Inhalt
1.Einleitung
2.Technologieakzeptanz in Deutschland im Allgemeinen und der Gentechnik im Speziellen
2.1 Allgemeine Technikakzeptanz
2.2 Akzeptanz der Gentechnik im Allgemeinen
2.3 Akzeptanz der Anwendungsfelder der Gentechnik in der Bevölkerung
3. Urteilsbildung zur Gentechnik
3.1 Beeinflussung der Urteile zur Gentechnik durch die Medien
3.2 Objektives und subjektives Wissen als Basis von Gentechnikbewertungen
3.3 Die Schule als meinungsbildende Instanz?
3.4 Naturbilder als Einflussfaktor bei der Meinungsbildung
3.5 Risikowahrnehmung und Nutzenkalküle
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung
Am 26.06.2000 gaben führende Mitarbeiter des mitöffentlichen Geldern geförderten internationalen Human-Genome-Projektes (HUGO), sowie die Firma Celera Genomics auf beinahe zeitgleich stattfinden Pressekonferenzen bekannt, dass man - unabhängig voneinander - das menschlichen Humangenom beinahe vollständig entschlüsselt habe.
Das Medienecho auf diese Bekanntmachung war gewaltig. Allein in Deutschland gab es von BILD bis TAZ kaum eine Zeitung, bei der die Nachricht nicht die Topmeldung des Tages gewesen wäre. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schließlich veröffentlichte auf sechs Seiten ihres Feuilletons nichts als Sequenzen des Genoms (FAZ vom 27.06.2000). Obgleich die Bestrebungen, das menschliche Genom zu entschlüsseln keineswegs neu noch unbekannt waren, erreichten in Folge der Veröffentlichungen die Diskussionen um den Sinn oder Unsinn der Gentechnik einen weiteren Höhepunkt.
Schon seit den Anfängen dieser verhältnismäßig neuen Technologie findet in deröffentlichkeit eine kontroverse Auseinandersetzung statt, die immer dann besonders vehement geführt wird, wenn ein weiterer wissenschaftlicher Fortschritt vermeldet wird (z.B. die erste komplette Entschlüsselung des Erbgutes einer Pflanze, der erste gelungene Klonvorgang bei Tieren, die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen oder Nahrungsmittel). Befürworter sehen ein enormesökonomisches und wissenschaftliches Potential in der Gentechnik, oder gar einen entscheidenden Schritt hin zur Lösung aller gesundheitlichen und ernährungstechnischen Probleme der Menschheit. Die Gegner sehen in der Gentechnik dagegen eine gewaltige unkalkulierbare Gefahr, die besser nicht weiter heraufbeschworen werden sollte.
Fakt ist, dass von einer Verständigung der Bevölkerung im Bezug auf die Gentechnik weniger denn je die Rede sein kann, scheinbar stehen sich Gegner und Befürworter eher immer unversöhnlicher gegenüber.
Pauschalisierungen, die der Bevölkerung eine grundlegend negative Einstellung zur Gentechnik oder gar eine generell technikfeindliche Grundhaltung unterstellen, wirken in diesem Zusammenhang eher kontraproduktiv, da sie die bestehenden Fronten eher verhärten als auflösen.
Um die Frage zu klären, wie man den Konflikt um die Gentechnik entschärfen oder gar lösen könnte (so dies überhaupt möglich sein sollte), benötigt man in aller erster Linie Wissen über die Hintergründe, auf deren Basis ein Individuum die Gentechnik beurteilt. Wie fallen die grundlegenden Einstellungen zur Gentechnik aus, wie kommen sie zustande und wie werden diese Einstellungen beeinflusst? Von welchen Faktoren ist es abhängig, ob eine Person die Gentechnik befürwortet oder ablehnt? Ansätze hierzu werden im Folgenden behandelt.
2. Technologieakzeptanz in Deutschland im Allgemeinen und der Gentechnik im Speziellen
2.1 Allgemeine Technikakzeptanz
Das Institut für Demoskopie in Allensbach führt in regelmäßigen Abständen eine Studie zur Technikakzeptanz in Deutschland durch. Eine der dort eingesetzten Fragen lautet: ,,Glauben Sie, dass die Technik alles in allem eher ein Segen oder ein Fluch für die Menschheit ist?"1. Da diese Umfrage schon über einen sehr langen Zeitraum durchgeführt wird, lassen sich damit Verläufe der Technikakzeptanz in der Bevölkerung sehr gut darstellen:
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Abb. 1: Technik: Fluch oder Segen?
Quelle: Zwick; 1998; S. 8
Aus diesem Schaubild lässt sich ablesen, dass diejenigen, die Technik für einen ,,Segen" halten, zu jedem Zeitpunkt eine größere Gruppe bilden, als diejenigen, die Technik als ,,Fluch" klassifizieren. Es ist jedoch eine deutliche Zunahme derer festzustellen, die eine ambivalente Einstellung zur Technik an sich einnehmen.
Der verhältnismäßig große Grad der Technikablehnung im Jahr 1986 lässt sich mit dem Atomunglück von Tschernobyl erklären - allerdings zeigt sich schon an den Werten von 1987, dass diese Steigerung der Ablehnung von Technik nur von kurzer Dauer war. Außerdem darf vermutet werden, dass lediglich die Akzeptanz der Kernenergie gesunken ist (wogegen die anderen Technologien weiterhin positiv bewertet werden), dieses Urteil über die Kernenergie jedoch die Umfrageergebnisse beeinflusste [vgl. Zwick; 1998; S. 9].
Zwar lässt sich mit solchen Daten die These einer generelle Technikfeindlichkeit sehr schnell widerlegen, es können jedoch keine Schlüsse auf unterschiedliche Technologien gewonnen werden. Ein hoher Anteil von Menschen, die in Technik einen ,,Segen" sehen besagt nicht, dass die Bewertung einzelner Technologien ebenso durchweg positiv ausfällt. Exemplarisch lässt sich dies mit einem Schaubild belegen, das auf den Daten des Biotech- Surveys der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg im Jahr 1997 [Hampel, J. at Al.; 1997] beruht:
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Abb. 2: Bewertung unterschiedlicher Technologien Quelle: Hampel, Renn; 1998; S. 5 Ausgangspunkt war hier die Frage, ob von den entsprechenden Technologien in den folgenden 20 Jahren eher Verbesserungen oder Verschlechterungen zu erwarten seien, oder ob sie keinen Einfluss haben [vgl. Hampel, Renn; 1998; S. 4].
