Die These, die in dieser Arbeit verhandelt werden soll lautet: Die Glanzzeit des Osmanischen Reiches ist von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts durch eine symbiotische Beziehung der osmanischen Herrscher und des Jüdischen Millets geprägt.
In der Historiographie der interreligiösen Beziehungen im Osmanischen Reich findet dieser Betrachtungsansatz bisher kaum Beachtung und keine hinreichende. Die Erforschung interreligiöser Beziehungen im osmanischen Reich erfolgten oftmals mit unzureichender Kenntnis der Quellen. Christlich osmanische Quellen konzentrieren sich auf Einschränkungen und Erschwernisse im Leben von Nichtmuslimen, während muslimische Quellen die Lebensumstände von Nichtmuslimen vollständig ausblenden. Europäische Quellen zeigen sich oftmals voreingenommen und neigen dazu, die osmanischen Realitäten nach ihren eigenen kulturellen Kategorien und Wahrnehmungen darzustellen und zu bewerten.
Jüdische Autoren hingegen vermitteln, unabhängig davon, ob es sich um Berichte osmanischer Untertanen oder europäischer Beobachter handelt, in der Regel ein positiveres Bild des Lebens im osmanischen Reich, zumindest bis zur Krise in den 1660er Jahren. Die Erfahrung der Verfolgung im christlichen Europa, gepaart mit der Überzeugung, dass Juden keine andere Wahl hatten als unter der muslimischen Herrschaft zu leben, hatte einen langanhaltenden Einfluss auf die jüdische Perzeption der osmanischen Herrschaft. So entstanden Narrative zum Paradigma des Millet-Systems, als Regulativ der interreligiösen Beziehungen, zum Paradigma des osmanischen Jochs, unter dem die christliche Minderheit im Osmanischen Reich zu leiden hatte oder zum Paradigma eines Goldenen Zeitalters der jüdischen Minderheit unter den Osmanen. Diese Narrative stehen neben der historischen Deutung des Niedergangs des Osmanischen Reiches im Paradigma des Vertrags von Sèvres, der als Sèvres-Syndrom bis in die heutige Zeit fortlebt oder der Ghazi-These von der religiösen und ethnischen Motivation der Osmanen, ihre christlichen Nachbarn mit Krieg zu überziehen, einem Paradigma, das bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts die Geschichtsbetrachtung dominierte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Hintergrund
- Quellenlage, Quelleninterpretation und historische Narrative
- These
- Religiöse Diversität und Regelung der Konversion im Islam
- Stellung und Bedeutung der Nichtmuslime
- Historischer Hintergrund
- Das türkische Millet-System
- Jüdischer Millet
- Verfolgung und Vertreibung der europäischen Juden
- Gesellschaftliche Stellung der Juden unter osmanischer Herrschaft
- Organisation der jüdischen Gemeinschaft in der osmanischen Stadt vor 1492
- Veränderungen der jüdischen Gemeinschaft im osmanischen Reich mit der sephardischen Einwanderung
- Regelungen im Alltagsleben innerhalb des jüdischen Millets
- Bekleidung
- Regelungen und Vorschriften für das soziale Leben
- Handel und Gewerbe
- Rechtsprechung
- Politische und ökonomische Bedeutung der Juden unter osmanischer Herrschaft
- Jüdische Ärzte im osmanischen Herrschaftssystem
- Jüdische Bankiers
- Jüdischer Einfluss auf Kunst und Kultur
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Stellung und Bedeutung der osmanischen Juden im 15. und 16. Jahrhundert. Sie untersucht, wie die symbiotische Beziehung zwischen den osmanischen Herrschern und dem jüdischen Millet zur „Glanzzeit" des Osmanischen Reiches beigetragen hat.
- Das Millet-System als Regelungsinstrument für interreligiöse Beziehungen im Osmanischen Reich
- Die Rolle der jüdischen Gemeinschaft im osmanischen Handel, Finanzwesen und im politischen System
- Die Entwicklung des jüdischen Millets durch die sephardische Einwanderung nach 1492
- Der Einfluss jüdischer Ärzte, Bankiers und Künstler auf die osmanische Kultur
- Die Ausprägung von Toleranz und Diskriminierung gegenüber Nichtmuslimen im osmanischen Reich
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den historischen Hintergrund und die Quellenlage der Studie. Sie stellt die These vor, dass die symbiotische Beziehung zwischen den osmanischen Herrschern und dem jüdischen Millet die „Glanzzeit" des Osmanischen Reiches von 1450 bis 1600 prägte.
Kapitel 2 widmet sich der religiösen Diversität im Osmanischen Reich und erläutert die islamische Regelungen für Konversionen und die Rolle der Schutzbefohlenen (dhimma). Das Kapitel bezieht sich auf den Koran, die islamische Jurisprudenz und den Umar-Pakt, um den Status und die Behandlung von Nichtmuslimen in der islamischen Gesellschaft darzustellen.
Kapitel 3 beleuchtet die Stellung und Bedeutung der Nichtmuslime im Osmanischen Reich. Es zeigt, wie das türkische Millet-System die Organisation und Verwaltung von Minderheiten regelte.
Kapitel 4 konzentriert sich auf den jüdischen Millet. Es untersucht die Verfolgung und Vertreibung europäischer Juden, die gesellschaftliche Stellung der Juden unter osmanischer Herrschaft und die Organisation der jüdischen Gemeinschaft. Das Kapitel befasst sich mit den Veränderungen durch die sephardische Einwanderung und den Regelungen im Alltagsleben innerhalb des jüdischen Millets. Schließlich beleuchtet es die politische und ökonomische Bedeutung der Juden im osmanischen Reich, insbesondere die Rolle jüdischer Ärzte, Bankiers und ihren Einfluss auf Kunst und Kultur.
Schlüsselwörter
Osmanisches Reich, Jüdisches Millet, Symbiose, Interreligiöse Beziehungen, Millet-System, Schutzbefohlene (dhimma), Konversion, Toleranz, Diskriminierung, sephardische Einwanderung, Handel, Finanzwesen, Kunst, Kultur.
- Arbeit zitieren
- Michael Kuckhoff (Autor:in), 2021, Die Glanzzeit der osmanischen Juden im Goldenen Zeitalter des Osmanischen Reiches von 1450 bis 1600. Erfolge einer symbiotischen Beziehung am Beispiel des jüdischen Millets, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1012992