In dieser Arbeit wird erläutert, wie Louis-Sésbastien Mercier und Gottlieb Stephanie die Desertion in ihren Stücken "Le déserteur" und "Der Deserteur aus Kindesliebe" darstellen. Dabei soll auch der Aufbau der beiden Dramen betrachtet werden. Insbesondere soll die These aufgestellt werden, dass Stephanie einen Gegenentwurf zu Mercier aufstellt und das Thema der Desertion somit umcodiert.
Im 18. Jahrhundert wurde der Bedarf an Soldaten durch das stehende Heer immer höher. Man brauchte somit deutlich mehr Soldaten als bisher und musste diese erst einmal anwerben. Da dieses Unterfangen oft sehr schwierig war, da die Beschäftigung als Soldat schon lange nicht mehr so attraktiv war, wurden hierbei einige Tricks angewandt. Doch mit den Zwangsrekruten, die teilweise aus Sträflingen und sogar Obdachlosen bestanden, schaffte man sich ein weiteres Problem: die Desertion.
Auch im Lustspiel "Der Deserteur aus Kindesliebe" von Gottlieb Stephanie dem Jüngeren steht die Desertion mit ihren Motiven, Folgen und Auswirkungen im Mittelpunkt. Stephanie schrieb sein Drama nach der Rezeption von Louis-Sésbastien Merciers "Le déserteur". Man kann somit sicher davon ausgehen, dass Stephanie Merciers Stück, das nur drei Jahre zuvor veröffentlicht wurde, kannte.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Exposition, 1. Akt, Eröffnungsdreischritt
3. Steigerung, Entwicklung, 2. Akt
4. Peripetie, 3. Akt
5. Retardierendes Moment, 4. Akt bei Mercier
6. Katastrophe, Lösung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
Einleitung:
Der Titel eines Aufsatzes von Michael Sikora heißt: „Das 18. Jahrhundert: Die Zeit der Deserteure“.1 Doch warum wurde gerade im 18. Jahrhundert die Desertion zu einem solch großen, wie Burschei schreibt „[•••] zu dem militärisch-sozialen Problem schlechthin“2 ?
Im 18. Jahrhundert wurde der Bedarf an Soldaten durch das Stehende Heer immer höher.
Man brauchte somit deutlich mehr Soldaten als bisher und musste diese erst einmal anwerben. Da dieses Unterfangen oft sehr schwierig war, da Soldat zu sein schon lange nicht mehr so attraktiv war, wurden dabei einige Tricks verwendet. Doch mit den Zwangsrekruten, die teilweise aus Sträflingen und sogar Obdachlosen bestanden, schaffte man sich auch ein anderes Problem: die Desertion. Dies ist jedoch nur einer von vielen Gründen.
Auch in dem Lustspiel „Der Deserteur aus Kindesliebe“3 von Gottlieb Stephanie dem Jüngeren steht die Desertion mit ihren Motiven, Folgen und Auswirkungen im Mittelpunkt. Stephanie schreibt sein Stück nach der Rezeption von Louis Sébastien Merciers „Le déserteur“4. Man kann sicher davon ausgehen, dass Stephanie Merciers Stück, das nur 3 Jahre vor seinem veröffentlicht wurde, kannte. Stephanie der Jüngere war „einer der meist beschäftigten Schauspieler der Hofbühnen“.5 Da er selbst Soldat war und sich somit gut in diese Situation hineinfühlen konnte, spielte er vor allem Soldaten und Offiziere höheren Ranges.6
Im Folgenden wird genauer erläutert, wie Mercier und Stephanie die Desertion in ihren Stücken jeweils darstellen. Dabei soll auch der Aufbau der beiden Stücke betrachtet werden. Im Besonderen soll die These aufgestellt werden, dass Gottlieb Stephanie der Jüngere mit seinem „Deserteur aus Kindesliebe“ einen Gegenentwurf zu Merciers „Le déserteur“ aufstellt und das Thema der Desertion somit umcodiert.
