Die Frage, ob Kaiser Konstantin der erste christliche Kaiser des römischen Imperiums war, ist bis heute eine der Kernfragen der geschichtlichen Forschung zur Spätantike. Noch immer streitet die Wissenschaft über die Einstellung Konstantins zum Christentum und über seine Motivationen, die ihn am Ende seines Lebens dazu führten, die einst staatsfeindliche Religion zur neuen Staatsreligion zu erheben. In dieser Arbeit soll daher die Frage geklärt werden, ob sich die Position Konstantins zum Christentum im Verlauf der Jahre vor und nach der Schlacht an der Milvischen Brücke gewandelt hat und inwieweit in den Jahren 311-313 von einer Hinwendung Konstantins zum Christentum gesprochen werden kann
Als wegweisendes Ereignis wird auch in der heutigen Forschung noch die Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahre 312 verstanden, bei der der spätere Kaiser im Kampf gegen den Usurpator Maxentius den Quellen zufolge ein göttliches Zeichen empfing und so Rom mit Gottes Hilfe aus den Fängen eines später als Tyrannen gebrandmarkten Herrschers befreite.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Quellenlage
3 Die Forschungslage
4 Entwicklung von Konstantins Christenpolitik in den Jahren 311-313
4.1 Das Galeriusedikt 311
4.2 Die Schreiben nach Afrika
4.3 Die Mailänder Vereinbarung
5 Fazit
6 Quellen- und Literaturverzeichnis:
1 Einleitung
Die Frage, ob Kaiser Konstantin der erste christliche Kaiser des römischen Imperiums war, ist bis heute eine der Kernfragen der geschichtlichen Forschung zur Spätantike.1 Noch immer streitet die Wissenschaft über die Einstellung Konstantins zum Christentum und über seine Motivationen, die ihn am Ende seines Lebens dazu führten, die einst staatsfeindliche Religion zur neuen Staatsreligion zu erheben.
Als wegweisendes Ereignis wird auch in der heutigen Forschung noch die Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahre 312 verstanden, bei der der spätere Kaiser im Kampf gegen den Usurpator Maxentius den Quellen zufolge ein göttliches Zeichen empfing und so Rom mit Gottes Hilfe aus den Fängen eines später als Tyrannen gebrandmarkten Herrschers befreite2. Der Sieg über Maxentius von 312 machte Konstantin zum „Augustus aller westlichen Provinzen“3 und bahnte ihm den Weg zur Integration des Christentums in die römische Gesellschaft.
In dieser Arbeit soll daher die Frage geklärt werden, ob sich die Position Konstantins zum Christentum im Verlauf der Jahre vor und nach der Schlacht an der Milvischen Brücke gewandelt hat und inwieweit in den Jahren 311-313 von einer Hinwendung Konstantins zum Christentum gesprochen werden kann. Der erste Abschnitt der Arbeit wird sich dabei zunächst mit der Quellenlage der Jahre 311-313 beschäftigen, in denen von Konstantin selbst, oder in Verbindung mit seinen Mitkaisern, zahlreiche Schreiben, überliefert sind, die Aufschluss über seine Position zum Christentum geben können. In einem nächsten Schritt wird der Versuch unternommen, einen Überblick über die aktuellsten Forschungskontroversen zu geben und somit die grundlegende Komplexität des hier behandelten Themas aufzuzeigen.
Im Hauptteil der Arbeit wird anhand von drei, zeitlich in den Jahren 311-313 angelegten Quellen, versucht, eine mögliche religiöse Entwicklung Konstantins zu skizzieren. Dabei gelten Konstantins Anteil am Galerius-Edikt von 311, seine Schreiben nach Afrika aus dem Jahre 312, und letztlich die Mailänder Vereinbarung von 313 als Grundlagen der Untersuchung. Die einzelnen Quellen sollen dabei zunächst kurz inhaltlich erläutert und dann zur Diskussion gestellt werden.
