Diese Hausarbeit soll den Einzelbegriff der betrieblichen Funktion näher betrachten, da die entsprechende Auslegung für die Anwendung in der steuerlichen Praxis höchst relevant ist. Dazu werden zunächst Ansätze zu dem Terminus in der Organisationslehre beleuchtet. Aufbauend auf der betriebswirtschaftlichen Betrachtung werden anschließend Definitionen im Außensteuergesetz und in der Gesetzesbegründung analysiert. Zuletzt wird die Spezifizierung des Begriffs in der Funktionsverlagerungsverordnung betrachtet. Im Abschluss der Arbeit wird der Funktionsbegriff aus den Erkenntnissen der Organisationslehre und des Steuerrechts zusammenfassend diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Annäherung an den Begriff der Funktion
2.1 Ansätze in der Organisationslehre
2.2 Definition durch das Gesetz und die Gesetzesbegründung
2.3 Definition nach der Funktionsverlagerungsverordnung
3 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die anhaltendeGlobalisierungverändert viele Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens. Besondersin derUnternehmensweltsteigt die Vernetzung stetig und Kooperationen und sowie Wettbewerbfinden auf internationaler Ebene statt. Neben wirtschaftlichen Vorteilen entstehendadurchebensoNachteile, wiebeispielsweiserein erhöhter Kostendruck für Unternehmen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben,ist demnach die Wirtschaft angehalten ihre Strukturen an die Anfordernisse des Marktesfortlaufendanzupassen. Neben preispolitischen Veränderungen führt dies auch zu strukturellen Anpassungen in Organisationen. Beispielsweise werden Unternehmsteile ins Ausland ausgelagert um Kosten- und Steuervorteile wahrnehmen zu können. DieBerücksichtigung der Auswirkungen diesesStrukturwandel ist nun auch im nationalen und internationalen Steuerrecht angekommen. Mithilfe der Einführung einer Verordnung für grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen sollen Vorschriften fürsolcheVerlagerungengeltend gemacht werden. Diese Regelungen bauen auf bereits bestehendenVorschriften wie dem OECD-Musterabkommen, dem Doppelbesteuerungsabkommen und dem Außensteuergesetz auf. Jedoch gibt es Bereiche die vom Gesetzgeber neu definiert werden mussten.
Diese Hausarbeit soll den Einzelbegriffder betrieblichenFunktion näher betrachten, da die entsprechende Auslegung für die Anwendung in der steuerlichenPraxishöchst relevant ist. Dazu werden zunächst Ansätze zu dem Terminus in der Organisationslehre beleuchtet. Aufbauend auf der betriebswirtschaftlichen Betrachtung werden anschließend Definitionen im Außensteuergesetz undinder Gesetzesbegründung analysiert.Zuletztwird die Spezifizierung des Begriffs in der Funktionsverlagerungsverordnung betrachtet.Im Abschluss der Arbeitwird der Funktionsbegriff aus den Erkenntnissen der Organisationslehre und des Steuerrechts zusammenfassend diskutiert.
2 Annäherung an den Begriff der Funktion
2.1 Ansätze in der Organisationslehre
AufgrunddervielfältigenAnsätze zur Theorie der Organisationslehre ist es zur Auslegung des Funktionsbegriffes essentiell,die Annahmen von einigen wichtigen Vertretern der Betriebswirtschaftslehre genauer zu beleuchten. Die damit geschaffene Grundlage soll zursich daran anschließendenAuslegung des Terminus im Steuerrecht beitragen.
Grundsätzlich wird der Begriff Funktion in der Literaturmit zwei verschiedenenBedeutungenverwendet.Einerseitswerden einzelne Vorgänge als betriebliche Funktionen verstanden, in denen Elemente der Wirtschaftlichkeitzu Kategorienzusammengefügt werden. Die Einteilung erfolgt somit nach gleichartigen Aufgaben zu einer homogen Handlungsgruppe,sozum Beispielbei den FunktionenBeschaffung, Lagerung und Transport.Diese Theorie wird in der betrieblichen Arbeits- und Führungslehre auch als funktionale Organisation verstanden, die verrichtungsorientiert aufgebaut ist.Andererseitswird der Begriff als Wirkungskreis verstanden, in dem verschiedene Teilaufgaben an eine Person bzw. einen Funktionsträger gebunden sind. Dieser Träger hat eine definierte Vollmacht mit der er in einem bestimmten Wirkungskreis im Unternehmen handeln kann.1
Mellerowicz, als Vertreter der ganzheitlichen Organisationswissenschaft, gliedert eine Organisationgemäßder Reihenfolge des Produktionsprozesses. Er unterteilt einen Betrieb dabei in fünf Grundfunktionen und unterscheidet zwischen Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Verwaltung und Leitung.2 Als Funktion definiert er eine „personengebundene Aufgabe mit Abhängigkeitscharakter von einem größeren Ganzen“3. Mellerowicz setzt folglich den Begriff Aufgabeprinzipiellmit Funktion gleich.