Es zeigt sich ein stark differenziertes Bild. Während über 80% der Befragten von der Solarenergie starke Verbesserungen erwarten, so schrumpft dieser Wert bei der Einschätzung der Gentechnik massiv. Lediglich 32% erwarten hier deutliche Verbesserungen. Der Anteil derer, die dagegen eine Verschlechterung erwarten, liegt bei etwa 36%. Ganz offensichtlich wird die Gentechnik im Gegensatz zur Solarenergie oder Telekommunikation als ,,Risikotechnologie" wahrgenommen und entsprechend zurückhalten beurteilt.
2.2 Akzeptanz der Gentechnik im Allgemeinen
Betrachtet man das Globalurteil ,,Bewertung der Gentechnik" (Abb. 3), so lässt sich deutlich erkennen, dass die Befragten nur in den seltensten Fällen eine klare Meinung zur Gentechnik vertraten. Die meisten Befragten beurteilen die Gentechnik ambivalent.
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Abb. 4: Nutzen-/Risikobewertung der Gentechnik
Quelle: Hampel, Renn; 1998; S. 7
Dasselbe gilt auch für eine Abwägung der Chancen und Risiken (Abb. 4). Hampel und Renn schließen daraus: ,,Von einer einseitig auf die Risiken der Gentechnik fixiertenöffentlichkeit kann daher keine Rede sein" [Hampel, Renn; 1998; S. 6].
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Abb. 3: Bewertung der Gentechnik
Quelle: Hampel, Renn; 1998; S. 6
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Da ,,Gentechnik" aber als Überbegriff über die einzelnen Anwendungsbereiche dieser Technologie fungiert, kann aus den vorliegenden Schaubildern nicht geschlossen werden, dass die Bewertungen der einzelnen Anwendungsfelder analog zu den Globalurteilen über die Gentechnik erfolgt. Aus diesem Grund ist es notwendig, die einzelnen Anwendungsbereiche der Gentechnik näher zu untersuchen.
2.3 Akzeptanz der Anwendungsfelder der Gentechnik in der Bevölkerung
Aus den Daten des Biotech-Surveys lassen sich neben den bereits aufgeführten allgemeinen Akzeptanzwerten zur Gentechnik auch Daten zu den einzelnen Anwendungsfeldern der Gentechnik gewinnen. Diese sind in Abb. 5 und Abb. 6 auf der folgenden Seite dargestellt. Es zeigen sich gravierende Unterschiede bei der Ablehnung einzelner Anwendungsbereiche der Gentechnik. Während vor allem im medizinischen Bereich (Diagnostik, Therapie, Herstellung von Arzneimitteln) und im Bereich des Umweltschutzes nur geringe Ablehnungsquoten auftreten, so steigen diese im Bereich der Tierzucht, und Lebensmitteltechnik auf sehr hohe Werte an.
Die hohe Akzeptanzrate in den Anwendungsbereichen Medizin und Umweltschutz erklärt Zwick durch gesellschaftliche Wertpräferenzen: ,,Gesundheit und Umweltschutz sind zwei der wichtigsten Leitwerte in der Gegenwartsgesellschaft, dementsprechend werden diejenigen Anwendungsgebiete, die Nutzen für einen dieser beiden Bereiche versprechen, in besonderem Maße befürwortet" [Zwick; 1998; S. 15]. Durch diese Präferenzen lassen sich auch die hohen Ablehnungsquoten erklären: ,,Nahrungsmittel sollen nicht nur natürlich, sondern auch gesund sein - das ist aus qualitativem Datenmaterial bekannt" [ebd. S. 15].
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Abb. 5: Einschätzungen gentechnischer Anwendungen Quelle: Hampel, Renn; 1998; S. 8
Neben den stark schwankenden Zustimmungs- und Ablehnungsquoten fällt weiter auf, dass der Anteil der Befragten die keine klare Position bezogen haben, fast generell um einen Wert von 20% pendelt (mit Ausnahme der Anwendungsfeldes Gentransfer und Lebensmittel, wo er etwas geringer ausfällt und dem Feld der Pflanzenresistenz, bei dem der Teils/Teils Wert bei über 30% liegt). Dies zeigt deutlich, dass auch innerhalb der einzelnen Anwendungsgebiete eine starke Ambivalenz herrscht.
Es wird ebenfalls deutlich, dass bei der Bewertung der gentechnischen Anwendungsfelder ein sehr großes Differenzierungsvermögen in der Bevölkerung existiert.
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Abb. 6: Globale Burteilung der Gentechnik, ihre Chancen und Risiken und ausgewählte
Anwendungsgebiete
Quelle: Zwick; 1998; S. 14
3. Urteilsbildung zur Gentechnik
Daraus resultiert die Frage, wie die Menschen zu ihrem Urteil über die Gentechnik bzw. deren Anwendungsfeldern gelangen. Warum befürworten einige der Befragten den Einsatz der Gentechnologie bei der Erzeugung von Lebensmittel und warum lehnen andere diesen Einsatz kategorisch ab? Wie bilden sich die individuellen Meinungen zur Gentechnik und wie wird diese Meinung beeinflusst?
Ein Grundproblem bei der persönlichen Meinungsbildung einer Person beschreiben Hampel und Renn : ,,Gentechnik entzieht sich, zumindest für Laien, der sinnlichen Wahrnehmung. Weder die 'Technik' noch die damit erzeugten Produkte sind als solche wahrnehmbar. Ohne Informationen sind wir nicht in der Lage, gentechnisch hergestellte, von konventionell erzeugten Produkten zu unterscheiden" [Hampel, Renn; 1999; S. 8]. Gerade dies macht den Prozess der Meinungsbildung interessant, da dieser dadurch einen sehr abstrakten Charakter bekommt. Quasi der gesamte Prozess ist von der Aufnahme und Einordnung von Informationen abhängig - Informationen, die je nach Quelle einen völlig unterschiedlichen Charakter aufweisen. Des Weiteren bezieht der Mensch diese Informationen ja nicht nur aus Literatur oder den Medien, sondern vor allem aus seinem sozialen Umfeld. Von daher kann vermutet werden, dass vor allem dieses soziale Umfeld die persönliche Meinung prägt. Einfache Vermutungen über die Meinungsbildung durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe lassen sich schnell anstellen: Vermutlich lehnen stark religiös verankerte Menschen den Einsatz der Humangenetik als Eingriff in eine ,,göttliche Schöpfung" ab. Ebenso vermutlich sprechen sich Anhänger der ,,Grünen" gegen den Einsatz der Gentechnik bei Nutzpflanzen aus, da diese mit den Zielen der Partei nicht zu vereinbaren sind. Solcherlei Erklärungsmuster greifen aber nicht weit genug, da sie nur sehr wenige Faktoren zur Meinungsbildung heranziehen.
