Der Deutsch Reichstag - Sitz des Bundestages
Entstehungszeit: Neubau 1884-1894 Umbau von 1995-1999
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Bei der rasanten Entwicklung Berlins zur Hauptstadt musste die Architektur bald zum Ausdruck eines nationalen und reprä- sentativen Selbstgefühls werden. Bei der architektonischen Umsetzung dieses Ziels half die freistehende Lage, die durch die Verwendung von barocken Elementen und Formen der Renaissance zu einer Monu- mentalisierung führt.
Für den dreigeschossigen, rechteckigen Bau, der in sich geschlossen und zur Mit- telachse symmetrisch ist, verwendete Paul Wallot, Architekt des ursprünglichen Reichtagsgebäudes, geschossübergreifen- de, antik wirkende Säulen und einen stark plastisch wirkende Risalit. Das Zentrum bildet der Sitzungssaal, über dem sich die aus einer Eisen-Glas-Konstruktion beste- hende Kuppel erhob. Die 75 Meter hochra- gende Kuppel wurde damals als ein archi- tektonisches Meisterwerk angesehen und stand für die Transparenz der neuen Werte. Vervollständigt wurde die pompöse Archi- tektur durch mit Figurenschmuck und an- deren Dekorationselementen überladene Fassaden. Für den Bau wurden vor allem Natursteine wie Sandstein, Granit, Kalk- stein und Marmor verwendet.
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Der Umbau durch den Architekten Foster stand ganz im Motto des Themas: ,,Altes erhalten - Modernes gestalten". Er wollte ein Gebäude schaffen, das dem Wesen eines Parlamentes angepasst ist. Es soll die Geschichte des Reichstagsgebäudes res- pektieren und zukunftsweisende Architek- tur repräsentieren, dabei aber die Bedeu- tung des Gebäudes, als Symbol für die Demokratie nicht vergessen und wieder aufgreifen.
Das ursprünglich Reichstagsgebäude ist in der Epoche des Historismus gebaut. Hito- rismus (lat.: Geschichte) ist der Stil, in dem in der Kunst und Architektur historische Stile wieder zum Leben erweckt werden sollten. Seinen Vertretern wird Einfallslo- sigkeit und Beliebigkeit der Ausdrucksmit- tel vorgeworfen, die aus einer Angst vor dem Fortschritt resultieren. Der allgemeine Geschmack galt als Maß der Dinge.
Die Achtung vor dem Geist eines entspre- chenden Stiles hatte die Folge, dass auf handwerklicher Genauigkeit besonders Wert gelegt wurde. Dies hatte wiederum zur Folge, dass es zur Stereometrik und tektonischen Klarheit kam, die dem Bau oftmals die „Seele“ raubte. Während für Kirchen, Schlösser, Rathäuser und Wohn- häuser gotische Elemente verwendet wur- den, wurden Kulturbauten wie Theater, Opernhäuser oder Museen häufig im Stil der Renaissance erbaut. Reiche Bürger ließen ihre repräsentativen Häuser im ba- rocken Stil errichten. Der Historismus hat- te seine Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1840 - 1900). Der Reichstag in Berlin gilt als Bauwerk der Neorenaissance.
Der Reichstag solle die hergestellte Einheit des Volkes auch die Gesamtheit seiner Vertretung zur Erscheinung bringen. Er galt hauptsächlich als Zeichen der Demo- kratisierung, welches sich am Beispiel Phi- lipp Scheidemann zeigen lässt, der am 9. November von dort die Republik ausrief. Auch Bismarck hatte durch die Sozialge- setze und das allgemeine Wahlrecht einen Demokratisierungsschub für Deutschland gebracht.
Seit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 war die Zukunft des 100 Jahre alten Parla- mentsgebäudes gesichert. Rasch entschied man sich, das neue deutsche Regierungs- viertel in der Umgebung des Reichstages anzusiedeln, wobei der Reichstag die zent- rale Funktionen des Regierens und der Politik einnehmen sollte. Dieser sollte in seiner Konstruktion zu einem Wahrzeichen der Stadt verwirklicht werden. Es galt, ein Parlaments- und Regierungsviertel zu schaffen, das die demokratische Staatsform durch seine Architektur repräsentieren soll- te. Es sollte den Parlamentariern nicht nur optimale Arbeitsbedingungen bieten, son- dern darüber hinaus auch Ort einer transpa- renten, volksnahen Politik sein.
