Zunächst soll erstmal festgestellt werden, was es mit Depressionen auf sich hat, wie sich die Begrifflichkeit im historischen Verlauf entwickelt hat und an welchem Punkt die Medizin heute steht. Die historische Entwicklung ist insofern interessant, als das damit deutlich gemacht werden kann, dass die Begrifflichkeit der Depression ein verhältnismäßig junges Phänomen darstellt, die Idee, die dahintersteckt, jedoch nicht. Zusätzlich soll das Klassifikationssystem der Krankheiten, der ICD, näher betrachtet werden und die Depression in den Kontext des ICDs eingeordnet werden.
Außerdem soll auf der einen Seite gezeigt werden, welche Rolle Kategorien dabei übernehmen und auf der anderen Seite, welche Rolle Systeme dabei spielen. Am Beispiel der Depression soll die Rolle der Kategorien verdeutlicht werden und welche Funktionen daraus erwachsen. Die Frage nach den Systemen schließt an die Überlegung an, wie sich ein System von Krankheiten hat entwickeln können und warum es eine gewisse Notwendigkeit darstellt. Darüber hinaus wird beleuchtet, welche Rolle einem solchen System in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft einnimmt.
Um eine sozialwissenschaftliche Grundlage zu schaffen, soll auf der einen Seite Ian Hacking und auf der anderen Seite Niklas Luhmann näher betrachtet werden. Hacking wird aufdecken, wie Kategorien zu denken sind, welche Funktionen ihnen innewohnen und was für eine Rolle Möglichkeiten dabei spielen. Außerdem soll betrachtet werden, wie Hacking das Entstehen von Kategorien erklärt. Luhmann hingegen soll makrotheoretische Einblicke geben. Er soll aufdecken, was mit Komplexität gemeint ist und was Systeme damit zu tun haben. Wie auch schon bei Hacking, soll auch Luhmann zur Betrachtung von Möglichkeitsräumen dienen.
Darauf soll eine Zusammenführung folgen, die das Thema der Depression mit der theoretischen Grundlage in Verbindung bringt. Wie etwa Kategorien und Depression gedacht werden können und Systeme und der ICD in Verbindung stehen. Zusätzlich soll gezeigt werden, was für eine Bedeutung all das für Christoph hat. Daran schließt das Fazit an, indem die wichtigste Erkenntnis aus der vorliegenden Hausarbeit zusammengefasst und diskutiert werden sollen. Abschließend folgt ein kurzer Ausblick, mit Fragen die offen geblieben sind und derer sich an anderer Stelle beschäftigt werden könnte.
Inhaltsverzeichnis
1. Christophs Leidensgeschichte
2. Medizinischer Kontext – Von Depression bis zum Klassifikationssystem der Krankheiten
3. Von der Kategorie bis zum System
3.1. Wie Kategorien entstehen
3.2. Komplexität und der Raum der Möglichkeiten
4. Die Verbindung zwischen Depression, Hacking und Luhmann
4.1. Depression als Kategorie
4.2. Von der Depression zur Einbettung in ein System
5. Fazit
5.1. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
6.1. Gedrucktes Literaturverzeichnis
6.2. Elektronisches Literaturverzeichnis
1. Christophs Leidensgeschichte
„Es war wie eine Faust, die mein Herz ständig umkrallte, und ich sehnte mich alleine zu sein, nichts mehr zu spüren von den quälenden Gefühlen.“ (Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2021) So beschreibt Christoph, 29, sein Leiden, welches er seit seinem 12 Lebensjahr mit sich herumtrage. Er beschreibt, dass er unter den sowohl psychisch als auch physischen Symptomen stark litt. Christoph war sich seiner Vergangenheit bewusst. Es habe traumatische Erlebnisse gegeben sowie Herausforderungen in aktuellen Lebenslagen. Er sei auch beim Arzt gewesen, der die somatischen Symptome, wie etwa Darmentzündungen, nicht mit einer psychischen Erkrankung in Verbindung brachte. Sogar auf sozialer Ebene, in Form von Beziehungsproblemen, äußerte