Vor allem Gutenberg, der die Grundlage für eine moderne deutsche Betriebswirtschaftslehre nach dem Zweiten Weltkrieg schuf, teilt dieweiter oben präsentierteDefinitioneiner Funktionals Wirkungskreis. Er sieht ein Unternehmen als Gesamtheit von den betrieblichen Teilfunktionen Produktion, Absatz und Finanzen. Im Fokus steht für ihn die Einheit dieser Funktionen und nicht ein einzelner betrieblicher Kernbereich.4 Die Wichtigkeit dieser Einteilung Gutenbergs verdeutlichtsich auch inden drei Bändenseines Gesamtwerks„Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“, denen er jeweils die genannten Teilfunktionen widmet. Ebenso verwendet auch er den Begriffder Funktion in zweierlei Bedeutung. Bei der betriebswirtschaftlichen Sicht auf den Begriff Management beschreibt er diesen als eine Institution und als eine Funktion. Hier wird als Funktion „ein Kreis von Personen, die Träger dispositiver Aufgaben“5 sind und die Prozesse im Unternehmen steuern, verstanden.6 Nach Gutenbergs Ansicht haben Organisationen demnach drei feste Teilbereiche, dennoch verwendet auch er den Begriffder Funktionzusätzlich als Wirkungskreis.
Heinen, ein Schüler von Gutenberg, schuf mit dem entscheidungsorientierten Ansatz eine der wesentlichen Grundlagen der theoretischen Betriebswirtschaftslehre. Er baut auf derFunktionsdefinition als Betriebselement auf und ergänzt zu derexistierendendreiteiligen Differenzierungder Unternehmungdie Beschaffung. Für ihn sind dies die „Hauptaufgaben bzw.-funktionen einer Betriebswirtschaft“7.Es muss an dieser Stelle sein Vermerkbeachtet werden, dass eine gänzliche Abgrenzung der verschiedenen Funktionen schwer umzusetzen ist. Er führt dies auf die funktionsübergreifenden einzelnen Tätigkeiten, die unterschiedlichen Anforderungen sowie Entscheidungen die Betriebe treffen müssen zurück. Für ihn steht nicht die Kombination von Produktionsfaktorenwie bei Gutenberg im Vordergrundsondern die Entscheidungslogik zur erfolgreichen Unternehmensführung.8 Für Heinen stellen somit Funktionen „betriebswirtschaftliche Aufgabengruppen dar, die in jeder Betriebswirtschaft zu erfüllen sind“.9 Es geht also nicht nur um den Umlauf von Geld und Gütern, sondern auch um die sich überschneidenden Prozesse bei der Übermittlung von Informationen. Weiter verdeutlicht er am Beispiel der Funktion Finanzierung, dass der Begriff Funktion, die Summe aller Entscheidungenvereint, die sich aus unterschiedlichen Disziplinen ableiten. Ferner betont er die Unvollständigkeit dieser funktionalen Betrachtungkritischund ergänzt diese um die genetische Betrachtung anhand von Entscheidungstatbeständen . 10 Es lässt sichfolglichfesthalten, dassseine Definitioninsgesamtweiter gefasstist.
EinweitererSchüler von Gutenberg,Albach,definiert eine Funktion als die „Leistungsabgabe des Mitarbeiters“11, der damit zur Wertschöpfung eines Unternehmens beiträgt. Seine Begriffsbestimmung versteht sich als eine Verpflichtung einer Person zur Erbringung einer bestimmten Leistung in einem arbeitsvertraglich definierten Zeitraum.12 Albach nimmt bei seiner Betrachtung einer Unternehmung und der dazugehörigen Definition eine managementorientierte Sichtweise ein.Auf seine Beschreibung des Funktionsbegriffsim Bereich der empirischen Wirtschaftsforschungwird im Rahmen der vorliegendenArbeit nicht näher eingegangen.
Kieser, einer der führenden deutschen Forscher zu Organisationstheorien, prägte densogenanntensituativen Ansatz. In dieser Theorie ist nicht mehr die funktionale Organisationsausrichtung auf ein bestimmtes Ziel prägend.Stattdessen wird bei jeder unternehmerischen Überlegung die jeweilige Umweltsituation mit in die Entscheidungsfindung einbezogen.13 Diese Wenn-Dann -Situation hat somitebenfallsEinfluss auf die Organisationsform, die wiederum je nach Situation aus unterschiedlichen Funktionenderverschiedenen Disziplinen aufgebaut ist. Kieserverdeutlicht, dass sich kleinere Organisationen anders aufstellen müssen als große und dasses deutliche Unterschiede bei Unternehmen mit Einzel- und Massenfertigung gibt. Laut Kieser können durch empirische Untersuchungen rückwirkend Unterschiede im Strukturaufbau von Organisationen erklärt bzw. prognostiziert sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.14 Für den Funktionsbegriff bedeutet dies keine starre Definition der dazugehörigen Tätigkeiten, sondern eine flexible Möglichkeit um unterschiedliche Ausprägungen in einem konkretenUnternehmenberücksichtigen zu können.