Das Reichtagsgebäude sollte also zu einem modernen Arbeitsparlament umgestaltet werden, das allen Anforderungen an neuste Kommunikations-, Büro- und Arbeitsplatz- techniken entspricht. Gleichzeitig wurden unter Wahrung der ursprünglichen Bau- substanz, Gebäudestrukturen von Paul Wallot freigelegt und die Geschichte des Gebäudes gewahrt.
Die Glaskuppel sollte jedoch nicht die ur- sprüngliche, historische Form enthalten, sondern eine Kuppel der Architektur des ausgehenden 20. Jahrhunderts werden. Die Umstrukturierung hinsichtlich der neuen Aufgaben im vereinten Deutschland sollten sich in dieser Architektur wiederspiegeln. Deswegen musste von einer Rekonstrukti- on der historischen Kuppel unbedingt ab- gesehen werden, philosophische und öko- nomische Gründe stehen im deutlichen Wiederspruch zu diesem Gedanken. Sie könnte ansonsten nicht als Symbol der Entwicklung und des Fortschritt stehen.
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Die Kuppel sollte zusätzlich drei Funktio- nen erfüllen: Die Besucherplattform lädt zu einem Rundblick über Berlin ein; zugleich sorgt ein licht- und lüftungstechnisches Kegelelement in der Glas- und Stahlkon- struktion der Kuppel für natürliche Belich- tung und Belüftung. Und schließlich ver- hilft die von innen beleuchtete transparente Kuppel der Bundeshauptstadt Berlin zu einem neuen Wahrzeichen.
Die modern gestaltete Kuppel setzte als ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich das Reichtagsgebäude zum Sitz des Deutschen Bundestages entwickelt hat.
Bevor allerdings mit der Realisierung be- gonnen werden konnte, musste auch Foster seine Planungen gemäß den Wünschen des Bauherrn, des Deutschen Bundestages, „korrigieren“.
Neben vielfach überarbeiteten Raumkon- zepten wurde vor allem der Außenbereich erheblich verändert: Das ursprünglich vor- gesehene, auf zwanzig Stützen ruhende Dach, das fast das gesamte Reichstagsge- lände überspannen sollte, sollte nicht mehr verwirklicht werden.
Der Grundgedanke diese Konzeptes war es, da der Reichstag in der Vergangenheit zum Schauplatz von Versammlungen im Freien geworden ist, dieses Element auf- zugreifen. Diese „Freiheit“ sollte nun auch dem Parlament zu Teil werden, indem über dem Parlamentsbereich kein unmittelbares Dach mehr zu finden war. Dabei wurde auch ökologische Faktoren, wie die Ener- giegewinnung und die natürliche Licht und Belüftungsquelle beachtet und verwirk- licht.
Bei der zweiten Entwicklungsphase hatte jedoch ein erheblich verringertes Raum- programm neu Entwürfe gefordert. Des- gleichen wurden mehrere andere Varianten der Dachbekrönung verworfen, bis schließ- lich im März 1995, nach exakter Recher- che, ein parlamentarischer Beschluss zu- gunsten einer gläsernen, begehbaren Kup- pel gefasst wurde.
Im Entwurf Norman Fosters ist eine reiz- volle Verbindung aus Altem und Neuem gelungen. Als wesentlich empfand dieser, das der demokratische Prozess sichtbar und zugänglich gemacht wurde. Aus diesem Grund nehmen öffentliche Bereiche einen erheblichen Raum ein.
Der Architekt erwies sich im Umgang mit der historischen Bausubstanz als ebenso innovativ, wie in der technischen und öko- logischen Konzeption. Norman Fosters Planungen zufolge wurden die gesamte ursprüngliche Gebäudestruktur freigelegt.
Der rundum verglaste Plenarsaal auf einer Grundfläche von 1.200 m2, mit elliptischer Sitzordnung bei ansteigendem Saalboden, bildet wie früher auch das Zentrum des Gebäudes.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Reichstagsgebäude und wann wurde es gebaut?
Das Reichstagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages, wurde ursprünglich von 1884 bis 1894 erbaut und von 1995 bis 1999 umgebaut.
Welche architektonischen Stilelemente wurden beim Bau des ursprünglichen Reichstagsgebäudes verwendet?
Der ursprüngliche Bau, entworfen von Paul Wallot, verwendete barocke Elemente und Formen der Renaissance, um eine Monumentalisierung zu erreichen. Es wurden geschossübergreifende Säulen, Risalite und eine Kuppel aus Eisen-Glas-Konstruktion verwendet. Die Fassaden waren mit Figurenschmuck und Dekorationselementen überladen. Natursteine wie Sandstein, Granit, Kalkstein und Marmor wurden hauptsächlich verbaut.
