Ziel dieser Arbeit ist es, das eheliche (Lügen)Konstrukt in Strickers Begrabenem Ehemann unter besonderer Berücksichtigung der listigen, lustvollen Frau und des tumben, naiven Mannes aufzuzeigen. Primär soll der Frage nachgegangen werden, welchen Stellenwert die beiden Akteure im ehelichen Zusammenleben einnehmen und wie sich das Verhältnis der Eheleute zueinander gestaltet.
Das Bild ,der‘ mittelalterlichen Frau, als ein der Willkür und Gewalttätigkeit ihres Ehemannes unterlegenes Wesen, ist ein gängiges, wenn auch trügerisches. Beschäftigt man sich genauer mit der Novellistik des Mittelalters, insbesondere mit Texten des Strickers, so erschließt sich ein ganz anderes Mittelalterbild, nicht nur in Bezug auf die noch so unterdrückte Frau, sondern auch auf das oftmals düster und finster dargestellte Zeitalter. All diesen Vorurteilen steht Strickers aberwitzige Märe Der begrabene Ehemann gegenüber, welches die vorliegende Seminararbeit hinsichtlich der Ehe als gemeinschaftliches Lügenkonstrukt zu untersuchen versucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Konzeption der Ehe im 13. Jahrhundert
2.1 Der Ordo -Gedanke des Mittelalterlichen Weltbildes
2.2 Der Ehebruch als verachtenswerte Geschlechtslust
3. Die Darstellung beider Eheleute in Mären
3.1 Die listige Ehefrau
3.2 Der tumbe Ehemann
4. Analytischer Teil – Der begrabene Ehemann
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Bild ,der‘ mittelalterlichen Frau, als ein der Willkür und Gewalttätigkeit ihres Ehemannes unterlegenes Wesen, ist ein gängiges, wenn auch trügerisches. Beschäftigt man sich genauer mit der Novellistik des Mittelalters, insbesondere mit Texten des Strickers, so erschließt sich ein ganz anderes Mittelalterbild, nicht nur in Bezug auf die noch so unterdrückte Frau, sondern auch auf das oftmals düster und finster dargestellte Zeitalter. All diesen Vorurteilen steht Strickers aberwitzige Märe Der begrabene Ehemann gegenüber, welches die vorliegende Seminararbeit hinsichtlich der Ehe als gemeinschaftliches Lügenkonstrukt zu untersuchen versucht.
Mären sind um 1220 im deutschsprachigen Raum entstanden1 und rücken die literarische Frau und in weiterer Folge das vorherrschende Ehe-Konstrukt im 13. Jahrhundert in ein neues Licht. Zudem gelten die Mären des Strickers in Hinblick auf das eheliche Miteinander als stark moralisch. Die Moral wird vom Stricker mit einem Witz kombiniert, auf eine Art und Weise, wobei Witz und Moral nebeneinander auftauchen und sogar einander brauchen,2 Diese einschlägige Kombination von Moral und Witz bildet den Grundstein des bekannten Märe.
Ziel dieser Arbeit ist es, das eheliche (Lügen)Konstrukt in Strickers Begrabenen Ehemann, unter besonderer Berücksichtigung der listigen, lustvollen Frau und des tumben, naiven Mannes aufzuzeigen. Primär soll der Frage nachgegangen werden, welchen Stellenwert die beiden Akteure im ehelichen Zusammenleben einnehmen und wie sich das Verhältnis der Eheleute zueinander gestaltet.
In einem einführenden Kapitel soll zunächst auf das vorherrschende Ehe-Konstrukt im 13. Jahrhundert sowie auf den Ordo -Gedanken und die Tragweite des Ehebruchs näher eingegangen werden. Anschließend wird auf die Darstellung der Eheleute in Mären eingegangen, genauer noch auf die märentypische, listige Ehefrau und den tumben Ehemann, da beide Akteure und ihre für die Gattung Märe typischen Charaktereigenschaften für den darauffolgenden analytischen Teil eine zentrale Rolle spielen. In der Textanalyse werden wichtige Passagen im Begrabenen Ehemann beleuchtet, bei denen für die Forschungsfrage relevante Handlungen und Gedanken der Eheleute zentral sind.
