In der Arbeit wird aufgezeigt, wie der Prozess der Migration der Brasilianer nach Portugal aussieht und reflektiert, in welcher Form und warum sie in der portugiesischen Gesellschaft bis heute des Öfteren Opfer von Diskriminierung sind.
Zunächst werden Hintergründe zum brasilianischen Migrationsstrom nach Portugal dargelegt. In diesem Zusammenhang werden Motive und Profile der Migranten untersucht und am Beispiel der Stadt Porto veranschaulicht. Daraufhin wird mit Hilfe von authentischen Beispielen auf Rassismus und Diskriminierung gegenüber der brasilianischen Community aufmerksam gemacht und mögliche Ursachen dieser herangezogen. Die Arbeit stützt sich auf aktuelle Daten und Zahlen der SEF, lehnt an Berichterstattung in portugiesischen und brasilianischen Medien an, ist von Thesen verschiedenster Soziologen untermauert und wird durch eine selbst durchgeführte qualitative Umfrage angereichert.
Die Umfrage ist im Zeitraum vom 15.09-05.10 in Porto realisiert worden. Sie zielte darauf ab, die Profile und die sozialen Lebensumstände der Brasilianer in Porto zu ergreifen. An der Umfrage haben 22 Personen im Alter von 25 bis 40 Jahren teilgenommen, von denen 14 weiblich und 8 männlich sind. Es ist zu betonen, dass die herangezogene Stichprobe nicht repräsentativ für den allgemeinen Populus in Porto ist, sondern dazu dient, tiefere Einblicke und Hintergründe einzelner Migranten zu gewinnen, um die Realität besser zu verstehen und darstellen zu können. Teile der Resultate werden in die Arbeit miteinbezogen und verglichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Portugal, ein Immigrationsland?
3. Porto als neuer Lebensmittelpunkt
4. Rassismus und Xenophobie
4.1 Brasileiras Não Se Calam
4.2 Brasilianisches Portugiesisch: Você fala brasileiro ?
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Umrage (Blanko)
2. Umrage (Resultate)
1. Einleitung
Während ein Großteil der Migranten1 in Deutschland hauptsächlich aus Osteuropa, der Türkei und dem arabischen Raum kommt, sticht bezüglich der Migration in Portugal ein ganz anderes Land ins Auge. Neben einer hohen Anzahl von Migranten aus dem portugiesischsprachigen Kapverden und der Ukraine, hat sich die Anzahl brasilianischer Migranten im letzten Jahrzent nahezu verdoppelt. Laut Serviço de Estrangeiros e Fronteiras (SEF), dem „Ausländer- und Grenzdienst“, der im Rahmen der Politik der inneren Sicherheit unter anderem die Aufgabe hat, die Migration und Einreise zu verwalten, leben momentan 151.000 Brasilianer und Brasilianerinnen in Portugal, wobei die Dunkelziffer wesentlich höher ist und bei rund 500.000 liegt , was bei einer offiziellen Einwohnerzahl von 10 Millionen 5% wären. Nur Italien hat mehr brasilianische Immigranten. Ein Großteil dieser Migranten konzentriert sich in den Städten Lissabon und Porto. In Porto sind mit 19.703 fast 50% der Migranten Brasilianer. In folgender Arbeit wird aufgezeigt, wie der Prozess der Migration der Brasilianer nach Portugal aussieht und reflektiert, in welcher Form und warum sie in der portugiesischen Gesellschaft bis heute des Öfteren Opfer von Diskriminierung sind. Zunächst werden Hintergründe zum brasilianischen Migrationsstrom nach Portugal dargelegt. In diesem Zusammenhang werden Motive und Profile der Migranten untersucht und am Beispiel der Stadt Porto veranschaulicht. Daraufhin wird mit Hilfe von authentischen Beispielen auf Rassismus und Diskriminierung gegenüber der brasilianischen Community aufmerksam gemacht und mögliche Ursachen dieser herangezogen. Die Arbeit stützt sich auf aktuelle Daten und Zahlen der SEF, lehnt an Berichterstattung in portugiesischen und brasilianischen Medien an, ist von Thesen verschiedenster Soziologen untermauert und wird durch eine selbstdurchgeführte qualitative Umfrage angereichert. Die Umfrage ist im Zeitraum vom 15.09-05.10 in Porto realisiert worden. Sie zielte darauf ab, die Profile und die sozialen Lebensumstände der Brasilianer in Porto zu ergreifen. An der Umfrage haben 22 Personen im Alter von 25 bis 40 Jahren teilgenommen, von denen 14 weiblich und 8 männlich sind. Es ist zu betonen, dass die herangezogene Stichprobe nicht repräsentativ für den allgemeinen Populus in Porto ist, sondern dazu dient, tiefere Einblicke und Hintergründe einzelner Migranten zu gewinnen, um die Realität besser zu verstehen und darstellen zu können. Teile der Resultate werden in die Arbeit miteinbezogen und verglichen.2