Zur Desertion allgemein, aber auch im 18. Jahrhundert, gibt es sehr wenig Forschungsliteratur. Wenn überhaupt, dann beschäftigt sich die Literatur vor allem mit Desertion im Zweiten Weltkrieg. Hier allerdings liegt der Fokus der Untersuchung dieser Zeit weniger auf dem Gebiet der Desertion im Speziellen.
Exposition l.Akt:
„Le déserteur“ ist als klassisches Drama aufgebaut, als Fünfakter. Es beginnt somit mit einer Exposition, in der aber noch nicht alle Figuren vorgestellt werden. Relativ abrupt erfolgt die Einführung in medias res und es folgt als erstes ein Gespräch zwischen Herr Hoctau und Madame Luzère. Schon hier deutet sich ein Konflikt an, da Herr Hoctau die Tochter der Madame Luzère zur Frau nehmen möchte. Diese ist aber mit dem Franzosen Durimel liiert. Der junge Franzose hat bei Madame Luzère Unterschlupf gesucht. Sie weiß zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht, dass er desertiert ist. Zu dieser Zeit war es allerdings nicht unüblich, dass die Bevölkerung mit den Deserteuren Mitleid hatte und sie bei sich versteckte.7
Herr Hoctau deutet an, dass darüber geredet würde, dass Clary und Durimel miteinander anbandeln würden. Fast wie aus Trotz bestätigt Madame Luzère die Tatsache und bekräftigt sie sogar, indem sie die Hochzeit der beiden auf den nächsten Tag ankündigt. „Mad. Luzère, sounant. Oui, je sens qu'un bruit pareil peut inquietter; et pour le faire cesser, je veux que, dans les vingt- quatres heures, Durimel soit son époux.“8
Herr Hoctau fühlt sich betrogen und verraten. „Quoi! mes ésperances seront trompées! moi qui ai toujours cru que jamais un autre...“
Während er gerade hinausgehen will, belauscht er ein Gespräch zwischen Madame Luzère und Durimel. Im Eröffnungsdreischritt würde dieses Gespräch zwischen Madame Luzère und Hoctau als „dramatischen Auftakt“9 eingeordnet werden. Als Leser wird man direkt in diese Unterhaltung eingeführt und es wird erst nach und nach klar, wie die Dinge alle Zusammenhängen könnten. So weckt dieser Auftakt Neugierde für das kommende Geschehen.
In der darauffolgenden Unterhaltung zwischen Durimel und Madame Luzère wirkt Durimel niedergeschlagen: „Mad. Luzere, avec une sorte d''inquiétude. Mais, a propos, je ne vous le avois pas démandés. Qu'est- ce que cela veut dire, mon eher Durimel? Avoir un air aussi triste? - et dans quel moment!“10
Nach einigem Nachfragen beichtet er, dass er desertiert sei und deswegen bei ihr Unterschlupf gesucht habe. Die Gründe, die er für seine Desertion benennt, sind die strenge und brutale Führung seines Regimentes. Er wurde von seinen Vorgesetzten ungerecht behandelt, beschimpft und körperlich angegangen. „J'étois tombé sous un colonel dur, inflexible: - cinq anées de patience avoient ployé mon ame sous un joug de fer.“11
Diese Darstellung scheint sehr realistisch, so schreibt Burschei, dass Soldaten „[...] scharenweise das Risiko eingingen, am Galgen zu enden, um den täglichen Schlägen ihrer Vorgesetzten zu entkommen.“12 Dies entspricht genau der Darstellung der Desertion von Durimel, der lieber in Angst vor einer Entdeckung und seinem darauffolgenden Tode lebt, als die Brutalität in seinem Regiment weiter zu ertragen.
Doch durch seine Desertion hat er sich „[...] ehr-und rechtlos [. ..]“13 gemacht. Seine Ehre wieder herzustellen, scheint zu diesem Moment so gut wie unmöglich. Man könnte hier das erregende Moment festmachen, dass „den Anstoß für die kommenden Verwicklungen“14 gibt.
