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Wissenschaftlicher Aufsatz, 2021
3 Seiten, Note: 15
Das Gedicht „Maifest“ von J.W. Goethe (später auch „Mailied“ betitelt) erschien 1775 und ist der Epoche des Sturm und Drang zuzuordnen.1 Thema des Gedichts ist die Wechselwirkung zwischen Naturerfahrung und Liebesgefühlen anhand eines konkreten Erlebnisses.
In „Maifest“ wird eine offensichtlich noch frische Liebesbeziehung zwischen dem lyrischen Ich und einem Mädchen gestaltet. Der Sprecher befindet sich schon morgens in der Natur und erfreut sich am sonnigen Frühlingswetter, bevor er dort auf die Geliebte trifft.
Das Gedicht umfasst neun Strophen á vier Zeilen, wobei sich nur der zweite und der vierte Vers (außer in Strophe 2) reimen. Man kann diese neun Strophen inhaltlich in drei Sinnabschnitte untergliedern: In den ersten drei Strophen beschreibt das lyrische Ich die Schönheit der vom Frühling zu neuem Leben erweckten Natur mit schwärmerischen Worten. So „leuchtet, glänzt, lacht“ die Natur in Strophe 1), während das lyrische Ich in der zweiten Strophe sein Augenmerk auf die üppige Blütenpracht und das lebendige, vielstimmige Vogelgezwitscher in den Büschen und Sträuchern lenkt. Die Gefühle, die diese Naturerfahrungen beim Sprecher, ja allen Menschen, auslösen, werden in Strophe 3 mit „Freud“ und „Wonne“ konkret benannt. Es besteht also eine direkte Verbindung zwischen „Erde“ und „Sonne“ auf der einen und „Glück“ und „Lust“ der Menschen auf der anderen Seite.
In den Strophen 4 und 5, die mit dem Ausruf: „O Lieb, o Liebe!“(Str. 4 / Vers 1) beginnen, wird mit der Liebe der Grund für die euphorische Verfassung des lyrischen Ichs genannt. Verklärt durch die Liebe, in Strophe 4 direkt mit „Du“ angesprochen, wird die Natur als noch schöner: „golden schön“ und „herrlich“, ja als „gesegnet“ und quasi göttlich wahrgenommen. Damit spiegelt die Natur die Gefühle des Sprechers und intensiviert sie auf diese Weise.
Die Strophen 6 – 9 beziehen sich nicht mehr nur auf die Liebe allgemein, sondern konkret auf die Beziehung des Sprechers zu seinem Mädchen, das nun direkt angesprochen wird. In Strophe 6 wird deutlich, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht: „Wie lieb ich dich!“ – „Wie liebst du mich!“, während in Strophe 7 die Natur als Vergleich herangezogen wird, um dieser Liebe Ausdruck zu verleihen: „So liebt die Lerche…“
In Strophe 8 endet der Vergleich mit dem „warmen Blut“ des lyrischen Ichs, das schließlich die Auswirkungen dieser Verliebtheit für es selbst in Form von „Jugend, Freud und Mut zu neuen Liedern und Tänzen“, also Inspiration und Kreativität nennt.
In den letzten beiden Zeilen der neunten Strophe wünscht der Sprecher dem Mädchen ein immer währendes Glück - solange sie ihn liebt. Die Geliebte soll den Moment der Verliebtheit und des Glücks quasi für die Ewigkeit festhalten.
Der Titel „Maifest“ passt zum einen, weil im „Wonnemonat Mai“, wie im Gedicht beschrieben, nicht nur die Natur zu neuem Leben erwacht, sondern auch die Menschen diese Erneuerung in Form von frischen und starken Liebesgefühlen wahrnehmen. Dieser neue Schwung bringt Mensch und Natur in festliche Stimmung bzw. in euphorische Feierlaune, die sich in der Sprache des Gedichts manifestiert.
Bei der Wortwahl fällt zunächst auf, dass nur positiv konnotierte Nomen, Verben und Adjektive in dem Gedicht vorkommen. Nomen wie „Freud, Wonne, Glück, Lust, Liebe, Jugend, Gesang, Freud, Mut, Liedern, Tänzen … „ werden mit ausdrucksstarken Verben wie „leuchtet, glänzt, lacht, segnest, liebst …“ und schwärmerischen, teils hyperbolischen Adjektiven wie „herrlich (2x), tausend, golden, frisch, voll, warm, ewig“ kombiniert. Die hierdurch erzeugte Stimmung lässt sich als beschwingt, ja enthusiastisch und überschwänglich beschreiben. Komposita wie „Morgenwolken, Blütendampfe, Morgenblumen, Himmelsduft“, die allesamt Wortschöpfungen darstellen, zeigen, wie der Sprecher vor Begeisterung um Worte ringt, um das durch die Liebe verstärkte Frühlingserlebnis zu beschreiben.
Im Bereich Satzbau fallen auf den ersten Blick die vielen Ausrufe ins Auge, die sich fast in jeder Strophe finden (z.B. Str. 3 / V 4-5) und mit denen wirkungsvoll das Hervorbrechen der starken Glücks- und Liebesgefühle dargestellt wird. Besonders zentrale Begriffe werden am Anfang neuer Sinnabschnitte sogar doppelt genannt: „O Lieb, o Liebe“ (Str. 4 / V1) und „O Mädchen, Mädchen“ (Str. 6 / V 1).
Häufig bedient sich der Verfasser des Enjambements (z.B. von Vers 2 zu 3 in Strophe 2), wobei teilweise, z.B. gegen Ende des Gedichts, sogar Zeilensprünge von Strophe zu Strophe festzustellen sind (siehe Strophe 8/9). Die intensiven Gedanken und Gefühle lassen sich offenbar nicht in vorgegebene Zeilen pressen, sondern fließen über die Versgrenzen hinweg.
Weitere Beispiele für eine besonders ausdrucksstarke Sprache sind die vielen Wortwiederholungen, sei es in Form von Anaphern (Str. 1 und Str. 6 „Wie …“) oder in Form von direkt aufeinander folgenden Wortdoppelungen (Str. 4 O Lieb, o Liebe und Str. 6: O Mädchen, Mädchen), die meist als Ausrufe enden.
Durch die Verwendung von vielen Vergleichen und Personifikationen, die allesamt der Natur entstammen, bringt das lyrische Ich dem Leser sein ganz persönliches Empfinden in anschaulichen Bildern nahe: „wie herrlich leuchtet mir die Natur“ (Str. 1 / V.1-2). Die Flur „lacht“ den Sprecher buchstäblich an und dieser liebt sein Mädchen wie „die Lerche Gesang und Luft / Und Morgenblumen / Den Himmelsduft!“ (Str 7, V.1-4). Immer wieder drückt der Verfasser die Schönheit der Liebe durch Vergleiche mit der Natur aus.
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1 Goethe, Johann Wolfgang: „Maifest“ aus: Sämtliche Werke. Bd.2: die Gedichte 18oo-1832. Hrsg. von Karl Eibl. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a.M. S.47f.