Aus der Literatur lassen sich mehrere Einflussfaktoren herausarbeiten, die im Folgenden in ihren Grundzügen dargestellt werden sollen2.
3.1 Beeinflussung der Urteile zur Gentechnik durch die Medien
Den Medien wird oftmals vorgeworfen, sie würden durch eine negative Berichterstattung über die Gentechnik zur ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik beitragen. Sieht man davon ab, dass das Bild deröffentlichkeit zur Gentechnik ja -wie ausgeführt - mitnichten durchweg negativ ist, resultieren aus diesem Vorwurf zwei Fragestellungen: 1.: Berichten die Medien wirklich überwiegend negativ über die Gentechnik (wenn ja: gilt das für alle Anwendungsfelder?)? und 2.: haben diese Berichte überhaupt einen messbaren Einfluss auf die Meinung der Bevölkerung?
Merten führte eine Inhaltsanalyse über die Berichterstattung im Bereich der Printmedien und des Fernsehens durch. Dabei wurde ein Sample aus acht Zeitungen und vier Fernsehsendern im Zeitraum von März bis August 1994 ausgewertet [siehe Merten, K.; 1999; S. 317-339]. Dabei wurde nicht nur die Häufigkeit, der Themenschwerpunkt und der Grundtenor (positive oder negative Berichterstattung) der Berichte analysiert, sondern auch Analysen nach Themenfeldern, Anlässen der Berichterstattung, den beteiligten Personengruppen und den Technologiefolgen durchgeführt.
Es zeigte sich, dass die in der gesellschaftlichen Diskussion am heftigsten umstrittenen Themen Landwirtschaft / Lebensmittel (37%) und Humanbereich (35,1%) die Berichterstattung weit vor allgemeinen Themen (14,7%), Berichten über Grundlagenforschung (7,4%) und den restlichen die Gentechnik betreffenden Themen (5,8%) dominieren [Quelle: Merten, K; 1999; S. 329].
Einige weitere ermittelte Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen [Quelle: Merten, K; 1999; S. 338f]:
- Über Gentechnik wird weder einheitlich berichtet, noch erfolgt eine einheitliche Bewertung.
- Verfahren, die den Bereich der Landwirtschaft betreffen, werden kritischer gesehen (Betonung der potentiellen Risiken), als Verfahren im Humanbereich (Betonung der Chancen / des Nutzens).
- Die Berichterstattung dient primär der Information, es wird keine Diskussionsplattform zur Verfügung gestellt.
- Es lässt sich ein überwiegend den Nutzen der Gentechnik hervorhebender Trend nachweisen. Dieser lässt sich durch eine ,,Überbetonung" der Aussagen von Politikern und Wissenschaftlern als ,,Lobbyisten" der Gentechnik und durch gleichzeitige Unterrepräsentation kritischer Stimmen aus der Bevölkerung erklären.
- Die Berichterstattung vermeidet pauschale Darstellungen und Wertungen. Die Medien verstehen sich als neutrale Informationsquelle für die Bevölkerung.
- Schäden bzw. Risiken werden überwiegend in Bereichen gesehen, die allgemeine Schutzgüter betreffen (Gesundheit, Ethik, Umwelt/Natur), während der geschilderte Nutzen eher für individuelle oder einzelne Gruppen betreffende Schutzgüter beschrieben wird.
Diese Ergebnisse entkräften den Vorwurf einer ,,Antihaltung" der Medien. Vielmehr kann nachgewiesen werden, dass die Berichterstattung eher Gentechnik-freundlich ausfällt. Auch Hampel und Renn weisen darauf hin, dass die Berichterstattung innerhalb der einzelnen Anwendungsfelder starken Schwankungen unterliegt. Im medizinischen Bereich wird Gentechnik überwiegend positiv bewertet, im Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion fallen die Berichte dagegen eher negativ aus [vgl. Hampel, Renn; 1998; S. 31]. Dies deckt sich weitgehend mit den Umfrageergebnissen zur Einstellung der Bevölkerung zur Gentechnik.
Bleibt die Frage zu klären, ob sich die vermittelten Einstellungen und Bewertungen der Gentechnik in den Medien überhaupt auf die persönlichen Meinungen einzelner Personen auswirken.
Die Arbeitsgruppe von Peters [Peters; 1999] untersuchte, inwieweit die persönliche Einstellung einer Person zur Gentechnik durch Berichte in den Medien beeinflusst wird.
Hierzu wurden zwei Teilstudien durchgeführt, bei denen den Probanden Zeitungsartikel vorgelegt bzw. kurze Filme gezeigt wurden. Diese waren teilweise gentechnikfreundlich aber auch ablehnend oder neutral gehalten, wobei das Verhältnis der Meinungstendenzen ausgeglichen war.
Die Probanden hatten nun die Aufgabe, alle Gedanken, die ihnen während des Studiums des entsprechenden Artikels oder Films durch den Kopf gingen laut zu äußern. Diese kognitiven Reaktionen wurden (sofern sie erkennbare Wertungen zur Gentechnik enthielten) nach positiver, negativer oder neutraler Aussage verkodet und ausgewertet. Bei beiden Studien waren die überwiegenden Aussagen negativer Natur (Printstudie: 49,2%, TV-Studie 43,7%) [Peters; 1999; S. 351].
