In dieser Seminararbeit werden die maßgeblichen Faktoren erläutert, die für einen unterschiedlichen Grad der Einflussnahme der Parteien und Wählergemeinschaften auf der kommunalen Ebene ursächlich sind. Gibt es Unterschiede zwischen kleinen Gemeinden und Großstädten? Und welche Rolle spielt dabei die Baden-Württembergische Gemeindeverfassung?
Zunächst soll erklärt werden, was unter Parteien und Wählergemeinschaften zu verstehen sind, welche Funktionen sie für das politische System erfüllen und worin sie sich unterscheiden. Um auf die Gegebenheiten in Baden-Württemberg eingehen zu können, ist es wichtig zu wissen, welche Form der repräsentativen Demokratie auf der kommunalen Ebene vorliegt, sodass anschließend näher auf die einzelnen Faktoren der Einflussnahme eingegangen werden kann.
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Parteien und Wählergemeinschaften
2.1.1 Was ist unter einer Partei zu verstehen?
2.1.2 Funktionen von Parteien
2.1.3 Wie unterscheiden sich Parteien und Wählergemeinschaften?
2.2 Vergleich Konkordanzdemokratie und Konkurrenzdemokratie
3. Hauptteil
3.1 Einfluss der Parteien und Wählergemeinschaften in der Kommunalpolitik
3.1.1 Einfluss der Gemeindeverfassung
3.1.2 Politische Kultur in den Gemeinden
3.1.3 Einwohnerzahl der Gemeinden
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einwohner in Baden-Württemberg nach Gemeindegrößenklassen
Abbildung 2: Wahlergebnisse der Gemeinderatswahlen in Baden-Württemberg
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Extremtypen repräsentativer Demokratie auf kommunaler Ebene
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
1. Einleitung
„Die kommunalpolitischen Fragen lassen sich viel schwerer unter dem Aspekt parteipolitischer Programme erfassen und beurteilen als Probleme der Bundes- und Landespolitik. Es gibt keine christliche Straßenbeleuchtung und keine sozialistischen Bedürfnisanstalten."1
Mit dieser Aussage machte der deutsche Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg deutlich, dass die Einflüsse der Parteien auf der kommunalen Ebene sich wesentlich von der Bundes- und Landesebene unterscheiden können und eine differenzierte Betrachtungsweise erfordern. Auf der kommunalen Ebene liegen teilweise veränderte Strukturen vor, die bspw. ein Mitwirken von Wählergemeinschaften in deren hiesigen Politik ermöglichen.
In der folgenden Proseminararbeit sollen die maßgeblichen Faktoren erläutert werden, die für einen unterschiedlichen Grad der Einflussnahme der Parteien und Wählergemeinschaften auf der kommunalen Ebene ursächlich sind. Gibt es Unterschiede zwischen kleinen Gemeinden und Großstädten? Und welche Rolle spielt dabei die Baden-Württembergische Gemeindeverfassung?
Zunächst soll erklärt werden, was unter Parteien und Wählergemeinschaften zu verstehen sind, welche Funktionen sie für das politische System erfüllen und worin sie sich unterscheiden. Um auf die Gegebenheiten in Baden-Württemberg eingehen zu können, ist es wichtig zu wissen, welche Form der repräsentativen Demokratie auf der kommunalen Ebene vorliegt, sodass anschließend näher auf die einzelnen Faktoren der Einflussnahme eingegangen werden kann.
2. Grundlagen
2.1 Parteien und Wählergemeinschaften
2.1.1 Was ist unter einer Partei zu verstehen?
Nach Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz dienen die Parteien der politischen Willensbildung des Volkes. Hierzu ist eine genaue Definition des Begriffes „Partei“ erforderlich: Ulrich von Alemann beschreibt hierzu politische Parteien als „auf Dauer angelegte gesellschaftliche Organisationen, die Interessen ihrer Anhänger mobilisieren, artikulieren und bündeln und diese in politische Macht umsetzen suchen – durch Übernahme von Ämtern in Parlamenten und Regierungen“.2
2.1.2 Funktionen von Parteien
- 1 des Parteiengesetzes definiert die verfassungsrechtliche Stellung und die Aufgaben der Parteien. Eine Vielzahl von Funktionen der Parteien sind dem Paragrafen zu entnehmen. Wehling resümierte, dass Parteien nur dann in ihrem Dasein berechtigt sind, wenn es ihnen möglich ist, bestimmte Aufgaben für das politische System erfüllen zu können3. Um eine gewisse Struktur und Übersicht zu erhalten, sollten die Funktionen daher systematisiert werden4. Hierzu bietet sich besonders die Kategorisierung von Wehling an. Auf kommunaler Ebene sollten die Parteien daher folgende Funktionen erfüllen:
- Orientierungsfunktion: Der Wahlprozess wird von den Parteien organisiert, indem sie mit ihrem Image und ihrem Namen dem Wähler eine Orientierung in Hinblick des politischen Handelns und der programmatischen Ausrichtung ihrer Kandidaten geben.
- Artikulations- und Aggregationsfunktion: Das Programm- und Kandidatenangebot wird den Wählern zur Präferenzfeststellung vorgelegt. Die nun artikulierten Interessen der Bevölkerung werden von den politischen Parteien gebündelt und anschließend an das Entscheidungssystem weitergeleitet.
- Rekrutierungs- und Sozialisationsfunktion: Die Vorauswahl des Kandidatenangebots für öffentliche Ämter wird von den Parteien getroffen, bspw. durch Aufstellen von Listen für Wahlen. Beim Wettbewerb um Ämter und Mandate werden die Kandidaten organisatorisch, finanziell und ideell unterstützt.5
Ferner gilt, dass sich die Funktionen der Parteien nicht ausschließlich auf Landes- und Bundesebene beschränken, sondern auch explizit auf kommunaler Ebene gelten und daher auch Wählergemeinschaften miteinschließen6.
