2020 berichtete eine Studie aus Berlin, dass Jugendliche, die nicht heterosexuell sind, vergleichsweise häufiger an Depressionen und Ängsten leiden und deutlich suizid-gefährdeter sind. So erkranken beispielsweise 15 Prozent der homosexuellen Jugendlichen an Depressionen, während nur 5 Prozent der heterosexuellen Gleichaltrigen unter der Erkrankung leidet. Diese Zahlen sind bloß ein Beispiel dafür, wie sich die Reaktionen anderer auf das „Anderssein“ auf jegliche Lebensbereiche der Betroffenen auswirken kann. In meiner Schulzeit hatte mein bester Freund durch dieses Verhalten sehr große Probleme mit seiner homosexuellen Orientierung. Die negative Verwendung des Wortes „schwul“, ließ ihn jedes Mal erstarren und für meinen feinfühligen, aufmerksamen aber auch sensiblen Freund wurde der Schulalltag durch Wertungen solcher Art zu einer psychisch belastenden Herausforderung. Durch diese starke tägliche Belastung entwickelte er eine Depression, wendete seinen Kummer nach innen und verletzte sich selbst. Da ich jahrelang in diesen Prozess involviert war, hat das Thema der wertschätzenden Kommunikation und Anerkennung sexueller Vielfalt eine große Bedeutung für mich und stellt in meinen Augen auch heute noch eine große Relevanz im Schulalltag, sowie im alltäglichen Miteinander.
In dieser Arbeit sollen Urteile solcher Art unter dem Blickwinkel der gewaltfreien Kommunikation betrachtet werden. Wie sind derartige Urteile nach Marshall B. Rosenbergs Konzept charakterisiert und wie kann die Gewaltfreie Kommunikation zu einer Besserung in sexualpädagogischen Handlungsfeldern beitragen? Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, wird nun Rosenbergs Handlungskonzept der Gewaltfreien Kommunikation mit anschließendem Schwerpunkt auf moralischen Urteile erläutert. Nach einer darauf folgenden Einführung in das Thema sexueller Vielfalt als sexualpädagogisches Praxisfeld wird untersucht, wie Verurteilungen in diesem Bereich stattfinden und welche Handlungsmöglichkeiten die gewaltfreie Kommunikation für die verschiedenen Akteure bereitstellt. Im Fazit werden die Ergebnisse zusammengetragen und ein Ausblick auf weitere Forschungsfragen gegeben.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation
3 Einführung in die lebensentfremdende Kommunikation
4 Moralische Urteile
5 Moralische Urteile in der sexualpädagogischen Praxis
5.1. Einführung in dieSexualpädagogik.
5.2. Sexuelle Vielfalt.
5.3. Moralische Urteile und Sexualitätsnormen
6 Handlungsmöglichkeiten im Licht der Gewaltfreien Kommunikation
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Das gehört sich nicht für einen Jungen!" „Das ist doch widerlich!" „Du bist falsch!"
Beinahe jeder, der nicht der heteronormativen Ausrichtung der Gesellschaft entspricht, hat Stigmatisierungen wie diese schon einmal erlebt und oftmals schwer mit ihnen zu kämpfen. 2020 berichtete eine Studie aus Berlin, dass Jugendliche, die nicht heterosexuell sind, vergleichsweise häufiger an Depressionen und Ängsten leiden und deutlich suizidgefährdeter sind (vgl. Klocke et al. 2020: 6). So erkranken beispielsweise 15 Prozent der homosexuellen Jugendlichen an Depressionen, während nur 5 Prozent der heterosexuellen Gleichaltrigen unter der Erkrankung leidet (vgl. Schmidt et al. 2015: lOf.). Diese Zahlen sind bloß ein Beispiel dafür, wie sich die Reaktionen anderer auf das „Anderssein" auf jegliche Lebensbereiche der Betroffenen auswirken kann. In meiner Schulzeit hatte mein bester Freund durch dieses Verhalten sehr große Probleme mit seiner homosexuellen Orientierung. Die negative Verwendung des Wortes „schwul", ließ ihn jedes Mal erstarren und für meinen feinfühligen, aufmerksamen aber auch sensiblen Freund wurde der Schulalltag durch Wertungen solcher Art zu einer psychisch belastenden Herausforderung. Durch diese starke tägliche Belastung entwickelte er eine Depression, wendete seinen Kummer nach innen und verletzte sich selbst. Da ich jahrelang in diesen Prozess involviert war, hat das Thema der wertschätzenden Kommunikation und Anerkennung sexueller Vielfalt eine große Bedeutung für mich und stellt in meinen Augen auch heute noch eine große Relevanz im Schulalltag, sowie im alltäglichen Miteinander.
