Christian König: Multiperspektivische Fallarbeit nach B. Müller
Einleitung
Wenn man von ,,sozialpädagogischer Fallarbeit spricht, muss man sich klar machen, in welcher Weise man etwas als Fall charakterisieren kann. Für B. Müller wird eine Geschichte dann zu einem sozialpädagogischen Fall, wenn ein Verhältnis zwischen dem Fall/der Situation und einem anerkannten Allgemeinen in der Sozialpädagogik (als Fach/Beruf) deutend hergestellt werden kann.
,,Alexander und sein Freund Carlos langweilen sich am Sonnabend. Sie gehen angeln. An dem See, wo sie mit Vergnügen Fische fangen, ist dies verboten. Obwohl sie es wissen, unterhalten sie sich und scherzen laut. Der Eigentümer entdeckt sie bald. Die Polizei wird eingeschaltet. Eine zufällige Kontrolle durch die Polizei auf der Straße wird ihnen noch nicht zum Verhängnis. Aber als sie zu Hause ankommen, wartet erneut die Polizei auf sie.
Jetzt werden die gefangenen Fische als Beweis gegen sie eingezogen. Es kommt zur Gerichtsverhandlung. Dabei stellt sich heraus, dass Carlos, 20 Jahre alt, verheiratet und Vater von einem Kind, schon mehrmals wegen solcher Delikte vor Gericht stand und immer, wenn er arbeitslos geworden war. Der Staatsanwalt plädiert deshalb für einen mehrmonatigen Freiheitsentzug, um Carlos' Verhalten zuändern. Alexander soll eine Geldstrafe bekommen.
Das Urteil wird gefällt. Alexander bekommt seine Geldstrafe. Bei Carlos ist die Geldstrafe so angelegt, dass ihm durch Vermittlung des Arbeitsamtes eine Zahlung des Betrages möglich gemacht werden sollte. Bis heute hat er jedoch nichts bezahlen können!"
Auf den ersten Blick wird man nicht sofort fündig, was diese Geschichte als sozialpädagogischen Fall ausmacht. In der Geschichte kommen junge Männer, die Polizei, Fische und deren Eigentümer, Gericht und der Staatsanwalt vor - aber keine Sozialpädagogen. Es handelt sich um einen Fall von Kleinkriminalität vor dem Jugendgericht. Die einzige Möglichkeit, dass ein Sozialpädagoge hier eingeschaltet würde, scheint in der Gestalt eines Jugendgerichtshelfers. Dieser wird nun leider nicht erwähnt. Also muss etwas ,,sozialpädagogisches" an dieser Geschichte gefunden werden. Als ,,Verhältnis zwischen Fall und einem anerkannten Allgemeinen" kann man vielleicht die Beziehung zwischen Diebstahl und Arbeitslosigkeit des Carlos herstellen. Denn in der Geschichte ist beschrieben, dass Carlos schon mehrmals wegen solcher Delikte vor Gericht stand - und das immer, wenn er arbeitslos geworden war.
Für Müller ist der sozialpädagogische Fall das Zentrum der professionellen Intervention. Anders als die klassische soziale Einzelhilfe beschränkt sich die multiperspektivische Fallarbeit nicht auf die Beziehungsarbeit zwischen Berater und Klient, sondern versucht, möglichst verschiedene Betrachtungsperspektiven zu berücksichtigen.
Ziel der multiperspektivischen Fallarbeit ist es, durch die systematisierende Analyse und fallbezogene Aufarbeitung der Ebenen und Dimensionen sozialpädagogischen Handelns, deren Komplexität durchschaubar zu machen.
Müller sagt dazu:
,,Unter multiperspektivischem Vorgehen verstehe ich demnach eine Betrachtungsweise, wonach sozialpädagogisches Handeln bewusste Perspektivenwechsel zwischen unterschiedlichen Bezugsrahmen erfordert. Multiperspektivisches Vorgehen heißt z. B., die leistungs- und verfahrensrechtlichen, die pädagogischen, die therapeutischen und die fiskalischen Bezugsrahmen eines jugendhilfe-Falles nicht miteinander zu vermengen, aber dennoch sie als wechelseitig füreinander relevante Gr öß en zu behandeln"
Zur Klärung eines Falles benötigt, so Müller, ein Sozialarbeiter ein gewisses ,,Können", das seine Arbeit ausmacht.
Müller formuliert grundsätzliche Anforderungen an Sozialarbeiter.
