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Seminararbeit, 2020
21 Seiten, Note: 1,2
1 Einleitung
2 Definitionen
2.1 Altersarmut
2.2 Soziale Ausgrenzung
3 Von Altersarmut besonders betroffene Personengruppen
4 Alter als Grund sozialer Ausgrenzung
5 Altersarmut als Grund sozialer Ausgrenzung
6 Fazit
Literatur
Im Jahr 2018 lag der Schwellenwert der Armutsgefährdung für alleinlebende Personen bei 13.628 Euro im Jahr. Das entspricht 1.135,66 Euro im Monat (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2020b). Wer also weniger zur Verfügung hatte, galt nach dem Stand von 2018 als armutsgefährdet. 16 Prozent der Bevölkerung waren derzeit von Armut bedroht. Für Menschen ab 65 Jahren lag die Armutsgefährdungsquote mit 18,2 Prozent über diesem Durchschnittswert (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2020a).
Altersarmut galt in Deutschland als ein weitgehend überwundenes Phänomen. In der letzten Zeit wird dieses Thema allerdings wieder kontrovers diskutiert und verstärkt in der Politik aufgegriffen. Gebrochene Erwerbsbiografien und eine enorme Expansion des Niedriglohnsektors werden unter anderem als Gründe für die Wiederkehr der Altersarmut gesehen (vgl. NOLL/WEICK 2013, S. 113). Eine erhöhte Lebenserwartung und absinkende Geburtenraten lassen vermuten, dass das Rentenversicherungssystem zukünftig an seine Grenzen stoßen wird (vgl. GERULL 2011, S. 191).
Altersarmut bedeutet für die betroffenen Personen weit mehr als nur eine materielle Benachteiligung, da häufig mehrere Problemlagen gleichzeitig bestehen und wechselseitig miteinander verknüpft sind. Einkommensarme ältere Menschen haben oftmals ungünstige Wohnbedingungen, ein höheres Krankheitsrisiko und weniger soziale Kontakte. Von Armut betroffenen Personen wird ein gewisser Lebensstandard verwehrt. Eine vollwertige Teilhabe an der Gesellschaft ist ihnen häufig aufgrund ihres Alters und/oder aufgrund ihrer finanziellen Ressourcen nicht möglich.
Im Rahmen dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden welche Rolle die Altersarmut bei der sozialen Ausgrenzung älterer Menschen in Deutschland spielt. Ältere, sowie von Armut betroffene Menschen stellen heute und auch in Zukunft einen Teil der Klientinnen der Sozialen Arbeit dar. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist unumgänglich, wenn es darum geht die Klientinnen in ihrer spezifischen Lebenslage zu unterstützen. Das Bewusstwerden der Lebenssituation älterer armer Menschen ist auch deshalb nötig, um in Zukunft Bedingungen zu schaffen, die eine solche Situation eindämmen beziehungsweise verhindern können. Mit den Ursachen und Konsequenzen von Altersarmut und sozialer Ausgrenzung werden Sozialarbeiterinnen häufig konfrontiert. Es liegt somit auch an ihnen sozialpolitisch tätig zu werden und in der Gemeinde Bedingungen zu schaffen, die soziale Ausgrenzung reduzieren.
Um Altersarmut besser analysieren zu können, werden zunächst die Begriffe Altersarmut und soziale Ausgrenzung definiert. Im weiteren Verlauf folgt eine Auseinandersetzung mit den von Altersarmut besonders betroffenen Personengruppen. Diese Betrachtung ist wichtig, um ein Verständnis dafür zu erlangen, welche Faktoren zu solch einer Lebenslage geführt haben, welche Personen heute und eventuell auch in Zukunft betroffen sein werden und um eine Übersicht über jene Personengruppen zu erlangen, bei welchen die Soziale Arbeit präventiv ansetzen sollte. In den darauffolgenden Kapiteln werden mögliche Gründe für eine soziale Ausgrenzung näher betrachtet. Als Grund für die soziale Ausgrenzung wird zunächst das Alter und anschließend die Altersarmut näher beschrieben. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, da bereits die Lebensphase Alter, unabhängig von Armut oder Reichtum, zu sozialer Ausgrenzung führen kann, insbesondere dann, wenn gesundheitliche Einschränkungen vorliegen und/oder die Wohnsituation ungünstig ist. Das Kapitel Altersarmut als Grund sozialer Ausgrenzung soll Aufschluss darüber geben, dass die Kombination der Faktoren erhöhtes Alter und Armut soziale Ausgrenzung eher begünstigt, als die alleinige Tatsache von Armut. Abschließend folgt das Fazit, welches rückblickend auf die Kapitel eingeht, Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit beleuchtet und die aktuelle politische Lage in den Blick nimmt.