Um nun zu ermitteln, ob durch die Rezeption der Medienbeiträge eine Einstellungsänderung erfolgte, wurde jeweils vor und nach dem Test eine Messung der Einstellung zur Gentechnik vorgenommen. Um ,,Erinnerungseffekte" zu vermeiden, waren die durchgeführten Tests unterschiedlicher Art, aber auf ihre Validität hin durch eine Voruntersuchung abgesichert. Die Ergebnisse lassen sich in zwei wesentlichen Punkte zusammenfassen:
1. Es konnte eine individuelle einstellungsändernde Wirkung von Medienbeiträgen nachgewiesen werden. Die kognitiven Reaktionen bei der Rezeption von Medienbeiträgen bewirken eine Einstellungsänderung. ,,Entsprechend den Annahmen des 'Cognitive Response Approach' beeinflussen kognitive Reaktionen mit positiver Gentechnik-Wirkung die Einstellung der Rezipienten zum Positiven; Reaktionen, die negative Gentechnik-Wertungen enthalten, ändern die Gentechnikeinstellung zum Negativen" [Peters; 1999; S. 376]. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht der auslösende Reiz (Medienbeitrag), sondern die auf diesen Reiz folgende Reaktion des Rezipienten die Einstellungsänderung bewirkte. Somit können auch sehr positive Berichte zur Gentechnik die individuelle Einstellung einer Person negativ beeinflussen - wenn der positive Beitrag negative kognitive Reaktionen hervorruft [vgl. hierzu Peters; 1999; S. 361].
2. ,,Das Zustandekommen der kognitiven Reaktionen lässt sich nicht mit der einfachen Übernahme von Wertungen aus den Medienbotschaften erklären" [Peters; 1999; S. 366]. Es konnte beobachtet werden, dass ein Medienbeitrag bei unterschiedlichen Untersuchungsteilnehmern völlig unterschiedliche Verhältnisse zwischen positiven und negativen Reaktionen hervorrief. Außerdem ließ sich kein direkter Zusammenhang zwischen Meinungstendenzen der Medienbeiträge und den kognitiven Reaktionen der Untersuchungsteilnehmer nachweisen. Dies deutet nach Peters darauf hin, dass die Wertungen von den Personen durch vorhandene Interpretationskontexte oder -schemata selbst generiert wurden. ,,Rezipienten unterscheiden sich untereinander vermutlich im Repertoire an verfügbaren Interpretationsschemata und deren Aktivierungsschwellen" [ebd.].
Die Ergebnisse der Studie legen den Schluss nahe, dass Medienberichte die individuellen Einstellungen zur Gentechnik zwar indirekt beeinflussen können, dass es aber äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich die Meinung einer Person zur Gentechnik durch Medienberichte grundlegend verändert. Vielmehr scheinen die unter 2. genannten ,,Interpretationsschemata" von zentraler Bedeutung zu sein. Es stellt sich somit die Frage, wie solcherlei Schemata gebildet werden.
3.2 Objektives und subjektives Wissen als Basis von Gentechnikbewertungen
Nach Pfister [Pfister, H.-J. et al.; 1999] ist das persönliche Wissen über die Gentechnik zwar nicht die einzige aber dennoch für viele eine bedeutende Basis für die persönliche Beurteilung dieser Technologie. Man sollte annehmen, dass mit steigendem Wissen die Ambivalenz des persönlichen Urteils über die Gentechnik sinkt. Diesen Grundgedanken scheinen auch die Institutionen zu verfolgen, die - in welcher Art auch immer - ,,Aufklärungskampagnen" für oder gegen die Gentechnik durchführen. Hampel und Renn untersuchten den Zusammenhang des subjektiven Wissens über die Gentechnik und der Einstellung hierzu. Das subjektive Wissen der befragten Personen ist hierbei eher schlecht (siehe Abb. 7). Männer schätzen ihr Wissen dabei höher ein als Frauen (34% bzw. 24% glauben, dass sie gut informiert sind). Dabei hängt die Einstellung zur Gentechnik ,,in geringem Maße von der eigenen Einschätzung des Wissensniveaus ab" [Hampel, Renn; 1998; S. 17]. Befürworter halten sich eher für gut informiert (39,6%) als Gegner der Gentechnik (27,8%). Abb. 7: Subjektive Einschätzung des eigenen Wissens über Gentechnik Quelle: Hampel, Renn; 1998; S. 16 (eigene Grafik) Den angesprochenen sehr schwachen Zusammenhang bestätigt auch eine Studie von Pfister , bei der nicht nur das subjektive, sondern auch konkretes Wissen zur Gentechnik abgefragt wurde [Pfister, H.-J. et al.; 1999; S. 178-182 und S. 190-192]. Auch diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mit zunehmendem Wissen eher eine stärkere Akzeptanz als eine stärkere Ablehnung der Gentechnik zu erwarten ist [vgl. Pfister, H.-J. et al.; 1999; S. 195].
Hält man sich vor Augen, wie groß die Ablehnung oder Zustimmung zu einzelnen Anwendungsfeldern der Gentechnik ist, so wird deutlich, dass das Wissen allein nicht ausschlaggebend für die Einstellung sein kann. Denn obwohl die hier dargestellten Daten lediglich das Wissen zur Gentechnik im Allgemeinen darstellen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Wissen über einzelne Teilgebiete der Gentechnik wesentlich größer ist.
Wenn eine stärkere Akzeptanz primär durch besseres Wissen hervorgerufen würde, dann müsste das Wissen der Bevölkerung wesentlich größer sein, um z.B. die hohen Zustimmungsquoten im Bereich der Entwicklung von Impfstoffen zu erklären.
3.3 Die Schule als meinungsbildende Instanz?
Die bisher aufgeführten Daten bezogen sich beinahe ausschließlich auf erwachsene Personen. Es wurde bisher kaum untersucht, inwieweit die Einstellungen zur Gentechnik nicht schon während der Schulzeit ausgebildet werden. In dieser Zeit werden Wertorientierungen besonders geprägt [vgl. Ingelhart, R.; 1979; S.279, zitiert nach Keck; 1999; S. 246]. Der Schule kommt hierbei neben den anderen Sozialisationsinstanzen eine besondere Rolle zu, da neben der reinen Wissensvermittlung auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler Einfluss genommen wird. Die Frage ist, ob die grundlegenden Einstellungen zur Gentechnik durch den Unterrichtsstoff und durch die Art der Wissensvermittlung durch die Lehrer geprägt werden.