Motive für die Desertion gibt es viele, beginnend, wie in der Einleitung erwähnt, mit der Rekrutierung der Soldaten. Das sogenannte Handgeld, welches man kassierte, wenn man sich rekrutieren ließ, lockte Betrüger an. Diese stahlen sich, sobald sie bezahlt wurden, mit dem Geld wieder davon.
Außer dem Handgeld war der Dienst als Soldat aber schon lange nicht mehr so lukrativ wie zuvor. „Der Sold war seit Einführung der stehenden Heere auf einem Minimum verblieben.“15 So stellte der Dienst als Soldat nur noch für „arbeitslose Wandergesellen, Tagelöhner, Dienstboten und manchen armen Studenten“16 eine gute Möglichkeit dar, sein Minimaleinkommen zu sichern. Auch Straffällige oder Flüchtige wurden rekrutiert, da man Männer brauchte und den Militärdienst oft als Zuchtanstalt für solche nutzte. Hochedlinger beschreibt dies sogar noch augenfälliger und schreibt: „[...] insoweit behielt der Militärdienst zweifelsohne eine soziale Ventilfunktion“17, was das Ansehen des Militärs und somit auch den Wunsch dort einzutreten schmälerte.
So wurde der Militärdienst oft sehr streng und die Regeln sehr brutal durchgesetzt. So desertierten manche aus Angst vor Strafen, wenn sie sich Fehltritte geleistet hatten, denn „Stockschläge galten als geeignetes Erziehungsmittel“.18 So schreibt Burschei, die Desertion sei auch ein „Disziplinierungsprodukt“19, da viele Soldaten den Drill und die häufige körperliche Gewalt nicht aushalten konnten.
Da es im Folgenden zu immer weniger freiwilligen Rekruten kommt, werden gewaltsame Werbungen immer mehr zur gängigen Praxis.20 21 So werden die möglichen Rekruten mit Versprechungen gelockt, mit Alkohol gefügig gemacht oder gleich durch Gewaltandrohung dazu gezwungen ihren Eid zu schwören.
Sikora reduziert die Gründe auf „[...] zwei Allgemeinplätze; demnach desertierten Soldaten, weil sie zum Dienst gezwungen wurden oder weil von vornherein Taugenichtse angeworben wurden, [...]''.
Auch die Dienstverpflichtung von Untertanen wurde später eingeführt, um genug Soldaten zur Verfügung zu haben. Dies bedeutete nicht nur auf emotionaler Ebene Verluste und Ängste, sondern war für die ländliche Bevölkerung auch „aus ökonomischer Sicht ein[en] spürbare[r] Verlust.“22 23 Durimels Desertion aus Angst vor seinen Vorgesetzten, die körperlich und seelisch Gewalt auf ihn ausübten, war also keinesfalls eine Ausnahme in der damaligen Zeit.
Ein weiterer Grund für Desertionen, der sich im „Deserteur aus Kindesliebe“ niederschlägt, sind „Versorgungsengpässe, schlechtes Wetter, fehlende Unterkünfte und mangelhafte Kleidung [...]“ 23
So kommen die Soldaten bei den Hohlbecks frierend, nass und ausgehungert an. Vor allem der verwöhnte und junge Weisbard leidet schwer unter der Situation und ist mehr als unzufrieden mit seiner Einquartierung, die weder eine warme Mahlzeit noch eine warme Stube bieten kann. So weint Weisbard: „Hu! hu! hu! nicht ein trockener Faden ist an mir“ -24 oder: „Und hier ist es auch kalt! (in weinendem Ton gu Hohlbeck Vater.) So heizt doch ein, Ihr alter Schurke!“25 Vor allem die Regieanweisung, in der er weint und jammert, zeigt sein Leiden. „Weisbard (halb weinend, indem ergehen will.) Ich glaube, das ist das schlechteste Quartier im ganzen Dorfe.“26
In Szene 1.7 bei „Le déserteur“ kommen französische Soldaten des gleichen Regimentes wie Durimel in die Stadt und zwei Offiziere, Valcour und St. Franc, werden bei Madame Luzère untergebracht. Um Durimel nicht in Gefahr zu bringen, muss er sich verstecken. „Mad. Luzère. Mon ami, il faut sur-le-champ vous retirer dans ce cabinet, demère le magasin; demeurez-y invisible, calmez vos frayeurs, reposez-vous sur moi [...]“27
Der zurückgewiesene Hoctau bekommt das alles aus seinem Versteck mit und ist nun über die Situation Durimels in Kenntnis gesetzt.
