Der Diskurs zur Musikästhetik in der Frühromantik eröffnete vielfältige Blickwinkel und zeigte uns verschiedenartige Formen des Nachdenkens über die Sprache der Musik. Unterschiedliche Auffassungen zur Stellung der Musik, ihrer Funktion und deskriptiven Fähigkeit trugen nicht zuletzt dazu bei, dass die Musik zu der Kunstform des 19. Jahrhunderts wurde und je nach Auffassung und Vorliebe die Vokal-, Instrumental oder Opernmusik den Status des künstlerischen Ideals einnahm. Trotz eines sich zuspitzenden musikästhetischen Streits, der sich mit E. Hanslick als antiromantischer Protagonist vorrangig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgespielt hat, deuteten die Auffassungen frühromantischer Literaten wie Wackenroder, Hegel und Schopenhauer bereits im Ansatz darauf hin, dass grundsätzlich zwei unterschiedliche Auffassungen das 19. Jahrhundert beeinflussen würden.
Will man die Bedeutung von Musik verstehen, macht eine kurze Recherche deutlich, dass zahlreiche Publikationen nicht allein philosophischer Natur sind. Beispielsweise zeigt ein Forschungsbericht des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (Leipzig) aus dem Jahr 2003, dass selbst die heutige Medizin Interesse an der Entschlüsselung der Sprache der Musik besitzt und die Studie mit dem Titel „Das Verstehen der Bedeutung von Musik“ aus einem naturwissenschaftlichen Blickwinkel betrachtet bahnbrechende Ergebnisse hervorbringen konnte. Naheliegend ist auch die Frage nach dem Erkenntniswert, welchen uns die Musik liefert. Aus diesem Grund wird eine musikästhetische Untersuchung relevant sein müssen. Was Musikästhetik ist und inwiefern Musikästhetik als Akt der Musikreflexion zur Formung des musikalischen Grundverständnisses interpretiert werden kann, soll im nachfolgenden Kapitel beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Musikästhetik - Was ist das?
3. Musik und ihr Stellungswandel in der Hierarchie der Künste
4. Frühromantisch musikästhetische Ideen: Wackenroder, Hegel und Schopenhauer
5. „Musik in aller Munde" - zwischen 1800 - 1850
6. Ausblick und Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Will man die Bedeutung von Musik verstehen, macht eine kurze Recherche deutlich, dass zahlreiche Publikationen nicht allein philosophischer Natur sind. Beispielsweise zeigt ein Forschungsbericht des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (Leipzig) aus dem Jahr 2003, dass selbst die heutige Medizin Interesse an der Entschlüsselung der Sprache der Musik besitzt und die Studie mit dem Titel „Das Verstehen der Bedeutung von Musik" aus einem naturwissenschaftlichen Blickwinkel betrachtet bahnbrechende Ergebnisse hervorbringen konnte. So schrieb Dr. Stefan Kölsch in seiner Zusammenfassung zur Studie: „Die Ergebnisse zeigen, dass Musik Repräsentation semantischer Konzepte aktivieren kann, und dass daher Musik erheblich mehr semantische Informationen übermitteln kann als bisher angenommen. Die Befunde stimmen mit der Annahme überein, dass das menschliche Gehirn Musik ähnlich wie Sprache verarbeitet" (Kölsch 2003, o.S.). Dieser These widerspricht in gewisser Weise Wilhelm H. Wackenroder einer der bedeutendsten Literaten der Frühromantik, welcher das musikalische Verständnis der Romantik maßgeblich prägen sollte. Seiner Meinung nach ist Musik im Vergleich zur üblichen Sprache völlig „unsemantisch" (vgl. Fubini 1997, S. 225). Befindet sich eine detailreichere Auswertung der Haltung Wackenroders im Hauptteil meiner Abhandlung, so sei anzumerken, dass während der Frühromantik (spätes 18. Jahrhundert bis Mitte 19. Jahrhundert) unterschiedliche Meinungen zu der Sprache