Um im Folgenden inhaltlich in das Thema der Seminararbeit einsteigen zu können, werden in diesem Kapitel vorbereitend die Begriffe „Altersarmut“ und „Soziale Ausgrenzung“ näher betrachtet und definiert.
Laut der Europäischen Kommission gelten die Menschen als arm, welche über geringe soziale, kulturelle und materielle Mittel verfügen (vgl. REINECKE 2012, S. 35). Aufgrund dieser geringen Mittel sind sie von einer Lebensweise ausgeschlossen, die in dem von ihnen bewohnten Mitgliedsstaat als Minimum definiert wird (vgl. ebd.). Die Lebensweisen sind nicht absolut und können nach Region und Zeit unterschiedlich und komplex ausfallen. Armut hängt somit auch von politischen und sozialen Rahmenbedingungen ab, die politisch und gesellschaftlich gestaltet werden (vgl. HUSTER/BOECKH/MOGGE-GROTJAHN 2018, S. 7).
Altersarmut ist ein Begriff, der schwierig zu fassen ist. Um Altersarmut zu definieren beziehungsweise messen zu können, werden zwei unterschiedliche Ansätze herangezogen. In Deutschland gelten zum einen diejenigen Personen als von Altersarmut betroffen, welche die Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch XII in Anspruch nehmen (vgl. TIEFENSEE 2020, S. 157). Das sind im März 2019 566.411 Personen in Deutschland (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2019). Laut der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt der Regelbedarf für eine alleinstehende erwachsene Person im Jahre 2020 432 Euro. Hinzuzufügen sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung und gegebenenfalls Mehrbedarfe. Um die Leistungen beziehen zu können, muss eine Bedürftigkeit vorliegen (vgl. TIEFENSEE 2020, S. 158). Nach diesem Ansatz gelten jene Personen als arm, die in Haushalten/Bedarfsgemeinschaften leben, in denen das monatliche Einkommen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können und mittels Sozialhilfe aufgestockt werden muss. Das Bedarfsniveau der Grundsicherung liegt aber weitaus unterhalb der Armutsrisikoschwelle (vgl. BÄCKER/KISTLER 2020).
Neben diesem Ansatz bestehen die Kriterien der Europäischen Union, welche die relative Armut bestimmen. Von Armut bedroht gelten demnach Person, „...deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Mittelwertes (Median) aller Einkommen der jeweiligen Gesamt- oder Teilpopulationen beträgt" (BÄCKER/KISTLER 2020). In einer Einkommensverteilung ist der Median derjenige Wert, der in der Mitte liegt. Personen die ein Einkommen unterhalb des Medians beziehen (1.135,66 Euro im Jahre 2018), gelten als arm (vgl. ebd.).
REINECKE äußert diesbezüglich, dass es sich bei der Altersarmut um einen Zustand handelt, den ältere Menschen individuell empfinden können. Auch wenn bestimmte Messgrößen oder Faktoren einen Armutszustand signalisieren, hängt es maßgeblich davon ab, ob die betroffene Person den Mangel als Armutszustand empfindet. In seiner Dissertation definiert er Altersarmut als einen emotionalen, gesundheitlichen, ökonomischen, psychosozialen oder gesellschaftlichen Mangelzustand einer älteren Person. Kennzeichnend für diese ältere Person ist, dass sie sich nach Ende ihres Erwerbslebens aufgrund fehlender Lebensbedingungen, Ressourcen und individueller Fähigkeiten mehrdimensional und dauerhaft in ihrer Selbstständigkeit, Selbstverwirklichung, Menschenwürde und Lebensqualität eingeschränkt fühlt, Armut im Sinne von Ungerechtigkeit, Entbehrung, Gewalt oder Ausgrenzung empfindet, sich in ihrer Würde verletzt fühlt und die eigenen Vorstellungen davon, wie ein gutes Lebens auszusehen hat, nicht selbstständig ausführen kann. Zu den fehlenden Lebensbedingungen und Ressourcen zählen beispielsweise Besitz, Einkommen, Obdach, Kleidung, Freiheit, Schutz, Autonomie, Bürgerrechte, Mobilität, Gesundheit, geistige und körperliche Aktivität, soziale Beziehungen, Bildung, Erholung, gesellschaftliche Teilhabechancen, eine durchschnittliche Lebenserwartung und eine gesunde Umwelt (vgl. REINECKE 2012, S. 230-231).