2. Die Konzeption der Ehe im 13. Jahrhundert
Das Sakrament der Ehe, das die Vereinigung von Christus mit der Kirche impliziert, ließ seit dem 12. Jahrhundert außereheliche Beziehungen beider Eheleute nicht mehr zu. Gegen die weltlich-feudalen und römisch-rechtlichen Vorstellungen, forcierte die katholische Kirche eine patriarchal organisierte Gesellschaft, die von den Ehebeteiligten nachgelebt werden musste. Das Oberhaupt ist demnach der Ehemann, der vor allem diesen Erfordernissen entsprechen und als vorbildliches Beispiel dienen müsse, um ein moralisch tadelloses, eheliches Leben führen zu können.3 Das häufig von Mediävist/innen dargestellte eheliche Zusammenleben, als ein von der Zurückhaltung und Unterordnung der Ehefrau und Lieblosigkeit in der Ehe gezeichnetes Konstrukt, das zudem durch Verachtung und Vergewaltigung durch den Ehemann geprägt ist, wird in zahlreichen Mären, wie auch im Begrabenen Ehemann völlig konträr dargestellt.
2.1 Der Ordo-Gedanke des Mittelalterlichen Weltbildes
Nicht nur im Begrabenen Ehemann, sondern auch in nahezu allen Stricker -Mären ist der Ausgangspunkt für die Handlung die Störung einer nach Gottes Willen wohlgeordneten Welt. Dieser Ordo -Gedanke und die auf dieser Gesellschaftsordnung beruhenden ehelichen Rechtsvorstellungen bilden das Fundament, auf dem das Märe aufbaut. Den zerstörten ordo und den ordnungsgemäßen Zustand gilt es im weiteren Handlungsablauf des Märe wiederherzustellen, vorzugsweise geschieht dies durch das Erzwingen von Einsicht. Sowohl durch körperliche als auch durch verbale Gewalt kann das Hinführung von Einsicht erfolgen, überwiegend erfolgt dies jedoch durch ein listiges Arrangement der Eheleute.4 Verknüpft man den Ordo -Gedanken mit Strickers Begrabenen Ehemann, so lässt sich feststellen, dass die Ordnung bereits vor Entdeckung der außerehelichen Liebschaft, durch das Aufgeben der Herrschaftsgewalt des Ehemannes, der zudem auf seinen eigenen Willen und auf das Vertrauen in die eigene Wahrnehmungsfähigkeit verzichtet, zerstört wird. Seine gegebene Vormachtstellung in der Ehe, die ihm als christlichen Hausherren von Gott gegeben wird, lässt er sich von der Ehefrau nehmen. Er verstößt somit gegen den ordo und wird im weiteren Handlungsverlauf aufgrund dieser Tatsache zum Narren gehalten.
2.2 Der Ehebruch als verachtenswerte Geschlechtslust
Die grundlegende Haltung der spätantiken und frühmittelalterlichen Kirche zum Ehebruch wurde im kirchenrechtlichen Handbuch Gratians um ca. 1140 verschriftlicht. Im Gratians wird eindeutig festgelegt, dass der Ehebruch durch beide Geschlechter durch den christlichen Glauben als verachtenswert zu betrachten sei. Nach kirchlichem Recht zählt der Ehebruch zu den Kapitalsünden, dessen Tatbestand daher eine schwerwiegende Sünde gegen das göttliche Gesetz darstellt. Diese Treulosigkeit richte sich außerdem nicht nur gegen den oder die Ehepartner/in, vielmehr noch richte sich ein außereheliches Vergnügen gegen die gesamte menschliche Gesellschaft, weil das möglicherweise gezeugte Leben auch das Gemeinwohl dieser beträfe.