der Musik, ihrem Wesen, ihrer Wirkung, sowie ihrer Stellung neben anderen Kunstformen vorherrschten. Dies bewegte mich dazu die vorliegende Abhandlung zur „Sprache der Musik" im Kontext eines frühromantischen Verständnisses zu beleuchten. Naheliegend ist auch die Frage nach dem Erkenntniswert, welchen uns die Musik liefert. Aus diesem Grund wird eine musikästhetische Untersuchung relevant sein müssen. Was Musikästhetik ist und inwiefern Musikästhetik als Akt der Musikreflexion zur Formung des musikalischen Grundverständnisses interpretiert werden kann, soll im nachfolgenden Kapitel beleuchtet werden. Dieses Kapitel soll gleichzeitig die Grundlage des frühromantischen Diskurses bilden. Schlussendlich will ich vor einer abschließenden Stellungnahme den Epochenverlauf der Frühromantik überblicksartig skizzieren, um herauszufinden, ob bestimmte musikästhetische Grundhaltungen in der Frühromantik vorherrschten. Als Hauptliteratur verwende ich einerseits das Werk „Geschichte der Musikästhetik" eine Publizierung des Autors Enrico Fubini und andererseits das Werk „Klassische und romantische Musikästhetik" des Autors Carl Dahlhaus.
2. Musikästhetik - Was ist das?
Mitte des 18. Jahrhunderts begründete der deutsche Philosoph Alexander Gottlieb Baumgarten in seinem wissenschaftlichen Werk „Aestetica" (1750, 1758) den Begriff Ästhetik und ordnete die Ästhetik als wissenschaftliche Teildisziplin der Philosophie unter. Die Begrün- dung der Ästhetik als wissenschaftliches Fach, kann als Antwort auf die Autonomie, welche die Künste und so auch die Musik im 18. Jahrhundert gewannen, gesehen werden (vgl. Nowak 2016, o.S.). Im Zentrum stand dabei die sinnliche Erkenntnis, welche als „Theorie der Wahrnehmung, der Einbildungs- und der Urteilskraft die traditionelle Logik ergänzen sollte" (Nowak 2016, o.S.). Neben der Theorie der sinnlichen Wahrnehmung vereinigte das ästhetische Konzept Baumgartens die Theorie des Schönen und die der Kunst. Dieses theoretische Gebilde der neuartigen Wissenschaft war jedoch grundsätzlich keine Neuheit. Die Wurzeln dieser Theorien reichten bis in die Antike. Bereits Platon thematisierte die Lehre des Schönen und der Philosoph Aristoteles schrieb über die Lehre der Kunst, welche sich vorrangig auf die Poetik und Rhetorik bezog (vgl. Grimm 2016, o.S.). Gleichzeitig weisen die Theorien Baumgartens darauf hin, dass seine ästhetische Auffassung „tendenziell [als] eine Metaphysik aller schönen Wissenschaften und Künste’" (Grimm 2016, o.S.) verstanden werden kann. Demnach werden vorrangig Kunstwerke als „Ausdruck des schönen Denkens" (Grimm 2016, o.S.) als ästhetische Objektive bevorzugt, die den Gegenstandbereich des Faches bilden (vgl. Grimm 2016, o.S.). In diesem Sinne bereichert den Leser eine Erklärung Adolf Nowaks. Er schreibt: „Gegenstand der Musikästhetik ist die Musik im Kontext philosophischer Theorien des Schönen und der Kunst, der sinnlichen Erkenntnis und des geschichtlichen Verstehens" (Nowak 2016, o.S.). Wird, um es klar und deutlich auszudrücken und, wie es Fubini zu formulieren vermag, im Rahmen der ästhetischmethodischen Praxis der Musikästhetik über Musik reflektiert, so besitzt „das Nachdenken über Musik stets eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber der philosophischen Ästhetik im allgemeinen" (Fubini 1997, S. XII), was einerseits zur Rechtfertigung des Faches der Musikästhetik gegenüber der Ästhetik im allgemeinen, jedoch andererseits zu Problematisierungen innerhalb eines musikästhetischen Diskurses beiträgt. Denn es stellt sich die Frage danach, wie plausibel ist das Sprechen von einer Ästhetik der