Gerhard Keck führte hierzu eine Studie durch, bei der insgesamt 451 Schüler zur Gentechnik befragt wurden. Obwohl die Lehrpläne ab Klasse 11 die Gentechnik als zu behandelndes Stoffgebiet ausweisen und entsprechend nur Schüler der Sekundarstufe II in die Befragung aufgenommen wurden, gaben 52% der Befragten an, sich im Unterricht noch nicht mit der Gentechnik befasst zu haben. Bei den Fächern, in die denen Gentechnik behandelt wurde, wurde das Fach Religion mit 37% noch vor der Biologie mit 27% am häufigsten genannt. Allen anderen Fächern kommt in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle zu [alle Daten aus: Keck; 1999; S. 248-251].
Zur Messung der Bewertung von Gentechnik wurde auf die Fluch/Segen-Fragestellung des Instituts für Demoskopie in Allensbach zurückgegriffen. Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen, die bei Erhebungen für die allgemeine Bevölkerung ermittelt wurden (siehe. Abb. 3): 8,4% sehen in der Gentechnik eher einen Segen, 54% sehen sowohl Fluch als auch Segen und 18,6% sehen in ihr einen Fluch. 14,6% der Schüler gaben ,,weder noch" an. Analog zur allgemeinen Bevölkerung nehmen auch Schüler eine starke Differenzierung der einzelnen Anwendungsfelder vor. Medizinisch-therapeutische Anwendungen erfahren einen hohe Zustimmung (88%), der Einsatz der Gentechnik bei Nutz- oder Labortieren wird dagegen von 90% der Befragten abgelehnt.
Die Einschätzung des subjektiven Wissens über die Gentechnik spiegelt mit 0,7% (sehr gut), 28,5% (eher gut), 70,3% (eher schlecht oder sehr schlecht) wieder relativ stark die allgemeinen Messungen wieder (vgl. Abb. 7).
Die Schüler wurden ebenfalls befragt, welche Bedeutung die jeweiligen Fachlehrer der Gentechnik ihrer Einschätzung nach beimessen. Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer vermitteln danach den Eindruck, als sei die Gentechnik eine ,,moderne und wichtige Technik", geisteswissenschaftliche Lehrer vermitteln eher den Eindruck, als sei die Gentechnik ,,eher gefährlich" und ,,risikoreich" [Keck; 1999; S. 251]. Eine parallel zur Schülerbefragung durchgeführte Untersuchung mit Lehrern stützt dieses Bild. Die Lehrer geisteswissenschaftlicher Fächer nahmen die Gentechnik eher als negativ wahr, naturwissenschaftliche Fachlehrer bewerten die Gentechnik eher positiv. Nach Keck kann ein Einfluss der Fachlehrer auf die Meinungsbildung der Schüler nicht nachgewiesen werden. Dies bedeutet nicht, dass die Schule als Institution das Bild der Gentechnik bei den Schülern nicht prägt oder verändern kann, allerdings werden die ,,Grundhaltungen" zur Gentechnik offensichtlich nicht von den Lehrern oder den Unterrichtseinheiten in den jeweiligen Fächern übernommen. Tatsache ist, dass bereits bei 16- jährigen (Sek. II) eine beinahe gleichstarke Differenzierung der Meinung zur Gentechnik und ihren Anwendungsfeldern vorhanden ist, wie sie bei der Gesamtbevölkerung nachgewiesen werden konnte.
3.4 Naturbilder als Einflussfaktor bei der Meinungsbildung
Ein weiterer Aspekt, der bei der individuellen Beurteilung der Gentechnik Einfluss nimmt, ist das persönliche Naturbild. Im Zuge seiner Untersuchung ,,Gentechnik und gesellschaftliche Modernisierung" stieß Zwick [1998; S. 21-24] bei einer qualitativen Befragung auf unterschiedliche Naturbilder bei den Befragten. Diese Naturbilder (bzw. die ,,Natürlichkeit") und die damit verbundenen wertrationalen Urteilsgrundlagen spielten in knapp 50% der durchgeführten Interviews mit Gentechnik-Laien eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Gentechnik.
Herausragend waren dabei zwei Naturbilder: ,,Die romantische Natur, die zugleich als tiefgreifend anthropogen bedroht , gefährdet oder zerstört erlebt wird." [Zwick; 1998; S. 21]. Die Natur wurde dagegen kaum als Quelle von Rohstoffen eingestuft oder unter reinökonomischen Aspekten betrachtet.
Zwick bezeichnet diese vorherrschenden Naturbilder überspitzt als ,,anthropogen bedrohte Bambi-Romantik" [Zwick; 1998; S. 22].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Naturbild und das Verhältnis zwischenökonomie undökologie im Verständnis deröffentlichkeit
Quelle: Zwick; 1998; S. 23
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Natur gegenüber der Wirtschaft klare Präferenzen entgegengebracht werden. Käme es zu einem Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Natur, würden 68% der Bevölkerung der Natur Vorrang einräumen (siehe Abb. 8). Dies begründet sich wohl durch den gesellschaftlichen Grundwert, der die Natur als ,,schützenswert" einstuft.
Allerdings führt ein romantisches Naturbild (,,Feld, Wald, Wiese", ,,Erholung", ,,Schönheit", ,,Reinheit", ,,Lebensraum") nicht generell zu einer Ablehnung der Gentechnik. Dies ist primär bei einem ontologischen Naturbild der Fall, bei dem die Natur als Schöpfung wahrgenommen wird [Zwick; 1998; S. 22]. Ein Eingriff in die Natur wird oftmals als Eingriff in ,,Gottes Schöpfung" angesehen. In diesem Zusammenhang wundert es nicht, dass die Gentechnik vor allem bei sehr religiösen Menschen sehr stark abgelehnt wird. In diesem Fall besitzt der Schutz der Natur offenbar normativen Charakter, der nicht in Frage gestellt werden kann, da sonst ein Verstoß gegen ,,Göttliches" begangen würde (Abb. 9).
