Die Nutzung von Inline-Skates hat in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich zugenommen. Da sich ein Grossteil der Skater im öffentlichen Verkehrsraum bewegt und ein -wenn auch relativ kleiner- Anteil der Skater seine Skates zwischenzeitlich als reines Fortbewegungs- / Verkehrsmittel benutzt , war es unumgänglich die Inline-Skater einer bestimmten Verkehrsteilnehmergruppe zuzuordnen, um Rechtssicherheit sowohl für die Skater, als auch für die anderen Verkehrsteilnehmergruppen zu schaffen.
Die bisherige Rechtsprechung, welche unterschiedlichste Auffassungen vertrat, sowie das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofes in dieser Angelegenheit sollen in nachfolgender Seminararbeit dargestellt und kritisch betrachtet werden.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Ausmass der Nutzung von Inline-Skates / Unfallzahlen
2. Charakteristika der Fortbewegung
2.1 Geschwindigkeit
2.2 Breitenbedarf
2.3 Bremswege
3. Verkehrsrechtliche Einordnung von Inline-Skatern
3.1 Bisherige Rechtsprechung und Literaturmeinungen
3.1.1 Inline-Skater als FAHRZEUGFÜHRER
3.1.2 Inline-Skates als SPORT- UND SPIELGERÄT
3.1.3 Inline-Skates als BESONDERE FORTBEWEGUNGSMITTEL / Zuordnung zum FUSSGÄNGERVERKEHR
3.2. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2002
3.2.1 Begründung
3.2.2 Konsequenzen für das Verhalten der Inline-Skater
3.2.3 Konsequenzen für den Gesetzgeber
3.2.4 Rechtssicherheit contra Rechtszufriedenheit
II. Literatur-, Quellen- und Rechtsprechungsverzeichnis
Vorwort
Die Nutzung von Inline-Skates hat in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich zugenommen. Da sich ein Grossteil der Skater im öffentlichen Verkehrsraum bewegt und ein –wenn auch relativ kleiner- Anteil der Skater seine Skates zwischenzeitlich als reines Fortbewegungs- / Verkehrsmittel benutzt[1], war es unumgänglich die Inline-Skater einer bestimmten Verkehrsteilnehmergruppe zuzuordnen, um Rechtssicherheit sowohl für die Skater, als auch für die anderen Verkehrsteilnehmergruppen zu schaffen.
Die bisherige Rechtsprechung, welche unterschiedlichste Auffassungen vertrat, sowie das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofes in dieser Angelegenheit sollen in nachfolgender Seminararbeit dargestellt und kritisch betrachtet werden.
Villingen-Schwenningen im Juli 2002 Jörg Schlittenhardt
1. Ausmass der Nutzung von Inline-Skates / Unfallzahlen
Der Anteil der einzelnen Disziplinen des Inline-Skatings stellt sich wie folgt dar[2]:
- 80 % Fitness- und Freizeitskater
- 7 % Roll-Hockey-Spieler[3]
- 6 % Speed-Skater[4]
- 4 % Aggressive-Skater[5]
- 2 % Personen, die Skates als Verkehrsmittel nutzen
- 1 % Sonstige (Downhill, Dance, Offroad...)
Somit bewegen sich 82 % der Inline-Skater, nämlich die Fitness-/ Freizeitskater und jene, die ihre Skates als Verkehrsmittel nutzen, neben Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Fussgängern im öffentlichen Strassenverkehr auf Strassen, Wegen und Plätzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Jahre 2000 wurden bundesweit polizeilich 900 Verkehrsunfälle registriert[6], an denen Inline-Skater in folgender Verteilung[7] unfallbeteiligt
2. Charakteristika der Fortbewegung
Die Probleme der Zuordnung von Inline-Skatern zu einer bestimmten Verkehrsteilnehmerart basieren unter anderem auf der speziellen Charakteristik der Fortbewegung. Inline-Skater sind schneller als Fussgänger und haben einen grösseren Platzbedarf und längere Bremswege als Radfahrer. Ferner sind Inline-Skater in starkem Maß von der Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche abhängig, die möglichst eben und glatt sein sollte.[8]
2.1 Geschwindigkeiten
Die von ‚Normal-Inline-Skatern‘ erzielten Geschwindigkeiten liegen durchschnittlich bei etwa 15 – 20 km/h, bei Kindern bis 12 Jahren zwischen 10 und 13 km/h. Mit zunehmendem Fahrkönnen steigt auch die Geschwindigkeit, so können gute Skater durchaus Geschwindigkeiten von 30 km/h und mehr erreichen[9].
2.2 Breitenbedarf
Messungen ergaben, dass ca. 85 % aller Inline-Skater bei mittlerer Geschwindigkeit einen Breitenbedarf von 130 cm haben. Dieser Breitenbedarf schliesst den Bewegungsraum ein, in dem Arme und Oberkörper Bewegungen durchführen[10]. Sowohl bei höheren als auch bei niedrigeren (Gleichgewicht ist in langsamer Fahrt schwieriger zu halten) Geschwindigkeiten steigt dieser Breitenbedarf auf bis zu ca. 154 cm an.