Musik, wenn die Wissenschaft der Ästhetik im Grunde „die Kunst und das Schöne als Ganzes betrachtet" (Fubini 1997, S. XI)? Vielfache Untersuchungen unzähliger Abhandlungen zur Stellung der Musik neben anderen Kunstformen erbringt der Wissenschaft keine allgemeingültige normative Antwort zu dieser Frage, denn „Tatsache ist, daß (sic!) das Verhältnis der Musik zu den anderen Künsten sich als eines der Hauptprobleme in der Geschichte der Ästhetik herausgestellt hat" (Fubini 1997, S. XI). Trotzdem kann die Geschichte der Musikästhetik „zumindest über weite Strecken hinweg - [...] als eine Geschichte der Beziehung zwischen der Musik und den anderen Künsten in Hinblick auf ihre semantischen Fähigkeiten [dargestellt werden]" (Fubini 1997, S. XII). Will man nun im musikästhetischen Denken die semantische Fähigkeit eines Musikwerkes und so in gewisser Weise den ästhetischen Wert dokumentieren, zeichnet sich ein neues Kernproblem der musikalischen Semantik ab. Musik „drückt sich aus, ohne ihr Objekt jemals preiszugeben. Die komplexe Sprache der Musik sagt nichts über nichts, und doch stimmen alle, [...] darin überein, daß (sic!) die Musik Ausdruckskraft besitzt, ohne daß (sic!) gesagt werden könne, was sie ausdrückt und auf welche Weise" (Fubini 1997 S. XIf.). Die musikalische Sprache mit ihrem unmöglich normativ zu bestimmenden „Rätselcharakter" (Fubini 1997, S. XII), sowie der Wille des Ästhetikers diese verstehen und „übersetzen" zu wollen, gilt als Hauptproblematik und bezeichnet zugleich eine Kernaufgabe des Faches der Musikästhetik. Dem hinzuzufügen ist, dass die Musik je nach Art der Gewichtung ihrer semantischen Fähigkeit „ihren Platz in der Hierarchie der Künste, ihren Stellenwert, ihre Funktion und ihre Aufgaben" (Fubini 1997, S. XII) erhalten sollte. Auf Grundlage dessen wird erkennbar, dass auf die Frage nach dem ästhetischen Inhalt oder Wert eines musikalischen Werkes oder Musik im Allgemeinen keine allgemeingültige Antwort produziert werden kann, denn die Musik pflegt neben anderen Kunstformen einen „höchsteigenen Status, der ihr vor allem aus der Komplexität ihrer technischen Mittel und aus der Sprache zuwächst, derer sie sich bedient" (Fubini 1997, S. XI). Unabhängig von der Stellung oder Funktion von Musik ist ihre Anziehungskraft unleugbar. So schreibt Fubini, dass „sie unter den Künsten einen besonderen Platz einnimmt und besondere Fragen aufwirft" (Fubini 1997, S. XI). Demnach ist es kaum verwunderlich, dass neben Musikern und Musikwissenschaftlern auch von „Mathematikern und Theoretikern [...] Literaten, [...] und Kritikern" (Fubini 1997, S. XII) philosophische Überlegungen über diese „besondere" Kunstform angestellt wurden. Betrachtet man erneut die Geschichte existieren bereits seit der Antike musikphilosophische Reflexionen und nicht selten wurden diese von einer subjektiv nuancierten Auffassung des Betrachters bestimmt, wonach neben der Erforschung physisch-mathematischer Elemente des Klangs auch die „sprachliche, technische, soziale, [oder] künstlerische Funktion" (Fubini 1997, S. XII) der Musik zeitweise in das Zentrum rückten sollte. Blicken wir in die zu beleuchtende erste Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich feststellen, dass die Behauptungen mancher Protagonisten wohl den Zeitgeist ganzer Epochen bestimmen sollten (vgl. Fubini 1997, S. XIff.). Doch weise ich zugleich hinsichtlich der in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse darauf hin, dass keine der im Kontext meiner Abhandlung zu beschreibenden musikästhetischen Auslegungen oder Urteile in irgendeiner Form als apodiktisch bewertet werden können.