2. Portugal, ein Immigrationsland?
Ursprünglich galt Portugal über Jahrzehnte hinweg als ein Land der Emigration. Auf Grund der Bindung zu Brasilien seit der Kolonisierung, der gemeinsamen Geschichte und der daraus resultierenden Nähe zur Kultur und Sprache Brasiliens, hielt die transatlantische Auswanderung bis Mitte des 19 Jahrhunderts an. Auch während der Diktatur Salazars verließen viele Portugiesen das Land, allein im Zeitraum zwischen 1957 und 1974 über eine Million. Indessen kam es Ende der 50er Jahre zu einer Gegenbewegung und die ersten Brasilianer migrierten nach Portugal.
Spätestens seit Portugal 1986 der EU beitrat, ist die Anzahl der brasilianischen Immigranten so stark angestiegen, dass sich von einem Migrationsstrom sprechen lässt, der sich bezüglich der Anzahl der Migranten und der Profile der Migranten in ständigem Wandel befindet:
Ao longo de sua evolução, desde finais dos anos 1970 até os dias atuais, a imigração brasileira para Portugal tem apresentado constantes mudanças. As mais marcantes dizem respeito, principalmente, à expressividade numérica, ao nível de qualificação, ao tipo de inserção laboral e seus níveis de feminização .3
In Anbetracht der Zahlen und Statistiken der brasilianischen Einwanderung lassen sich grob drei Wellen des Stroms erkennen: Während der ersten und kleinsten Welle in den neunziger Jahren kommen hauptsächlich qualifizierte Arbeitnehmer im Bereich Medizin, Marketing, Informatik und Investoren aus Brasilien, um in Portugal zu arbeiten. Knapp zehn Jahre später nach dem der Real innerhalb weniger Wochen fast die Hälfte seines ursprünglichen Werts verloren hatte und die wirtschaftliche Situation Brasiliens sowie die der meisten anderen lateinamerikanischen Länder enorm instabil war, entwickelte sich zur Zeit der Jahrtausendwende eine zweite Welle. Während dieser kamen vermehrt Migranten aus den unteren Gesellschaftsschichten, unter anderem auch illegal und auf der Suche nach Arbeit, darunter Pflegekräfte, Bauarbeiter, aber auch Gastronomen und Hotelangestellte. Außerdem fällt deutlich auf, dass der brasilianische Migrationsstrom von da an zur Feminisierung tendierte. Von einer Feminisierung lässt sich sprechen, da ab diesen Zeitpunkt kontinuierlich mehr Frauen als Männer immigrierten, was auch transatlantische Migrationsströme weiterer lateinamerikanischer Länder charakterisiert. Seit 2007 ist die brasilianische Migrationsgruppe die größte in ganz Portugal (Portugal, 2017). Spätestens ab 2011 kamen aufgrund der Wirtschaftskrise immer weniger Brasilianer nach Portugal und einige kehrten sogar nach Brasilien zurück (Fernandes & Castro, 2013) wo die Wirtschaft florierte (Gomes, 2013).
