Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Pflegesektor in Deutschland?
Die Beantwortung der Fragestellung erfordert eine Einordnung der Begrifflichkeiten, weshalb zunächst das Corona-Virus als Auslöser für die aufgeworfene Fragestellung betrachtet werden soll. Dabei sollen insbesondere das durch das Virus ausgelöste Krankheitsbild, die pandemischen Auswirkungen und die Corona-Epidemie in Deutschland dargestellt werden. Ausgehend von dieser Darstellung soll der Pflegesektor in Deutschland im Lichte der Krise beleuchtet werden. Dabei wird versucht, die Situation der Pflege vor, während und nach der Corona-Krise darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. FRAGESTELLUNG
3. HAUPTTEIL
3.1 Auslöser einer weltweiten Krise
3.1.1 SARS-CoV-2
3.1.2 Corona-Pandemie
3.1.3 Corona-Krise in Deutschland
3.2 Pflege in Deutschland
3.2.1 Der Pflegesektor bis 2019
3.2.2 Pflege in Zeiten von Corona
3.2.3 Zukunft der Pflege nach Corona
4. SCHLUSS
5. REFERENCES
1. Einleitung
Seit mehr als einem Jahr sieht sich die Gesellschaft und insbesondere das Gesundheitssystem mit einer globalen Pandemie konfrontiert. Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Pandemie dienen, greifen massiv in das (arbeits-)gesellschaftliche Leben ein. Berufsverbote für Kulturschaffende, eine regelrechte Home-Office „Pflicht" und erhebliche Mehrarbeit im Gesundheitsbereich sind nur einige Beispiele für die Veränderungen durch die Corona-Pandemie. Mehr denn je muss sich die Frage gestellt werden, wie sich die Arbeitsgesellschaft nachhaltig entwickeln kann. Dabei wird nachhaltige Arbeit wie folgt definiert: „Nachhaltige Arbeit fordert die menschliche Entwicklung, während sie gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen und nachteilige Folgen verringert und beseitigt." (Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen & BWV Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, 2015, p. 18) Das Corona-Virus und dessen Folgen bedeuten weitreichende Auswirkungen auf den Gesundheitssektor. Dabei rückte vor allem die Pflege als größte Berufsgruppe in diesem Sektor in den Fokus der medialen Berichterstattung. Pflegekräfte wurden als „Helden" der Coronakrise benannt und ihnen wurde während des ersten Lockdowns von den Balkonen der Menschen applaudiert. Die Anerkennung für diese Berufsgruppe war scheinbar nie größer, da die Relevanz für eine pflegerische Versorgung durch die Pandemie schmerzlich sichtbarer geworden ist. Dabei ist eben diese Berufsgruppe nicht erst seit Aufkommen der Pandemie enorm wichtig oder besser gesagt „systemrelevant", wie es seit der Krise zu vernehmen ist. Der demografische Wandel schreitet voran und damit auch der Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal. Dass im Pflegebereich seit Jahren bereits ein „Pflegenotstand" herrscht, wurde in den letzten Jahren allerdings nur unzureichend mit Beachtung gewürdigt bzw. waren/sind die Probleme so groß, dass eine Lösung innerhalb des komplexen Gesundheitssystems nur schwer zu finden ist. Nun befindet sich das Pflegepersonal nicht nur in einem jahrelangen chronischen Notstand, sondern inmitten einer Pandemie, die erhöhte Arbeitsbereitschaft, erhöhten Arbeitsaufwand und gleichzeitig ein persönliches Ansteckungsrisiko für Pflegekräfte befördert. Dass das Pflegepersonal in den Blickpunkt der gesellschaftlichen, medialen und politischen Aufmerksamkeit gerückt ist, ist dabei als große Chance für die Berufsgruppe zu begreifen, um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.
2. Fragestellung
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Pflegesektor in Deutschland?
3. Hauptteil
Die Beantwortung der Fragestellung erfordert eine Einordnung der Begrifflichkeiten, weshalb zunächst das Corona-Virus als Auslöser für die aufgeworfene Fragestellung betrachtet werden soll. Dabei sollen insbesondere das durch das Virus ausgelöste Krankheitsbild, die pandemischen Auswirkungen und die Corona-Epidemie in Deutschland dargestellt werden. Ausgehend von dieser Darstellung soll der Pflegesektor in Deutschland im Lichte der Krise beleuchtet werden. Dabei wird versucht die Situation der Pflege vor, während und nach der Corona-Krise darzustellen.
3.1 Auslöser einer weltweiten Krise
Das Corona-Virus bestimmt seit Anfang 2020 das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben in bislang ungekanntem Ausmaß weltweit. Dabei stellt sich die Frage, was genau das Corona-Virus ist und warum dessen Auswirkungen weltweit spürbar sind.