In der Exposition des „Deserteur aus Kindesliebe“ von Stephanie kommen ebenfalls Soldaten bei einer Familie unter. Allerdings ist es ein hier sehr ärmliches, älteres Bauernehepaar. Bei Mercier ist Madame Luzère wohlhabend und kann den beiden Offizieren ein eigenes Zimmer anbieten. Ais Witwe eines reichen Handelsmannes gehört sie nicht dem niederen Stand an, ganz im Gegensatz zu Stephanies Bauernfamilie, die kaum etwas zu essen hat und ums Überleben kämpfen muss. Allerdings werden hier schon zu Beginn die wichtigsten Personen eingeführt oder zumindest angedeutet, wie der Amtmann.
Nachdem Hohlbeck Sohn durch das Einquartierungsverfahren zufällig bei seinen Eltern untergebracht ist, wird die überschwängliche Freude über das Wiedersehen schnell getrübt, da der Sohn feststellen muss, dass seine Eltern kaum genug zum Leben haben. Die Eltern kamen, obwohl sie immer fleißig gewesen sind, in die schlechte Situation der Herrschaft Geld schuldig zu bleiben. „Wir sind der Herrschaft allein dreyßig Gulden schuldig, wenn wir die nicht zahlen können, so verkauft man uns das Haus, und hernach müssen wir betteln gehen.“.28 Der Amtmann ist so grausam, dass er ohne jegliches Mitleid das Geld bei den armen älteren Leuten eintreiben möchte. Darüber ist der Sohn mehr als entsetzt. So heißt es in der Regieanweisung gleich zu Beginn des 10. Aufrittes des ersten Aktes „ganz bestürzt“29, Hohlbeck Sohn kann diese Ungerechtigkeit kaum glauben. Auch hier deutet sich der Grundkonflikt an und hier ist das erregende Moment zu sehen.
Die Mutter glaubt sogar, dass die Verpflichtung des Sohnes reine Schikane gewesen sei. Dieser Verdacht ist nicht unbegründet, denn „Auseinandersetzungen zwischen Armee und Familienangehörigen“30 waren öfter der Fall. So kam es gelegentlich dazu, dass „[...] die Angehörigen den Soldaten bei der Desertion unterstützten“.31
Ein weiterer häufiger Grund für Desertion waren Heiratsverbote. Damit sollte verhindert werden, dass „[...] im Falle eines Todes unversorgte Familienmitglieder [...]“32 hinterlassen wurden. Auch Hohlbeck Sohn erkundigt sich nach einer jungen Frau, in die er scheinbar vor seinem Dienst verliebt war. Doch diese ist nach einigen Jahren seiner Abwesenheit längst verheiratet.
Durch die „Militarisierung“33, wie Hochedlinger sie nennt, kam es im 18. Jahrhundert zu einer Eingliederung des Militärs in den Staat, aber auch zugleich zu einer Militarisierung des Staates, die langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft hatte.34
So wird auch das Verhältnis der Untertanen zum Landesfürsten zu einer Art „[...] öffentlich- rechtliche[r] Verpflichtung“35 und somit werden die Rechte des Einzelnen stark eingeschränkt.