In dieser Arbeit sollen Urteile solcher Art unter dem Blickwinkel der gewaltfreien Kommunikation betrachtet werden. Wie sind derartige Urteile nach Marshall B. Rosenbergs Konzept charakterisiert und wie kann die Gewaltfreie Kommunikation zu einer Besserung in sexualpädagogischen Handlungsfeldern beitragen? Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, wird nun Rosenbergs Handlungskonzept der Gewaltfreien Kommunikation mit anschließendem Schwerpunkt auf moralischen Urteile erläutert. Nach einer darauf folgenden Einführung in das Thema sexueller Vielfalt als sexualpädagogisches Praxisfeld wird untersucht, wie Verurteilungen in diesem Bereich stattfinden und welche Handlungsmöglichkeiten die gewaltfreie Kommunikation für die verschiedenen Akteure bereitstellt. Im Fazit werden die Ergebnisse zusammengetragen und ein Ausblick auf weitere Forschungsfragen gegeben.
2 Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation
Die Gewaltfreie Kommunikation ist ein Handlungskonzept des US-amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg, das mit dem Ziel begründet wurde, eine Verbindung zu anderen Menschen, aber auch zu dem eigenem Erleben, den eigenen Gefühlen und den eigenen Bedürfnissen schaffen (vgl. Bendler, Heise 2018: 20). Zum einen soll mit Hilfe des Konzeptes ein aufrichtiges, wertschätzendes und emphatisches Kommunizieren einhergehen, zum anderen soll die Kompetenz des aufmerksamen Zuhörens und bewussten Antwortens erlernt werden. Rosenberg verwendet in seinem Konzept die Symbolik der Sprache der Giraffe und die des Wolfes als Veranschaulichung von der gewaltfreien, lebensbereichernden Sprache (Giraffensprache) im Gegensatz zu der lebensentfremdenden Sprache (Wolfssprache).
Die Sprache der Giraffe beziehungsweise die gewaltfreie Kommunikationsform lässt sich in einem Prozess mit vier Komponenten beschreiben. Die erste dieser Komponenten ist die Beobachtung, die von den Gefühlen und den Bedürfnissen gefolgt wird und zuletzt von der Bitte abgeschlossen wird (vgl. Rosenberg 2011: 27). Es wird empfohlen, dieses Schema als Werkzeug zu nutzen, um sich auf herausfordernde Gespräche vorzubereiten, zugewandt zu kommunizieren oder um im Nachhinein Konfliktsituationen zu reflektieren (vgl. Bendler, Heise 2018: 20).
Zu Beginn soll die Situation aus einer objektiven Perspektive beobachtet werden und anschließend deren Auswirkungen auf die eigene Lebensqualität ermittelt werden. Auf eine wertfreie und objektive Weise sollen diese Erkenntnisse dann dem Gegenüber mitgeteilt werden (vgl. Rosenberg 2011: 27; Stemmier, Hecker 2017:18). Hier ist es von großer Bedeutung, kurz inne zu halten und nur die aktuelle Lage zu betrachten, ohne vorherige Ereignisse mit einzubeziehen, damit das Gegenüber das Geschehene konkret einzuordnen weiß (vgl. Stemmier, Hecker 2017: 18).