3. Musik und ihr Stellungswandel in der Hierarchie der Künste
Wenn man von einem musikästhetischen Epochenwandel sprechen wolle, so muss anfangs darauf hingewiesen werden, dass sich das aufklärerische Musikverständnis zu Beginn der Romantik Ende des 18. Jahrhunderts in einer Krise befand. Fubini betont: „so etwa in der Veränderung der sozialen Stellung des Musikers, in der Funktion der Musik selbst, im Bedeutungsverlust der italienischen Oper, in der Einschätzung der Instrumentalmusik, im Rückgriff auf die alte Musik, auf Bach und Palestrina" (Fubini 1997, S. 204).
Zu bestaunen ist ein zu diesem Zeitpunkt einsetzender Wandel, welcher sich in der zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts vollziehen sollte und die Bedeutung des Musikalischen in gewisser Weise reformierte (vgl. Fubini 1997, S. 204f.).
Während der aufklärerischen Zeit galt Musik vorrangig als begleitendes Mittel, besaß keine Selbstständigkeit und der angestellte Musiker komponierte Musik zum Zweck der Untermalung von Feierlichkeiten und Zeremonien. Herrschte im Rahmen des aufklärerischen Denkens ein eher hedonistisches Musikverständnis vor, so verließ die Musik in der klassischromantischen Musikauffassung ihren ursprünglich letzten Platz und nahm zunehmend eine bedeutendere Stellung neben allen anderen künstlerischen Sprachen ein.
Betrachten wir exemplarisch den Wandel am Beispiel der Oper. Vorerst herrschte die weit verbreitete Auffassung vor, dass Musik der Dichtung untergeordnet sei (vgl. Fubini 1997, S. 204ff.). So schrieb der Philosoph Immanuel Kant exemplarisch für ein aufklärerisches Musikverständnis, dass „Musik [...] [ein] wohlgefälliges Spiel der Empfindungen“ (Fubini 1997, S. 205) ist und auch der Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau bekundete, dass die Musik dem Verstande Nichts sagend „keinen intellektuellen, moralischen oder erzieherischen Gehalt“ (Fubini 1997, S. 205) besäße und sich lediglich der Sinne bemächtigen würde. Musik galt demnach zwar als sinnlich ansprechend, jedoch als eine gewissermaßen nicht semantische Kunstform. Blieb dieses Charakteristikum der Musik in der Klassik bestehen, wandelte sich nun allmählich diese interpretatorische Auslegung zu einer Annahme, wonach „ sie [die Musik] [...] die Wirklichkeit [Hervorhebung von. Verf.] in einem sehr viel tieferen Sinne, dem keine gesprochene Sprache gerecht werden kann“ (Fubini 1997, S. 205) entspreche. Dieser Auslegung nach wird die reine Instrumentalmusik gerne als ideale Musik bezeichnet. Denn im selben Zuge keimte der Gedanke auf, dass mit zunehmender Entfernung der Musik von einer Semantik und dem diskursivem Denken ihre Fähigkeit zur Bestimmung des Wesens der Welt, der Idee, des Geistes und des Unendlichen größer zu gewichten sei (vgl. Fubini 1997, S. 205) und eben das Unendliche stellt bereits ein Indiz für den romantischen Zeitgeist dar. Exemplarisch nennenswert ist ein Brief W. A. Mozarts, welchen er im Jahre 1781 an seinen Vater schrieb. So heißt es dass die Dichtung als „gehorsame Tocher“ (Fubini 1997, S. 205) der Musik unterzuordnen sei und er deutet an, dass einerseits die Musik zwar im Mittelpunkt der dramatischen Handlung stehen und andererseits eine gewisse Symbiose zwischen Musik und Dichtung weiterhin bedacht werden müsse. Hierzu schreibt Mozart: „es ist am