,,Sozialpädagogen brauchen zur Klärung ihrer ,,Fälle" nicht nur einen weiten Horizont und eine ganzheitliche Sichtweise, sondern auch ein handfestestes Fachwissen"
Mit Fachwissen meint Müller, dass man z. B. weiss, dass KJHG und BSHG Gesetze sind, auf deren Grundlage der Sozialarbeiter arbeitet.
Aber mit dem Fachwissen ist die Arbeit noch keineswegs gelöst. Es ist nur die Voraussetzung geschaffen, seine Geschichte überhaupt zu verstehen. Bei der Erörterung von Fallbeispielen ergibt sich für Müller jeweils ein ganzes Fragenbündel, das vom Sozialarbeiter geklärt werden muss. Dabei differenziert er die sozialarbeiterische Tätigkeit in drei Dimensionen, die er mit der Erörterung der Fragen:
1. Ist der Fall ein Fall von..?
2. Ist der Fall ein Fall für..?
3. Ist der Fall ein Fall mit..?
Diese Differenzierungen gehen in der praktischen Arbeit ineinander über und lassen sich auch theoretisch nicht isoliert erläutern.
1. Typologie: die Falldimensionen
Die erste Typologie soll das grundsätzliche Verstehen, die Einordnung des Falles, die Vielfalt berücksichtigen, Perspektivenwechsel erleichtern. Zur Verdeutlichung und Erklärung der Ebenen benutze ich folgende Fallgeschichte:
Sabine ist 13 Jahre alt und wurde von derörtlichen Polizei gegen 1.00 Uhr morgens am Bahnhof aufgegriffen, wo sie in der Nähe eines Heizungsschachtes ein Nickerchen zu machen versuchte. Nachdem Sabine im Gespräch mit den Beamten betont, dass sie keinesfalls wieder zu ihrem Vater zurückgehen will, da dieser sie ständig schlägt, verständigen die Beamten das Jugendamt. Nach einem intensiven Gespräch mit Sabine entscheidet der zuständige Sachbearbeiter, dass Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen, die ein Eingreifen des Jugendamtes notwendig machen könnten. Er verweist Sabine an dieörtliche Jugendschutzstelle, wo sie zunächst unterkommen kann, und kontaktiert das zuständige Gericht, um alles notwendige in die Wege zu leiten.
Fall von
Heißt: der Fall impliziert ein Verhältnis zu einem anerkannten Allgemeinen. Es geht immer um eine geregelte Wenn-dann-Beziehung zwischen dem Fall und dem anerkannten Allgemeinen, auf welches der Fall zu beziehen ist. Auf den obigen Fall bezogen bedeutet die Fall-von-Ebene, dass der Sozialarbeiter eine Gefährdung des Kindeswohls aufgrund des Paragraphen 1666 BGB vorliegt.
Der Sozialpädagoge, der sich mit der Fallgeschichte beschäftigt, muss sich mit vielen verschiedenen Theorien, Normen, Rechtslagen, Problemlagen auskennen. Das Handeln des Sozialpädagogen ist in gewisse bürokratische Strukturen eingebunden, Müller spricht von ,,sozialpädagogischen Verwaltungshandeln", bei dem der Berater von seinem Expertenwissen Gebrauch macht (Er kennt sich in Vorschriften und Normen aus...) .
Fall für
Auf der Fall-für-Ebene geht es darum, das erkannte Problem der ,,Fall-von-Ebene" weiter zu vertiefen und auf die Erkenntnisse zu reagieren. Wenn man wie im Beispiel feststellt, dass es sich um einen Fall ,,von Gefährdung des Kindeswohl" handelt, ist zu überlegen, dass es sich folglich auch um einen Fall für das Vormundschaftsgericht handelt.
Müller formuliert:
,, Die Perspektive Fall für verlangt von dem Sozialarbeiter ein ausgeprägtes Verweisungswissen, nämlich die Gründe zu kennen, die ihre Klienten zugleich zu jenem Fall für andere Instanzen machen"
Der Sozialpädagoge übernimmt hier die Funktion des ,,gut informierten Bürgers". Er übernimmt verschiedenste Aufgaben, je nach Fall kann er halber Jurist, halber Therapeut, halber Psychiater sein, um seinen Klienten gerecht zu werden. Der Sozialpädagoge soll ,,ganzheitlich" und alltagsorientiert handeln, ohne selbst ,,das Ganze" in der Hand zu haben. Er nimmt hierzu die Kompetenzen der verschiedensten Berufsgruppen zur Hilfe und dient als Vermittler.
