In dieser Arbeit soll mithilfe der Arbeit von Erika Fischer-Lichte und Gabriele Brandstetter eine kulturwissenschaftliche Annäherung an dieses Fitnesskonzept erstellt, und Parallelen zu einer Theateraufführung aufzeigt werden.
Nach einem kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte und der Definition von Zumba wird auf verschiedene Aspekte wie die Wahrnehmung des Körpers, die Ausstrahlung und auf das Verhältnis zwischen Akteur und Zuschauer beziehungsweise Trainer und Teilnehmer eingegangen. Eine Besonderheit an Zumba ist, dass eine Sporteinheit quasi nie alleine durchgeführt wird, sondern nahezu ausschließlich in der Gruppe. Dadurch entsteht ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Trainierenden und bildet eine enge Gruppendynamik. Deshalb soll schließlich auch einen Blick auf die Bildung der Gemeinschaft gelegt und auch der Begriff des Schwarms näher erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
2. Vergleich ausgewählter Aspekte des Theaters und Zumba Fitness
2.1. Was ist Zumba?
2.2. Körperlichkeit und Präsenz
2.3. Das Verhältnis zwischen Akteur und Zuschauer/Trainer und Teilnehmer
2.4. Gemeinschaft und kollektives Verhalten
3. Fazit
4. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
In beinahe jedem Fitnessstudio, in dem Kurse angeboten werden, wird man im Programm höchstwahrscheinlich Zumba entdecken können. Beispielsweise findet in den Münchner Filialen der Fitnessstudio-Kette FitStar 31 mal pro Woche eine Zumbastunde statt.1 Als größte internationale Tanz-Fitnessmarke, die das Motto „Spaß statt Perfektion" verfolgt, konnte Zumba Fitness schon tausende Menschen für sich gewinnen. Der Begründer Beto Perez beschreibt Zumba als ein Training, das in einer gesunden, fröhlichen und partyähnlichen Atmosphäre stattfindet. Trainer und Teilnehmer treffen während des Kurses aufeinander, wie auch bei einer Theateraufführung Theater Akteure und Zuschauer aufeinandertreffen. Welche Rolle spielen herbei der Körper, aber beispielsweise auch die Bühnenpräsenz?
In dieser Arbeit möchte ich mithilfe der Arbeit von Erika Fischer-Lichte und Gabriele Brandstetter eine kulturwissenschaftliche Annäherung an dieses Fitnesskonzept erstellen und Parallelen zu einer Theateraufführung aufzeigen. Nach einem kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte und der Definition von Zumba möchte ich auf verschiedene Aspekte wie die Wahrnehmung des Körpers, die Ausstrahlung und auf das Verhältnis zwischen von Akteur und Zuschauer bzw. Trainer und Teilnehmer eingehen. Eine Besonderheit an Zumba ist, dass eine Sporteinheit quasi nie alleine durchgeführt wird, sondern nahezu ausschließlich in der Gruppe. Dadurch entsteht ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Trainierenden und bildet eine enge Gruppendynamik. Deshalb möchte ich schließlich auch einen Blick auf die Bildung der Gemeinschaft legen und auch den Begriff des Schwarms näher erläutern.
2. Vergleich ausgewählter Aspekte des Theaters und Zumba Fitness
2.1. Was ist Zumba?
Viele Menschen wissen wahrscheinlich nicht, dass Zumba mehr oder weniger zufällig entstanden ist. Als Beto Perez in seinem Heimatland Kolumbien eines Tages gebeten wurde, einen Aerobic-Kurs zu übernehmen, stellte er kurz vor Beginn des Kurses fest, dass er die benötigten Musikkassetten nicht dabei hatte. Damit der Kurs nicht ausfallen musste, musste er sich schnell um eine Lösung kümmern. Hektisch holte er seine eigenen lateinamerikanischen Musikkassetten, die Salsa und Merengue von bekannten Gruppen enthielten, aus seinem Auto und improvisierte dann letztendlich die gesamte Stunde. Bei den Kursteilnehmern kam diese Trainingseinheit zu den ungewohnten Latino-Rhythmen gut an. Auf diese Weise wurde an jenem Tag Zumba geboren. 2001 gründete er gemeinsam mit Alberto Perlman und Alberto Aghion ein Unternehmen namens „Zumba Fitness LLC" und ließ Zumba als Markennamen registrieren. Seit 2003 kann man sich im Rahmen eines zweitägigen Workshops zum Instruktor ausbilden lassen. Unter dem Namen Zumba werden Sportbekleidung und Zubehör, DVDs und CDs, aber in erster Linie die Fitnesskurse angeboten.2
Zumba lässt sich als ein energiegeladenes Fitnessprogramm beschreiben, das aus mitreißender Musik und Tanzschritten aus Salsa, Merengue, Cumbia und anderen lateinamerikanischen Tanzstilen aufgebaut ist. Darüberhinaus vereint Zumba Grundprinzipien von Aerobic, Kraft- und Intervalltraining, formt und strafft den Körper, verbrennt Fett, maximiert den Kalorienumsatz und fördert die geistige und seelische Gesundheit. Zumba ist für Menschen jeden Alters und jeder Begabung leicht erlernbar.3 Beim Zumba kommt es nicht darauf an, die Schritte perfekt auszuführen oder sich die Abfolgen zu merken. Somit könnte man es beinahe als ein Freestyle-Workout bezeichnen, bei dem die Teilnehmer selber entscheiden können, was sie persönlich mit dem Training erreichen wollen. Weiterhin geht es nicht darum, der beste Tänzer zu sein und es soll auf keinen Fall ein Konkurrenzgefühl entstehen. Die Hauptsache ist, dass man in Bewegung bleibt und die Musik genießt.