Im zweiten Schritt soll dann kommuniziert werden, welche Gefühle die beobachtete Handlung bei einem selbst auslöst (vgl. Rosenberg 2011: 27). Dazu ist der Zugang zu den eigenen Gefühlen essentiell. Es gilt, diese auf empathische Art und Weise zu ermitteln und Verantwortung dafür zu übernehmen (vgl. Stemmier, Hecker 2017: 18). Oft passiert es, dass bestimmte Handlungen oder Worte Erinnerungen an schlechte Erfahrungen in einem selbst auslösen und somit ungute Gefühle erzeugen, ohne dass diese Kausalität dem Anderen geschuldet oder bewusst ist (vgl. ebda.). Beim Schildern von Gefühlslagen ist es wichtig, diese eindeutig als Gefühle zu beschreiben und nicht als versteckten Vorwurf zu formulieren (vgl. ebda.). Rosenberg nennt hierfür die Schlüsselphrase: „ich fühle mich..." (vgl. ebda.). Der nächste schematische Schritt ist es, dem Kommunikationspartner oder der Kommunikationspartnerin das eigene Bedürfnis mitzuteilen, welches sich hinter diesem Gefühl verbirgt (vgl. ebda.). Sich eigener Bedürfnisse bewusst zu werden und diese zu erkennen hat eine sehr hohe Relevanz und gehört zum Kernelement der gewaltfreien Kommunikation (vgl. Bendler, Heise 2018:19). Nach Rosenberg bildet diese Fähigkeit die Grundlage für vertrauensvolle Beziehungen (vgl. ebda.).
Nachdem das eigene Gefühl identifiziert wurde, fällt es meist leichter, das Bedürfnis dahinter auszumachen und sich darüber bewusst zu werden, dass das Gegenüber meist nicht die Ursache, sondern bloß der Auslöser des Konfliktes in der Situation war (vgl. Stemmier, Hecker 2017: 19). Auch hier findet sich die Bedeutung der Eigenverantwortung wieder, die nun für das eigene Bedürfnis übernommen werden soll (vgl. ebda.).
Zuletzt soll dann aus den ermittelten Gefühlen und dem daraus abgeleiteten Bedürfnis eine spezifische Bitte formuliert werden, welche zum Ausdruck bringt, was in Zukunft für eine verbesserte gemeinsame Lebensqualität getan werden kann (vgl. Rosenberg 2011: 27). So wie bei allen Schritten ist auch hier ist die Art der Formulierung entscheidend (vgl. Stemmier, Hecker 2017:19f.). Denn Ziel ist es nicht, um das Unterlassen von Unerwünschtem zu bitten (= negative Formulierung), sondern das Anliegen so zu formulieren, dass wahrnehmbar wird, was gewünscht und gebraucht wird (=positive Formulierung) (vgl. ebda.).
Das Vorgehen nach diesem Modell bietet sowohl eine große Chance für einen offenen und tiefgehenden Austausch, als auch für die Vor- und Nachbereitung herausfordernder Gespräche oder Situationen (vgl. ebd.: 20). Rosenberg führt zur Orientierung folgende Hilfestellung bei der Formulierung vor: „Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D" (Schäfer 2017: 19). Hat Person A so beispielsweise ein unwohles Gefühl, wenn Person B sich nach dem Einkäufen nicht die Hände wäscht, sollte Person A Verantwortung für das eigene Gefühl übernehmen und sagen: „Wenn du dir nach dem Einkäufen nicht die Hände wäschst, fühle ich mich unwohl, weil ich Sauberkeit brauche. Deshalb möchte ich gerne, dass wir uns von nun an gemeinsam die Hände waschen.".
Neben der gewaltfreien Interaktion mit anderen setzt Rosenbergs Modell einen Schwerpunkt auf die Interaktion mit sich selbst (vgl. ebda.). „Hier ist das Schlüsselwort die Empathie" (ebd.: 21), die eben nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst und für die eigenen Emotionen und Bedürfnisse aufgebracht werden soll.
Die Empathie wird von Rosenberg als Macht oder auch Heilmittel betitelt, um Konfliktsituationen entschärfen zu können, Botschaften richtig deuten zu können, Gespräche wiederzubeleben, nonverbale Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen zu können, aber auch um Menschen eine Stütze durch bloßes Zuhören und verständnisvolles Hineinfühlen zu sein (vgl. Rosenberg 2011:131ff.). Nicht zuletzt soll die Empathie auch für die Wertschätzung und Akzeptanz der eigenen Individualität, den Umgang mit Trauer, Selbstzweifeln und -vorwürfen und die Fähigkeit sich selbst verzeihen zu können ein unentbehrliches Werkzeug darstellen (vgl. ebd.: 147ff.).