Fall mit
Meint das Verhältnis zwischen den am Fall beteiligten Akteuren und dem Fallbetrachter (der Sozialpädagoge), also die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Klient und Pädagoge. Grundlage für diese Zusammenarbeit ist das grundgesetzlich verbürgte Recht jedes Einzelnen auf menschenwürdige Behandlung. Das anerkannte Allgemeine sind hier die Regeln eines anständigen menschlichen Umgangs (Menschenwürde...), die schon im Grundgesetz festgelegt sind.
Während es auf der Fall-von-Ebene und der Fall-für-Ebene leicht ist, dass ,,Allgemeine" klar zu definieren, gibt es auf der Fall-mit-Ebene manchmal Schwierigkeiten der Beachtung. Denkt man z. B. an die Wegnahme von Kindern aus der Familie, so kann sich die Zusammenarbeit mit den Eltern als schwierig gestalten, vor allem bleibt die Fairness auf der Strecke. Im Fall von Sabine z. B. wird man den Eltern nicht unbedingt gerecht damit.
In jeder der drei Dimensionen kann es zu unterschiedlichen, aber sich ergänzenden bzw. in Konflikt geratenen Perspektiven kommen.
2. Typologie: Prozessschritte
Im System von Burkhard Müller wird eine weitere Typologie fachlichen Handelns dargestellt. Diese hier gemeinte 2. Typologie bezieht sich auf den Prozess der Fallbearbeitung. Es handelt sich dabei um das bekannteste Modell professionellen Handelns:
- Anamnese (Vorinfos)
- Diagnose (Problemdefinierung, Indikation)
- Intervention (Eingriff)
- Evaluation (Bewertung, Kritik...)
Sie liegt gewissermaßen quer zur 1. Typologie. Das heißt, die Falldimensionen und Prozessschritte sind einander zuzuordnen. Es geht dabei um eine Möglichkeit, praktikable Ansätze zu entwickeln, die zur Problemlösung und zum konzeptionellen Handeln führen sollen. Das Modell dient dazu, das Handeln im jeweiligen Fall sinnvoll zu organisieren, so dass man ein Handlungskonzept nach überprüfbaren Regeln erstellen kann. Auf diese Weise soll der Prozess des sozialpädagogischen Handelns durchsichtiger und besser handhabbar gemacht werden.
Anamnese
Bei der Anamnese geht es im wesentlichen um die Rekonstruktion der Vorgeschichte des zu bearbeitenden Falles. Auch wenn eine Vorab-Selektion schon fast unumgänglich ist, sollte die Anamnese möglichst offen sein.
Diagnose
,,Es geht um die methodische Erforschung der Merkmale eines Gegenstandes, um ihn mit bereits bekannten Begriffen erfassen zu können.."
Es geht bei der Diagnose um die Beantwortung der Fragen ,,Wer hat welches Problem, was ist das Problem...
Die Diagnose hat eine einordnende Funktion unter den Schritten. Sie ist Bindeglied zwischen Anamnese und Intervention und muss in ihren Aussagen ein vorläufiges Ergebnis der Anamnese beinhalten, eine Zielsetzung und im Verhältnis dazu erfolgversprechende Handlungsperspektiven vorläufig festhalten.
Intervention
Sozialpädagogische Intervention vollzieht sich auf der Grundlage der Frage: Was tun?
Interventionen sollten nicht ausschließlich als Eingriffe im eigentlichen Sinne verstanden werden. Es wird, abhängig vom Fall, zwischen Eingriffen im eigentlichen Sinne, Angeboten und gemeinsamen Handeln als Formen von Intervention unterschieden.
Hier sind vor allem solche Aspekte der Hilfe zu beachten, die direkt oder indirekt etwas bewirken; die direkte Wirkung für die Betroffenen ist gemeint.
Evaluation - Was hat's gebracht?
Ein wichtiger Arbeitsschritt, gerade für einen Gegenstandsbereich, dessen Erfassung besonders deutlich auch vom subjektiven Faktor abhängig ist. Bei der Evaluation geht es um die Überprüfung der eigenen Entscheidungen auf ihre Angemessenheit und Effektivität. Evaluation setzt Instrumente der Evaluation voraus: Berichte, Akten, Protokolle, Videoaufzeichnungen, Gespräche, Supervision... Evaluation braucht neben Instrumenten, Kriterien der Evaluation: Sach- und fachorientierte, aber auch ethische Kriterien. Nicht alles, was wirksam ist, ist ethisch vertretbar.