Von der dritten Immigrationswelle der Brasilianer in Portugal lässt sich ca. ab 2015 sprechen als die Wirtschaft in Portugal sich nach der vorhergegangenen Finanzkrise langsam wieder stabilisierte, während sie sich in Brasilien verschlechterte (Miranda, 2019) (Miranda*, 2014). Seit dem steigen die Zahlen brasilianischer Immigranten stetig an und qualifizierte wie unqualifizierte Arbeiter, jedoch besonders Unternehmer, Investoren und Studenten (Pereira & Esteves, 2017), die in den portugiesischen Universitäten aufgenommen werden kommen in das Land (Araújo, 2017). Im Jahr 2015 wurden 39 Visa für Investoren ausgestellt. Zwei Jahre später waren es bereits 226 (Portugal, 2017). Im gleichen Jahr erreichte die Zahl der Brasilianer die erfolgreich einen portugiesischen Pass beantragt hatten mit 32.945 einen Rekord und einen Anstieg von 64,7% im Vergleich zu 2012 (Miranda*, 2014). Heute sind ein Viertel der Immigranten Brasilianer. Um legal in Portugal zu residieren gibt es verschiedene Visa. Ein Großteil der aktuellen Migranten kommt, zumindest ursprünglich, um zu studieren und beantragt dafür das Studentenvisum (D4 oder D5). Um hierfür in Frage zu kommen, ist die Grundvoraussetzung finanzielle Absicherung nachweisen zu können und ein Immatrikulationsnachweis oder ein Zulassungsbescheid einer portugiesischen Universität zu besitzen, was durch viele Universitätspartnerschaften zwischen Brasilien und Portugal erleichtert wird. Ein weiteres beliebtes Visum ist das Arbeitsvisum (D1), dessen Grundvoraussetzung die Vorlage einer Arbeitszusage oder idealerweise eines Arbeitsvertrages ist. Weitere gängige Visa sind das Visum für Rentner (D7), das Unternehmervisum (D2), ein Visum für hochqualifizierte Fachkräfte (D3-Visum) und das Golden-Visum für Investoren, die in Immobilien investieren (Quintella, 2020). Auch durch Familienzusammenführung ist es möglich nach Portugal zu migrieren und die Staatsbürgerschaft zu erhalten (Promo, 2020). Ein Antrag auf Familienzusammenführung kann die Familie eines portugiesischen Staatsbürgers oder eines Inhabers eines Aufenthaltsvisums stellen (Aram, 2019) (SEF*, 2020). Dank einer Gesetzesänderung im Juli 2017 ist es nun auch für Enkel möglich unter gewissen Bedingungen durch Familienzuführung die portugiesische Staatsbürgerschaft zu erlangen (Miranda*, 2014). Nach Italien ist Portugal das Land der EU-Union, das Brasilianern am häufigsten die Staatsbürgerschaft verleiht (Stand 2017) (Marchao, 2019). Während sich aus den Profilen der ersten und zweiten Migrationswelle größtenteils homogene Muster abzeichnen lassen, sind Profile und Motive der aktuellen dritten Migrationswelle nach Portugal sehr divers. Unter ihnen sind sowohl Angestellte als auch Unternehmer und Investoren sowie Studenten und auch Arbeitslose. Abgesehen davon lassen sich laut Daten der SEF zwei Merkmale über den aktuellen brasilianischen Migrationsstock feststellen: er besteht aus circa 20.000 mehr Frauen als Männern und circa 40% von ihnen sind zwischen 30 und 44 Jahren alt (Stand 2019) (Alvarez, 2019). Darüber hinaus können die Motive, welche für Entscheidung zu migrieren ausschlaggebend sind, unterschiedlich sein und teilweise einen sehr persönlichen Charakter haben. Grundsätzlich gibt die Majorität der brasilianischen Emigranten an, das Land verlassen zu haben, um in einem anderen Land nach einer erhöhten Lebensqualität zu streben. Gleichermaßen in meiner Umfrage gaben 6 der 21 Befragten dies als Grund an. Die Lebensqualität ist, je nach Definition, ein Konstrukt aus weiteren unterschiedlichsten institutionellen Fragmenten wie Sicherheit, Gesundheit, Bildung oder auch Arbeitsmöglichkeiten. Daraus folgend sinkt die Lebensqualität, wenn eines dieser Fragmente nicht stabil ist. Somit haben diese Bausteine in sich auch einen großen Einfluss auf die Migrationsentscheidung (Resp, 2016). Allen voran geht der Sicherheitsaspekt. Für Einige ist die Hauptursache für das Verlassen Brasiliens die perpetuelle Gewalt und politische Instabilität. Brasilien gilt als eines der unsichersten Länder mit der weltweit höchsten Zahl von Morden. Allein 2016 machte die Zahl der in Brasilien registrierten Morde mit 57.395 zirka 13% der weltweiten Morde aus (Goussinsky, 2018). In ganz Brasilien ist die Kriminalitätsrate extrem hoch und viele der Täter bleiben ungestraft. Bei meiner Umfrage gaben vier der 21 befragten an Brasilien verlassen zu haben, um in ein sichereres Land zu emigrieren. Hinzukommend weist der Bildungssektor in Brasilien einige Defizite auf. Folglich sind 27% der Brasilianer, dessen Alter fünfzehn Jahre übertrifft, Analphabeten und das Durchschnittsgehalt eines Lehrers in Brasilien