Schließlich wird der letzte Teil der Arbeit sich mit einem zusammenfassenden Fazit beschäftigen, in dem letztendlich die Frage beantwortet werden soll, ob sich bei Konstantin in den Jahren 311-313 ein Religionswechsel erkennen lässt, der durch ein wachsendes Engagement für die Christen im römischen Reich gekennzeichnet ist.
2 Die Quellenlage
Die Quellenlage ist bezüglich der Fragestellung grundsätzlich als umfassend einzuschätzen. Für die Ausfertigung und den Inhalt des Galerius-Edikts von 311 sind Berichte des späteren christlichen Schreibers Laktanz, sowie des Kirchenhistorikers und späteren Bischofs Eusebius von Caesarea überliefert, die sich inhaltlich nicht wesentlich voneinander unterscheiden4. Die Ausführungen des Laktanz sind in seinem Werk „De mortibus persecutorum“ überliefert. Die Fassung des Eusebius hingegen entstammt der „Historia ecclesiastica“. Die inhaltliche Gleichartigkeit beider Überlieferungen ist der ausschlaggebende Grund dafür, dass die Anweisungen des Galerius von der heutigen Forschung nur noch in geringer Weise angezweifelt werden und diese hierdurch verhältnismäßig gesichert sind. Diese Arbeit wird sich aufgrund der Kongruenz beider Versionen lediglich mit der Fassung des Laktanz auseinandersetzen.
Die drei Schreiben Konstantins nach Nordafrika von 312 sind lediglich in Berichten des Eusebius in seinem Buch „Historia ecclesiastica“ überliefert. Es existieren keine Parallelfassungen. Die drei Briefe beinhalten zwei Schreiben an den späteren Prokonsul von Afrika, Anullius, und einen Brief an den Bischof von Karthago namens Caecilian. Alle drei Briefe sollten kritisch in Hinblick auf den bereits ausgebrochenen Donatistenstreit in Afrika gelesen werden. Die Echtheit der Schreiben wird in der heutigen Forschung nicht mehr in Frage gestellt5.
In Bezug auf die Mailänder Vereinbarung von 313 findet sich ebenfalls jeweils ein Bericht bei Eusebius in der „Historia ecclesiastica“ und bei Laktanz in seinem Werk „De mortibus persecutorum“. Diese Berichte sind, wie auch die Ausführungen zum Galeriusedikt, inhaltlich nahezu identisch.6 Ein eventueller Rückbezug der Mailänder Vereinbarung auf ein früheres Schreiben der Kaiser zur Frage der Religionsfreiheit7 ist allerdings nur zu Beginn des Schreibens von Eusebius überliefert. Der Bericht des Laktanz enthält keinen entsprechenden Hinweis. Dieser Aspekt ist jedoch als wichtig einzuschätzen, da hiermit eine eventuelle inhaltliche Verbindung zwischen den drei Schreiben von 311 bis 313 hergestellt werden kann. Die Fassung von Laktanz wurde von Licinius am 13. Juni 313 an den Statthalter von Bithynien addressiert, die von Eusebius richtet sich der aktuellen Forschung zufolge vermutlich an den damaligen Statthalter von Palästina8. Außer den Schreiben des Laktanz und des Eusebius sind keine weiteren Schriften überliefert.
3 Die Forschungslage
„Ein eigentlicher Religionswechsel hat nicht stattgefunden“9. So konstatierte es Theodor Zahn 1974 in seinem Beitrag zur Forschung über die vermeintliche Bekehrung Konstantins zum Christentum durch die Schlacht an der Milvischen Brücke von 312. Bereits seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts ist die Auffassung, Konstantin habe sich durch diese Schlacht dem Christentum zugewandt, in der Forschung umstritten.