In dieser Ausarbeitung meint der Begriff „Altersarmut" die finanzielle Armut im Alter. Die gefühlte Altersarmut, die mit subjektiven Gefühlen einhergeht, wird nicht näher in den Blick genommen.
Mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sowie der steigenden Anzahl von in Armut lebenden Menschen ist gleichzeitig eine Zunahme der sozialen Ausgrenzungsrisiken festzustellen. Laut dem deutschen Alterssurvey (DEAS) geben 17,6 Prozent der von Armut betroffenen Menschen an, sich selbst als sozial ausgeschlossen wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu steht der Prozentsatz von Personen, die nicht in Armut leben. Demnach fühlen sich nur 4,9 Prozent sozial ausgeschlossen (vgl. BÖGER/WETZEL/HUXHOLD 2017, S. 280).
Die Europäische Union versteht unter dem Begriff der sozialen Ausgrenzung Benachteiligungen, welche sich in mehreren Lebensbereichen bemerkbar machen. Diese Benachteiligungen gehen über finanzielle Restriktionen hinaus und setzen eine Abwärtsspirale in Bewegung. Materielle Nöte haben dieser Auffassung nach negative Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden und die sozialen Kontakte zufolge. (vgl. BÖHNKE 2002, S. 47). Soziale Ausgrenzung versteht sich außerdem als ein „...Prozess, durch den bestimmte Personen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und durch ihre Armut bzw. wegen unzureichender Grundfertigkeiten oder fehlender Angebote für lebenslanges Lernen oder aber infolge von Diskriminierung an der vollwertigen Teilhabe gehindert werden. Das erzeugt eine Distanz zu den Beschäftigungs-, Einkommens- und Bildungsmöglichkeiten und auch zu den sozialen und gemeinschaftlichen Netzen und Maßnahmen. Sie haben kaum Zugang zu den Macht- und Entscheidungsgremien und fühlen sich daher oft machtlos und außerstande, auf die Entscheidungen, die sich auf ihr tägliches Leben auswirken, Einfluss zu nehmen“ (RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2004, S. 10).
Nach Theobald stellt der Gebrauch des Begriffs „Soziale Ausgrenzung“ in wissenschaftlichen und politischen Debatten ein Konzept dar, das von Multidimensionalität gekennzeichnet ist (vgl. 2008, S. 162). Theobald bezieht sich in ihrem Buch auf Kronauer (1997), um Dimensionen aufzuzeigen, in welchen Ausgrenzungsprozesse vorkommen können. Neben der sozialen Ausgrenzung listet Kronauer die ökonomische, institutionelle, kulturelle und räumliche Ausgrenzung auf. Unter ökonomischer Ausgrenzung kann ein unzureichender Lebensstandard verstanden werden, unter institutioneller Ausgrenzung ein mangelnder Zugang zu Leistungen und Einrichtungen, die der Öffentlichkeit dienen und unter räumlicher Ausgrenzung getrennte Wohngebiete. Die kulturelle Ausgrenzung bezieht sich beispielsweise auf stereotype Erwartungen, die an bestimmte gesellschaftliche Gruppen herangetragen werden und die soziale Ausgrenzung auf eine unzureichende soziale Partizipation und Integration. Soziale Ausgrenzung versteht sich demnach als ein Prozess, in welchem sich verschiedenartige Benachteiligungen entlang der beschriebenen Dimensionen wechselseitig verstärken und mit der Zeit eine mangelnde gesellschaftliche Partizipation bewirken können (vgl. Theobald 2008, S. 162).
Die genannten Dimensionen von Kronauer werden in Kapitel vier und fünf noch einmal aufgegriffen, um zu erläutern welche Faktoren die jeweiligen Dimensionen und somit auch eine soziale Ausgrenzung verstärken.
Da das Alterssicherungssystem in Deutschland vorleistungs- und erwerbsabhängig ausgestaltet ist und eine pauschale, bedingungslose Grundrente nicht gegeben ist, ist eine kurze Auseinandersetzung mit dem Alterssicherungssystem unabdingbar. Im System der Alterssicherung werden drei Säulen unterschieden. Die erste Säule, die eine beherrschende Stellung einnimmt, umfasst die gesetzliche Rentenversicherung. Die zweite Säule stellt die betriebliche Altersvorsorge und die dritte Säule die private Vorsorge dar. Die zweite und die dritte Säule haben im Vergleich zur ersten Säule eine geringe Bedeutung, da etwa zwei Drittel des Einkommens aus den Bezügen der gesetzlichen Rentenversicherung stammen. Daraus wird ersichtlich, dass die gesetzliche Rentenversicherung einen starken Einfluss auf die Einkommenssituation älterer Menschen hat (vgl. BÄCKER/SCHMITZ 2013, S.34).
