen sich Eros und Thanatos. Sie beeinflussen die Motive menschlichen Verhaltens, nämlich die Triebbefriedigung. Das „ÜBERICH“ bildet die moralische Instanz des Menschen und besteht aus Erlerntem, sozialen Werten und Normvorstellungen, die ein uneingeschränktes Ausleben der Triebe verhindern. Das „ICH“ ist als Vermittlungsinstanz zwischen dem „ES“ und dem „ÜBERICH“ zu sehen. Jenes Bewusstsein des Menschen versucht die Bedürfnisse der Triebbefriedigung mit den moralischen Vorgaben zu vereinen und zu einem ausgewogenen Verhaltensausdruck zu bringen (vgl. Strauß, 1980, S. 251 ff.).
Doch wie entsteht laut Freud nun Aggression? In der „Triebtheorie“ werden gleich zwei verschiedene Ansätze der Entstehung von aggressivem und gewalttätigem Verhalten dargeboten. Die grundlegende Ursache sind die Triebe mit ihrer psychischen Energie. Diese kann aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht verschwinden oder abgebaut werden, sondern lediglich entweichen oder umgewandelt werden. Betrachten wir beispielsweise den Sexualtrieb, der im Menschen den Drang nach Fortpflanzung oder sexueller Befriedigung weckt. Baut sich diese Energie im Menschen auf, entwickelt er Motive um den Trieb befriedigen zu können. Diesen Aufbau von Triebenergie nennt Freud „Unlust“. Steht der Triebbefriedigung allerdings etwas im Wege, zum Beispiel die Kontrollinstanz des „ÜBERICH“, die den ungezügelten Triebabbau verhindern möchte, entsteht Frustration, die sich wiederum in aggressivem Verhalten äußert. Die psychische Energie Libido wird also durch verhindertes Ausleben in Aggression umgewandelt (vgl. Köhnken und Bliesener, 2002, S. 72 f.). Einen weiteren Erklärungsansatz für die Entstehung aggressiven Verhaltens sieht Freud im Todestrieb selbst. Beide Triebe dienen der Selbsterhaltung im evolutionsbiologischen Sinn. Während der Sexualtrieb allerdings auf die Fortpflanzung gerichtet ist, um die Arterhaltung zu garantieren, muss der Todestrieb seine zerstörerische Kraft nach außen richten, um der Person nicht selbst zu schaden, sich selbst zu verteidigen und zu erhalten. Freud ist also der Meinung, dass jeder Mensch von Natur den Drang verspüre, zu verstören und zu verletzen (vgl. ebd., S. 73).
2.3.2 Ethologische Instinkttheorie von Konrad Lorenz
Lorenz lehnt seine Theorie zur Erklärung aggressiven Verhaltens eng an Freuds Triebtheorie an. Auch hier wird angenommen, dass es im Menschen eine sich stets erneuernde Energie aggressiven Ursprungs gibt. Bei Lorenz wird jene Energie allerdings nicht als Trieb, sondern als Instinkt bezeichnet. Instinkte sind Überbleibsel des Verhaltens aus geraumer Vorzeit, als sich der Mensch noch aggressiv gegen wilde Tiere oder sogar gegen eigene Artgenossen verteidigen musste. Menschen mussten eine gewisse Aggression in sich tragen, um ihr eigenes Überleben und den Fortbestand ihrer Gruppe zu gewährleisten. Der Aggressivere hatte demnach den größeren Fortpflanzungserfolg und seine aggressive Art wurde wiederum weitervererbt. Laut Lorenz baut sich konstant eine innere Aggression auf, die durch sogenannte „Schlüsselreize“ ausgelöst zum Ausdruck kommt (vgl. Strauß, 1980, S. 261 ff.).
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