Bezüglich des Ehebruchs gelten demnach für beide Geschlechter dieselben Grundregeln. Eine außereheliche Liebschaft ist weder den Frauen, noch den Männern gestattet. Vielmehr müsse der Ehemann als untadeliges, richtungsweisendes Beispiel vorangehen und sein sexuelles Begehren noch besser zügeln können als die Ehefrau, weswegen der ehebrecherische Ehemann eine noch größere Sünde begehen würde, als wenn die Ehefrau fremdginge. Von der Ehefrau darf also nichts gefordert werden, was der Mann selbst nicht leisten kann oder will.5 Ein Ehebruch ist also sowohl beim Ehemann als auch bei der Ehefrau sündhaft, jedoch bringe ein Ehebruch seitens der Frau mehr Konsequenzen mit sich, da durch sie das höchste Gut der Ehe, die rechtmäßige Nachkommenschaft, gefährdet sein könnte. Andererseits ist der Ehebruch der Frau aufgrund ihrer leichteren Verführbarkeit verzeihlicher als der des Ehemannes.
Dieser Auffassung widerspricht das römische Recht über das gesamte Mittelalter bis in die Neuzeit. Demzufolge wird dem ehebrecherischen Ehemann kein so schweres Vergehen unterstellt, als wenn außereheliche amouröse Aktivitäten seitens der Frau stattgefunden hätten. Laut römischem Recht werden also dem Ehemann mehr sexuelle Freiheiten zugestanden. Diese äußerst gegensätzliche Auffassung des Ehebruchs seitens des römischen und kirchlichen Rechts spiegelt sich auch in der mittelalterlichen Literatur sowie in der Rechtsprechung wider und fällt dementsprechend keinesfalls einheitlich aus.6
3. Die Darstellung beider Eheleute in Mären
Außereheliche Liebschaften zeichnen sich in Mären vor allem durch die märentypische Verschlagenheit der Ehefrauen sowie die Dummheit ihrer Ehemänner aus. Beide Charaktereigenschaften dominieren die Handlungsabläufe und sind für die Gattung Märe unerlässlich.
3.1 Die listige Ehefrau
Die ehebrecherisch und manipulativ dargestellte Ehefrau gilt als handlungsbestimmende Figur in Mären. Während die Ehemänner zumeist ihre ,angemessene‘ Strafe für ihre Torheit erhalten, wird der Frauenfigur überwiegend die Rolle der Betrügerin zugeschrieben. Dabei schrecken die listigen Frauen vor keiner Heimtücke und Bösartigkeit zurück, um ihre Männer zu bezwingen, sie zu demütigen und bei jeder Gelegenheit zu übertrumpfen. Über all die bisher genannten Eigenschaften dürfte eine Frau grundsätzlich nicht verfügen und noch weniger dürfen diese von der Gesellschaft, aber vor allem vom Ehemann nicht toleriert werden. Gerade weil davon ausgegangen werden kann, dass die Frau von Natur aus triebgesteuert sei, müssten die Männer umso scharfsinniger auftreten, was die Widersprüchlichkeit der Darstellung der Eheleute in Mären nochmals verstärkt.
Der Frauentypus des übeln wîp wird in den (Ehebruchs-)Mären häufig als ergötzliches Mittel eingesetzt, das einerseits der Unterhaltung dienen soll, andererseits soll diese negative Inszenierung der treulosen Frau als Vermittlung einer bestimmten Wertvorstellung fungieren. Die Rolle der listigen Ehefrau wird folglich dazu eingesetzt, um eine zerstörte Ordnung aufzuzeigen, eine verdrehte Welt, in welcher der Mann von seiner Frau zum Narren gehalten wird.7
In bestimmten Mären ist jedoch auch eine gutartige und demütige Darstellung des Frauentypus vorhanden, die ihrem unehrenhaften Ehemann unterworfen ist und von ihm schlecht behandelt wird. Neben dem Typus des übeln wîp kommen demnach auch vrouwen tugentrîche in Mären vor, auf welche jedoch im Folgenden nicht näher eingegangen wird, da dieser Frauentypus in der Gattung Märe in der Unterzahl ist. Mären fokussieren sich größtenteils auf ordnungswidriges Handeln der Beteiligten und dies wäre mit einer tugendhaften, treuen und unterwürfigen Ehefrau in einem patriarchalen System wie es im ordo vorgesehen ist, allenfalls nur beschränkt möglich.8 Im Begrabenen Ehemann findet sich der erstgenannte Frauentypus wieder, welcher die drastische Konsequenz des verdrehten Herrschaftsmodells in der Ehe aufzeigt.