Im Vergleich hierzu kommen 50 % aller Radfahrer mit 97 cm Bewegungsraum aus und 50 % aller Fussgänger mit 82 cm.
2.3 Bremswege
Beim Inline-Skaten gibt es verschieden Bremstechniken, die sich einerseits in der Effektivität und andererseits im zur Anwendung der Bremstechnik erforderlichen Fahrkönnen unterscheiden. Die beiden gängigsten Bremsmethoden[11] sind
a.) der Heel-Stop mit dem am Skate montierten Bremsgummi. Der Skate, an dem sich das Bremsgummi befindet, wird nach vorne geschoben und über die letzte Rolle nach hinten abgekippt. Nun wird durch Druckausübung auf das Bremsgummi eine Bremswirkung erzielt.
b.) der T-Stop, bei dem der hintere Skate quer im 90°-Winkel zum vorderen gesetzt wird und so die auf dem Boden schleifenden Rollen eine Bremswirkung erzielen.
Forschungen[12] führten zu nachfolgenden Bremswegen von Inline-Skatern bei verschiedenen Geschwindigkeiten:[8]
Im Vergleich hierzu benötigen ein Radfahrer im Schnitt 2,0 Meter und ein Pkw 1,2 Meter, um bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h anzuhalten.
3. Verkehrsrechtliche Einordnung von Inline-Skatern
3.1 Bisherige Rechtsprechung und Literaturmeinungen
3.1.1 Inline-Skater als FAHRZEUGFÜHRER
Der Begriff des Fahrzeugs wird in der StVO nicht legaldefiniert. Nach ganz herrschender Meinung ist ein Fahrzeug grundsätzlich jedes zur Ortsveränderung bestimmte Fortbewegungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern[14]. § 24(1) StVO nimmt verschiedene sogenannte besondere Fortbewegungsmittel (Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche Fortbewegungsmittel), die nach natürlicher Betrachtung Fahrzeuge sind, vom Fahrzeugbegriff im Sinne der StVO aus. Meinungen, die nun dahingehend tendieren, dass Inline-Skates Fahrzeuge sind[15], versuchen darzulegen, dass Inline-Skates keine ‚ähnlichen Fortbewegungsmittel‘ im Sinne des § 24(1) StVO sind, denn sonst wären sie ja als besondere Fortbewegungsmittel eben vom Fahrzeugbegriff ausgenommen. Das Oberlandesgericht Oldenburg begründet die Nicht-Zugehörigkeit von Inline-Skates zu den ‚ähnlichen‘ und somit besonderen Fortbewegungsmitteln folgendermaßen:[13]
[...]
[1] Nähere Ausführungen hierzu finden sich im Punkt 1. „Ausmass der Nutzung von Inline-Skates“.
[2] Quelle: Berichte der Bundesanstalt für Strassenwesen, Heft M 135, „Nutzung von Inline-Skates im Strassenverkehr“.
[3] Teamsport, ähnlich dem Eishockey, wird in eigenen Ligen professionell betrieben.
[4] Ähnlich dem Eisschnelllaufen, von verschiedenen Verbänden auf eigens dafür abgesperrten Strecken organisiert. Beim Speed-Skaten werden Geschwindigkeiten von teilweise über 50 km/h erreicht.
[5] Akrobatische Variante des Inline-Skatens, untergliedert in ‚street‘ (Sprünge und Fahrten über Treppen, Geländer, Mauern usw.) und ‚vert‘ (eigens gefertigte Parcours mit verschiedenen Hindernissen, wie z.B. Halfpipe, Funbox etc.)
[6] Zeitschrift „Fit for Fun“, Ausgabe 06/02, S. 80
[7] Berichte der BASt, Heft M 135, „Nutzung von Inline-Skates im Strassenverkehr“, S. 31
[8] Quelle der unter 2.1 – 2.3 aufgeführten Daten und Werte: Berichte der BASt, Heft M 135
[9] ein bei einer Kurzstrecken-Meisterschaft gemessener Spitzenwert eines Skaters lag bei 44 km/h.
[10] Die eigentliche durch das Nachaussendrücken der Skates zum Vorwärtskommen verursachte Spurbreite auf der Bodenoberfläche ist nur unwesentlich geringer.
[11] Eine zum Teil bebilderte Beschreibung aller Bremstechniken findet sich in „Richtig Fitness-Skating“, S. 59 -62
[12] Berichte der BAST, Heft M 135, S. 13
[13] vor dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 19.03.2002 (Punkt 3.2)
[14] LK/Rüth, StGB, 10. Aufl, § 316 Rn. 2; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl. § 315b Rn. 4
[15] Grams in: NZV 1997, S. 67, „(...) so daß sie als Fahrzeuge nicht auf den Gehweg gehören.“;
OLG Oldenburg im Urteil vom 15.08.2000, Az. 9 U 71/99: „(...) Die Klägerin befuhr die Straße mit einem Fahrzeug. Die Inline-Skates erfüllen die Definition des Fahrzeuges, es sind nämlich Gegenstände, die zur Fortbewegung auf dem Boden geeignet sind.“