Im weiteren Verlaufen werden jene Personengruppen näher betrachtet, die aufgrund verschiedener Faktoren nicht ausreichend in die genannten Säulen investieren können und somit Gefahr laufen in die Altersarmut abzurutschen. Zu den Personengruppen mit einem erhöhtem Altersarmutsrisiko zählen einerseits solche, die gegenwärtig über gewisse Risikofaktoren verfügen. Dazu gehören Menschen mit Migrationshintergrund, geschiedene Frauen, Teilzeitbeschäftigte, Langzeitarbeitslose und/oder Geringqualifizierte. Andererseits entstehen, bedingt durch den sozialen Wandel, neue Risikogruppen, welche zukünftig zu den armutsgefährdeten Personen zählen werden. Selbstständige, die sich nicht um eine ausreichende private Altersvorsorge kümmern, sind hierfür ein Beispiel. Diese Personen verfügen für gewöhnlich über geringe Anwartschaften in der ersten Säule, welche der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Ihnen gelingt es meistens nicht die geringen Anwartschaften durch alternative Alterssicherungskomponenten zu ergänzen. Besonders bei Teilzeitbeschäftigten, prekär Selbstständigen und Arbeitslosen ist die Möglichkeit durch die betriebliche Altersvorsorge vorzusorgen eingeschränkt, da diese abhängig ist von dem erzielten Einkommen, der Erwerbsbeteiligung, der Betriebszugehörigkeit und der Branche. Es scheint zudem wenig wahrscheinlich, dass ältere Menschen mit Migrationshintergrund durch eine private Vorsorge die geringen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensieren können. Die Wahrscheinlichkeit ist besonders dann gering, wenn nicht das gesamte Erwerbsleben in Deutschland verbracht wurde (vgl. MOTEL-KLINGE- BIEL/VOGEL 2013, S. 471).
Personen mit Migrationshintergrund sind häufiger von Armut im Alter betroffen, als Deutsche. Gastarbeiter*innen der ersten Generation konnten beispielsweise erst deutlich später in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und haben deshalb oftmals weitaus geringere Einkünfte im Alter (vgl. KÜMPERS/ALISCH 2018, S. 610).
Ein erhöhtes Altersarmutsrisiko weisen überdies Personen auf, die an Umschulungsmaßnahmen teilnahmen, sich in jungen Jahren Sabbatjahre genommen haben und/oder lange Ausbildungszeiten hinter sich haben, da sie dadurch später eine finanzmathematische relevante Altersvorsorge aufbauen konnten (vgl. BENÖLKEN/BRÖHL 2018, S. 66). Eine gute schulische und berufliche Qualifikation kann aber auch das Armutsrisiko verringern. Viele Ausbildungsbetriebe, Hochschulen und Universitäten erwarten einen bestimmten Schulabschluss und eventuell einen gewissen Notendurchschnitt bevor eine Zulassung ausgesprochen wird. Eine gute schulische Qualifikation erleichtert demnach den Zugang zu Berufen mit durchschnittlichen bzw. überdurchschnittlichen Gehalt. Eine berufliche Qualifikation ist deshalb besonders wichtig, da un- und angelernte Arbeiterinnen weitaus weniger verdienen als Fachkräfte (vgl. GEIßLER 2014, S. 2). Personen, die im Laufe ihres Erwerbslebens aufgrund von befristeten Arbeitsverträgen, Leerzeiten aufweisen und sogar Arbeitslosengeld 1 (ALG-I) in Anspruch nehmen mussten, reduzieren ihre spätere Rente. Den Leistungsempfängerinnen von ALG-I werden lediglich 80 Prozent der regulären Rentenanwartschaft angerechnet. Sollte eine Person aufgrund einer zu kurzen Beschäftigungszeit keinen Anspruch auf ALG-I haben, so wird ihr ein Mindestbetrag berechnet. Dies könnte Entgeltpunkte kosten und ebenfalls das spätere Einkommen durch die gesetzliche Rentenversicherung beeinträchtigen (vgl. BENÖLKEN/BRÖHL 2018, S. 66). Personen, die Lücken im Erwerbsleben aufweisen, sei es durch Arbeitslosengeld 2, Erziehungszeiten, Arbeitslosigkeit oder dem Wechsel zwischen einem Angestelltenverhältnis und einer Selbstständigkeit, gehören ebenso zur Risikogruppe für Altersarmut (vgl. REINECKE 2012, S. 38-39).