3.1.1 SARS-CoV-2
Zunächst gilt es das Virus zu definieren und die Begrifflichkeiten zu klären. Grundlegend muss das Virus (SARS-CoV-2) von dem durch das Virus ausgelösten Krankheitsbild (COVID-19) unterschieden werden.
„SARS-CoV-2 ist ein zur Familie der Coronaviren gehöriges RNA-Virus, das nach bisherigem Stand - wie die erste SARS-Epidemie in den Jahren 2002/2003 - zoonotisch auf den Menschen übertragen wurde (Stand: April 2020). SARS-CoV-2 kann die CO- VID-19 genannte Erkrankung des Respirationstrakts auslösen." (Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, 2020)
Das Robert Koch Institut definiert das klinische Bild von COVID-19 mit Hilfe von drei Merkmalen. Dabei muss mindestens eines der Kriterien „akute respiratorische Symptome jeder schwere, neu aufgetretener Geruchs-oder Geschmacksverlust, krankheitsbedingter Tod" (Robert Koch Institut, 2020) erfüllt sein. Neben dem klinischen Bild erfolgt der Nachweis von SARS-CoV-2 vor allem über einen positiven PCR-Test.
3.1.2 Corona-Pandemie
Um den Begriff der Pandemie klären zu können ist zunächst der Begriff der Epidemie zu definieren, denn eine „Pandemie bezeichnet eine weltweite Epidemie." (Robert Koch Institut, 2009) Dabei ist eine Epidemie definiert als:
„Erkrankungswelle, epidemisches Geschehen (veraltet: Seuchengeschehen); im Vergleich zur Ausgangssituation treten bestimmte Erkrankungsfälle mit einheitlicher Ursache vermehrt auf, der Prozess ist zeitlich und räumlich begrenzt. Der Begriff bezieht sich meist auf Infektionskrankheiten, dies ist aber keine Bedingung. Eine besonders hohe Zahl an Erkrankungen, eine besondere gesellschaftliche Bedeutung oder eine Gefährdung vieler Personen sind ebenfalls keine notwendigen Bedingungen, obwohl eine Epidemie im üblichen Sprachgebrauch meist mit diesen Merkmalen verknüpft wird." (Kiehl, 2015, p. 34)
Mit dem erstmaligen Auftreten Ende 2019 bzw. dem erstmaligen labortechnischen Nachweis (Anfang Januar 2020) von SARS-CoV-2 beginnt eine weltweite Ausbreitung der Viruskrankheit. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind derzeit (Stand 16.03.2021) 119.791.453 SARS-CoV-2 Infektionen und 2.652.966 Todesfälle weltweit bestätigt. (World Health Organization, 2021) Aus diesen Zahlen wird die enorme Tragweite der viralen Erkrankung deutlich.
Durch die weltweite Vernetzung hat SARS-CoV-2 auch Deutschland relativ früh erreicht. Seit dem 03.01.2020 wurden laut der WHO (Stand 17.03.2021) 2.581.329 SARS-CoV-2 Infektionen und 73.656 Todesfälle gemeldet.
3.2 Pflege in Deutschland
Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 betrifft vor allem den Gesundheitssektor und damit die Pflege in einem sehr hohen Maße. Durch die Viruserkrankung und die dadurch erforderlichen Maßnahmen bei der Versorgung der Patienten wird das Gesundheitssystem sehr stark belastet. Dabei ist die Pflege in Deutschland nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie in einer Krise. Vielmehr wird diese Krise durch die Pandemie verschärft und deutlich sichtbar aufgrund der medialen Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund soll zunächst die Situation der Pflege vor der Corona-Pandemie dargestellt werden.