fällt im internationalen Vergleich deutlich niedriger aus (Sonaglio, 2016) (Saldaña, 2020). Die Lebensqualität, die den Brasilianern in Brasilien fehlt, scheinen sie in Portugal zu finden. Vergleichsweise ist Portugal ein sicheres Land und galt 2017 sogar als drittsicherstes Land der Welt (internacional, 2017). Möglich wäre es, dass unter anderem aus diesem Grund mehr Frauen als Männer nach Portugal kommen, vermutet der Rechtsanwalt Luiz Ugeda (Alvarez, 2019). Mildes Klima und, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, niedrige Lebenshaltungskosten locken viele Immigranten. Außerdem erleichtern die Sprache und die Vertrautheit mit der nicht kongruenten, aber ähnlichen Kultur und den Gewohnheiten die Auswanderung der Brasilianer (Quintella, 2020). Unter meinen Befragten gaben 9 an Portugal u.a. gewählt zu haben, weil die Kultur und Sprache ähnlich sei wie in Brasilien. Darüber hinaus schätzen 7 von ihnen die geringen Lebenshaltungskosten (Sonaglio, 2016). Andere weitverbreitete Gründe sind die hohe Bildungsqualität und das vergleichsweise gute Gesundheitswesen (Terron, 2020). Viele Brasilianer kommen nach Portugal, um zu studieren. Seit dem Wintersemester 2008/2009 wurde zum ersten Mal die Zahl der kapverdianischen Studenten von den Brasilianern übertroffen (Fonseca, Pereira, & Ioro, 2016). Andere kommen, um zu investieren. Portugal begann im Jahr 2012 Nicht-Europäern, die Immobilien im Wert von mehr als 500.000 Euro kauften, Aufenthaltsvisa anzubieten. Der Boom im Tourismus und auf dem Immobilienmarkt hat dazu beigetragen, dass die Wirtschaft stark wuchs, was wiederrum mehr Immigranten anzog. Auf dem Immobilienmarkt in der Hauptstadt Lissabon im Süden des Landes und in Porto im Norden sind die Brasilianer bereits die größten ausländischen Investoren (Almeida, 2019).
3. Porto als neuer Lebensmittelpunkt
Natürlich haben auch Brasilianer in Porto unterschiedliche Motive und Profile. Viele von ihnen kommen zum Studieren (6 Befragte in meiner Umfrage). Allein an der Universität Porto erreichte die Zahl der brasilianischen Studenten im akademischen Jahr 2019/2020 2.866, wobei nur die regelmäßig eingeschriebenen Studenten gezählt wurden, d.h. die Studenten, die sich im Austausch befanden wurden nicht in diese Zahl miteinbezogen. Seit 2014 wird die brasilianische Zugangsprüfung Exame Nacional do Ensino Médio (Enem) auch von zahlreichen portugiesischen Universitäten als Zulassungsvoraussetzung akzeptiert (Borges, 2018). Teilweise ist der geforderte NC bestimmter Studiengänge an den portugiesischen Universitäten sogar geringer als in Brasilien. Allein 2018 wurden 1200 brasilianische Studenten und Studentinnen an portugiesischen Universitäten aufgenommen (Alvarez, 2019). Aber auch Arbeitnehmer, Rentner, Familien, Paare etc. aus allen Regionen Brasiliens, insbesondere aus dem Südosten und Nordosten machen Porto zu ihrem Lebensmittelpunkt. Während der Nordosten als eine der ärmsten Regionen Brasiliens gilt, ist der Südosten mit zahlreichen Großstädten wie Sao Paulo, dem Finanz- und Handelszentrum Brasiliens, die wirtschaftlich stärkste Region mit einer wachsenden Mittelschicht und einer sehr wohlhabenden Oberschicht. Demzufolge divergieren auch die Hintergründe und Profile der Migranten aus den teilweise konträren Lebenswelten dieser Regionen. Auch in Porto sind die Mehrheit der Brasilianer, mit einer Zahl von zirka 11.400, Frauen, während die Männer 8.300 sind. Zusammen machen sie, laut Daten des SEF für das Jahr 2019, 47% der in Porto lebenden Migranten aus, denn von den 42.253 ausländischen Bürgern, die in der Stadt leben, sind 19.703 Brasilianer (Stand 2019) (SEF, 2019). Im Vorjahr 2018 waren es hingegen nur 12.994 Brasilianer (Lusa, 2020). Es ist zu bedenken, dass die Zahlen sich nur auf Personen mit Aufenthaltsgenehmigung beziehen und die wahrhaftige Dunkelziffer der Brasilianer in Porto weitaus höher, da einerseits viele bereits die portugiesische Staatsbürgerschaft besitzen und andererseits Weitere illegal im Land leben. Es gibt viele Gründe, warum die Brasilianer Porto anderen Städten vorziehen. Einer der wichtigsten Faktoren sind die Lebenshaltungskosten, welche zum Beispiel im Verhältnis zur Hauptstadt Lissabon deutlich geringer ausfallen. Das betrifft beispielsweise die Mietpreise, die in Porto durchschnittlich 23% billiger als in Lissabon sind und das Essen, welches etwa 10% billiger ist (Numbeo, 2020). Von meinen Befragten sind sich 17 der 21 Befragten sicher, dass sie nicht nach Brasilien zurückkehren wollen. Dennoch gilt für viele Portugal nur als Sprungbrett und Transitland, um in ein anderes Land der EU zu emigrieren (Sanches, 2020).