Generell ist die Forschungslage zu den drei Ereignissen, die in dieser Arbeit näher thematisiert werden, sehr umfassend. Zur Bewertung des Galerius-Edikts finden sich gerade in der neueren Forschung seit Beginn des neuen Jahrtausends zahlreiche Monografien und Aufsätze. Diese zeichnen allesamt das eindeutige Bild, dass der Senior Augustus Galerius im Jahr 311 die alleinige Kraft hinter dem gleichnamigen Edikt war. Lediglich seine eigenen Beweggründe für die völlig neue Toleranzpolitik gegenüber den Christen gelten in Ansätzen als umstritten. Eine der umfangreichsten Analysen des Edikts findet sich noch immer bei Jochen Bleicken10.
Die Briefe nach Afrika hingegen sind in der neueren Forschung etwas weniger umfangreich betrachtet worden und finden in den hier verwendeten Publikationen eine vergleichsweise mäßige Beachtung. Meist werden sie lediglich im Rahmen der ereignisgeschichtlichen Abhandlungen über Konstantin erwähnt oder mit dem Wirken Konstantins in Afrika in Verbindung gebracht.11
In Bezug auf die Mailänder Vereinbarung lässt sich die Forschungslage wie auch beim Galerius-Edikt als sehr umfangreich charakterisieren, da das Abkommen in vielen der verwendeten Publikationen einen zentralen Platz einnimmt.12 In all diesen Werken ist die Darstellung der Beteiligung Konstantins an den Inhalten der Mailänder Vereinbarung von sehr ambivalenter Natur. Insbesondere zur Frage der Beweggründe der einzelnen Kaiser gegenüber dem Schreiben gibt es zudem sehr unterschiedliche Auffassungen.
4 Entwicklung von Konstantins Christenpolitik in den Jahren 311-313
4.1 Das Galeriusedikt 311
Im Jahre 311 fanden die Christenverfolgungen, die unter Diocletian begonnen hatten, mit dem Edikt des Galerius ein vorläufiges Ende. Zu der Zeit, als er das Edikt verfasste, hatte er den Titel des Senior Augustus inne und war durch eine schwere Krankheit13 dem Tode inzwischen sehr nahe gekommen. Sein Edikt gilt in der Forschung heute als die erste Maßnahme, die den Christen Toleranz gewährte und „die öffentlich-rechtliche Anerkennung des christlichen Kultes“14 noch vor der Veröffentlichung der Mailänder Vereinbarung 313 proklamierte. Der sprachliche Ton, der dem Galerius-Edikt zugrunde liegt, lässt noch deutlich die persönliche Abneigung des höchsten Kaisers gegenüber den Christen erkennen15.
Inhaltlich verweist Galerius in seinem Edikt zunächst einleitend darauf, dass die bisherige Politik zu dem Zwecke durchgeführt wurde „die Christen, die die Lehre ihrer Väter verlassen hatten, zur Vernunft [zurückzuführen]“16. Dies habe Konfiskationen christlicher Güter und Vertreibungen zur Folge gehabt17. Im zweiten Abschnitt des Edikts erklärt Galerius nun, dass die bisherige diocletianische Christenpolitik, die das Ziel hatte, die abtrünnigen Christen wieder zum römischen Glauben zu bekehren, als gescheitert angesehen werden musste18. Er beendete dadurch offiziell die kaiserliche Christenverfolgung und ging mit dem Edikt von nun an einen pragmatischen Weg. Da die zwanghafte Bekehrung der Christen zum alten Glauben wirkungslos geblieben war, versuchte er nun, die Christen mit in den Staatskult einzubinden „[um sie] für das Heil des Staates und ihr eigenes Heil [beten zu lassen]“19.
Die Motive des Galerius für seine Abkehr von der alten Tradition, die Christen als eine staatsgefährdende Sekte zu betrachten, sind nach heutiger Forschungsmeinung von vielschichtiger Natur. Er hatte faktisch mehrere Gründe, die aus seiner Sicht eine Öffnung zu den Christen politisch unabdingbar machten. So hatte er nach dem Tod des Constantinus Clorus als dienstältester Kaiser und somit als Senior Augustus die Aufsicht über die Zukunft des tetrachischen Prinzips, das unter Diocletian eingeführt worden war, inne.
