Welche Modelle für den Übergang von elterlicher Betreuung in die Krippe/Kita im Alter von einem Jahr sind aus bindungstheoretischer Sicht sinnvoll?
Zu Beginn der Arbeit wird der Begriff der Bindung definiert, wie sie entsteht und die Bindungsmuster. Die Entstehung von Bindung wird in dem Teil aufgeführt, da sie sich in den ersten zwei Lebensjahren entwickelt und somit wichtig für die Thematik der Eingewöhnung in der Krippe ist. In Kapitel 3 wird die Transition, also der Übergang in den Blick genommen und den entsprechenden Entwicklungsaufgaben. Anschließend werden das Berliner und das Münchner Eingewöhnungsmodell vorgestellt, welche sich aus bindungstheoretischer Sicht für die Eingewöhnung in die Krippe am besten eignen. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Schlussfolgerung, welche alle wichtigen Aspekte zusammenfasst und Handlungsempfehlungen bzw. einen angemessenen Umgang in der Praxis aufzeigt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Begründung der Themenauswahl
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Abgrenzung des Themas
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Bindung
2.1 Entstehung von Bindung
2.2 Bindungsmuster
2.2.1 Unsicher-vermeidende Bindung (Typ A)
2.2.2 Sichere Bindung (Typ B)
2.2.3 Unsicher-ambivalente Bindung (Typ C)
2.2.4 Desorganisierte Bindung (Typ D)
2.3 Qualität von Bindung
3 Bedeutung der Bindungstheorie für die Fachkraft-Kind- Beziehung
3.1 Fachkraft- Kind- Beziehung
3.2 Das Kind
3.3 Sensitive Responsivität
3.4 Krippenbetreuung aus bindungstheoretischer Sicht
4 Eingewöhnung
4.1 Das Berliner Eingewöhnungsmodell
4.2 Das Münchener Eingewöhnungsmodell
4.3 Vergleich der Eingewöhnungsmodelle
5 Schlussfolgerung
6 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
bzw. : beziehungsweise
ebda : ebenda, genau dort
Hrsg. : Herausgeber
vgl. : vergleiche
Um den Lesefluss nicht zu beeinflussen wird größtenteils das Wort „Fachkraft“ und „Bezugsperson“ gemeint, welche sowohl die männliche als auch die weibliche Form mit einschließen und alle Berufsbezeichnungen und Abschlüsse vereint. Ebenso wird der Begriff „Bezugserzieher*in“ verwendet, welches ebenfalls die männliche als auch die weibliche Form meint
1 Einleitung
Schnelllebigkeit, das Streben nach Unabhängigkeit und Idealbildern und die Relevanz von Statussymbolen steht im Vordergrund der heutigen Gesellschaft. Es liegt ein gesellschaftlicher Druck vor. Im großen Zwiespalt stehen Familien, insbesondere Frauen, heutzutage : Der Spagat zwischen Familie und Karriere. Finanziell ist es in vielen Familien unabdingbar, dass die Frau so schnell wie möglich wieder in das Berufsleben einsteigt. Dies bringt jedoch Grund zur Sorge und Diskussion, in Anbetracht der Versorgung und Fürsorge, mit sich. Denn die Bedürfnisse des eigenen Kindes kann doch nur die Mutter sehen, oder ? Doch die frühestmögliche Fremdbetreuung der Kinder gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Somit beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Thema : „Welche Modelle für den Übergang von elterlicher Betreuung in die Krippe/Kita im Alter von einem Jahr sind aus bindungstheoretischer Sicht sinnvoll?“.
1.1 Begründung der Themenauswahl
Insbesondere in den letzten Jahren ist der Ausbau der Krippenplätze gestiegen, da viele Eltern, vor allem aus finanzieller Sicht, möglichst zeitnah nach der Geburt des Kindes, wieder in das Berufsleben einsteigen müssen. Um diesem gerecht zu werden hat die Politik 2013 Maßnahmen ergriffen, die den Ausbau der Krippenplätze fördert und alle Eltern ab dem ersten Lebensjahr des Kindes einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben (vgl. SGB VIII, §24 Abs.2). Hierbei darf neben den Rechtsansprüchen und Bedarfen der Eltern jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die ersten drei Lebensjahre den Grundstein für die Bindung bzw. das Bindungsverhalten legen. Im Mittelpunkt sollte hierbei das Kind stehen. In dieser Arbeit ist es von Bedeutung herauszufinden, wie man Arbeit und Kind unter „einen Hut“ bekommt, dass es sich nicht negativ auf das Kind und dessen Bindungsverhalten auswirkt und sich der Übergang für das Kind in die Krippe positiv gestalten lässt.
1.2 Ziel der Arbeit
Unter relevanten Aspekten der Bindungstheorie angelegt soll aufgezeigt werden, wie man den Übergang zur Krippe für die Kinder positiv gestalten kann, sodass es keine negativen Erfahrungen im Bindungsverhalten erlebt. Ziel dieser Arbeit ist es somit die Fragestellung „Welche Modelle für den Übergang von elterlicher Betreuung in die Krippe/Kita im Alter von einem Jahr sind aus bindungstheoretischer Sicht sinnvoll?“ zu beantworten und aufzuführen, welche grundlegenden Aspekte hierbei beachtet werden müssen.