4. Rassismus und Xenophobie
Rassismus und Xenophobie gehört zum Alltag der Brasilianer dazu und ist, wie auch in weiteren Ex-Kolonialmächten wie Frankreich oder Spanien, ohne Zweifel ein Erbe der Kolonialzeit, in dessen Vorstellungsbild die ehemaligen Kolonien weiterhin als minderwertig und untergeordnet angesehen werden (Silva, 2003). Selbst in frühem Alter erleben Kinder mit brasilianischem Migrationshintergrund schon Diskriminierung in Form von Ausgrenzung (Benito, 2020).
Organisationen wie die CICDR (Comissão para a Igualdade e Contra a Discriminação) (CICDR, kein Datum) haben sich zum Ziel gesetzt den Rassismus zu bekämpfen und dessen Ausübung zu sanktionieren. Laut ihrer Definition bedeutet die Rassendiskriminierung eine Verhaltensweise, die einer Person aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, Rasse oder ethnischen Herkunft direkt oder auf subtile Weise schaden. Formal ausgedrückt bedeutet Rassendiskriminierung jede Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft, […] (CICDR*, kein Datum) . Selbstverständlich sind nicht nur Brasilianer Opfer von Rassismus. Dennoch zeigt der Bericht der CICDR, welcher die Fälle von Diskriminierung dokumentiert, dass in den Jahren 2005-2015 Migranten brasilianischer Herkunft wesentlich öfter Fälle von Diskriminierung gemeldet haben als Migranten anderer Herkunftsländer. Darunter sticht das Jahr 2009 hervor, in dem 30,6% der Meldungen von Brasilianern waren (ACIME/ACIDI/ACM, 2016).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Beschwerden, die zwischen 2005 und 2015 bei der Kommission für Gleichstellung und gegen Rassendiskriminierung (CICDR) eingegangen sind
Doch auch nach 2015 scheinen die Zahlen zu steigen und die Diskriminierung fortzulaufen. Beschwerden über ethnische und rassistische Diskriminierung in Portugal stiegen 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 93,3% . Laut CICDR findet die meiste Diskriminierung am Arbeitsplatz statt. Es folgen Diskriminierung in Bereichen wie Bildung, Medien und Internet, Wohnung und Nachbarschaft, Gesundheitswesen und beim Einkauf (ACIME/ACIDI/ACM, 2016). Die Diskriminierung beruht auf weit verbreiteten Vorurteilen und erfolgt meist in verbaler Form. Oft wird sie aber auch durch nachteilige Behandlung, wie beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, deutlich. Ein Großteil der Vorurteile hat ihren Ursprung während der zweiten Welle der brasilianischen Migration, welche damals von vielen portugiesischen Medien thematisiert wurde. In der Regel reproduzierten die Medien stereotypische und stigmatisierte Aussagen nur über illegale Migration oder gering qualifizierte Migranten und stellten sie in Zusammenhang mit Prostitution und Kriminalität. (Cunha, 2008) (Pontes, 2004) (Oliveira, 2001) auffällig ist, dass parallel zur zweiten Migrationswelle die Zahlen der Abweisung von brasilianischen Migranten bzw. Einreisenden am höchsten war (Peixoto & Egreja, 2012). Eine Korrelation lässt sich allerdings nicht belegen. Wie auch in Deutschland verliert die Migration in den Medien selten ihren negativen Status, statt als Bereicherung