Insbesondere die Vorgänge im Ostteil des Reichs unter Maximinus Daia bereiteten Galerius in diesem Zusammenhang zunehmend Sorge, da die dort anhaltenden Christenverfolgungen drohten, die Region vollends zu destabilisieren und die ohnehin “bedrohte Harmonie des Mehrkaisertums”20 noch weiter zu verstärken. Das Galerius-Edikt entstand folglich überwiegend aus der Angst vor dem endgültigen Zerfall der Tetrarchie, die ja bereits in den Vorjahren durch die Usurpation des Maxentius erheblich gestört worden war. Als weiterer Grund für die neue Toleranzpolitik des Galerius kann jedoch auch die persönliche Einsicht verstanden werden, dass die Christenverfolgungen ihr Ziel vollständig verfehlt hatten. Seit dem Beginn der Verfolgungen unter Diocletian hatte sich der christliche Glaube trotz allem weiterhin entfalten können.21 Galerius sah daher nur noch die Möglichkeit, die Christen durch Toleranz in die Staatsideologie einzubeziehen, sollten sie auch Kulte und Riten besitzen, die dem obersten Kaiser übel aufstießen22. Ein zusätzlicher Beweggrund für das Toleranzedikt des ältesten Kaiser soll die schwere Krankheit, vermeintlich eine Krebserkrankung23, gewesen sein, welche ihn zum Ende seines Lebens 311 völlig entkräftet hatte. Die abschließende These, er habe mit seinem Toleranzedikt am Ende seines Leidenswegs sein eigenes Seelenheil erretten wollen, galt jedoch lange Zeit als umstritten und ist inzwischen widerlegt24.
Somit scheinen die Beweggründe des Galerius für das Edikt weitgehend klar zu sein. Bei der Frage nach der Beteiligung Konstantins und des Licinius sieht dies jedoch vollkommen anders aus. Beide Kaiser gehörten nachweislich zu den Unterzeichnern des Ediktes25, jedoch lässt sich auf Beide keine aktive Beteiligung zurückführen. Sie ließen zwar das Edikt in ihren Reichsteilen umsetzen, versuchten jedoch nicht aktiv auf die Gestaltung des Galerius-Edikts einzuwirken. Für Konstantin lassen sich die Gründe hierfür nur ansatzweise vermuten. So wird als Hauptargument angeführt, die geringe Anzahl von Christen in den konstantinischen Gebieten habe eine Auseinandersetzung Konstantins mit der Frage der Religionsfreiheit nicht aufkommen lassen26. Außerdem war Konstantin als degradierter Augustus im Jahre 311 lediglich einer von fünf Herrschern des Reichs. Seine Politik hätte im Gesamtreich höchstwahrscheinlich noch keine größere Wirkung gezeigt. Ein dritter möglicher Grund liegt in der politischen Situation des Jahres 311. Nach dem Tod des Constantinus Clorus waren schließlich noch die Usurpation des Maxentius, der spätere Tod des Galerius und die Unruhen im Ostteil des Reiches politische Probleme, die gegenüber der Religionspolitik vorrangig gelöst werden mussten.27 Daher schien die Frage der Religionszugehörigkeit 311 noch gar nicht in Konstantins Blickfeld geraten zu sein.
Über den letzten der drei Unterzeichner des Galerius-Edikts, Licinius, ist nur sehr wenig in Bezug auf seine Beweggründe bekannt. Diese sollen in dieser Arbeit aufgrund eines anderen Schwerpunktes daher auch nicht weiter diskutiert werden.