sich seine Erkrankung. Obwohl Christoph mit der Zeit bemerkte, dass etwas nicht stimmte, konnte er es sich nicht eingestehen, dass das Problem mit seiner Psyche zu tun haben könnte. Erst mit 22 Jahren konnte er die Krankheit nicht weiter leugnen. Das Ergebnis des Oberarztes nach der Diagnostik: schwere Depressionen. Erst mit der Diagnose konnte sich Christoph eingestehen, dass etwas nicht stimmte. Nicht sofort, aber mit der Zeit. Er unterzog sich einer Therapie und widmete sich der Realität, statt sie zu leugnen. Dies eröffnete ihm die Möglichkeit, seine Gesundheit endlich, mit Unterstützung, wiederherzustellen. (Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2021) Christoph ist nur einer unter vielen, genaugenommen einer von über 265 Millionen Menschen, die weltweit unter Depressionen leiden. 800.000 Suizide jedes Jahr sind auf Depressionen zurückzuführen. Die Zahlen der psychisch erkrankten Menschen scheinen dabei von Jahr zu Jahr zu steigen. (World Health Organization 2020) Eine Depression wird als Erkrankung beschrieben, die mit krankhaft niedergedrückter Stimmung einhergeht und sich durch Symptome auf verschiedenen Ebenen ausdrückt. (Lauster 2014: 1320) Wie der Erfahrungsbericht von Christoph zeigen konnte, beschränkten sich die Symptomatik nicht nur auf psychischer Ebene, sondern auch auf physischer Ebene, sowie psychosozialer Ebene, was sich etwa in Christophs Beziehung abzeichnete.
Doch wie sind wir an diesen Punkt gekommen? An einen Punkt, an dem bestimmt werden kann, was mit Christoph nicht stimmt. Was unter Depression zu verstehen ist und was nicht. Ein solches Verständnis auf globaler Ebene geschaffen zu haben. Statistiken erhoben werden können, die etwa über die Anzahl der Betroffenen Auskunft geben. Wie lässt sich all das erklären?
Um uns einen Weg zur Beantwortung der Frage zu ebnen, soll zunächst erstmal festgestellt werden, was es mit Depressionen auf sich hat, wie sich die Begrifflichkeit im historischen Verlauf entwickelt hat und an welchem Punkt die Medizin heute steht. Die historische Entwicklung ist insofern interessant, als das damit deutlich gemacht werden kann, dass die Begrifflichkeit der Depression ein verhältnismäßig junges Phänomen darstellt, die Idee, die dahintersteckt, jedoch nicht. Zusätzlich soll das Klassifikationssystem der Krankheiten, der ICD, näher betrachtet werden und die Depression in den Kontext des ICDs eingeordnet werden.
Zur Beantwortung der Fragen soll außerdem auf der einen Seite gezeigt werden, welche Rolle Kategorien dabei übernehmen und auf der anderen Seite, welche Rolle Systeme dabei spielen. Am Beispiel der Depression soll die Rolle der Kategorien verdeutlicht werden und welche Funktionen daraus erwachsen. Die Frage nach den Systemen schließt an die Überlegung an, wie sich ein System von Krankheiten hat entwickeln können und warum es eine gewisse Notwendigkeit darstellt. Darüber hinaus wird beleuchtet, welche Rolle einem solchen System in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft einnimmt.
Um eine sozialwissenschaftliche Grundlage zur Beantwortung der Fragen zu schaffen, soll auf der einen Seite Ian Hacking und auf der anderen Seite Niklas Luhmann näher betrachtet werden. Hacking wird aufdecken, wie Kategorien zu denken sind, welche Funktionen ihnen innewohnen und was für eine Rolle Möglichkeiten dabei spielen. Außerdem soll betrachtet werden, wie Hacking das Entstehen von Kategorien erklärt. Luhmann hingegen soll makrotheoretische Einblicke geben. Er soll aufdecken, was mit Komplexität gemeint ist und was Systeme damit zu tun haben. Wie auch schon bei Hacking, soll auch Luhmann zur Betrachtung von Möglichkeitsräumen dienen.