So können sich auch Hohlbecks Eltern nicht gegen die Tatsache wehren, dass ihr Sohn damals für das Militär eingezogen wurde. Solche Eingriffe ins Privatleben waren normal und mussten hingenommen werden, denn es passte sich alles, sowohl im privaten, wie auch im öffentlichem Leben, langsam dem Militär an.36
Doch Hohlbeck Sohn ist noch hoffnungsvoll, denn er glaubt an die Güte seines Königs. Er rät seinem Vater, dem König seine Not vorzutragen, denn er ist sich sicher, dass dieser ihn anhören wird. „Mit einem Großen-Herrn ists tausendmal besser zu reden, als mit einem kleinen Großen- Herrn.“37
Hier wird das große Vertrauen des Soldaten Hohlbeck Sohn in seinen König deutlich, dem er treu untertan ist und als Soldat in seinem Dienste steht. Sichtbar ist auch die große Zuwendung seinen Eltern gegenüber, denen er dankbar ist und die er auf keinen Fall im Stich lassen möchte.
Im Rahmen des Stückes werden die Soldaten in vielen Situationen fast zu einer Art „Anwalt des Bauernstandes“38. Hohlbeck Sohn und auch Punk sind sehr bemüht um das ältere Ehepaar und vor allem der Sohn versucht ihnen zu helfen, indem er ihre Interessen und Sorgen an den König herantragen möchte. Er fungiert sozusagen als Mittler zwischen Bauern und König.
Diese Situation der Soldaten als Helfer der Bauern kam vor allem durch die Einquartierung zustande. Die Unterbringung von Soldaten bei der Bevölkerung sollte dem Soldaten „[...] soziale und ökonomische Verflechtungen mit dem Land [. ,.]“39 bringen und ihn an seinen Dienst binden.
Hochedlinger spricht sogar von einem 'militärisch-agrarischen-Komplex'40, in dem die bäuerlichen Lebensumstände verbessert werden sollten, um so die Motivation für ihre Arbeit als Bauern, aber auch für eine mögliche Arbeit im Militär zu steigern. Das Militär wirkte sich so in allen Lebensbereichen mit aus.
Aber nicht nur zwischen Bauern und Soldaten entwickelten sich gelegentlich fast freundschaftliche Verhältnisse. Punk zeigt auch gegenüber dem wehleidigen und jammernden Weisbard sehr viel Verständnis. Auch wenn Weisbard noch nicht lange Teil des Regimentes ist, so zeigt sich hier und auch zwischen Punk und Hohlbeck Sohn doch eine Art tiefe Freundschaft und ein gegenseitiges füreinander sorgen. Punk nennt Hohlbeck sogar seinen Bruder: „Bruder, was hast du gethan?“41
Sikora schreibt dazu: „In der Gruppe bildeten sich spezifische soziale Normen und Werte aus, die sich zu dem verdichteten, was die Zeitgenossen 'Korpsgeist' nannten.“42 Dieser zeigte sich nicht nur im Verhalten der Soldaten untereinander, sondern auch in äußerlichen Kennzeichen, wie bei „[...] eigenen Fahnen.“43
Somit zeigt Weisbard ganz klar, dass er sich noch nicht in die Gruppe eingefügt hat, denn er erwähnt, dass er sich von seinem Vater eine eigene Fahne kaufen lassen würde, das wiederum den fehlenden Teamgeist zeigt. „Freut euch nur, ich werde nicht lange Schildwacht stehen. Der Papa kauft mir eine Fahne.“44
Denn mit ihrer Fahne identifizierten sich die Soldaten stark und erkannten sich so gegenseitig. Sie leisten sogar ihren Eid auf die Fahne.45
Steigerung 2. Akt:
Ganz anders ist das Verhältnis zwischen den einquartierten Soldaten und Madame Luzère bei Mercier. Valcour zeigt sich sehr unverschämt und umwirbt ganz unverhohlen Clary, obwohl ihre Mutter ihm sagt, dass sie so gut wie verheiratet ist. „Valcour. Vous la mariez, cette aimable enfant, si promptement? mais, vraiment, voilâ un tour perfide.“46
Glücklicherweise kann der ältere und ruhigere St. Franc die Situation entschärfen. Madame Luzère fühlt sich ihm sehr verbunden. „St. Franc. Quel verbiage! Eh, mon ami, viens, et laissons cette honnètte famille. - C'est assez déraissoner.“47
Die Einquartierung der Soldaten in der Bevölkerung lief durchaus nicht immer friedvoll ab. So wurde dieses Verfahren von den Bürgern auch teilweise „[...] als Ausdruck und Symbol des fürstlichen Machtwillens und der Ohnmacht der Städte, als Ende der städtischen Unabhängigkeit interpretiert [...]“.48 Die Bürger fühlten sich in ihrem Privatleben sehr eingeschränkt durch die fremden Soldaten in ihrem Haus.