4.2 Die Schreiben nach Afrika
Die Briefe Konstantins nach Afrika sind zeitlich zwischen der Schlacht an der Milvischen Bücke 312 und der Mailänder Vereinbarung 313 anzusiedeln28. Es sind insgesamt drei Schreiben, die jeweils die Haltung des Kaisers gegenüber den Christen in den afrikanischen Provinzen verdeutlicht. Die Forderungen, die in diesen Schreiben enthalten sind, gehen erstaunlicherweise bereits sehr viel weiter, als diejenigen, welche Konstantin später in der Mailänder Vereinbarung mit Licinius vereinbart hat29.
Den ersten Brief an den Praefectus urbi Anullius, den späteren Prokonsul Afrikas, eröffnet Konstantin zunächst mit einer Begrüßungsformel. Bereits die einleitenden Worte des Briefes widmen sich aber schon der Forderung Konstantins nach einer Rückgabe der christlichen Güter an die christlichen Gemeinden:
„Sobald Du diesen Brief erhältst, sollst Du veranlassen, daß, wenn etwas aus dem Besitz der katholischen Kirche der Christen (…) sich jetzt im Besitz von Bürgern oder anderen Personen befindet, ihnen dies unverzüglich zurückgegeben wird.“30
Der Brief umfasst kaum mehr als diese eindringliche Aufforderung, den christlichen Gemeinden ihr Hab und Gut wiederzugeben, dass sie im Rahmen der diocletianischen Christenverfolgungen verloren hatten. Auffällig ist vor allem die Nachdrücklichkeit, mit der der Kaiser darauf pocht, die Erstattungen schnellst möglich umzusetzen.
Der zweite Brief an Caecilian, den Bischof von Karthago, ist ebenfalls äußerst kurz gehalten. In ihm überreicht Konstantin dem Bischof zunächst eine Spende in Höhe von 3000 Folles, der seit 294 neu eingeführten Währung. Im zweiten Teil des Briefes verweist Konstantin auf den Donatistenstreit, und ermutigt Caecilian, vermeintliche Donatisten vor Gerichts stellen zu lassen, um „Menschen in derartigem Wahnsinn“31 zum katholischen Glauben zurückzuführen. Insbesondere der Schlusssatz dieses Briefes verdeutlicht jedoch, in welchem Verhältnis Konstantin 312 zur christlichen Religion stand, da er den Brief mit den Worten „Die Gottheit des großen Gottes beschütze Dich für viele Jahre!“32 schließt.
Im dritten Brief, erneut an Anullius gerichtet, preist Konstantin zunächst die Bedeutung des paganen Kultes und gewährt daraufhin den katholischen Bischöfen die Freiheit, alle Formen von nicht-religiösen Dienstleistungen in Zukunft nicht mehr durchführen zu müssen um die Gebete zu ihrem Gott frei entfalten zu können. Folglich erhalten die Kleriker hiermit spezielle Sonderrechte, durch die „die höchste Ehrfurcht gegenüber der hochheiligen, himmlischen ‹Macht› ausgeübt [werden konnte]“33.
Die drei Briefe machen eines ganz deutlich. In ihnen fordert Konstantin mit Nachdruck einerseits eine Verbesserung der Lebensumstände der Christen, andererseits aber auch eine Erhebung ihrer Religion auf eine gleichberechtigte, wenn nicht sogar höhere Ebene, als die paganen Religionen.