besten, wenn ein guter Komponist, der das Theater versteht [...] und [...] ein gescheiter Poet [...] zusammen kommen. [...] Wenn wir Komponisten immer so getreu unsern Regeln [...] folgen wollten, so würden wir ebenso untaugliche Musik als sie untaugliche Bücheln [Bücher] verfertigen“ (Fubini 1997, S. 206 zit. nach Mozart 1963, S. 167f.). Das Zitat weist zugleich, wenn auch nur in einem geringem Maße auf eine aufklärerische Annahme hin, wonach urmenschlich betrachtet die Musik und die Poesie einen gemeinsamen Ursprung besitzen (vgl. Fubini 1997, S. 206f.). Zahlreiche Philosophen, deren Abhandlungen einen wichtigen Beitrag zur Aufwertung der musikalischen Sprache durch eine zuweilen starke Auseinandersetzung mit musikalischen Elementen in der Linguistik leisteten, können der Jahrhundertwende zugeordnet werden (vgl. Fubini 1997, S. 206f.). Exemplarisch seien bekannte Dichter und Denker wie zum Beispiel Johann G. Herder (Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Kalligone 1800), Johann G. Hamann (Metakritik), Friedrich Schlegel oder auch Johann W. von Goethe zu nennen, die zu dem Verhältnis zwischen Musik und Sprache Stellung nahmen. Ihre Denkansätze wurden teils weit in das 19. Jahrhundert verfolgt und bereicherten so mehr oder minder einzelne Momente musikästhetischer Debatten (vgl. Fubini 1997, S. 206f.). Beispielsweise schrieb Herder, dass seiner Auffassung nach die Poesie aus der Musik entspringe und zugleich mit ihr verwoben wäre. So bezeichnete er beispielsweise den Gesang als „poetischen Gesang" (Fubini 1997, S. 207) und begriff Gesang als erste Menschensprache überhaupt (vgl. Fubini 1997, S. 207). Diese Wiederentdeckung der Wurzel einer Symbiose zwischen Musik und Poesie gilt nach Herder als Maxime und nicht etwa als Schmälerung der einen oder anderen Kunstform (vgl. Fubini 1997, S. 207). Keineswegs verwunderlich scheint uns nun auch die Stellungnahme Herders zur Opernmusik. Die Künste in ihrer Kombination haben seiner Auffassung nach eine gesteigerte Wirkung. Dementsprechend bezeichnet er, die in der Oper entstehende „Vereinigung aller Künste" (Fubini 1997, S. 207) als ein musikalisches Kunstideal, was zugleich an Wagner und Konzepte einer „ganzheitlichen Kunst" (Fubini 1997, S. 207) erinnert. Nach diesem Kunstidesal nun stellen die „Poesie, Musik, Handlung und Ausstattung nicht mehr darstellen (sic!) als eine (sic!) einziges Ganzes" (Fubini 1997, S. 207 zit. nach Herder 1967, S. 58). Folgen wir weiter den Gedankengängen Hamanns und begreifen Musik als „Ursprache" (Fubini 1997, S. 207), so wird deutlich, dass er der Musik einen Lehrcharakter zusprach. In Folge dessen gewann die Erkenntnis und die Vernunft der Empfindsamkeit, welche zuvor eher negiert worden war erneut an Bedeutung. Schlussendlich bekräftigte dies eine Annahme, wonach nicht mehr von Gefühl versus Vernunft, sondern von Gefühl und Vernunft gesprochen wurde. Gleichzeitig und gehen wir einen Schritt weiter wird Musik ein „symbolischer Schlüssel zu ansonsten unzugänglichen Wahrheiten" (Fubini 1997, S. 207) und „erhält nunmehr eine metaphysische Dimension" (Fubini 1997, S. 207). Zudem wird im Gegensatz zur Zeit der Aufklärung die Bedeutung der Musik insofern revidiert, als dass „Musik [...] umso bedeutungsvoller [ist], je weiter sie sich vom verbalen entfernt und