Was war das Motto des Umbaus durch Norman Foster?
Das Motto des Umbaus war: "Altes erhalten - Modernes gestalten". Foster wollte ein Gebäude schaffen, das dem Wesen eines Parlaments entspricht, die Geschichte des Reichstagsgebäudes respektiert und zukunftsweisende Architektur repräsentiert, wobei die Bedeutung des Gebäudes als Symbol für die Demokratie nicht vergessen werden sollte.
In welcher Epoche wurde das ursprüngliche Reichstagsgebäude gebaut?
Das ursprüngliche Reichstagsgebäude wurde in der Epoche des Historismus gebaut, einem Stil, in dem historische Stile in Kunst und Architektur wiederbelebt wurden.
Welche Bedeutung hatte der Reichstag im Kontext der Demokratisierung Deutschlands?
Der Reichstag sollte die Einheit des Volkes und seine Vertretung repräsentieren und galt als Zeichen der Demokratisierung. Philipp Scheidemann rief am 9. November von dort die Republik aus.
Welche Rolle spielt der Reichstag im Berliner Regierungsviertel?
Seit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 wurde das neue deutsche Regierungsviertel in der Umgebung des Reichstages angesiedelt, wobei der Reichstag die zentrale Funktion des Regierens und der Politik einnimmt.
Welche Anforderungen wurden an den Umbau des Reichstags gestellt?
Der Reichstag sollte zu einem modernen Arbeitsparlament umgestaltet werden, das allen Anforderungen an neueste Kommunikations-, Büro- und Arbeitsplatztechniken entspricht. Gleichzeitig sollten die ursprüngliche Bausubstanz und die Gebäudestrukturen von Paul Wallot bewahrt und die Geschichte des Gebäudes gewürdigt werden.
Warum wurde auf eine Rekonstruktion der historischen Kuppel verzichtet?
Auf eine Rekonstruktion der historischen Kuppel wurde verzichtet, da die neue Kuppel die Umstrukturierung hinsichtlich der neuen Aufgaben im vereinten Deutschland widerspiegeln sollte und als Symbol der Entwicklung und des Fortschritts dienen sollte.
Welche Funktionen hat die Glaskuppel des Reichstags?
Die Kuppel hat drei Funktionen: eine Besucherplattform mit Rundblick über Berlin, ein licht- und lüftungstechnisches Kegelelement für natürliche Belichtung und Belüftung, und sie dient als neues Wahrzeichen der Bundeshauptstadt Berlin.
Welche Veränderungen wurden an den ursprünglichen Planungen Norman Fosters vorgenommen?
Neben vielfach überarbeiteten Raumkonzepten wurde vor allem der Außenbereich verändert. Das ursprünglich vorgesehene, auf zwanzig Stützen ruhende Dach, das fast das gesamte Reichstagsgelände überspannen sollte, wurde nicht verwirklicht.
Wie wurde der demokratische Prozess im umgebauten Reichstag sichtbar und zugänglich gemacht?
Der Architekt Norman Foster empfand es als wesentlich, dass der demokratische Prozess sichtbar und zugänglich gemacht wurde. Aus diesem Grund nehmen öffentliche Bereiche einen erheblichen Raum ein. Das Innere des Gebäudes wurde offener gestaltet und es wurden Besuchertribünen hinzugefügt.
Wie ist der Plenarsaal im umgebauten Reichstag gestaltet?
Der rundum verglaste Plenarsaal auf einer Grundfläche von 1.200 m2, mit elliptischer Sitzordnung bei ansteigendem Saalboden, bildet das Zentrum des Gebäudes.
Welche weiteren Bereiche gibt es im Reichstagsgebäude?
Ein Zwischengeschoss mit Tribünen und Informationsräumen ermöglicht Besuchern die Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages. Das zweite Obergeschoss beherbergt den Bundestagspräsidenten, den Ältestenrat und die Bundestagsverwaltung. Im dritten Obergeschoss befinden sich die Fraktionssäle und die Presselobby. Von der Dachterrasse aus erreicht man die öffentlich zugängliche Aussichtsplattform der Kuppel und ein Restaurant.
- Arbeit zitieren
- B. Völler (Autor:in), 2001, Der Reichstag - Sitz des Bundestages, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/101015