1.3 Abgrenzung des Themas
Seit Jahren verliert die Thematik nicht an Aktualität und gerät immer wieder in Diskussion, wenn es darum geht, die Krippenplätze auszubauen, um ein familienfreundliches Klima zu schaffen. Doch wie schafft man es aus bindungstheoretischer Sicht den Übergang von dem gewohnten Elternhaus zu einer fremden Umgebung, getrennt von den Eltern, für das Kind positiv zu gestalten?
Bindung ist ein wichtiger Aspekt in der Entwicklung der Kinder und wird dementsprechend eine bedeutende Rolle in dieser Arbeit einnehmen. Dieses wird mit zwei gängigen Modellen in Verbindung gebracht, welche in den Krippen zur Eingewöhnung genutzt werden. Außerdem soll angeschnitten werden, welche Auswirkungen es auf das spätere Leben hat, wenn man die Bindungsentwicklung nicht ernst nimmt bzw. welche Rolle Bindung auf das gesamte Leben hat.
1.4 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit wird der Begriff der Bindung definiert, wie sie entsteht und die Bindungsmuster. Die Entstehung von Bindung wird in dem Teil aufgeführt, da sie sich in den ersten zwei Lebensjahren entwickelt und somit wichtig für die Thematik der Eingewöhnung in der Krippe ist. In Kapitel 3 wird die Transition also der Übergang in den Blick genommen und den entsprechenden Entwicklungsaufgaben. Anschließend werden das Berliner und das Münchner Eingewöhnungsmodell vorgestellt, welche sich aus bindungstheoretischer Sicht für die Eingewöhnung in die Krippe am besten eignen. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Schlussfolgerung, welche alle wichtigen Aspekte nochmal zusammenfasst und Handlungsempfehlungen bzw. einen angemessenen Umgang in der Praxis aufzeigt.
2 Bindung
Der Begriff der Bindung wurde 1956 durch den englischen Psychoanalytiker John Bowlby und Mary Ainsworth ins Leben gerufen. In ihrer gemeinsamen Forschung beschäftigten sie sich mit der Trennung zwischen Mutter und Kind und wie es sich auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirkt (vgl. Bretherton, 2002,S.31). Bindung bezeichnet das imaginäre Band zwischen dem Kind und seiner Bindungsperson (vgl. Grossmann/Grossmann, 2004, S.68). Diese Bindungsperson beschränkt sich nicht nur auf eine einzelne Person, sondern können mehrere sein. Im Fall dieser Arbeit spielt der Aufbau einer Bindung mit der Erzieherin in der Krippe eine Rolle, welche entscheidend für den Übergang ist.
2.1 Entstehung von Bindung
Nach Bowlby lässt sich die Entstehung von Bindung in 4 Phasen unterteilen, die sich in den ersten 2 Lebensjahren des Kindes entwickeln (Grossmann/ Grossmann,2004, S.106ff) .
- Phase der unspezifischen sozialen Reaktion und der grundlegenden Regulation : Diese ist von der Geburt bis zum 3.Monat, in der sich beide Seiten erstmal aneinander gewöhnen müssen. Das Baby macht anhand angeborener Signale auf sich aufmerksam wie z.B. Weinen, Schreien, Lächeln und Greifen, worauf die Mutter durch ein „intuitives Verhaltensprogramm“ (Dreyer,2017,S.12) angemessen und richtig eingehen kann. Das Baby macht in dieser Phase noch keine Unterschiede.
- Phase der koordinierten, zielorientierten, unterscheidenden Interaktionsbereitschaft: Bis zum 6.Monat entwickelt sich eine Bindung, indem das Baby merkt wie die Bezugsperson auf seine Signale reagiert und dies immer wiederkehrend geschieht. Es entwickelt sich eine geistige Repräsentation der Bindungsperson und damit verbunden eine Erwartungshaltung auf sein Verhalten.
- Phase des Übergangs zum zielkorrigierten Bindungsverhalten: Bis zum 2. Lebensjahr hat sich nun ein Bindungsmuster entwickelt. Bei dem Baby ist nun eine deutliche Reaktion auf die Trennung zu seiner Bezugsperson erkennbar. In dieser Phase beginnt meist das Fremdeln.
- Differenzierungs- und Integrierungsphase : Ab dem 2.Lebensjahr kann das Kind nun auch sprachlicher mit seiner Bezugspersonen in Verbindung treten.
Das Kind hat in diesen 4 Phasen den Grundstein seines Bindungsverhaltens gelegt bekommen, welche sich auf sein kommendes Leben auswirken. Daraus hat sich ein inneres Arbeitsmodell von Bindung entwickelt (vgl.ebda,S.15).