Burkhard Müller unterscheidet zwischen Selbstevaluation und Fremdevaluation. Im Rahmen der Fremdevaluation wird zwischen ,,Evaluation von oben" und ,,Evaluation von unten" und ,,Evaluation von außen" unterschieden. Was ist darunter zu verstehen?
Zusammenführen der Ebenen und der Prozessschritte
Die Anamnese, wie auch die anderen Prozessschritte, lassen sich auf den einzelnen Falldimensionen wiederfinden. Die 1. Typologie (Fall von, ...) ermöglicht zunächst eine erste Orientierung, deren Festlegung an die zweite gebunden ist.
Die Anamnese - Funktion auf unterschiedlichen Falldimensionen
Auf der Fall-von-Ebene hat die Anamnese die Funktion, Aussagen darüber zu machen, ob die Voraussetzungen für ein anversiertes anerkanntes Allgemeine überhaupt vorliegen, das heißt der Bedarf an Leistungen muss formuliert werden.
- Bei dem Fall ,,Sabine" hieße das zu klären, ob tatsächlich eine Vernachlässigung des Kindeswohl vorliegt. Er würde nach Gründen hierfür suchen. Sollte dieses nicht der Fall sein, müsste Sabine zurück zu ihren Eltern gebracht werden, da sie noch Kind ist lt. Gesetz.
Auf der Fall-für-Ebene muss geklärt werden, welche bisherige Erfahrungen mit anderen helfenden Institutionen und ihren Interventionen, mit Kollegen gemacht wurden, um die angemessene Handlungsperspektive zu zählen.
- Bei Sabines Geschichte würde überprüft, ob schon vorher mal die Familie im Jugendheim aktenkundig war.
Auf der Fall-mit-Ebene heißt Anamnese, Fragen nach lebensgeschichtlichen Ereignissen, subjektiver Sichtweise zu stellen.
- Das Gespräch des Sozialarbeiters mit Sabine wäre Teil der Fall-mit-Ebene Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anamnese eine Klärung der Fakten, die Bewusstmachung der eigenen Sichtweise des Falles sowie die Verständigung über Interessen, Absichten und Ziele des Klienten.
Die Diagnose - Funktion auf unterschiedlichen Falldimensionen:
Die sozialpädagogische Diagnose stellt auf der Fall-von-Ebene einen Zusammenhang her zwischen den in der Anamnese gefunden zentralen, subjektiv bedeutenden, fachlich interpretierten Aussagen und den in Frage kommenden Interventionsperspektiven. Die Arten der in Frage kommenden Hilfe werden erörtert.
- Der Sozialarbeiter stellt fest, dass es sich um einen Fall der Gefährdung des Kindeswohls aufgrund § 1666 BGB handelt.
In diesem Zusammenhang geht es bei der sozialpädagogischen Diagnose auf der Fall-für- Ebene auch um das Auseinanderkennen (Grenzen bewerten/Verweisungswissen) von Möglichkeiten, um die Wahl der geeigneten und notwendigen Art der Hilfe zu treffen. Es kann sich nicht um sichere Indikationen handeln wie beim Arzt in vielen Fällen, sondern um unsichere, nicht im Expertenwissen festgelegte Begriffe, das ,,Wissen des gut informierten Bürgers". Hier muss man andere Grade der Ungewissheit überwinden, wenn man sich für eine Form der Hilfe entscheidet. Das ,,Ob" der Hilfe ist eng verbunden mit dem ,,wie" der konkreten Hilfe.
Auf der ,,Fall-mit-Ebene bedeutet Diagnose nicht Wahrheitsfindung, wahrheitsgemäße Deutung, sondern hier ist gefragt, was der Klient mit dieser Deutung anfangen kann. Es geht darum, gemeinsame Ziele und Definitionen zu entwickeln, die in die Diagnose einfließen.
- Der Sozialarbeiter erarbeitet mit Sabine die Grundlage für ein weiteres Vorgehen
Intervention
Auf der Fall-von-Ebene geht es bei der Intervention darum, notwendige Leistungen für den Klienten einzuleiten.
- Da der Sozialarbeiter ein Fall nach § 1666 BGB feststellt, wird der Fall zu einem Fall von Inobhutnahme nach § 42 KJHG.
Auf der Fall-für-Ebene muss geschaut werden, welche anderen Einrichtungen diese Leistungen durchführen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen muss koordiniert werden.
- Es wird die Jugendschutzstelle eingeschaltet. Außerdem wird das Familiengericht eingeschaltet. Es können aber auch Institutionen wie sozialpädagogische Familienhilfe oder Familienberatungsstelle hinzugezogen werden.