Der Aufbau einer ausreichenden Altersvorsorge gestaltet sich auch dann schwierig, wenn Personen den Mindestlohn oder sogar weniger für ihre Arbeit erhalten. Auch bei einer lebenslangen Vollzeitbeschäftigung wird das Renteneinkommen im Alter gering bleiben, wenn der Stundenlohn nicht zweistellig wird. Wenn bereits das monatliche Einkommen weniger als 1500 Euro beträgt, so wird der Rentenanspruch vermutlich nicht mehr als 600 bis 700 Euro betragen (vgl. BENÖLKEN/BRÖHL 2018, S. 66-67).
Zukünftig sollen auch weiterhin alleinstehende Personen und Menschen aus dem ehemaligen Ostdeutschland gefährdet sein, da es dort häufiger zu längeren Erwerbsunterbrechungen als im ehemaligen Westdeutschland kommt. Im Vergleich zum ehemaligen Westdeutschland ist die Armutsbetroffenheit im ehemaligen Ostdeutschland fast doppelt so hoch ausgeprägt. Ein weiterer Unterschied lässt sich an dem Umfang von privatem Vermögen festmachen. Das durchschnittliche Nettovermögen von Personen über 65 Jahren liegt im ehemaligen Ostdeutschland bei circa 60.000 Euro. Im ehemaligen Westdeutschland ist dieser Betrag fast doppelt so hoch (vgl. TIEFENSEE 2020, S. 162).
Ein besonderes Augenmerk bei der Betrachtung von Armut gilt vor allem den Frauen. Frauen haben im Gegensatz zu Männern oftmals einen geringeren Verdienst, weniger Pensionsversicherungszeiten und eine geringere Pension. Sie sind häufiger alleinerziehend und in ihren Möglichkeiten hinsichtlich ihres Erwerbslebens eingeschränkt. Zudem sind sie seltener voll erwerbstätig und tragen ein weitaus höheres Risiko der Armutsgefährdung. Das größte Armutsrisiko gilt alleinerziehenden Frauen und alten Frauen. Die schlechte Bezahlung in von Frauen dominierten Berufen und der Einkommens- und Karriereknick durch die Karenzzeit beeinflussen hierbei negativ den zukünftigen Rentenanspruch (vgl. AICH- HORN 2015, S. 14). Ältere Frauen haben zudem häufig in Branchen und Tätigkeitsformen ohne betriebliche Alterssicherung gearbeitet. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass die wenigsten Frauen mit zusätzlichen Einnahmen aus der zweiten Säule rechnen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch eine private Vorsorge die geringen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensieren können ist gering, sofern sie überhaupt in eine private Vorsorge investiert haben (vgl. MOTEL-KLINGEBIEL/VOGEL 2013, S. 471).
Das Alleinleben, insbesondere bei Frauen, erhöht ebenfalls das Risiko in finanzielle Engpässe zu geraten, besonders deshalb, weil die Kompensationsmöglichkeiten verringert sind. Zu finanziellen Schwierigkeiten kann es auch dann kommen, wenn der*die Ehepartnerin verstorben ist (vgl. KÜMPERS/ALISCH 2018, S. 600). Das Alterseinkommen, das dem Mann zufließt, macht meist einen wesentlichen Bestandteil des Haushaltseinkommens aus. Viele Frauen sind deshalb auch im Alter auf die finanzielle Unterstützung ihrer Ehemänner angewiesen (vgl. BÄCKER/KISTLER 2020). Da Frauen durchschnittlich länger leben als Männer, besteht die Gefahr, dass sie über eine längere Zeit der Altersarmut ausgesetzt sind (vgl. REINECKE 2012, S. 51).
Früher orientierten sich die Frauen sehr stark an der Familie. Ihr Lebensmodell war an einem männlichen Allein- bzw. Hauptverdienermodell ausgerichtet. Große Lücken in der Versicherten- und Erwerbsbiografie entstanden demnach durch familien- und ehebedingte Erwerbsunterbrechungen (vgl. KLAMMER 2017, S. 17).
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