2.2 Bindungsmuster
Anhand eines Testverfahrens wurde anhand der kindlichen Reaktionen auf eine fremde Situation die Qualität der Bindung festgelegt und unterscheidet sich in vier verschiedene Bindungsmuster, die im Folgenden aufgeführt werden.
2.2.1 Unsicher-vermeidende Bindung (Typ A)
Die Kinder mit einer unsicher-vermeidenden Bindung reagieren kaum auf die Trennung ebenso wenig wie auf die Rückkehr der Bezugsperson. Es fängt an zu explorieren, geht distanzlos auf Fremde zu und verhält sich unabhängig und selbstständig. Bei der Rückkehr der Bezugsperson sucht es nicht den Kontakt zu dieser und weist diese teilweise zurück. Es fällt ihnen schwer angemessen mit ihren Emotionen umzugehen und reagieren vor allem auf Frustrationen und Niederlagen. Zurückzuführen ist dies darauf, dass sie von ihrer Bezugsperson wenig Fürsorge und stattdessen Zurückweisung erfahren haben (vgl.Dreyer,2017,S.19).
2.2.2 Sichere Bindung (Typ B)
Sicher gebundene Kinder reagieren stark auf die Trennung ihrer Bezugsperson, indem sie weinen, zu dieser zurück möchten und bei ihrer Rückkehr Nähe suchen. Sie haben eine zuverlässige Bezugsperson, die prompt und angemessen auf die Bedürfnisse erfahren und fühlen sich dadurch sicher (vgl.ebda,S.20).
2.2.3 Unsicher-ambivalente Bindung (Typ C)
Bei der Trennung reagiert das unsicher-ambivalent gebundene Kind gestresst und ängstlich. Es fällt ihm schwer sich der Situation zu stellen und kann sich kaum auf ein Spiel einlassen. Bei der Rückkehr zeigt sich ein ambivalentes Verhalten gegenüber der Bezugsperson, indem es Kontakt sucht und andererseits mit Verärgerung auf die tröstenden Versuche reagiert (vgl.ebda,S.21).
2.2.4 Desorganisierte Bindung (Typ D)
Das Verhalten von Kindern mit diesem Muster ist schwierig in Worte zu fassen, sie verhalten sich widersprüchlich und es ist schwer ihre Reaktionen einzuschätzen, da sie selten gleichbleibend, viel eher strategie- und wahllos sind (vgl.ebda,S.22).
2.3 Qualität von Bindung
Die Entstehung dieser 4 Bindungsmuster ist abhängig von der Reaktion der Bezugsperson auf die Bedürfnisse des Kindes und somit entscheidend für die Qualität von Bindung. Es bedarf einer prompten und angemessenen Reaktion der Bezugsperson auf seine Bedürfnisse und stehen somit in Verbindung mit der Feinfühligkeit dieser (vgl. Becker-Stoll,2018,S.85). Die genannte Feinfühligkeit ist die Fähigkeit sowie die Bereitwilligkeit der Bindungsperson die Signale und das Verhalten richtig zu deuten und wahrzunehmen und die angemessene und prompte Reaktion auf sein Verhalten (vgl.Dreyer,2017,S.24). Da der Grundstein der Bindung in den ersten zwei Lebensjahren gelegt wird und dort verfestigt wird, werden diese Erfahrungen als innere Arbeitsmodelle abgespeichert.
3 Bedeutung der Bindungstheorie für die Fachkraft-Kind- Beziehung
3.1 Fachkraft- Kind- Beziehung
Wenn das Kind, insbesondere im Alter von 0-3 Jahren, außerfamiliär betreut werden soll, ist es von Bedeutung eine Bindungsbeziehung zwischen Fachkraft und Kind herzustellen. Dies ist möglich, da auch Fachkräfte in der Lage sind, die emotionalen Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren und ihnen Trost und Sicherheit bieten können (vgl. Ahnert, 2008, S.262). Neben dem empathischen Verhalten der Fachkraft, kann sich auch die Orientierung an der Gruppe in Bezug auf die sozialen Bedürfnisse des Kindes auf die Beziehung auswirken (vgl.ebda, S.268).
3.2 Das Kind
Für das Kind ist der Übergang in eine außerfamiliäre Betreuung eine Belastungssituation und insbesondere bei Kleinkindern bis zum Ende des dritten Lebensjahres stark ausgeprägt und beruht auf der Trennung zu seiner Bezugsperson (vgl. Ahnert, 2005,S.38). Die Intensität der Reaktion auf die Trennung kann je nach Bindungsmuster variieren und wird vergleichbar gemacht mit dem Testverfahren der „Fremden Situation“. Zudem ist hier das Alter des Kindes relevant, da sich das Bindungsmuster erst bis zum 18. Monat verfestigt hat, weshalb es jüngeren Kindern schwer fällt, alleine ein inneres Gleichgewicht in einer unbekannten Situation herzustellen und es hierbei noch Unterstützung von seiner Bezugsperson benötigt (vgl. Laewen/Andres/Hédervári 2003,S.18f).
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