3.2.1 Der Pflegesektor bis 2019
Laut der BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT waren 2019 „in Deutschland 1,7 Millionen Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt." (2020, p. 4) Dabei ist eine klare Tendenz erkennbar, dass die absolute Zahl an sozialversicherungspflichtigen Pflegekräften in den letzten Jahren zugenommen hat. Während 2015 noch 514.000 Menschen eine pflegerische Tätigkeit in der Altenpflege ausübten, waren bereits 2019 85.000 Pflegekräfte mehr und demnach insgesamt 601.000 Menschen in der Altenpflege beschäftigt. Gleichzeitig kann ein leichter Anstieg der Pflegekräfte in der Krankenpflege konstatiert werden. In diesem Bereich waren im Jahr 2015 1.000.000 Pflegekräfte und im Jahr 2019 1.009.000 tätig. (Bundesagentur für Arbeit, 2020, pp. 6-7) Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings zeigen diese Zahlen nicht das eigentliche Problem des Mangels an Fachkräften in der Pflege, welcher seit mehreren Jahren herrscht und dadurch die Arbeitsbedin- gungen massiv beeinflusst. „Bereits in 2003 wurde in einem der ersten Pflege-Thermometer durch das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung festgestellt, dass eine Unterdeckung von rund 12.600 Vollzeitstellen zu verzeichnen war und dass dieser Mangel sich bezogen auf die Pflegenden durch hohe Überstunden (9 Millionen) und wachsende Arbeitsverdichtung bemerkbar macht." (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V., 2018, p. 32) Der sogenannte Pflegenotstand ist demnach kein Problem, welches erst seit kurzem auftritt. Derzeit bestätigt die BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT einen bundesweiten Fachkräftemangel für examinierte Fachkräfte und Spezialisten in der Altenpflege und der Gesundheits- und Krankenpflege. Dieser Fakt wird dadurch verstärkt, dass einige Unternehmen vakante Stellen der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr melden, da Stellen auch nach längerer Zeit nicht besetzt werden aufgrund fehlender adäquater Bewerbungen. (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V., 2018) Neben dem Fachkräftemangel sorgt ein weiterer Trend für zusätzliches Unbehagen in der stationären Krankenhausversorgung. Die Ökonomisierung des Gesundheitssystems führte letztlich meiner Einschätzung nach zu einer Fehlbewertung der Pflege. Pflegekräfte wurden betriebswirtschaftlich vor allem als Kostenfaktor betrachtet, während durch ärztliches Personal (in Form von Fallpauschalen) Gewinn erzielt wird. (Mittlerweile werden allerdings Pflegeleistungen ebenfalls abrechnungstechnisch erfasst) Ähnlich bewertet dies auch WINKER und betont, dass „Gesundheit keine Ware sein soll und die Fallkostenpauschalen eine Fehlallokation hervorrufen, da über diese weder genügend Pflegepersonal noch die Notfallvorhaltung etwa von Krankenhausbetten finanziert werden können." (2020, pp. 398-399) So stieg die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den letzten 30 Jahren stetig. „Während die Zahl der Kliniken und der Betten von 1991 bis 2018 zurückging, wurde das ärztliche Personal im selben Zeitraum aufgestockt: Die Zahl der jahresdurchschnittlichen Vollzeitäquivalente im ärztlichen Dienst stieg um 73 % auf 165.000 im Jahr 2018." (Statistisches Bundesamt, 2020) Demgegenüber war „die Zahl der Vollzeitäquivalente mit 331.000 im Jahr 2018 nur geringfügig höher als 1991 (326.000)" (Statistisches Bundesamt, 2020) im Bereich der Pflege. Dies ist nicht etwa mit einem Rückgang der zu versorgenden Patienten zu begründen, sondern schlicht mit einem Mehraufwand seitens der Pflege. Dabei lohnt sich ein internationaler Vergleich: „So kommen in den USA durchschnittlich 5,3 Patienten auf eine Pflegefachkraft, in den Niederlanden 7, in Schweden 7,7 und in der Schweiz 7,9. In Deutschland muss sich laut der Studie dagegen eine Krankenschwester im Schnitt um 13 Patienten kümmern." (Doelfs, 2017) Demgegenüber steht ein durchschnittlicher Verdienst in der Pflege. Laut der BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT verdienen Fachkräfte in der Pflege monatlich durchschnittlich 3.052 € brutto. (2020, p. 7)
Dass fehlendes Personal zu einer erheblichen Belastungssituation (in Form von Überstunden und mehr zu versorgende Patienten pro Pflegekraft) für das Pflegepersonal führt, dürfte ersichtlich werden. Um die Versorgungsqualität zu sichern hat der Gesetzgeber mittels Pflegepersonaluntergrenzen einen rechtlichen Rahmen für die Mindestbesetzung von Pflegepersonal gelegt. (Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern für das Jahr 2021 (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung - PpUGV), 2020) Dadurch soll eine zu starke Beanspruchung und Belastung des Pflegepersonals verhindert werden. Doch nicht nur die personelle Situation ist als Faktor für die Belastung des Pflegesektors zu benennen. So sind z. B. Pflegekräfte „häufiger mit Zeitdruck und Hetze konfrontiert als Beschäftigte in anderen Berufen [...] und fühlen sich dadurch auch häufiger belastet" (Rothgang et al., 2020, p. 155)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Dimensionen der Pflegebelastung
Wie aus Abbildung 1 ersichtlich wird, ist die Tätigkeit in der Pflege durch mehrere Faktoren potenziell für Beschäftigte belastend. Dabei können die Belastungsfaktoren in persönliche und strukturelle Belastungen sowie in physische und psychische Belastungen unterteilt werden. Hierbei ist zu beachten, dass sich die verschiedenen Dimensionen der Pflegebelastung gegenseitig beeinflussen. (Die Abbildung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
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