Ähnliche Verhaltensmuster ließen sich sicherlich auch bei anderen stark normativen Werten folgenden Bevölkerungsgruppen finden. So lehnen Umweltschützer die ,,grüne Gentechnik" vermutlich überdurchschnittlich stark ab. Ganz offensichtlich haben die individuellen Wertpräferenzen (oder die einer sozialen Gruppe), Norm- und Moralvorstellungen erheblich stärkeren Einfluss auf die individuelle Bewertung der Gentechnik als die bisher diskutierten Einflussfelder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Naturbilder, Religiosität und die Bewertung der Gentechnik (Negativurteile) Quelle: Zwick; 1998; S. 23
3.5 Risikowahrnehmung und Nutzenkalküle
Dass die Gentechnik als Risikotechnologie wahrgenommen wird, wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits kurz angesprochen. In diesem Zusammenhang ist es jedoch wichtig, wie die einzelnen Individuen den Begriff des Risikos bzw. der Gefahr wahrnehmen. Offenbar unterscheiden sich die empfundenen Risiken und Gefahren sehr stark voneinander. Sie können sich auf viele unterschiedliche Aspekte beziehen (z.B. Risiko für eine einzelne Person, für eine Gruppe, für die Umwelt...) und werden je nach Kontext anders empfunden. Man kann weiter unterscheiden, ob ein Risiko für etwas oder durch etwas vorliegt [vgl. hierzu: Schütz et al.; 1999; S. 139 und 141]. Überraschend ist, dass sich bei den qualitativen Interviews in der von Michael Zwick durchgeführten Studie nur jeder zweite interviewte Laie3 überhaupt zu Risiken der Gentechnologie äußerte. Mit steigendem Professionalisierungsgrad der befragten Personen stieg diese Erwähnungshäufigkeit an, so kamen schon ¾ der Semiprofessionals und alle Professionals auf Risiken der Gentechnik bzw. deren Anwendungsfelder zu sprechen. Des Weiteren nannten die Professionals durchgehend mehr Risikoaspekte als Laien. Die Argumentation bediente sich bei allen Befragten lebensweltlicher Aspekte (ästhetische, religiöse, ethisch-moralische). Lediglich die Hälfte der befragten Laien, aber mehr als 2/3 der (Semi)Professionals gaben darüber hinaus auch rationale Einschätzungen über die Nutzen- und Schadenspotentiale ab [Daten aus Zwick; 1998; S. 24].
Lebensweltliche Urteile fallen aber wesentlich negativer aus als zweckrationale Bilanzierungen [Zwick; 1998; S. 24]. Es kann folglich vermutet werden, dass die Einstellung zur Gentechnik weniger negativ ausfällt, wenn statt einer bloßen lebensweltlichen Beurteilung auch eine zweckrationale Abwägung der ,,Kosten" und des ,,Nutzens" stattfindet. Es wurde bereits ausgeführt, dass das direkte und subjektive Wissen über die Gentechnik bei vielen (vor allem bei den Laien) sehr gering ist. Dies hat zur Folge, dass auch bei der objektiven Einschätzung der Risiken nur ein sehr geringer Teil auf eigenes Wissen oder gar eigene Erfahrungen beruhen kann. Aus diesem Grund beziehen vor allem die Laien ihre Einschätzungen über die Risiken der Gentechnik in der Regel aus Expertenurteilen. Daraus resultiert jedoch ein Dilemma: Die Experten geben selber kein homogenes Bild ab, sondern vertreten ihrerseits stark unterschiedliche Meinungen. Es bleibt für den Laien deshalb unklar, welchem Experten er nun ,,trauen" soll. Der Laie erwartet eine durchgehend schlüssige Argumentation bzw. eine klare Aussage zu Gentechnikrisiken, die er nicht bekommt. ,,Experten wie Gegenexperten wird die schlüssige Beweisführung ihrer Aussagen abgesprochen, ein Umstand, der auch als Reputationsverlust von Experten interpretiert werden kann" [Zwick; 1998; S. 27]. Dies führt zum einen dazu, dass Expertenurteile für die Bewertung der Gentechnik bei den Laien an Wert verlieren, zum anderen zur bereits angesprochenen Reduktion der Risikoeinschätzung auf lebensweltliche Aspekte. Diese lebensweltlichen Risikoeinschätzungen ,,entstammen jenen Alltagswelten, mit denen sich die Menschen in besonderer Weise vertraut fühlen und fußen auf einem lebenslang angehäuften und 'biographisch vielfach bewährtem' Wissens- und Erfahrungsschatz" [Zwick; 1998; S. 28]. Dies wiederum führt zu einem Problem für die Wissenschaft: Solcherlei gearteten Ängsten lässt sich auf wissenschaftlicher Ebene nicht begegnen.
Thematisch bezogen sich die befragten Laien in ihren Gefahren- bzw. Risikourteilen sehr stark auf die Bereiche Agrikultur, genetisch veränderte Nahrungsmittel und die pränatale Humangenetik. Vor allem ist eine Furcht vor dem ,,Missbrauch" beim Einsatz der Gentechnik zu verzeichnen. Zwick führt hierzu im Bezug auf die Humangenetik ,,Manipulation und Klonung"; ,,soziale Selektion", ,,genetische Kontrollen" und ,,Ausleseprozesse" an [Zwick; 1998; S. 30]. Dies deckt sich auch mit Befunden einer anderen Forschungsarbeit: Bei der Einstufung des Risikobegriffs konnte Schütz eine klare Fokussierung auf den Menschen nachweisen, das heißt, technische Risiken wurden eher selten genannt [vgl. Schütz et al.; 1999; S. 164]. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Gentechnik (bzw. die Produkte) als etwas erfahren wird, das direkt vom Menschen genutzt wird.
Die Nutzenkalküle sind dagegen weniger komplex. Einige Befragte versprachen sich die Verbesserung der Welternährung (4%), einige sahen in der Gentechnik eine Erkenntnisquelle und damit einen Aspekt für den Fortschritt der Technik (5%). Die größten Erwartungen (33%) birgt der Teilbereich der medizinisch-therapeutischen Anwendung (einschließlich des Fortschritts auf dem Medikamentenmarkt) [Daten aus Zwick; 1998; S. 31]. Wie bereits erwähnt, ist dies auf den hohen gesellschaftlichen Leitwert ,,Gesundheit" zurückzuführen. Offenbar werden die möglichen Risiken eher akzeptiert, wenn der Anwendungsbereich sich mit einem Leitwert der Gesellschaft deckt. Vor allem im Bereich der als ,,dringlich" empfundenen Gesundheitsprobleme (AIDS, Krebs) wird von der Gentechnik eine schnelle Verbesserung der aktuellen Situation erwartet.