[...]
1 Sikora, Michael: Das 18. Jahrhundert. Die Zeit der Deserteure. In: Armeen und Deserteure. Vernachlässigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit. Hrsg. v. ders. Und Ullrich Bröckling. Göttingen 1998, S.86-111.
2 Burschel, Peter: Zur Sozialgeschichte innermilitärischer Disziplinierung im 16. und 17. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Geisteswissenschaft. Hrsg. von Daniel Küchenmeister, Günter Braun, Jürgen Danyel u.a. Berlin 1994. S.965-981.S.977.
3 Stephanie der Jüngere, Gottlieb: Der Deserteur aus Kindesliebe. Ein Lustspiel in drey Aufzügen. Hannover, 2011.
4 Mercier, Louis Sébastien: Le déserteur. Drame en cinque actes en prose. Paris, Duchesne, 1771.
5 Barak, Helmut: Buff, Herz und Vogelsang. Die Theaterfamilien Stephanie, Lange und Adamberger im Wien Mozarts. In: Wege zu Mozart, W.A. Mozart in Wien und Prag. Die großen Opern. Hrsg. von Herbert Zeman. Wien, 1993. S.92-113. S.97.
6 Ebd.
7 Vgl Sikora, Michael: Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert. Berlin 1996. , S. 156-157.
8 Le déserteur, S.5.
9 Asmuth, Bernhard: Einführung in die Dramenanalyse, siebte aktualisierte und erweiterte Ausgabe. Stuttgart, Weimar 2009. S. 107.
10 Le déserteur, S.10-11.
11 Le déserteur, S. 13.
12 Burschel, S.978.
13 Sikora 1998, S.105.
14 Asmuth, S.107.
15 Sikora 1998, S.91.
16 Ebd.
17 Hochedlinger, Michael: Rekrutierung-Militarisierung-Modemisierung. Militär und ländliche Gesellschaft in der Habsburgermonarchie im Zeitalter des Aufgeklärten Absolutismus. In: Militär und ländliche Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Hrsg. Von Stefan Kroll und Kersten Krüger. Hamburg 2000, S.327-376. S.343.
18 Sikora 1998, S.97.
19 Burschel, S.978.
20 Vgl. Sikora 1998, S.92.
21 Sikora 1996, S.238.
22 Sikora, 1998, S.94.
23 Ebd. S.102.
24 DaK, S.13.
25 Ebd.
26 Ebd, S.24.
27 Le déserteur, S.15.
28 DaK, S.26.
29 Ebd. S.28.
30 Sikora 1998, S.98.
31 Ebd.
32 Ebd.
33 Hochedlinger, S.332.
34 Vgl. ebd. S.333.
35 Ebd. S.333.
36 Vgl. ebd. S.335.
37 DaK, S.31.
38 Hochedlinger, S.363.
39 Ebd. S.348.
40 Ebd. S.361.
41 DaK, S.62.
42 Sikora, Michael: Verzweiflung oder „Leichtsinn“? Militärstand und Desertion im 18. Jahrhundert. In: Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Bernhard R. Kroener und ders. Paderborn u.a. 1996, S.237-264. S.244.
43 Ebd.
44 DaK, S.20.
45 Vgl. Sikora 1996, S.245.
46 Le déserteur, S. 20.
47 Ebd. S. 22.
48 Pröve, Ralf: Der Soldat in der „guten Bürgerstube“. Das frühneuzeitliche Einquartierungssystem und die sozioökonomischen Folgen. In: Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von ders. und Berhard R. Kroener. Paderborn u.a. 1996, S. 191-217. S.194.