respektive Wirtschaft und Kultur eines Landes betrachtet zu werden. Unabhängig ihrer Vorqualifikationen arbeiten brasilianische Männer oftmals in weniger qualifizierten und schlecht bezahlten Jobs, wie z.B. im Baugewerbe, während die Frauen hauptsächlich in Pflegeberufen, als Hausmädchen oder Reinigungskraft fungieren (Peixoto & Egreja, 2012). Dies gilt insbesondere für Migranten der zweiten Migrationswelle. Somit gibt es zum Teil keinen Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveaus und Arbeitseingliederung in Portugal. Dennoch gibt es auch Berufsbilder, welche brasilianische Migranten von anderen Migrationsgruppen in Portugal unterscheiden. Darunter zählen Dienstleistungen für Kunden in Gastronomie, Verkauf und Tourismus. Zudem arbeiten viele Brasilianerinnen sowohl als Angestellte als auch vermehrt als Unternehmerinnen in der Schönheitsbranche (Malheiros, 2007). Unter meinen Befragten wurde aus einer Anwältin in Brasilien eine Studentin in Portugal, aus einer Betriebswirtin eine Barkeeperin und aus einem Betriebswirt ein Industriehelfer. Einige von Ihnen bekommen für die gleiche Menge an Arbeit, weniger Lohn als ihre portugiesischen Kollegen (Miranda**, 2019). Ebenso von den 14 Angestellten meiner 22 Befragten geben 9 an für die gleiche Arbeit weniger Lohn zu erhalten als ihre portugiesischen Kollegen und von ihrem Chef anders behandelt zu werden als ihre portugiesischen Kollegen. Klassische Fälle von Rassismus manifestieren sich bei der Suche nach Arbeit oder einer Wohnung. Viele Brasilianer behaupten, ihnen sei ein Arbeitsplatz oder einen Wohnraum auf Grund ihrer Herkunft nicht zugestanden worden (Alvarez, 2019). Im vergangenen Jahr 2019 gab es neben vielen Fällen von Rassismus einen besonderen Fall von Xenophobie an der juristischen Fakultät der Universität Lissabon. Vorort stand auf dem Flur ein Korb gefüllt mit Steinen unter einem Hinweis mit folgender Aufschrift: Loja de souvenirs: Gratis se for para atirar a um "zuca". (dt. Souvenirladen: Kostenlos, um auf Brasilianer zu werfen.). Dabei ging es wohl hauptsächlich um die Brasilianer, die für einen Platz als Masterstudent angenommen wurden und aus Sicht einiger Konkurrierenden den portugiesischen Studenten Plätze weggenommen hatten (Lusa*, 2019). Bewusst wurde auch der Begriff zuca benutzt, welches eine Abkürzung für das Wort brazuca ist und hauptsächlich abwertend als Bezeichnung für Brasilianer benutzt wird. Laut dem Wörterbuch Priberam wird das Wort auch verwendet, um jemanden als dumm, verrückt oder Trinker zu bezeichnen (Dicionario, kein Datum). Diese Interpretation des Begriffes geht Hand in Hand mit weiteren rassistischen Bezeichnungen für Brasilianer/innen wie macaco (dt. Affe) oder cabra (dt. Ziege) und dem Vorurteil Brasilianer seien von minderer Intelligenz (Miranda, 2019).
Unabhängig von dem Bereich, in dem die Diskriminierung sich äußert, ist festzustellen, dass Brasilianerinnen häufiger unter Diskriminierung leiden als Männer und dass viele Portugiesen Brasilianer aufgrund ihrer Sprache diskriminieren, welche sie als minderwertig oder gar falsch ansehen.