Interessant ist, dass sich die befürchteten die Risiken und Gefahren eher auf eine längerfristige Entwicklung beziehen, wogegen die erhofften Nutzen möglichst schnell eintreten sollen. Der Angst vor Spätschäden an der Umwelt (z.B. unvorhergesehene Mutationen von Pflanzen, die mit dem Genom modifizierter Nutzpflanzen in Kontakt kamen) steht der Wunsch entgegen, in möglichst kurzer Zeit durch die Gentechnik unterstütze Lösungen für dringende gesundheitliche Fragen zur Verfügung zu haben.
4. Fazit
Die Gentechnik wird in der Bevölkerung sehr differenziert wahrgenommen. Von einer pauschalen Ablehnung der Technik kann nicht geredet werden. Je nach Anwendungsgebiet weichen die persönlichen Urteile und Meinungen stark voneinander ab. Weitgehend akzeptiert ist die Gentechnik im Bereich der Medizinanwendungen und im Umweltschutz, dagegen wird vor allem der Bereich der ,,grünen Gentechnik" und die Anwendung der Gentechnik bei der Tierzucht stark abgelehnt. Es ist jedoch über alle Anwendungsfelder hinweg eine starke Ambivalenz nachzuweisen, die deutlich macht, dass das große Feld der Gentechnik für den Großteil der Bevölkerung noch mit zahlreichen Unsicherheiten und Unklarheiten behaftet ist. Mit jedem der einzelnen Anwendungsfelder werden spezifische Hoffnungen und Ängste verbunden, die Chancen, aber auch die Risiken werden erkannt. Die mit der Gentechnik assoziierten Risiken beziehen sich weitgehend auf lebensweltliche Aspekte (z.B. Angst vor Umweltrisiken oder negative gesellschaftliche Folgen) und werden weitgehend wertbezogen diskutiert. Technische Risiken bleiben dagegen in der Meinung der Bevölkerung (von Gentechnik-Experten abgesehen) eher bedeutungslos.
Werden dagegen konkrete Hoffnungen mit einem Teilbereich der Gentechnik verbunden (z.B. Heilung von Krankheiten), so überwiegen die erhofften Vorteile die wahrgenommenen Risiken und führen zu einer positiven Bewertung dieses Teilbereiches. Bedingung dafür ist allerdings, dass der entsprechende Teilbereich der Gentechnik mit den herrschenden gesellschaftlichen Grundwerten (oder denen einer sozialen Gruppe) vereinbar ist. Das allgemeine Wissen im Bezug auf die Gentechnik ist beim Großteil der Bevölkerung sehr gering. Allerdings hat eine Steigerung dieses Wissens keine unmittelbare Änderung der Einstellung zur Gentechnik bzw. einem der Teilbereiche zur Folge. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass ,,Aufklärungskampagnen" zu einer signifikanten Einstellungsänderung führen.
Vielmehr hängt die Einstellung zur Gentechnik von vielen unterschiedlichen Faktoren ab: Wichtigster Faktor ist sicher der lebensweltliche Kontext. Welche Grundwerte hat ein Individuum, welches Bild hat er von der Natur, welchen sozialen Gruppen gehört er an und welche Normen und Werte herrschen in diesen? Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Grundeinstellung zur Gentechnik vor Allem über dieses soziale Gefüge herausbildet.
Der Einfluss der Medien ist dagegen verhältnismäßig gering. Zum einen konnte nachgewiesen werden, dass der Grundtenor der Berichterstattung über die Gentechnik nicht negativ ist, zum anderen führt die Rezeption von Berichten zwar zu einer Einstellungsänderung, doch ist diese nicht an die positive oder negative Ausrichtung des entsprechenden Beitrags gebunden. Vielmehr ergeben sich die Einstellungsänderungen über die bei der Rezeption eintretenden Kognitionen, die auf den bestehenden Einstellungen beruhen.
Fakt ist, dass die Gentechnik trotz (oder gerade wegen) alleröffentlicher Debatten weiterhin als Janusköpfig empfunden wird. Die Meinungen der ,,Experten" tragen hier nicht zu einer Entspannung bei, da diese als widersprüchlich und unter Umständen interessengeleitet eingestuft werden. Ein Konsens zum Thema Gentechnik wird sich durch reine Information und Argumentation nicht erzielen lassen. Vielmehr ist ein kritische und von allen Seiten offener Diskurs notwendig. ,,Es geht darum, dass die Diskussionen geführt werden, die die für dieöffentlichkeit kritischen Themen aufgreifen. Dabei ist es weniger wichtig, über technische Risiken zu kommunizieren, vorrangig ist vielmehr [...] die Zieldiskussion, letztendlich die Frage nach der ethischen Verantwortbarkeit von bestimmten Anwendungen und der Legitimität der Anwendungsziele". [Hampel, Renn; 1999; S. 390]. Am wahrscheinlichsten ließe sich ein solcher Diskurs noch in den Anwendungsfeldern erreichen, die von vornherein eine verhältnismäßig geringe Ablehnungsquote aufweisen.