Darauf soll eine Zusammenführung folgen, die das Thema der Depression mit der theoretischen Grundlage in Verbindung bringt. Wie etwa Kategorien und Depression gedacht werden können und Systeme und der ICD in Verbindung stehen. Zusätzlich soll gezeigt werden, was für eine Bedeutung all das für Christoph hat. Daran schließt das Fazit an, indem die wichtigste Erkenntnis aus der vorliegenden Hausarbeit zusammengefasst und diskutiert werden sollen. Abschließend folgt ein kurzer Ausblick, mit Fragen die offen geblieben sind und derer sich an anderer Stelle beschäftigt werden könnte.
2. Medizinischer Kontext – Von Depression bis zum Klassifikationssystem der Krankheiten
Die Begrifflichkeit der Depression ist ein junges Phänomen. Ein Zustand, der dem der Depression nahekommt, galt damals als Melancholie. Doch den Begriff der Melancholie lediglich als Äquivalent zur Depression zu verwenden, wird der Sache nicht gerecht. Melancholie als Begrifflichkeit fand seine Erwähnung bereits in der Antike, etwa durch Hippokrates. (Wagner-Egelhaaf 1997: 32) Doch wurde der Begriff der Melancholie im Laufe der Zeit keineswegs einheitlich verwendet, sodass heute keine universelle Definition benannt werden kann. Dadurch kann kein eindeutiger Zeitpunkt festgemacht werden kann, an dem sich die Abwendung von dem Begriff der Melancholie und der Zuwendung hin zum Begriff der Depression vollzog. (Wagner-Egelhaaf 1997: 32f) Bereits in den hippokratischen Schriften sind Übereinstimmung zu finden, die die Symptome eines Melancholikers beschreiben und gleichzeitig an die noch heute charakteristischen Symptome eines an Depressionen erkrankten Menschen erinnern. (Ansari 2013: 15) An anderer Stelle wird sie, etwa durch Soranus von Ephesus, mit Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Stummheit und Todessehnsucht beschrieben. (Ansari 2013: 19) Übereinstimmung fand sich aber vor allem in der Ursache der Melancholie.
Diese Überzeugung, Krankheit mit der Vier Säfte Lehre zu begründen, währte lang. (Pflege & Medizin 2017) Erst in der Neuzeit wurde die Vier Säfte Lehre widerlegt, was allerdings keinen signifikanten Einfluss auf das Verständnis der Krankheit übte. (Ansari 2013: 34) Erst Anfang des 18. Jahrhundert wurden neue Erklärungsansätze entwickelt, die sich ebenfalls von dem Gedanken trennten, dass Melancholie eine Erkrankung Seele sei. (Ansari 2013: 38) Mehr noch, das gesamt Klassifizierungssystem wurde auf den Kopf gestellt.
Als Revolutionär seiner Zeit entwickelte Francois Boissier Sauvages das Klassifikationssystem der Krankheiten neu. (Hess & Mendelsohn 2013: 82) Und auch William Cullen entwickelte Ende des 18. Jahrhundert ein neues System, Krankheiten in vier Kategorien einzuteilen, denen er diverse Krankheiten zuordnete. Unter anderem die Kategorie der Neurosen, dessen Bezeichnung auf ihn selbst zurückgeht und bis heute verwendet wird. (Ansari 2013: 40) Ebenfalls ist bemerkenswert, dass Cullen hier bereits den Begriff der Depression verwendete, allerdings in Bezug auf eine andere Krankheit. (Ansari 2013: 43) Wann genau Depression als Begrifflichkeit aufkam, zur Beschreibung einer Krankheit wie wir sie heute kennen, kann nicht eindeutig geklärt werden. Kurioserweise wird sogar spekuliert, dass die moderne Bezeichnung der Depression auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen ist. (Ansari 2013: 46) Erst im 19. Jahrhundert wurde von Depression gesprochen, in der Form, wie sie auch heute ihren Gebrauch findet. (Ansari 2013: 48) Demnach muss die Festlegung der Begrifflichkeit im Zeitraum zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert stattgefunden haben.
Damit sollte gezeigt werden, dass im Laufe der Zeit die Begrifflichkeit der Melancholie und die der Depression keinesfalls einen gradlinigen Verlauf erfuhren. Die Verwendung eines Begriffs als Konglomerat diverser Symptome wurde in der Vergangenheit nicht immer einheitlich gebraucht, sodass heute die Entwicklungsgeschichte der Depression schwer zurückzuverfolgen ist. Auch die Möglichkeiten, die sich aus der Begrifflichkeit der Melancholie erschöpften, standen im Wandel. Doch wichtiger als das, erscheint das Ergebnis, heute an einem Punkt zu stehen, an dem klar definiert ist, was unter Depression zu verstehen ist und was nicht.
