“It doubtless seems highly paradoxical to assert that Time is unreal, and that all statements which involve its reality are erroneous. […] So decisive a breach with that natural position is not to be lightly accepted.” Mit diesen Worten beginnt John M. E. McTaggart seinen 1908 erschienenen Aufsatz „The unreality of Time“ und gab damit den Anstoß zur sprachanalytischen Zeitphilosophie.
Wie wird Zeit erfahren? Welche Faktoren sind maßgeblich für die Zeit? Wie lange dauert die Gegenwart eines Ereignisses an? Wann geht es in die Vergangenheit über? Ist Zeit subjektiv oder objektiv? Diese Fragen berührt McTaggart in seinem Aufsatz und gelangt bei ihrer Beantwortung zu dem Ergebnis, dass Zeit nicht real sein kann. McTaggart ist sich von vornherein im Klaren darüber, dass sein Irrealitätsbeweis ein Bruch mit der Common sense-Auffassung von Zeit bedeutet und viele Kritiker auf den Plan rufen wird. Dem vorzubeugen brachte er selbst einige naheliegende Einwände ein, die er zu widerlegen wusste. Doch blieb Kritik selbstverständlich nicht aus. Etwas derart allgegenwärtig Erscheinendes, wie die Zeit, als irreal zu entlarven, beschäftigt die Philosophie seit nunmehr fast einem Jahrhundert
Die vorliegende Arbeit geht deshalb der Frage nach, ob McTaggart zu seiner Annahme der Irrealität der Zeit berechtigt ist oder ob er nicht doch einem Trugschluss unterliegt. Untersucht wird dies zum einen mit Hilfe von Kants Zeitbestimmungen, auf die McTaggart sich unterstützend beruft, zum anderen mit McTaggart-kritischen Aufsätzen von Michael Dummett und D. H. Mellor.
Im folgenden Kapitel soll zunächst McTaggarts Irrealitätsbeweis der Zeit dargestellt werden. Zeit wird, McTaggart zufolge, auf zweierlei Art wahrgenommen. 1) Ein Ereignis ist entweder vergangen, gegenwärtig oder zukünftig (A-Reihe). 2) Ein Ereignis Y ist früher als ein Ereignis Z und später als Ereignis X (B-Reihe). Diese beiden Zeitreihen werden zum Ausgangspunkt in McTaggarts Argumentation, die sich in zwei Schritten vollzieht. Im ersten Schritt wird gezeigt, dass allein die A-Reihe für die Existenz der Zeit wesentlich ist. Der zweite Schritt ist der Beweis, dass die A-Reihe einen Widerspruch enthält und mit ihr die Zeit, die daher als irreal zu betrachten ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- McTaggarts Irrealitätsbeweis der Zeit
- Teil 1 des Arguments: Ohne A-Reihe keine Zeit
- Teil 2: Der Widerspruch in der A-Reihe
- Weitere Überlegungen zur A-Reihe
- Zeitbestimmungen in Kants Transzendentaler Ästhetik
- Ist Zeit irreal? McTaggart unter der Lupe...
- Michael Dummett: McTaggarts Realitätsauffassung als Fiktion...
- D. H. Mellors Theorie der realen Zeit
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert McTaggarts Irrealitätsbeweis der Zeit und untersucht, ob seine Annahme der Irrealität der Zeit gerechtfertigt ist. Dabei werden Kants Zeitbestimmungen und kritische Aufsätze von Michael Dummett und D. H. Mellor herangezogen.
- McTaggarts Irrealitätsbeweis und seine Argumentation in zwei Teilen
- Die Rolle der A- und B-Reihe in der Wahrnehmung der Zeit
- Kritik an McTaggarts Argumentation durch Dummett und Mellor
- Kants Zeitbestimmungen im Vergleich zu McTaggarts Auffassung
- Die Frage nach der Realität der Zeit und der Bedeutung des Zeitbegriffs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Ausgangspunkt und die zentrale Fragestellung des Themas definiert. In Kapitel 2 wird McTaggarts Irrealitätsbeweis der Zeit anhand seiner Argumentation in zwei Teilen dargestellt. Zunächst wird der Unterschied zwischen der A-Reihe und der B-Reihe erläutert, wobei der Fokus auf der Bedeutung der A-Reihe für die Existenz der Zeit liegt. Anschließend wird der Widerspruch in der A-Reihe untersucht, der McTaggart zu der Schlussfolgerung führt, dass Zeit irreal ist.
Kapitel 3 widmet sich Kants Zeitbestimmungen in der "Kritik der reinen Vernunft". Es wird gezeigt, dass Kant nicht von der Irrealität der Zeit spricht, sondern vielmehr von der subjektabhängigen Natur der Zeit. McTaggarts Bezugnahme auf Kant wird in diesem Kontext kritisch beleuchtet.
Kapitel 4 behandelt die Kritik am Irrealitätsbeweis. Zunächst wird Michael Dummetts Verteidigung von McTaggarts Realitätsauffassung als Fiktion vorgestellt. Dummett argumentiert, dass McTaggarts Irrealitätsargument in Hinblick auf seine Realitätsauffassung selbst widerlegt wird. Im weiteren Verlauf wird D. H. Mellors Theorie der realen Zeit vorgestellt, die einen Kompromiss zwischen den beiden Wahrnehmungsweisen der Zeit anstrebt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der Zeitphilosophie, wie dem Irrealitätsbeweis der Zeit, den Begriffen der A- und B-Reihe, Kants Zeitbestimmungen und der Kritik an McTaggarts Argumentation. Dabei werden wichtige Denker wie McTaggart, Kant, Dummett und Mellor sowie ihre jeweiligen Ansätze und Theorien beleuchtet.
- Arbeit zitieren
- Carmen Radeck (Autor:in), 2002, McTaggarts Irrealitätsbeweis der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/63467