Schwungvolle Aktivitäten wie Tanzen aktivieren Regionen im Hirn, die Glückshormone ausschütten. Dadurch können Stress, Angst und auch depressive Verstimmungen gelindert werden. Das „New England Journal of Medicine" veröffentlichte zudem eine Studie, der zufolge Tanzen das Risiko senkt, an verschiedenen Demenzformen zu erkranken.4 Denn das Tanzen ist keine rein physische Aktivität, sondern erfordert gleichzeitig auch allerhand mentale Anstrengung. Insgesamt kann man Zumba demnach als ein besonderes Training ansehen, das Tanz und Fitness vereint und aufgrund dieser Mischung so populär werden konnte.
2.2. Körperlichkeit und Präsenz
Im Gegensatz zu Malern, Dichtern oder Komponisten bringen Schauspieler, Sänger und Tänzer nicht dauerhaft ein „Werk" hervor, das von ihnen abgelöst werden könnte. Das, was sie zur Erscheinung bringen, ist flüchtig und aus ihrem eigenen Körper hergestellt. Unser menschlicher Körper ist als ein sich stetig verändernder, lebendiger Organismus anzusehen, der sich im Werden bzw. im Prozess einer Transformation befindet und es somit für ihn keinen Ist-Zustand geben kann.5
Im Theater führen Schauspieler auf der Bühne leidenschaftliche Handlungen durch. Die Zuschauer nehmen wiederum diese von Leidenschaft getriebenen Handlungen wahr und werden von ihnen angesteckt. Auf diese Weise werden auch in ihnen Leidenschaften erregt. Diese Ansteckung erfolgt auf dem Wege über die Wahrnehmung vom gegenwärtigen Körper des Schauspielers auf den gegenwärtigen Körper des Zuschauers und wird als leibliche Ko-Präsenz von Schauspielern und Zuschauern bezeichnet.6 Auf dieser bloßen Anwesenheit der jeweiligen Körper basiert schließlich auch die Entstehung der Gemeinschaft.
In einer Zumbastunde spielt die Wahrnehmung des Körpers eine wesentliche Rolle. Während die Musik läuft, sprechen die Trainer so gut wie gar nicht. Durch bewusst eingesetzte Handzeichen teilen sie den Teilnehmern beispielsweise den Einsatz, die Anzahl der Schritte oder Wiederholungen und auch die Richtung mit. Im Group FitnessBereich wird dieser häufig nonverbale Vorgang auch „Cueing" genannt. Das Nomen „cue" [kju:] stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Zeichen oder Andeutung eines Einsatzes und findet auch im Bereich Theater, Musik und Film Verwendung.7 Diese Handzeichen ermöglichen den Trainern vor allem in großen Kursräumen und bei lauter Musik eine zuverlässige Kommunikation zu den Teilnehmern herzustellen. Hierbei ist es besonders wichtig darauf zu achten, dass die Cues gut sichtbar sind, konsequent genutzt und vor allem früh genug angezeigt werden, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer diese rechtzeitig in die korrekten Schritte umsetzen können.
Die Wahrnehmung des Körpers spielt demnach sowohl bei Aufführungen als auch während einer Zumbastunde eine immense Rolle. Im nächsten Absatz möchte ich daher die Ausstrahlung, die logischerweise auch im Zusammenhang mit dem eigenen Körper steht, betrachten und den anfänglichen Moment näher erläutern.