Die Gründe für diesen starken Sinneswandel des Kaisers seit der Veröffentlichung des Galerius-Edikts, bei der er sich in keinster Weise für die Christen persönlich einsetzte, lassen sich aufgrund einer eher schmalen Forschungslage zu diesem Thema lediglich vermuten. Insbesondere zwei Faktoren finden in diesem Kontext jedoch Beachtung. Zum einen handelt es sich hierbei um die siegreiche Schlacht an der Milvischen Brücke, bei der Konstantin sich einer seiner Widersacher entledigen und somit seinen Machtbereich und sein Prestige deutlich vergrößern konnte.34 Zum anderen sind es die geografischen Faktoren, die eine Positionierung des Kaisers zum Christentum erforderten, da in Afrika die „bereits voll ausgebrochenen donatistischen Streitigkeiten“35 Unruhen im Reichsgebiet hervorbrachten und Konstantin diese nur durch eine klare Positionierung für eine der beiden Parteien beruhigen konnte, „[sodass] sich der Kaiser auf die Seite der katholischen Kirche [stellte]“36 Aufgrund seiner eigenen religiösen Erfahrungen mit seinem Patron Sol Invictus, kann dies nur als logische Schlussfolgerung betrachtet werden.37
Es kann für die Zeit nach den Ereignissen an der milvischen Brücke in jedem Fall von einer politischen Stärkung und einem Machtzuwachs Konstantins gesprochen werden, dessen Selbstbewusstsein ihn vermeintlich zu einer stärken Auseinandersetzung mit den Christentum geführt hat.
4.3 Die Mailänder Vereinbarung
Im Gegensatz zu früheren Annahmen38 handelt es sich, gemäß der neueren Forschung, bei dem von Licinius und Konstantin in Mailand verfassten Schriftstück nicht um ein Edikt im eigentlichen Sinne, da es zur Zeit seiner Veröffentlichung lediglich im Reichsgebiet des Licinius als Constitutio durchgesetzt wurde.39 Im Herrschaftsbereich Konstantins hingegen wird die Mailänder Vereinbarung nur in Form einer unverbindlichen Richtlinie publiziert und verliert hierdurch die Eigenschaften eines tatsächlichen, kaiserlichen Edikts40.
Nach der Schlacht an der Milvischen Brücke, dem Sieg über Maxentius und Konstantins feierlichem Einzug in Rom, fand im Februar 313, bei seiner Rückkehr von Rom nach Gallien, ein Treffen zwischen Konstantin und Licinius in Mailand statt. Die Gründe für diese Zusammenkunft sieht die Forschung vor allem in den gemeinsamen politischen Zielen sowie den erneut aufflammenden Christenverfolgungen in den Herrschaftsgebieten von Maximinus Daia, die eine gemeinsame Stellungnahme der Kaiser insbesondere zur Frage der Religionspolitik nötig machten. Der „groß[e] Stellenwert“ dieses Themas beim Treffen der beiden Kaiser in Mailand sei dabei Volkmar Keil zufolge „sicherlich auf Konstantin [zurückzuführen]“41.
Die Mailänder Vereinbarung ist vom Umfang her deutlich länger und ausführlicher gehalten als das Galerius-Edikt von 311 oder die Briefe Konstantins nach Nordafrika von 312. Inhaltlich nehmen die beiden Kaiser Licinius und Konstantin in ihrem Erlass zunächst Rückbezug auf ein vergangenes Schreiben, wobei hier höchstwahrscheinlich auf ein verschollenes Nachfolgeschreiben des Galerius-Edikts verwiesen wird42. Die Mailänder Vereinbarung setzt mit der Erklärung einer allgemeinen Religionsfreiheit fort, welche „das Christentum gleichranging neben alle anderen Religionen [stellt]“ und es „als ein Teil der Götterwelt des Reiches (…) gleichen Rang mit den anderen
Religionen hat“43. Die christliche Religionsausübung wird von den beiden Kaisern ohne Einschränkungen gewährt. So heißt es in der Mailänder Vereinbarung nach Eusebius:
„Das bedeutet: Wir wollen sowohl den Christen als auch allen anderen die Freiheit der Wahl geben, der Gottesverehrung zu folgen, der sie folgen wollen, damit, was es immer an Gottheit oder himmlischer Macht gibt, uns und allen, die unter unserer Herrschaft leben, wohlgesonnen sein möge.”44
[...]