3.2 Der tumbe Ehemann
Der Begriff tumb ist ein weitläufiger, der eine vielseitige Semantik besitzt. In Mären wird diese Eigenschaft größtenteils dem Mann zugeschrieben. Anhand der Gebrauchsweise dieses Adjektivs im Begrabenen Ehemann, lässt sich aber festhalten, dass tumb keineswegs nur als dümmlich verstanden werden darf. Es ist nämlich die tumbe Frau, die der Mann bewusst zur Gattin genommen hat und aufgrund dieser Entscheidung, sei er selbst Schuld an seinem Schicksal. Obwohl diese Moral durchaus ironisch aufgefasst werden kann, darf dieser Begriff keinesfalls als ein moralischer verstanden werden und er bedeutet auch nichts Bösartiges. Bei der Ehefrau im Begrabenen Ehemann handelt es sich keineswegs um einen dummen Menschen, vielmehr ist sie ihrem Mann intellektuell weit überlegen. Wird der Begriff tumb jedoch in Verbindung mit dem Ehemann gebracht, so wirkt dieser sehr leichtgläubig und naiv.9
Neben der listigen Frau und dem tumben Mann wird in Mären häufig eine weitere Person ins Negative stilisiert. Im Begrabenen Ehemann erscheint diese Figur in Form eines Pfaffen, der in der für Mären sehr beliebten Dreieckskonstellation involviert ist.
In dieser Konstellation befinden sich generell in Mären, aber auch in dem zu untersuchenden begrabenen Ehemann, die Ehefrau, der Ehemann und der ,freie‘ Mann, wobei Manipulation, Begehren und Streit eine besondere und zentrale Rolle einnehmen. Der von der Frau begehrte ,freie‘ Mann ist oft die treibende Kraft hinter ihren Missetaten. Hingegen ist der Ehemann in der Liebesbeziehung meist unbedeutend, kämpft für das Ansehen seiner Ehe und in einigen Fällen versucht er, sich zu rächen. Häufig wird dieser aber von seiner Ehefrau dermaßen manipuliert, dass seine möglicherweise geschmiedeten Pläne nur missglücken können.
Die Beziehung zwischen dem ,freien‘ Mann und dem Ehemann kann durchaus als diffiziler beschrieben werden. Häufig kommt es in Mären vor, dass auch der ,freie‘ Mann Opfer der Racheaktion wird. In dem zentral stehenden Märe kommt es zu keiner Racheaktion mehr, weil die Ehefrau dies mit einer endgültigen, todbringenden Tat verhindert.
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1 Vgl. Klaus Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter: Faliau – Märe – Novelle, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006, S. 79-80.
2 Vgl. Sabine Böhm: Der Stricker – Ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 1995, S. 247.
3 Vgl. Rüdiger Schnell: Geschlechtergeschichte. Diskursgeschichte und Literaturgeschichte. Eine Studie zu konkurriernden Männderbildern in Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Frühmittelalterliche Studien 32 (1998) S. 343.
4 Vgl. Klaus Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter: Faliau – Märe – Novelle, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006, S. 79-80.
5 Vgl. Rüdiger Schnell: Geschlechtergeschichte. Diskursgeschichte und Literaturgeschichte. Eine Studie zu konkurriernden Männderbildern in Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Frühmittelalterliche Studien 32 (1998) S. 339.
6 Vgl. Ebd. S. 341-342.
7 Otfried Ehrismann: Fabeln, Mären, Schwänke und Legenden im Mittelalter. Eine Einführung. Darmstadt: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2011. S. 80
8 Vgl. Ebd. S. 75.
9 Vgl. Protokoll vom 28.10.2020: »Amen« heißt ›Das werde wahr‹ 1. PS ÄdL: Glaubenskritik in der deutschsprachigen Novellistik bei Dr. Matthias Däumer. Universität Wien.