Heutzutage wird daher nicht nur die Begrifflichkeit einheitlich verwendet, sondern auch was darunter zu verstehen ist. Etwa, dass Depression eine entsprechende Genese, Therapie und Prädiktion impliziert. (Wahl 1994: 14) So ist heute im ICD 11 die Depression unter der Kategorie der affektiven Störungen gelistet und kann unterschieden werden, etwa in eine depressive Episode oder in eine rezidivierende depressive Episode. (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2018) Was damit impliziert wird, ist ebenfalls eine klare Abgrenzung zu anderen Krankheiten respektive psychischen Erkrankungen. So wurde in der Antike fluktuierend angenommen, dass Melancholie und Manie in Verbindung stehen. (Ansari 2013: 13) Heute kann dies nicht nur angenommen werden, sondern die Erkrankungen durch Begriffsbestimmungen eingeordnet werden. So sind Manien eine eigenständige Erkrankung, ebenso wie Depressionen, gleichwohl sich beide der Kategorie der affektiven Störungen unterordnen. (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2018) Doch wie konnte ein solcher Zustand erreicht und gefördert werden? Ein Zustand, der es ermöglicht, das Verständnis von Krankheiten zu vereinheitlichen und in optimaler Weise sogar auf globaler Ebene.
Bereits 1995 zeigte ein Beitrag im ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps) von Graubner, mit der Schlussbemerkung seines Aufsatzes, „Wesentliche Klassifikationen für die medizinische Dokumentation in Deutschland und ihr Entwicklungsstand“, die Erwartungen und den Anspruch an ein medizinisches Klassifikationssystem. (World Health Organization 2020) Bereits zu Beginn macht er deutlich, dass durch die zunehmende Komplexität im Bereich der Medizin die Bedeutung an Klassifikationssystemen zunimmt. (Matthesius 1995) „Die Zukunft wird zeigen, ob es mit ihrer Hilfe gelingt, die komplexe Situation in der medizinischen Betreuung und Wissenschaft besser zu beschreiben und damit transparenter zu machen, zum Wohle der an den Folgen von Krankheit leidenden Menschen und der um die Verbesserung ihrer Situation bemühten Mitarbeiter des Gesundheitswesens und forschenden Wissenschaftler.“ (Matthesius 1995) Der Wunsch nach einem Klassifikationssystem, der sich hier ausdrückt, zeigt auf der einen Seite die erwartete Relevanz für das betroffene Individuum, auf der anderen Seite aber auch für die anderweitig Betroffenen, wie etwa medizinisches Personal oder Forschenden.
Ein solches Klassifikationssystem stellt heute das ICD dar (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) genannt. Es ist ein internationales Klassifikationssystem, welches Krankheiten systematisch kategorisiert. (World Health Organization 2020). Entwickelt wurde der ICD gegen Ende des 19. Jahrhundert. Die erste Fassung klassifizierte noch der Todesursache nach, während heutzutage im ICD 11, nach Diagnose klassifiziert wird. (World Health Organization 2020) Wie bereits erwähnt, versuchte sich auch Cullen daran, Krankheiten respektive Todesursachen in Kategorien einzuteilen. Auf die geschichtliche Entwicklung des ICD soll an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden. Von Bedeutung ist an dieser Stelle vor allem die Rolle, die dem ICD zukommt. Ein Klassifikationssystem wie das ICD ermöglicht, auf Basis des universellen Verständnisses von Krankheit, medizinisch relevante Informationen zu sammeln und diese zu analysieren. (World Health Organization 2020) Diese Informationen können ihrerseits wiederum von medizinischen Institutionen auf der ganzen Welt verwendet werden, um medizinische Versorgung zu optimieren (Lauster 2014: 621). Insgesamt formuliert die WHO den Zweck des ICDs wie folgt:
„ICD is the foundation for the identification of health trends and statistics globally, and the international standard for reporting diseases and health conditions. It is the diagnostic classification standard for all clinical and research purposes. ICD defines the universe of diseases, disorders, injuries and other related health conditions, listed in a comprehensive, hierarchical fashion that allows for“ (World Health Organization) Beim Vergleich der Hoffnung und Erwartung an ein Klassifikationssystem der Krankheiten von Graubner und der Definition der WHO wird auffallen, dass die WHO der Erwartungen zu entsprechen scheint.