5. Literatur
- Hampel, J. et Al. 1997: Einstellungen zur Gentechnik. Tabellenband zum BiotechSurvey des Forschungsverbundes ,,Chancen und Risiken der Gentechnik aus Sicht deröffentlichkeit"; Stuttgart; Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden- Württemberg. Arbeitsbericht Nr. 87
- Hampel, J., Renn, O. (Hg.) 1998: Kurzfassung der Ergebnisse des Verbundprojekts ,,Chancen und Risiken der Gentechnik aus der Sicht deröffentlichkeit"; Stuttgart; Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg
- Hampel, J., Renn, O. (Hg.) 1999: Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; Frankfurt/New York; Campus
- Ingelhart, R. 1979: Wertewandel in den westlichen Gesellschaften. Politische Konsequenzen von materialistischen und postmaterialistischen Prioritäten; in: Klages, H., Kmieciak, P. (Hg.): Wertewandel und gesellschaftlicher Wandel; Frankfurt a.M./ New York; Campus; S. 279-316
- Merten, K. 1999: Die Berichterstattung über Gentechnik in Presse und Fernsehen - eine Inhaltsanalyse; in: Hampel, J., Renn, O. (Hg.): Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; 1999; Frankfurt/New York; Campus; S. 317-339
- Keck, G. 1999: Einstellungen zur Gentechnik aus Sicht von Schülerinnen und Schülern; in: Hampel, J., Renn, O. (Hg.): Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; Frankfurt/New York; Campus; S. 247-256
- Peters, H. P. 1999: Kognitive Aktivitäten bei der Rezeption von Medienberichten über Gentechnik; in: Hampel, J., Renn, O. (Hg.): Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; Frankfurt/New York; Campus; S. 340-382
- Pfister, H.-J. et al. 1999: Die kognitive Repräsentation von Gentechnik. Wissen und Bewertungen; in: Hampel, J., Renn, O. (Hg.): Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; Frankfurt/New York; Campus; S. 170-196
- Schütz, H., Wiedemann, P. M., Gray, P. C. R. 1999: Die intuitive Beurteilung gentechnischer Produkte - kognitive und interaktive Aspekte; in: Hampel, J., Renn, O. (Hg.): Gentechnik in deröffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie; Frankfurt/New York; Campus; S. 133-169
- Zwick, Michael M. 1998: Wertorientierungen und Technikeinstellungen im Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung. Das Beispiel der Gentechnik. Abschlussbericht; Stuttgart; Akademie für Technikfolgenabschätzung in BadenWürttemberg. Arbeitsbericht Nr. 106
[...]
1 Zitiert nach Zwick; 1998; S. 8
2 Es handelt sich hierbei nicht um alle Einflussfaktoren, sondern lediglich um einige wichtige
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dieser Studie zur Technologieakzeptanz und Gentechnik?
Diese Studie analysiert die Akzeptanz von Technologie in Deutschland, insbesondere die Akzeptanz und Wahrnehmung der Gentechnik in der Bevölkerung. Sie untersucht, wie Menschen ihre Meinung zur Gentechnik bilden, welche Faktoren diese Meinung beeinflussen, und wie unterschiedliche Anwendungsbereiche der Gentechnik bewertet werden.
Wie wird die allgemeine Technikakzeptanz in Deutschland bewertet?
Die allgemeine Technikakzeptanz in Deutschland ist tendenziell positiv, wobei mehr Menschen Technik als "Segen" denn als "Fluch" betrachten. Es gibt jedoch eine Zunahme derer, die eine ambivalente Einstellung zur Technik haben. Ereignisse wie Tschernobyl können die Technikablehnung kurzfristig erhöhen.
Wie unterscheidet sich die Akzeptanz der Gentechnik von der allgemeinen Technikakzeptanz?
Obwohl die allgemeine Technikakzeptanz positiv ist, wird die Gentechnik oft als "Risikotechnologie" wahrgenommen. Es gibt eine erhebliche Differenzierung in der Akzeptanz je nach Anwendungsbereich. Medizinische Anwendungen werden eher akzeptiert als Anwendungen in der Landwirtschaft oder Lebensmittelproduktion.
Welche Faktoren beeinflussen die Meinungsbildung zur Gentechnik?
Mehrere Faktoren beeinflussen die Meinungsbildung, darunter Medienberichterstattung, persönliches Wissen (objektiv und subjektiv), der Einfluss der Schule, persönliche Naturbilder, Risikowahrnehmung und Nutzenkalküle. Die Einflüsse des direkten sozialen Umfelds sind hier sehr bedeutsam.
Wie beeinflussen die Medien die Meinung zur Gentechnik?
Die Medienberichterstattung zur Gentechnik ist nicht durchweg negativ. Allerdings können Medienberichte die individuelle Einstellung indirekt beeinflussen, hauptsächlich durch die kognitiven Reaktionen, die sie bei den Rezipienten auslösen. Diese Reaktionen hängen von bestehenden Interpretationsschemata ab.
Spielt Wissen eine Rolle bei der Akzeptanz der Gentechnik?
Ja, aber die Zusammenhänge sind komplex. Mit steigendem Wissen tendiert die Akzeptanz tendenziell eher dazu, ebenfalls zu steigen, aber das Wissen allein ist nicht ausschlaggebend. Die persönlichen Einstellungen und die Akzeptanz oder Ablehnung der Gentechnik wird zusätzlich durch kulturelle oder religiöse Aspekte beeinflusst.
Welchen Einfluss hat die Schule auf die Meinungsbildung zur Gentechnik?
Obwohl die Gentechnik in der Schule thematisiert wird, gibt es keinen direkten Beweis dafür, dass Fachlehrer die Meinungsbildung der Schüler maßgeblich beeinflussen. Bereits bei Jugendlichen besteht eine ähnliche Differenzierung der Meinungen wie in der Gesamtbevölkerung.
Welche Rolle spielen Naturbilder bei der Bewertung der Gentechnik?
Persönliche Naturbilder (z.B. "romantische Natur" vs. Natur als "Schöpfung") beeinflussen die Bewertung der Gentechnik. Ein ontologisches Naturbild, bei dem die Natur als Schöpfung betrachtet wird, führt oft zu einer stärkeren Ablehnung, insbesondere bei religiösen Menschen.
Wie wirken sich Risikowahrnehmung und Nutzenkalküle auf die Akzeptanz aus?
Die Gentechnik wird als Risikotechnologie wahrgenommen, wobei die empfundenen Risiken je nach Aspekt variieren. Lebensweltliche Urteile fallen negativer aus als zweckrationale Bilanzierungen von Kosten und Nutzen. Es wird also weniger negativ bewertet, wenn auch die Kosten/Nutzen rational betrachtet werden.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Studie?
Die Gentechnik wird differenziert wahrgenommen, wobei die Akzeptanz je nach Anwendungsgebiet variiert. Das Wissen ist gering, aber eine Steigerung des Wissens führt nicht automatisch zu einer positiven Bewertung. Die Einstellung zur Gentechnik hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere von den Grundwerten und Normen des Einzelnen und der Gruppen, denen er angehört. Ein offener Diskurs über ethische Fragen und die Legitimität der Anwendungsziele ist notwendig.
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- Philipp Zirker (Author), 1999, Einstellungen zur Gentechnik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100018