Beto Perez beschreibt den Moment, in dem er den Raum betritt folgendermaßen: „Sobald ich die Stunde beginne, sehe ich nur noch in Gesichter mit strahlendem Lächeln. Fröhliches Gelächter erfüllt den Raum, ich spüre eine unbändige Freude."8
Anhand dieser Aussage kann deutlich gemacht werden, welche Auswirkungen lediglich dieser Moment des Betretens des Raumes auf die Teilnehmer hat. Einem Trainer mit einer positiven Ausstrahlung wird es vermutlich einfacher gelingen, die Aufmerksamkeit der Kursteilnehmer auf ihn zu ziehen. Laut der offiziellen Zumba-Website sind Charisma und eine starke, freundliche Ausstrahlung unabdingbar.9 Grundsätzlich kann man sagen, dass Zumbatrainer, die in ihrem Auftreten präsenter sind - sei es durch die Lautstärke ihrer Stimme, ihre Mimik und Gestik oder auch mit auffälliger, bunter Kleidung - eine größere Wirkung auf ihre Teilnehmer ausüben, ohne auch nur eine Sekunde getanzt zu haben. Damit ist auch nicht unbedingt gemeint, dass diese Ausstrahlung positiver Natur sein muss. Lösen sie damit jedoch positive Gefühle in den Teilnehmern aus, hat das natürlich auch Auswirkungen darauf, ob jemand erneut eine Stunde besuchen wird oder nicht.
Auch in diesem Punkt kann man Parallelen zu einer Theateraufführung erkennen. Sobald die Darsteller die Bühne betreten, wird es leiser und die Zuschauer richten ihren Blick auf sie. Ihre Aufmerksamkeit wird zunächst auf die Gegenwärtigkeit des Darstellers gelenkt. Wie auch bei Beto Perez, beherrscht der Schauspieler den Raum - in der Regel die Bühne - sobald er sie betritt. Dabei verfügt er über eine besondere Ausstrahlung und kann außerdem durch intensives Make-Up oder eindrucksvolle Kostüme einen vergleichbaren Effekt erzielen. Kostüme können das Geschlecht oder auch das Alter der Figur anzeigen, auf ihren sozialen Kontext verweisen oder die Tätigkeit der Figur im Rahmen der Handlung verdeutlichen.10 Bei Zumba gibt es auch lizensierte Kleidung, die die Aufschrift „Instructor" trägt, sodass der Status des Trainers nach außen sichtbar gemacht werden kann. Geschlecht oder Alter können diese Kleidungsstücke natürlich nicht beeinflussen. Bühnenpräsenz kann also auch bei den Zuschauern unterschiedliche Reaktionen auslösen, sodass sie einen Schauspieler ansteckender als einen anderen empfinden können.
2.3. Das Verhältnis zwischen Akteur und Zuschauer/Trainer und Teilnehmer
Eine Aufführung ereignet sich in und durch die leibliche Ko-Präsenz der Akteure und Zuschauer. Sie entsteht aus der Begegnung, Konfrontation, Interaktion und erzeugt sich im Verlauf selbst. Es handelt sich dabei um einen autopoetischen Prozess, der alle Teilnehmenden involviert und von einer permanent sich verändernden feedbackSchleife gesteuert wird. Akteure können zwar in Form von Regeln oder Ähnlichem entscheidende Vorgaben machen. Jedoch kann - auch wegen der feedback-Schleife - der Ablauf einer Aufführung nicht vollständig geplant oder vorhergesagt werden.11 Aus diesem Grund lässt sich eine Aufführung auch nicht exakt replizieren und gilt somit als unwiederbringlich. Man könnte sie deshalb eher als ein Ereignis betrachten als ein Werk.
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1 vgl. https://www.fit-star.de/kurse/kursplaene/ (aufgerufen am 25.02.2020)
2 vgl. Perez (2012), S. 48ff.
3 vgl. Perez (2012), S. 11.
4 vgl. Perez (2012), S. 31.
5 vgl. Fischer-Lichte (2012), S. 60.
6 vgl. Fischer-Lichte (2017), S. 162.
7 vgl. Oxford English Dictionary
8 Perez (2012), S. 17.
9 vgl. https://www.zumba.com/de-DE/clubs/zumba_at_my_club (aufgerufen am 10.03.2020)
10 vgl. Weiler/Roselt (2017), S.204.
11 vgl. Fischer-Lichte et al. (2012), S.11.