Da es in der vorliegenden Hausarbeit um Depression geht, soll noch ergänzt werden, dass dem Klassifikationssystem ebenfalls für die psychischen Krankheiten eine ausschlaggebende Relevanz innewohnt. Wie bereits am Beispiel der Depression gezeigt, äußern sich Symptome psychischer Krankheiten meist in komplexer Art und Weise, die schwer zu greifen sind. Durch das Zusammenfassen von diagnoserelevanten Informationen, zu einem exakt definierten Krankheitsbild und das Erstellen von Leitlinien zur Diagnosefindung, soll vor allem vor willkürlicher Diagnostik schützen. (Lauster 2014: 1317) Daher ist die Bedeutung einer Kategorie, die die Krankheit der Depression vollumfänglich definiert, von größter Wichtigkeit.
3. Von der Kategorie bis zum System
Folgen soll eine theoretische Einführung zum Thema Kategorien. In diesem Kontext soll ebenfalls der dynamische Nominalismus von Ian Hacking Erwähnungen finden und zeigen was Kategorien mit Möglichkeiten zu tun hat. Daraufhin soll eine kurze Erläuterung zum Thema Systeme und Komplexität folgen. Luhmann spricht in diesem Zusammenhang unteranderem auch von Komplexitätsreduktion.
3.1. Wie Kategorien entstehen
An dieser Stelle soll die Grundlage geschaffen werden, um an späterer Stelle Depression als Kategorie zu betrachten. Dazu werden die Vorstellungen zum Thema Kategorien und Klassifizieren von Ian Hacking genauer betrachtet.
Von zentraler Bedeutung ist an dieser Stelle der Nominalismus. Hacking macht zwei unterschiedliche Ausrichtungen des Nominalismus aus. Er beschreibt, dass die Vertreter des statischen Nominalismus der Überzeugung sind, dass auf der einen Seite Kategorien menschengemacht sind und einmal festgelegt, sich überwiegend unveränderbar verhalten und auf der anderen Seite ausgeschlossen wird, dass eine Interaktion zwischen Klassifikation und Klassifizierten stattfindet. (Hacking 1986: 125f) Um sich klar von dieser Überzeugung zu distanzieren, entwickelt Hacking den Begriff des dynamischen Nominalismus, welcher im Kontrast zu den vorangegangenen Überzeugungen steht. So ist er der Überzeugung, dass Kategorien sich aus der Natur ableiten lassen und auf der anderen Seite nicht unveränderbar sind oder zumindest das, was unter der Kategorie gefasst ist. Hacking beschreibt seine Vorstellung vom dynamischen Nominalismus, mit den folgenden Worten: „daß eine Art von Person zur selben Zeit entstand, als die Art selbst erfunden wurde.“ (Hacking 1986: 126). Worauf Hacking sich bezieht, ist die Überlegung, dass das Entstehen einer Kategorie und etwa die Personen, die darunter zu verstehen sind, im gleichen Atemzug entstehen. Aus dieser Überzeugung heraus gelangt Hacking zu dem Schluss, dass dies für ein Individuum bedeutet, dass mit dem Entstehen einer Kategorie auch ein Spektrum an Möglichkeiten entsteht, in welchem es sich entfalten kann (Hacking 1986: 127).
Hacking verweist außerdem darauf, dass dieser Möglichkeitsraum von Beschreibungen abhängt. „Das menschliche Handeln ist enger mit menschlichen Beschreibungen verknüpft als das Handeln der Bakterien.“ (Hacking 1986: 128) Es ist zu erkennen, dass Hacking Dinge und Personen voneinander abgrenzt, worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Bedeutender ist, dass im Umkehrschluss, ohne entsprechende Beschreibung, keine intentionale Handlung denkbar wäre (Hacking 1986: 128). Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass durch das Entstehen von neuen Beschreibungen, besagte neue Handlungsmöglichkeiten entstehen.
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