Vor allem die Fall-mit-Ebene ist bei den Interventionen angesprochen. Je nach Form der Intervention verändert sich die Wirkung und die Beziehung auf der Fall-mit-Ebene.
- Der Sozialarbeiter bleibt im ständigen Kontakt mit Sabine, um mit ihr weiter zusammenarbeiten. Außerdem werden die Eltern Teil der Intervention.
Evaluation
Auf der Fall-von-Ebene werden die Hilfen noch einmal überprüft. Ggf. geht der Berater noch mal in die Phase der Diagnose über.
Auf der Fall-für-Ebene sollte idealerweise eine interdisziplinäre Auswertung der beteiligten Einrichtungen stattfinden.
Eine gemeinsame Überprüfung mit dem Klienten der einzelnen Interventionen finden auf der Fall-mit-Ebene statt.
- Dabei wird immer wieder überprüft, ob das Vorgehen nach den Wünschen von Sabine geschieht.
Abschließend lässt sich noch sagen, dass die Typologien in einem zirkulären Prozess stehen. Aus der Evaluation kann der Therapeut wieder in die Anamnese übergehen, um die nächst höhere Ebene zu beschreiben. Außerdem kann es sein, dass der Berater immer wieder die Ebenen verändert.
Fall zum Ü ben und Verdeutlichen
Familie Prienkelwicz wohnt in Berlin in einer 3-Zimmer-Wohnung in einem 136-Familien- Haus im 13 Stock. Der Vater ist Fabrikarbeiter, im Schichtdienst tätig. Die Mutter ist Hausfrau.
Der Vater ist in dritter Ehe verheiratet, hat aus den ersten beiden Ehen fünf Kinder mit in die Familie gebracht. Zusammen haben die beiden Eltern noch zwei Kinder. Alle Kinder sind im Alter von 3 bis 15 Jahren. Durch seine Schicht-Tätigkeit hat er keinen geregelten Tagesablauf, wenn er aus der Fabrik kommt, verbringt er viel Zeit in der Kneipe an der Ecke. Die Kinder wissen, dass sie ihn hier erreichen können.
Die Mutter des Peter, leidet an Depressionen, sie meldet sich immer wieder zu ambulanten Behandlungen in der Psychiatrie der Berliner Charitee (Uni-Klinik). Sie wird dort immer wieder behandelt. Während der Zeit der Behandlung hat sie noch weniger Zeit für Ihre Kinder.
Der älteste Sohn Peter, 15 Jahre alt, wurde mit der Zeit immer auffälliger. Es kommen immer wieder Zeiten vor, in denen er am Bahnhof Zoo auf der Straße lebt. Er fühlt sich dort wohler als zuhause, dort ist es nicht so eng. Außerdem nerven ihn seine Geschwister. Aus der Schule kommen immer wieder Beschwerden, die Kinder erscheinen immer weniger zum Unterricht. Peter neigt zu Gewalt, er schließt sich immer mehr einem rechtsextremen Freundeskreis an.
Ein Nachbar der Familie schaltet das Jugendamt ein, er beschwert sich über die Zustände in der Wohnung. Die Mutter schreie ständig rum, die Kinder würden sich nicht an die Allgemeine Hausordnung halten.
Ein Sozialarbeiter nimmt sich der Familie an. Er nimmt Kontakt mit den Eltern auf, spricht mit Peter, den er am Bahnhof Zoo antrifft...
Matrix zur Analyse sozialpädagogischer Fälle
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Typologie 1 - Prozessschema
Anamnese (=Nicht-Nichterinnerung)
Sammlung von Vorabinformationen
Medizinisch: Kinderkrankheiten, früher Behandlungen, Krankheiten in der Familie etc.
Juristisch: Lebensverhältnisse, Vorstrafen
Therapeutisch: Lebensgeschichte, Familienhintergrund
Sozialpädagogisch: kritische Lebensereignisse, Belastungen
Diagnose (=Auseinander-Erkennen)
Problemklärung
Problemdefinitionen
Klärung der Rechtslagen Ursachen
Konzepte für Lösungswege Optionen für Ziele
Intervention (=Dazwischen-Treten)
Eingreifen
Professionelle Angebote wie Therapie Beratung
Betreuung Erziehung
Evaluation (=Bewertung)
Erfolgsbilanz
Fremdevaluation Selbstevaluation Supervision
Typologie 1 - Falldimensionen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Arbeit zitieren
- Christian König (Autor:in), 2001, Multiperspektivische Fallarbeit nach B. Müller, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/102224