4.1 Brasileiras Não Se Calam
Ser mulher migrante significa estar4 em uma complexa intersecção entre diferentes demarcadores sociais. O racismo, o sexismo, a colonialidade, as desigualdades de classe e a condição de migrante marcam suas vidas. As mulheres migrantes são, por vezes, menosprezadas pelo país de destino e esquecidas pelo país de origem.5
Aufgrund einer Intersektionalität zwischen Geschlecht, Migrationsstatus, Rassismus und Kolonialität leiden besonders Frauen unter der Diskriminierung. Unter Intersektionalität wird an dieser Stelle die Überschneidung und Gleichzeitigkeit von genannten Kategorien verstanden die zur (dadurch verstärkten) Diskriminierung einer Person führen. Sie werden diskriminiert, weil sie Migranten sind und weil sie Frauen sind. Sie werden diskriminiert, weil sie Migranten (Vasconcelos, 2005). Nach diesem Schema gelten Brasilianerinnen, als Evas, als sündhaft, als einfach zu haben und werden auf ihre Sexualität reduziert. Des Öfteren werden sie als Schlampen beschimpft und belästigt (Benito, 2020). Selbst im Live- Fernsehen behauptet eine Teilnehmerin einer Reality-Show im Sommer diesen Jahres, dass die Brasilianerinnen schon mit offenen Beinen geboren werden (Lusa**, 2020) . Misogyne Tendenzen sind weitverbreitetet und offenbaren sich in Form von Vorurteilen, Diskriminierung, aber auch sexueller Belästigung. Das Projekt Brasileiras Não Se Calam verfolgt das Ziel frauenfeindliche Fälle von Diskriminierung und Belästigung offen zu legen und brasilianischen Frauen, die in Portugal schon diskriminiert wurden, oder sexuelle Belästigung erfahren haben, psychologische und juristische Hilfe zu bieten. Auf der Instagram-Seite des Projekts können Brasilianerinnen anonym ihre Erfahrung teilen und sich austauschen. Die Einträge sind unzählig und vermehren sich täglich. Viele brasilianische Migrantinnen berichten neben verbaler Diskriminierung und Erniedrigung auch von sexueller Belästigung. So zum Beispiel folgende zwei anonyme Einträge:
Eu estava andando na rua e um velho me perguntou as horas. quando ouviu meu sotaque segurou meu braço, encostando no meu seio, e pediu ajuda para chegar na próxima rua. eu tentei me soltar e ele disse que queria meu telefone para irmos brincar na casa dele, que ele me daria casa e comida e que iriamos fazer umas brincadeiras muito divertidas.6
Meu ex namorado é português e sofri muito na mão dele. Toda vez que a gente brigava ele falava que eu era uma puta e que toda brasileira é puta e burra. que em Portugal nos so servimos para transar, e que só por esse motivo estava comigo. Foi o pior e o mais abusivo relacionamento que eu já tive.7
[...]
1 Ich beziehe mich bei Verwendung dieses Begriffs auf beide Geschlechter.
2 Anmerkung: die komplette Auswertung befindet sich im Anhang.
3 (zu dt): Während ihrer gesamten Entwicklung, von den späten 1970er Jahren bis heute, hat sich die brasilianische Einwanderung nach Portugal ständig verändert. Die auffälligsten Veränderungen sind vor allem die bezüglich der Anzahl, Qualifizierung, Art der Eingliederung in den Arbeitsmarkt und deren Feminisierung.
4 Zu dt.: Brasilianerinnen schweigen nicht
5 Zu dt.: Eine Migrantin zu sein bedeutet, sich an einem komplexen Schnittpunkt zwischen verschiedenen sozialen Marksteinen zu befinden. Rassismus, Sexismus, Kolonialismus, Klassenungleichheiten und Migrantenstatus prägen ihr Leben. Migrantinnen werden mitunter vom Zielland verachtet und vom Herkunftsland vergessen.
6 Zu dt.: Ich ging die Straße entlang und ein alter Mann fragte mich nach der Zeit. Als er meinen Akzent hörte, hielt er meinen Arm, lehnte sich an meine Brust und bat um Hilfe, um zur nächsten Straße zu gelangen. Ich versuchte mich loszureißen, und er sagte, er wolle, dass meine Nummer damit wir in seinem Haus spielen gehen könnten, dass er mir ein Haus und Essen gebe und dass wir ein paar lustige Spiele machen würden.
7 Zu dt.: Mein Ex-Freund ist Portugiese, und ich habe sehr in seiner Hand gelitten. Jedes Mal, wenn wir uns gestritten haben, sagte er, dass ich eine Hure sei und dass jede Brasilianerin eine Hure und eine Dumpfbacke sei. dass wir in Portugal nur dazu dienen, Sex zu haben, und dass er nur aus diesem Grund mit mir zusammen war. Es war die schlimmste und verletzendste Beziehung, die ich je hatte.