2.1.3 Wie unterscheiden sich Parteien und Wählergemeinschaften?
Um auf den Unterschied zu den Wählergemeinschaften abstellen zu können, sollte auf § 2 Absatz 1 Parteiengesetz eingegangen werden. Hiernach sind Parteien „Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen“.
Hieraus lässt sich entnehmen, dass es lediglich Parteien nach § 2 Absatz 1 Parteiengesetz möglich ist, an Bundes- oder Landtagswahlen teilzunehmen. Kommunalwahlen werden von dieser Norm ausdrücklich nicht erfasst. An Kommunalwahlen treten sogenannte „kommunale Parteien“7, „lokale Parteiorganisationen“8 oder „Ortsparteien“9 an. Hierbei handelt es sich um Unterorganisationen der definierten Parteien in den Gemeinden10.
Wählergemeinschaften wirken zwar auch an der politischen Willensbildung des Volkes mit und verfolgen die daraus entstehenden politischen Tätigkeiten11. Jedoch stellen sie rechtlich gesehen Organisationen dar, die keine Parteien im Sinne des Parteiengesetzes sind, es ist ihnen also nicht möglich an Bundes- oder Landtagswahlen anzutreten, daher sind Wählergemeinschaften in erster Linie nur lokal orientiert12. Selbst wenn im Einzelfall eine Wählergemeinschaft einer Partei nahesteht, ist die Wählergemeinschaft dennoch unabhängig von ihr13.
2.2 Vergleich Konkordanzdemokratie und Konkurrenzdemokratie
Um später auf die Faktoren für die Einflussnahme der Parteien und Wählergemeinschaften eingehen zu können, ist es wichtig, dass vorab geklärt wird, welcher Typ der repräsentativen Demokratie auf der kommunalen Ebene vorliegt. Hierzu ist eine Unterscheidung in „kommunale Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie“14 geeignet. Unter dem Begriffspaar selbst sind nicht die formalen Institutionen zu verstehen, sondern die „Beschreibung von Verhaltens-, Einstellungs-, und Einflussmustern der kommunalen Entscheidungsträger“15.16 In der kommunalen Konkordanzdemokratie gilt, wie auch auf nationaler Ebene, dass das Mehrheitsprinzip überwiegend durch die Einstimmigkeitsregel ersetzt wird17. Dies hat zu bedeuten, dass eine Alternative nur dann als beschlossen gilt, wenn alle Teilnehmer der Abstimmung zustimmen18. Schlussfolgerung hiernach ist, dass die Entscheidungsprozesse entsprechend der Maxime des ‚gütlichen Einvernehmens‘ geprägt sind.19 Weiterhin zeichnet eine geringe Parteipolitisierung von Gemeinderat und Bürgermeister, sowie eine starke Dominanz des Bürgermeisters selbst, die kommunale Konkordanzdemokratie aus. Bei der kommunalen Konkurrenzdemokratie hingegen liegt ein hoher Grad an Parteipolitisierung vor, sowie eine eher schwächere Dominanz des Bürgermeisters. Außerdem ist die kommunale Konkurrenzdemokratie geprägt von Auseinandersetzungen zwischen den Mehrheits- und Oppositionsfraktionen.20
Zur Bestimmung des Demokratietyps untersuchte Holtkamp jeweils die Nominierungs, Wahlkampf, Wahl- und Regierungsphase und reflektierte dies auf durchschnittliche Städte in Baden-Württemberg sowie Nordrhein-Westfalen. Als Ergebnis der Untersuchung lässt sich feststellen, dass große Unterschiede zwischen den Bundesländern vorliegen, denen sich die Bürgerschaft teilweise gar nicht bewusst ist. Als Erklärung hierfür kann der Organisationsgrad der Parteien, das Kommunalverfassungsrecht und eine unterschiedliche politische Kultur der Bundesländer herangezogen werden.21
Schlussfolgernd konnte festgestellt werden, dass in Baden-Württemberg eher konkordanzdemokratische Muster herrschen und in Nordrhein-Westfalen vielmehr eine Konkurrenzdemokratie aufzufinden ist. Hierzu bietet sich diese ebenfalls von Holtkamp erarbeitete Gegenüberstellung an, die die vorherigen Parameter aufgreift:22
Tabelle 1: Extremtypen repräsentativer Demokratie auf kommunaler Ebene
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Holtkamp (2008, S. 95)23
[...]
1 Eschenburg (1960)
2 von Alemann (1995, S. 9)
3 Wehling (2000, S. 188)
4 Walter (2002, S. 6)
5 Wehling (2000, S. 188–189)
6 Löffler (1985, S. 79–80)
7 Walter (2002, S. 4)
8 Lehmbruch (1975, S. 6)
9 Lehmbruch (1975, S. 6)
10 Walter (2002, S. 4)
11 Naumann (2012, S. 89)
12 Kaack (1977, S. 135)
13 Walter (2002, S. 4)
14 Holtkamp (2008, S. 12)
15 Unter den „kommunalen Entscheidungsträgern“ sind die Ratsmitglieder, kommunale Wahlbeamte und der Verwaltungschef zu verstehen (Holtkamp 2008, S. 12).
16 Holtkamp (2008, S. 12)
17 Holtkamp (2008, S. 12)
18 Voigt (2018)
19 Bogumil und Holtkamp (2013, S. 149)
20 Holtkamp (2008, S. 12)
21 Bogumil und Holtkamp (2013, S. 149)
22 Bogumil und Holtkamp (2013, S. 149–150)
23 Holtkamp (2008, S. 95)