1 Vgl. hierzu aktuell: Piepenbrink, Karen: Konstantin der Große und seine Zeit, Darmstadt 32010.
2 Vgl. Herrmann-Otto, Elisabeth: Konstantin der Große, Darmstadt 2007, S. 48.
3 Ebd.
4 Vgl. Keil, Volkmar (Hrsg.): Quellensammlung zur Religionspolitik Konstantins des Grossen (Lateinisch/ Griechisch/ Deutsch). Texte zur Forschung, Darmstadt 21995, S. 40-41.
5 Vgl. ebd., S. 52.
6 Keil schreibt hierzu, dass „beid[e] Fassungen (…) nicht genau identisch [seien]“. Dies bezieht sich aber lediglich auf die Anfänge beider Überlieferungen, da bei Eusebius noch eine Art Vorwort hinzutritt. Vgl. hierzu: Keil, S. 58-67.
7 Vgl. Zahn, Theodor: Konstantin der Grosse und die Kirche, in: Kraft, Heinrich (Hrsg.): Konstantin der Grosse, Darmstadt 1974, S. 92-93.
8 Vgl. Keil, S. 58-59.
9 Zahn, S. 95.
10 Vgl. Bleicken, Jochen: 312. n. Chr. – Das Jahr der Wende? Konstantin und die Christen, in: Schlange-Schöningen, Heinrich (Hrsg.): Konstantin und das Christentum, Darmstadt 2007, S. 67-72 (urspr. in: Historische Zeitschrift, Beiheft 15 (1992), S. 13-23).
11 Ansätze heutiger Forschung: Vgl. Herrmann-Otto, S. 74-75 und Brandt, Hartwin: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser. Eine Biografie, München 2006, S. 74-79.
12 Vgl. hierzu: Bleicken, S. 72-77 sowie Herrmann-Otto, S. 70-80 und Clauss, Manfred: Konstantin der Grosse und seine Zeit, München 2007, [ND München 1996], S. 42-43.
13 Vgl. Keil, S. 41.
14 Clauss, S. 27.
15 Vgl. Bleicken, S. 69.
16 Keil, S. 41.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. ebd.
19 Ebd., S. 43.
20 Bleicken, S. 70.
21 Vgl. hierzu: Clauss, S. 30-32.
22 Vgl. Herrmann-Otto, S. 68.
23 Vgl. Keil, S. 41.
24 Vgl. hierzu: Clauss, S. 33 und Bleicken, S. 70.
25 Vgl. Herrmann-Otto, S. 69.
26 Vgl. Bleicken, S. 70.
27 Vgl. hierzu: Clauss, S. 42.
28 Vgl. Keil, S. 52.
29 Vgl. ebd., S. 52-53.
30 Ebd., S. 53.
31 Ebd., S. 55.
32 Ebd.
33 Keil, S. 57.
34 Vgl. Herrmann-Otto, S. 48.
35 Keil, S. 53.
36 Ebd.
37 Zur eigenen Erfahrung Konstantins mit dem Christentum und den Religionen vgl.: Zahn, S. 90-91.
38 Vgl. Zahn, S. 96-97.
39 Vgl. Bleicken, S. 74.
40 Vgl. hierzu: Ebd.
41 Keil, S. 58.
42 Die Mailänder Vereinbarung beginnt nach Eusebius mit den Worten: „Schon früher haben wir befohlen, den Christen die Zusicherung für ihre Gemeinschaft und ihren Gottesdienst zu bewahren“ (Keil, S. 63). Das Galerius Edikt wiederum, endet mit den Worten: „Durch einen anderen Brief werden wir den Richtern bekanntgeben, was sie beachten sollen“ (Keil, S. 43). Zwischen den Texten scheint somit ein direkter Zusammenhang zu bestehen, welcher bis heute diskutiert wird. Vgl. hierzu: Zahn, S. 92-93.
43 Bleicken, S. 74-75.
44 Keil, S. 63.