befreit" (Fubini 1997, S. 208). So sprach man alsbald die Instrumentalmusik, welche in gewisser Weise neben der Opernmusik oder der Vokalmusik den Zeitgeist widerspiegelnd das musikalische Ideal verkörpern konnte einer anderen Ordnung neben der gesprochenen Sprache zu und unterwarf sie einem anderen Maßstab, wonach sie den „tiefste[n] und ursprünglichste[n] Ausdruck des Menschen" (Fubini 1997, S. 208) präsentieren sollte (vgl. Fubini 1997, S. 208). Selbst Goethe, welcher den Überlegenheitscharakter der Musik gegenüber dem Wort anprangerte, sprach ihr eine übermenschliche Natur zu. Ihm zufolge glich die Musik einem Tempel, „durch welchen wir ins Göttliche eintreten: sie gibt uns einen Vorgeschmack von einer besseren Welt, sie führt uns an die Schwelle der Transzendenz, denn sie allein ist frei von allem Materiellen, und nur in ihr fallen Inhalt und Form in eins" (Fubini 1997, S. 208). Gleichzeitig spricht Goethe der Musik ein dämonisches Element zu, dessen Wesen er wie folgt beschreibt: „sie steht so hoch, daß (sic!) kein Verstand ihr beikommen kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die alles beherrscht und von der niemand imstande ist, sich Rechenschaft zu geben" (Fubini 1997, S. 208 zit. nach Goethe o.J., S. 251). Diese sehr romantische Auffassung relativiert sich jedoch im Kontext seiner Grundhaltung, wonach die Vokalmusik der reinen Instrumentalmusik überlegen sei (vgl. Fubini S. 204ff.). Die Diskussionen zur Stellung der Musik gegenüber anderen Künsten, ihrer Sprache oder der Ausdruckskraft werden, wie nachfolgend erkennbar stets Kernelemente des romantischmusikästhetischen Diskurses bleiben. Die nachfolgend zu beleuchtenden subjektivästhetischen Leitideen einzelner Protagonisten, welche das romantische Denken beeinflussen sollten, gilt es nun näher zu beleuchten. Aufgrund der subjektiven Eindrucks, welchen die Abhandlungen vermitteln und so eine gewisse Unwissenschaftlichkeit provozieren, werde ich von einem Versuch der objektiven Kategorisierung ästhetischer Ansätze absehen sowie die Unterschiedlichkeit individueller musikästhetischer Vorstellungen hervorheben und gegebenenfalls auf Anknüpfungspunkte zwischen verschiedenen Ästhetikern hinweisen.
4. Frühromantisch musikästhetische Ideen: Wackenroder, Hegel und Schopenhauer
Neben der vorausgegangenen exemplarischen Betrachtung des Stellungswechsels der Musik im Übergang zur Romantik muss zudem von „der Gleichzeitigkeit heterogener Tendenzen und Traditionen" (Dahlhaus 1988, S. 86) gesprochen werden. Denn im Ausklang des Jahrhunderts steht einer klassischen Musikästhetik eine romantische Musikästhetik gegenüber. Sei die klassische Musikästhetik eher zweitrangig zu betrachten, werden uns die Entwicklungen der romantischen Musikästhetik umso mehr interessieren. Führen wir uns erneut die exemplarischen Darstellungen zur Aufwertung der Sprache der Musik vor Augen wird deutlich, „daß (sic!) um 1800, weder der klassischen Musik Haydns und Mozarts eine klassische Musikästhetik noch der romantischen Musikästhetik Wackenroders [...] eine romantische Musik entsprach" (Dahlhaus 1988, S. 86) und die „Antizipation der musikalischen Romantik seit 1814" (Dahlhaus 1988, S. 87) rückblickend in der Literatur begann (vgl. Dahlhaus 1988, S. 86ff.).
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