3 Einführung in die lebensentfremdende Kommunikation
Die Sprache des Wolfes, auch lebensentfremdende Kommunikation genannt, ist der Gegenpol zu der eben beschriebenen Kommunikationsform. Der gewaltvolle Sprachstil ist dem ursprünglich empathischen Wesen des Menschen ein Feind und verletzt ihn und andere, sofern er angewandt wird. Gemeint sind damit Kommunikationsformen, die an Stelle von Einfühlsamkeit eine verletzende Wirkung haben und den Menschen, der diese Sprache spricht, von seiner einfühlsamen Natur entfremden (vgl. Rosenberg 2011: 37)(vgl. Stemmier, Hecker 2017:12). Die lebensentfremdende Kommunikation „lockt uns in die Falle einer Welt von Annahmen darüber, was richtig und was falsch ist - eine Welt der Urteile" (Rosenberg 2011: 38).
Diese Sprechweise vernachlässigt sowohl die Objektivität in der Beobachtung, als auch den einfühlsamen Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen und ebenso wie die lösungsorientierte Ausformulierung einer Bitte. Auf den Kern der eigenen Gefühle und auch auf die des anderen Parts wird keine Rücksicht genommen. So werden beispielsweise Sätze in Du-Botschaften formuliert, Situationen verallgemeinert oder auch Bezug zu vergangenen, bereits abgeschlossenen Konfliktsituationen gezogen. Einen Menschen für seinen Taten und Handlungen zu verurteilen, statt die darunter verborgenen Bedürfnisse und Gefühle zu erfragen, ist charakterisierend für diese Kommunikationsform (vgl. Stemmier, Hecker 2017:13). Auch weniger augenscheinliche Strukturen lassen sich unter dem Gesichtspunkt der lebensentfremdenden Kommunikation begreifen, wie etwa das Vergleichen einer Person mit Mitmenschen (vgl. ebda). Der Grund für diese Zuordnung ist, dass an dem Gegenüber in dem Moment des Vergleiches eine Form der Beurteilung an dem Maßstab eines Anderen, anstelle seines eigenen, vorgenommen wird (vgl. ebda.).
Kennzeichnend für die gewaltvolle Kommunikationsform ist also der verschlossene Zugang zu den eigenen Bedürfnissen. Dieser führt dazu, dass Gefühle von Frustration oder Ärger nicht identifiziert und entschlüsselt werden können und häufig an andere Menschen in Form von Beleidigungen, Beurteilungen oder Forderungen weiter gegeben werden. Die fehlende Empathie für sich selbst führt somit nicht nur zu einem negativen Wohlbefinden des eigenen Gefühlszustandes, sondern führt zusätzlich zu einem verletzenden Umgang mit anderen Menschen.