Kosiol, ein Hauptvertreter der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, beschreibt in seinem Analyse-Synthese-Konzept die gedankliche Differenzierung von Gesamtaufgaben in analytisch aufgeteilte Aufgaben. Diese können nach bestimmten Kriterien zu einzelnen Stellenbeschreibungen zusammengefasst werden. Er sieht dabei den Begriff Funktion als synthetische Einzel- oder Teilaufgabe, die einem Aufgabenträger zugeordnet werden kann. Anschließend können einzelne Arbeitsschritte und Handgriffe zur weiteren Erledigung definiert werden.15 Somit ist für Kosiol die Funktion eines Aufgabenträgersein Aufgabenbündel einer Stelle.
Zusammenfassend lässt sich in der Literatur der Organisationslehre keinekohärenteDefinitionoder Verwendungdes BegriffesderFunktion ableiten. Vielmehr gibt es unterschiedlichste Sichtweisen und Blickwinkel auf Organisationen und ihre Bestandteile. Heutzutage wird im modernen Management eine Kombination mehrerer betriebswirtschaftlicher Ansätze angewendet. Dadurch kannes zu keiner einheitlichen Basis für die Definition einer Funktion kommen.Es bestehtvielmehrweiterhindie grundsätzliche Dualität des Funktionsbegriffs für einekollektiveUnternehmensaufgabe einerseits sowie eineneher individualisiertenAufgabenbereich andererseits.Die praktische Anwendung im Steuerrecht wird somit erheblich erschwertund bedarf einer gezielten, eigenständigen Betrachtung.
2.2 Definition durch das Gesetz und die Gesetzesbegründung
Erstmal Erstmaligwurde der Funktionsbegriff in der neuen Fassung vom Außensteuergesetz, die nach der Unternehmenssteuerreform 2008 angepasst wurde, aufgenommen. Es wird daher nach einer Definition für diesen Rechtsbegriff verlangt. Im Gesetz wird der Begriff wie folgt ausgedrückt, eine eindeutige Beschreibung ist jedoch nicht zu finden.
Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung) und ist auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden, weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vorliegen, hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets zu bestimmen. (§1 Absatz 3 Satz 9 AStG)
Der Terminus wird demzufolge als geläufiges Tatbestandsmerkmal zur Besteuerung von Transferpaketen beim Anwender vorausgesetzt.
Genauer wird die Gesetzesbegründung.16 In dieser wird eine Funktion als Vertrieb oder Produktion benannt.17 Weiter ist eine Funktion „als organischer Teil eines Unternehmens anzusehen, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss“.18 Diese Formulierung wurde später in angepasster Satzstellung in die zweite vom Bundesrat verabschiedete Version der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12. August 2008aufgenommen, in § 1 Absatz 1 Satz 2 FVerlV. Es bleibt dennoch fraglich, wie mit Gütern umgegangen werden soll, die nicht genau einer Produktion oder dem Vertrieb zuordenbar sind. Folglich ist der Ausdruck hier nicht in Einzelteile zerlegbar, sondern wird umfassender verstanden.
[...]
1 Vgl. WöheundDöring (2010): Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 113.
2 Vgl. Mellerowicz (1956): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1. Band, S. 27 und 121.
3 Ebd., S. 121.
4 Vgl. Gutenberg (1983): Die Produktion, Band 1, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre 1, S. 2.
5 Gutenberg (1962): Unternehmensführung: Organisation und Entscheidungen, S. 20.
6 Vgl. ebd., S. 20.
7 Heinen (1970): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, S. 125.
8 Vgl. ebd., S. 125.
9 Ebd.
10 Vgl. Heinen (1970): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, S. 125f.
11 Albach (2013): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Einführung, S. 4.
12 Vgl. ebd., S. 3f.
13 Vgl. Kieser und Ebers (2014): Organisationstheorien, S. 164.
14 Vgl. ebd., S. 164f.
15 Vgl. Kosiol (1976): Organisation der Unternehmung, S. 45.
16 BR-Drucksache 220/07 vom 30.03.2007.
17 Vgl. ebd., S. 141.
18 BR-Drucksache 220/07 vom 30.03.2007, S. 144.