Der Aspekt des Einfühlungsvermögens in Gefühle und Bedürfnisse, spielt anders als beim gewaltfreien Sprechen, in der lebensentfremdenden Kommunikation also keine Rolle. Weder die Rücksicht der eigenen Emotionen und Ursachen für deren auftreten, noch das Verständnis für Empfindungen anderer wird aufgebracht. Gewaltvoll zu interagieren impliziert zusätzlich, dass die Verantwortung für verletzende Aussagen oder Taten abgewiesen werden und Ursachen für misslungene Situationen im Umfeld gesucht werden (vgl. ebd.: 14). Diese Argumentation wurde auch von meinen damaligen Mitschülern aufgeführt. Nicht selten kam es vor, dass ich die betroffenen Personen auf ihr Verhalten angesprochen habe. Da die sexuelle Orientierung meines besten Freundes zu dieser Zeit noch von ihm verheimlicht wurde und ich seine Entscheidung respektierte, konnte ich den Mitschülern leider nicht anhand seines Beispiels ihr unüberlegtes Verhalten aufzeigen, konnte sie allerdings daraufhinweisen zu hinterfragen, warum sie eine sexuelle Orientierung als negativ belegtes Adjektiv für jegliche Anlässe nutzten. Oft bekam ich antworten wie: „Die anderen sagen das doch auch alle, warum sollte ich nun damit aufhören?". Auf meinen Hinweis hin, es könne Menschen verletzen, die homosexuell orientiert sind und mitbekommen, dass ihre Sexualität ganz selbstverständlich als Schimpfwort verwendet wird, wurde mir mit den Worten: „es ist ja niemand bei uns in der Klasse der schwul ist, sonst würde ich es auch lassen" geantwortet. Hier lässt sich Rosenbergs Konzept deutlich erkennen, da in diesem Beispiel die Verantwortung des eigenen Verhaltens von sich selbst fort gedrängt und mit dem Gruppenzwang begründet wird. Das Argument, die gewaltvollen Worte würden nicht von der betroffenen Personengruppe gehört werden, kann selbst wenn diese Aussage stimmen würde, trotzdem negative Folgen haben. Da die gewaltvolle Kommunikation, wie bereits beschrieben, nicht nur für die angefeindete Person, sondern auch für den Handlungsakteur lebensentfremdend ist.
4 Moralische Urteile
Eine Unterkategorie der lebensentfremden Kommunikation sind sogenannte moralische Urteile (vgl. Rosenberg 2011: 38). Sie definieren sich durch Verurteilungen, die falsches Verhalten oder falsche Ansichten unterstellen, wenn diese nicht den eigenen Moralvorstellungen entsprechen (vgl. ebda.). Da Rosenberg in seinen Werken die Moral nicht charakterisiert, wird sie hier als Gefüge aus Normen- und Wertvorstellungen gesehen, die das menschliche Denken und Handeln beeinflussen. Bei dem Bewerten von dem als Fehlverhalten definierten Handeln anderer wird sich auf Urteile wie „normal" und „unnormal" oder „richtig" und „falsch" gestützt (Larsson, Hoffmann 95). Ausgehend von den Norm- und Wertvorstellung, die in der jeweiligen Gesellschaft dominieren oder derjenigen, die man selbst verinnerlicht hat, wird das Verhalten des anderen eingeordnet und bewertet (vgl. ebda.). Zu solcher Art der lebensentfremdenden Sprache zählen sowohl Schuldzuweisungen anhand des eigenen Normmaßstabes, als auch Formen des Einordnens von Personen in vorurteilsbehaftete Kategorien anhand eben dieser moralischen Maßstäbe (vgl. Rosenberg 2011: 38).
Moralische Urteile sind nicht allerdings mit Werturteilen gleichzusetzen. Letztere drücken aus, welche Werte jemandem wichtig sind und welcher Überzeugungen diese Person ist, wie beispielsweise „Sauberkeit ist meine Priorität" (vgl. ebd.: 40). Zu einem moralischen Urteil wird dieser Wert erst dann, wenn wir Menschen bewerten, die sich entgegen unserer Wertvorstellungen verhalten. Ein Beispiel dafür wäre dieses Vorgehen: „Sauberkeit ist meine Priorität und da du dir eben nicht die Hände gewaschen hast, bist du einfach nur eklig!" (vgl. ebd.: 40). Anstatt hierbei zu kommunizieren, was im inneren vorgeht, wird die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, den anderen Menschen zu beobachten und sein Fehlverhalten zu identifizieren (vgl. ebd.: 38f.). Moralische Urteile zeichnen sich also dadurch aus, dass definiert wird, was mit den anderen Menschen nicht stimmt, wenn sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten, die nicht den eigenen Werten entspricht (vgl. ebda.).
Ein weiterer Hinweis darauf, dass in einem moralischen Urteilen gesprochen wird, ist, dass nicht konkrete Situationen im Fokus stehen, sondern die Menschen und ihr Verhalten generalisiert beurteilt werden. Diese wertende Verallgemeinerung erfolgt wieder auf Basis der Moralvorstellung und bewertetet entlang des Urteilsschemas der eigenen Auf- fassungvon „richtig" und „falsch" (vgl. Dietl 2015: 75).
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